6

Als der Shuttle in der Schwerelosigkeit an den kristallinen Strukturen der Kristallwelt vorbeiglitt, bemerkte Reg Barclay, wie der Captain einen nachdenklichen Blick auf das Pilzstück im Glas richtete. Zwar war der Behälter luftdicht verschlossen, aber der Brocken darin hatte bereits eine hässliche braune Tönung gewonnen.

»Ich kenne einige Biologen und Chemiker an Bord des Schiffes, die das gern analysieren würden«, sagte Reg. »Glauben Sie, dass Tangre Bertoran ein kleines Stück davon vermissen würde?«

Der Captain lächelte. »Ja, ich glaube schon. Wir sollten vermeiden, dass er eine unvollständige Botschaft vom Gendlii bekommt.«

Reg dachte daran, den Inhalt des Glases mit Hilfe eines Replikators zu kopieren, verzichtete aber auf einen entsprechenden Vorschlag. Es lief zu sehr darauf hinaus, die Post einer anderen Person zu lesen.

»Wann erreichen wir das Ziel, Lieutenant Pazlar?«, fragte der Captain.

»In zehn Minuten«, antwortete sie. »Der dichteste Bereich der Kristallwelt liegt hinter uns, was mir die Möglichkeit gibt, die Geschwindigkeit zu erhöhen. Captain, würden Sie die Kontrollen übernehmen, wenn es Zeit wird, die künstliche Gravitation zu reaktivieren und im Hangar zu landen? Ich bin nicht sehr müde, aber vermutlich überfordert es meine Kraft, der Schwerkraft Widerstand zu leisten.«

»Natürlich«, entgegnete Picard. »Sie haben ausgezeichnete Arbeit geleistet, Lieutenant. Es würde mich wirklich freuen, wenn Sie Mitglied meiner Crew blieben, und sei es nur als Shuttle- Pilotin. Ihre anderen Talente könnten wir ebenfalls gut gebrauchen.«

»Danke, Sir«, sagte Melora. »Ich habe noch keine endgültige Entscheidung getroffen.«

Zehn Minuten später schwebte der Shuttle in den großen Hangar der Enterprise und Picard saß dabei an den zentralen Navigationskontrollen. Reg sah zu Melora und beobachtete, wie sie unter der reaktivierten künstlichen Gravitation litt. Schultern und Kopf neigten sich nach unten, während die Gliedmaßen den Eindruck erweckten, kleiner und dünner zu werden. Die Elaysianerin wirkte wie eine Blume, die immer mehr verwelkte. Reg hätte sie am liebsten umarmt und sie getröstet, aber er wusste auch, dass sie diesen Übergang nicht zum ersten Mal erlebte. Die Schwerkraft konnte nichts gegen Meloras Elan ausrichten, aber er belastete ihren Körper und veränderte ihre Persönlichkeit, und zwar nicht zum Besseren.

Warum in aller Welt liebte er eine Frau, die sich so sehr von ihm unterschied? Wenn sie versuchten, zusammen zu bleiben – wo sollten sie leben? Konnten sie gemeinsame Kinder haben? Wenn Melora auf Dauer zum Besatzungsmitglied der Enterprise wurde, so würde er sich darüber freuen, aber was bedeutete es für sie? Vielleicht gab es eine Möglichkeit für sie, sich physisch anzupassen, aber konnte sie unter solchen Umständen Glück finden?

Ganz plötzlich sah Melora auf und schenkte Reg ein strahlendes Lächeln, so als hätte sie seine Gedanken gelesen. Angesichts eines so verheißungsvollen und zärtlichen Lächelns zweifelte Reg nicht daran, dass sich alle Hindernisse überwinden ließen. Sie würden den Planeten retten – gemeinsam –, und anschließend konnte er sich auf sein Liebesleben besinnen. Dass er überhaupt ein Liebesleben hatte, war für Reg eine größere Leistung als die Rettung eines Planeten vor einem Dimensionsriss.

»Mr. Nordine«, sagte Picard, »Sie bleiben hier – ich lasse Sie von einer Medo-Gruppe aus der Krankenstation abholen. Lieutenant Pazlar, haben Sie Ihren Antigrav-Anzug bereit?«

»Er liegt hinten«, antwortete die Elaysianerin. »Ich ziehe ihn an, wenn Sie alle ausgestiegen sind. Wenn Sie nichts dagegen haben, Sir, suche ich mein Quartier auf und schlafe.«

»Verstanden. Und noch einmal: gut gemacht.« Der Captain öffnete die Luke, verließ den Shuttle und wurde von Commander Riker begrüßt. Troi schien noch immer mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt zu sein, als sie ihm folgte.

