Kapitel 14
In welchem man Lord Basmond mit augenscheinlicher Ernsthaftigkeit betrauert.
Er muss gestürzt sein“, erläuterte Sir George Spiggott.
„Ein bedauerlicher Unfall“, sagte Ali Pascha mit einem prüfenden Blick zu Sir George. Jane, die ihnen folgte und ihren Chiton an sich presste, trug einen ähnlichen Gesichtsausdruck.
„Was wird jetzt wohl aus der Auktion?“, fragte Prinz Nakhimov.
„Er hatte Knochen wie Zuckerstangen“, klagte Pilkins. Er kniete neben Lord Basmonds Leichnam. „Schon immer. Hat sich als Knabe dreimal den Arm gebrochen. Gott helfe uns, was nun? Er war der einzige mit ... will sagen ...“
„Der einzige mit den Plänen für das Levitationsgerät?“, bohrte Lady Beatrice nach. Pilkins sah verlegen zu ihr auf, ehe sein Antlitz sich vor Missbehagen verfinsterte. „Das reicht an bissigen Bemerkungen!“, donnerte er. „Ich lasse nicht zu, dass der Schutzmann Sie Pack hier vorfindet! Ich will, dass Sie nach unten gehen, alle Huren, sofort! Sie gehen da runter und sind still, wenn Sie wissen, was gut für Sie ist!“ Er wandte sich um, um Dora, die gerade in respektabler Kleidung aus der Küche kam, einen missvergnügten Blick zuzuwerfen.
„Wie Sie wollen. Wir gehen“, sagte sie, sah sich um und fügte hinzu: „Wo ist Maude?“
„Wo ist Graf de Mortain? Er kann nach diesen Schreien unmöglich weiterschlafen“, warf Prinz Nakhimov ein.
„Vielleicht sollte ich sie holen gehen“, schlug Lady Beatrice vor und begann, die Freitreppe zu erklimmen.
„Nein! Ich sagte doch, Sie sollen .... sollen ... oh, verfluchtes Schicksal“, protestierte Pilkins unter weiteren Tränen. „Gehen Sie, gehen Sie hoch und wecken Sie sie auf, und dann will ich Sie alle von hinten sehen!“
„Aber gerne doch“, erwiderte Jane und ging an ihm vorbei nach unten. Währenddessen hastete Lady Beatrice die grosse Freitreppe nach oben und unter den Augen der früheren Rawdons die Galerie entlang. Das Mondlicht war zwar inzwischen weitergewandert, doch Hellspeth Rawdon schien noch immer feenhaft zu leuchten.
Lady Beatrice klopfte zweimal an die Tür der Schlafkammer, die man dem Grafen de Mortain zugewiesen hatte, bekam aber keine Antwort. Schliesslich öffnete sie die Tür und linste hinein. Sie sah eine Kerze auf der Kommode und Maude, die allein im Bett lag und tief und fest schlummerte.
„Maude!“ Lady Beatrice lief in den Raum und rüttelte Maude an der Schulter. „Wach auf! Wo ist der Graf?’“
Trotz aller Anstrengungen seitens Lady Beatrice blieb Maude besinnungslos. Lady Beatrice schnupperte an den Resten in dem Weinglas, das sich auf dem Nachttisch befand, und hatte den Eindruck, einen medizinischen Geruch wahrzunehmen. In dem Raum fand sich kein Hinweis auf den Grafen de Mortain.
Als diese Geschehnisse der Gruppe im Erdgeschoss kolportiert wurden, rief Sir George Spiggott aus: „Es war der verdammte Froschfresser! Ich wette tausend Pfund, dass er Lord Basmond die Treppe hinuntergestossen hat.“
„Sie schicken besser gleich nach dem Schutzmann, statt bis morgen zu warten“, empfahl Ali Pascha Pilkins.
„Würde mir in der Zwischenzeit jemand helfen, Maude nach unten zu bringen?“, erkundigte sich Lady Beatrice. Prinz Nakhimov stellte sich zur Verfügung und trug Maude, die schlaff wie ein nasses Handtuch in seinen Armen hing, hinunter in die grosse Halle, von wo aus Lady Beatrice und Dora sie zwischen sich hinunter in die Küche schleppten.
„Wie unendlich peinlich“, bemerkte Jane, die beim Herdfeuer badete. „Wir sollten doch die Drogen einsetzen“
„Wir hätten damit rechnen müssen“, entgegnete Lady Beatrice grimmig. Sie trat an die Spüle und pumpte einen Eimer voll mit kaltem Wasser. „Ich vermute, der Graf hat sie chloroformiert und dann Lord Basmond ermordet, um das Gerät stehlen zu können.“
„Was?“ Jane hielt mitten im Einseifen inne. „Ich dachte, Lord Basmond sei die Freitreppe heruntergefallen.“
Dora erklärte ihrer Schwester, dass Lady Beatrice den Hausherren bereits tot in seinem Bett aufgefunden hatte, ehe man seinen Leichnam die Treppe heruntergestossen hatte. Jane kniff die Augen zusammen.