»He, Pilotin, offenbar sind wir vom gleichen Schlag!«, rief Nordine Melora zu. »Ein bisschen Gravitation und schon sind wir außer Gefecht gesetzt.«

»Das ist nur vorübergehend der Fall«, erwiderte Melora. Sie sah Reg an und lächelte. »Sie sollten besser dem Captain folgen.«

»Äh… ja… das sollte ich wohl.« Reg stand auf und fühlte sich ein wenig wacklig auf den Beinen nach dem langen Aufenthalt in der Schwerelosigkeit. Er ließ Melora nicht gern allein, aber sie hatte Recht – er musste in der Nähe des Captains bleiben, falls Picard ihn brauchte. Dennoch nahm er sich die Freiheit, auf dem Weg nach draußen die Hand der Elaysianerin zu ergreifen und kurz zu drücken. Sie erwiderte diesen stummen Gruß, drückte ebenfalls zu.

Im Hangar tauschten Picard und Riker die jüngsten Ereignisse aus und benutzten dabei eine besonders knappe Ausdrucksweise – nach vielen gemeinsamen Dienstjahren verstanden sie sich auch ohne viele Worte. Reg spitzte die Ohren, als sie zum nächsten Turbolift gingen, und es freute ihn zu hören, dass der Plan, die Kraftfelder der Schale von der Enterprise aus mit Energie zu versorgen, gute Fortschritte machte. In achtunddreißig Stunden sollte ein Test stattfinden.

»Befindet sich Tangre Bertoran derzeit an Bord?«, fragte Picard.

»Ja, er ist im Transporterraum Drei«, antwortete Riker. »Wir haben dort die künstliche Gravitation deaktiviert, um den Aufenthalt für Elaysianer angenehmer zu gestalten.«

»Gut. Ich habe eine Nachricht für ihn.« Picard hob das Glas mit dem braunen und sehr unappetitlich aussehenden Pilzstück.

»Das ist die Nachricht?«, fragte Riker skeptisch. »Vom Gendlii«, sagte Troi. »Es ist schwer zu erklären, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Wenn dies alles vorbei ist, müssen wir zu ihm zurückkehren.«

»Dagegen habe ich nichts einzuwenden.« Riker bedachte Deanna mit einem herzlichen Lächeln. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, eine Besichtigungstour durch die Kristallwelt zu unternehmen. Vielleicht kannst du mir den Planeten zeigen.«

»Gern.«

Fasziniert beobachtete Reg das Zusammenspiel zwischen Riker und Troi. Dieses Paar hatte über lange Zeit hinweg Höhen und Tiefen kennen gelernt, war aber trotzdem imstande, mit Zuneigung und gegenseitigem Respekt zusammenzuarbeiten. Inzwischen hatte sich ihre Liebe erneuert, aber selbst wenn sie irgendwann abkühlte – sie würden immer an ihrem Professionalismus festhalten.

Picard, Riker, Troi und Barclay betraten den Turbolift. Der Captain gab als Ziel den Transporterraum Drei an und klopfte dann auf seinen Insignienkommunikator. »Picard an Krankenstation.«

»Hier Crusher«, ertönte es aus dem Lautsprecher des kleinen Kom-Geräts. »Willkommen an Bord. Hattet ihr Erfolg?«

»Ja, bisher. Vielleicht können wir in einigen Stunden zusammen essen und bei der Gelegenheit erzähle ich dir alles. Bis dahin… An Bord des Shuttles, mit dem wir zurückgekehrt sind, befindet sich ein Zivilist, der deine Hilfe braucht.«

»Ein Elaysianer?«, fragte Crusher.

»Nein, ein Mensch. Wenn du wissen möchtest, wie er zur Kristallwelt kam… Das ist eine lange Geschichte. Seine Muskeln sind aufgrund des langen Aufenthalts in der Schwerelosigkeit atrophiert. Ich habe versprochen, dass du ihm hilfst.«

»In Ordnung. Ich werde dich an die Einladung zum Essen erinnern. Crusher Ende.«

Ein weiteres interessantes Paar, dachte Reg. Es ließ sich kaum feststellen, wie ernst sie es derzeit miteinander meinten, aber offenbar waren sie dafür bestimmt, zusammen zu sein. Vielleicht mussten sie beide ihren Dienst bei Starfleet quittieren, um sich ganz einander widmen zu können. Die Mühen und Probleme, mit denen es diese Paare zu tun hatten, bestärkten Reg in seiner Überzeugung, alle Schwierigkeiten in Bezug auf Melora überwinden zu können.

»Kommen Sie, Mr. Barclay?«, fragte Riker.

Reg schreckte aus seinen Überlegungen und stellte fest, dass die Tür des Turbolift offen stand. Bis auf ihn hatten alle die Transportkapsel verlassen. »Ja, Sir!«, sagte er hastig und trat vor.

Eine Sekunde später schwebte er wieder in Schwerelosigkeit und sah das strenge Gesicht von Tangre Bertoran. Vielleicht lag es an den V-förmigen Stirnhöckern, aber der Elaysianer erweckte immer den Eindruck, die Stirn zu runzeln. Nun, vielleicht gefiel es ihm nicht sonderlich, ein braun angelaufenes Stück vom Gendlii präsentiert zu bekommen.