„Seid nicht zu sicher, dass der Graf der Mörder ist“, sagte sie. „Meiner hatte ausserordentlich schlechte Laune. Er hat’s nur einmal mit mir getrieben, grob und bäurisch. Hat immer wieder gesagt, es sei mein Glück, dass ich Engländerin wäre. Schliesslich kletterte er aus dem Bett und verliess den Raum. Ich fragte ihn, wo er hinwolle, und er antwortete, ich solle mich um meinen eigenen Kram kümmern. Er war keine zehn Minuten fort. Als er zurückkam, war er nicht mehr er selbst – leichenblass und zitternd. Ich tat, als schliefe ich, weil er mir auf die Nerven ging, aber er versuchte gar nicht, mich für eine weitere Runde aufzuwecken. Er wälzte sich etwa zwanzig Minuten neben mir hin und her, sprang dann aus dem Bett und rannte aus der Kammer. Diesmal war er nur etwa fünf Minuten verschwunden und sehr ausser Atem, als er zurückkam. Hüpfte ins Bett und zog die Decke über sich. Es schien nur ein kurzer Augenblick vergangen zu sein, als wir dich schreien hörten.“
„Hattest du je das Gefühl, er hätte innegehalten, um etwas im Raum zu verstecken?“, fragte Lady Beatrice, während sie den Inhalt des Eimers über Maude auskippte. Diese stöhnte und versuchte, sich aufzusetzen.
„Nein.“
„Er mag seine Lordschaft ermordet haben, aber das bedeutet nicht, dass er das Gerät entwendet hat“, warf Dora ein, die neben Maude hockte und ihr ein Fläschchen mit Riechsalz unter die Nase hielt. Maude hustete schwach und öffnete die Augen.
„Verdammt und zugenäht“, fluchte sie leise.
„Wach auf, meine Liebe.“
„Der Bastard hat mir was untergejubelt.“
„Ja, haben wir uns gedacht.“
„Wir hatten so viel Spass im Bett.“ Maude beugte sich vor und massierte ihre Schläfen. „So ein munterer Bursche – und so fröhlich. Allerdings hat er kein Geld. Sagte, er sei erfreut über eine Nacht mit freier Kost und Kopulation, aber er sei nicht in der Lage, auf das Schwebegerät zu bieten.“
„Hast du eine Ahnung, wo er hingegangen sein könnte?“
„Keine. Was ist passiert?“
Die anderen Damen gaben ihr einen kurzen Abriss der Ereignisse. Inmitten ihres Berichts schlurfte Mrs. Duncan, tränenumflort eine Kerze umklammernd, die Treppe herunter.
„Ach, es ist so grausam“, weinte sie. „Was soll nun aus uns werden – und die Basmonds! Was wird nur aus den Basmonds?“
„Scheiss auf die Basmonds“, antwortete Maude, die sich noch immer sehr krank fühlte.
„Wie kannst du es wagen, du Aas? Sie sind eine der ältesten Familien des Landes!“, wehklagte Mrs. Duncan. „Runiert! Alles ruiniert – und dann hat er auch noch den Treuhandfonds geplündert. Was soll nur werden?“ Sie sank auf einen Schemel und gab sich einem wütenden Weinkrampf hin.
„Treuhandfonds?“, erkundigte sich Lady Beatrice.
„Das geht euch verdammt noch mal nichts an. Es ist das Ende der Basmonds.“
„Gibt es denn keine Vettern, die alles erben?“, forschte Dora sachte nach.
„Nein“, schneuzte sich Mrs. Duncan, „und der arme Herr Arthur hat niemals geheiratet, weil er ... nun ja ...“
„Vom anderen Ufer war?“, wollte Jane wissen, während sie sich abtrocknete. Lady Beatrice zuckte zusammen, denn das war nicht gerade eine einfühlsame Bemerkung, doch Mrs. Duncans Kopf schoss ruckartig nach oben.
„Haben Sie in der Bibliothek herumgeschnüffelt? Dazu hatten Sie kein Recht.“
„Ich habe gar nicht geschnüffelt. Ich verstehe nicht, was Sie meinen“, antwortete Jane.
„In der Bibliothek gibt es dieses Buch“, sagte Mrs. Duncan. „Darin steht, in der Rawdon-Linie fliesse Feenblut. Der alte Sir Robert habe ein Mädchen entdeckt, das im Mondlicht auf dem Hügel auf der anderen Seite des Flusses sass, und sie habe einen Zauber auf ihn gelegt, und daher ... seitdem ....“ Ihre Stimme verlor sich in neuen Tränen.
„Was für eine rührende Geschichte“, unterbrach Lady Beatrice. „Nun, meine Liebe, entschuldigen Sie den Themenwechsel: Mir ist aufgefallen, dass sich das Levitationsgerät nicht mehr unter dem Kuchen befindet. Wissen Sie vielleicht, wo es geblieben ist?“
„Es ist nirgends geblieben“, antwortete Mrs. Duncan. „Ich habe das ganze hässliche Ding einfach, wie es war, in die Speisekammer geschoben. Wollen Sie sagen, das Gerät sei verschwunden?“