»Das ist für mich?«, fragte Bertoran und betrachtete den Brocken im Glas. »Na schön.«

Ohne große Begeisterung brach er einzelne Bissen von dem Stück ab und kaute nachdenklich, bis er alles verspeist hatte. Der Elaysianer bekam glasige Augen und nickte mehrmals. LaForge und Riker beobachteten ihn mit großem Interesse; sie hatten diese ungewöhnliche Form der Kommunikation nie zuvor gesehen.

Nach einigen Sekunden blinzelte Bertoran und von einem Augenblick zum anderen war er wieder hellwach. Er griff nach dem grünen Kristall, der an seinem Hals schwebte, nahm ihn ab und reichte ihn Reg. »Herzlichen Glückwunsch. Jetzt sind Sie auch der Stellvertreter des Gendlii und ich habe keinen Zugang mehr zur höchsten Programmstufe der Schale.«

Reg wirkte bestürzt. »Ich, ich wollte nicht… ich meine, es war nicht meine Absicht, dass Sie…«

»Schon gut.« Bertoran winkte ab. »Das Programm hängt in einer Endlosschleife und deshalb lässt sich mit dem Zugriff darauf kaum mehr etwas anfangen. Wenn Sie so weitermachen, haben Sie bald alle Kristalle.«

»Darum geht es«, sagte Picard. Einige Minuten lang sprachen sie über die Vorbereitungen für den geplanten Test. Dann konnten die Angehörigen der Einsatzgruppe, unter ihnen auch der Captain, nicht länger über ihre Müdigkeit hinwegtäuschen.

»Ich glaube, wir überlassen Sie jetzt Ihrer Arbeit«, sagte Picard und gähnte »Mr. Barclay, Counselor Troi… Bestimmt brauchen Sie Schlaf ebenso dringend wie ich.«

»Ja, Sir.« Reg nickte erleichtert.

Im Turbolift betrachtete Picard interessiert die drei Kristalle an Barclays Hals. »Sind sie schwer?«

»Das sind sie, ja, Sir. Aber ich bin so froh, wieder Schwerkraft zu spüren, dass es mir überhaupt nichts ausmacht.«

Der Captain lächelte müde. »Ich schlage vor, Sie bringen die Kristalle zum Teile-Replikator des Maschinenraums. Replizieren Sie sie mit maximaler Auflösung und sorgen Sie dafür, dass die Originale in der Sicherheitsabteilung unter Verschluss kommen. Tragen Sie die Kopien. Selbst wenn sie nicht hundertprozentig exakt sind – niemand wird den Unterschied bemerken.«

»Ja, Sir«, erwiderte Reg betrübt. Es gefiel ihm nicht, Attrappen zu tragen, aber er verstand durchaus die Logik, die sich dahinter verbarg. Immerhin konnte ihm etwas zustoßen…

»Schauen Sie nicht so besorgt drein«, sagte Deanna. »Die Hälfte haben wir bereits hinter uns gebracht.«

»Ja, ich weiß«, murmelte Barclay. »Aber warum habe ich das Gefühl, dass die zweite Hälfte schwerer sein wird?«

Nach vier Stunden Schlaf und einer Tasse Tee fühlte sich Captain Picard erfrischt, betrat die Krankenstation und hielt nach Beverly Crusher Ausschau. Er fand die Ärztin im Therapiezimmer; sie kümmerte sich dort um Keefe Nordine, der auf einem Übungsfahrrad strampelte. Zumindest glaubte Picard, dass es sich um Nordine handelte, denn der Vagabund hatte gebadet, den Bart entfernt und sich das Haar auf eine vernünftige Länge schneiden lassen.

»Captain!«, rief Keefe Nordine erfreut. »Sehen Sie nur, wozu ich schon wieder imstande bin. Dr. Crusher meint, dass ich bald wieder völlig in Ordnung sein werde!«

»Nach einer langen, intensiven Therapie«, betonte Dr. Crusher. »Hallo, Jean-Luc. Du hast mir da einen interessanten Patienten gebracht. Er litt nicht nur an Muskelatrophie, sondern auch an Unterernährung, Skorbut, Rachitis und einigen anderen Krankheiten.«

»Das klingt ganz nach einem alten Seemann«, meinte Picard und lächelte.

Nordine verzog das Gesicht. »Ich hab’s immer für unmöglich gehalten, dass sich die Frills allein von den froschartigen Wesen ernähren können. Danke dafür, dass Sie mich da herausgeholt haben, Captain. Ich dachte, ein großartiges Abenteuer zu erleben, aber jetzt weiß ich, dass ich halb verrückt war. Wenn ich mich irgendwie erkenntlich zeigen kann… Bitte weisen Sie mich sofort darauf hin.«

»Freut mich, das zu hören, denn Sie sind tatsächlich imstande, uns zu helfen.« Der Captain wandte sich an Beverly. »Kann er zu Kristallwelt zurückkehren, Doktor?«

Die Ärztin dachte darüber nach. »Es wäre besser, wenn er hier bliebe. Die Folgen der schlechten Ernährung haben wir behoben und er hat bereits mit einer Behandlung begonnen, die neues Muskelgewebe bilden soll. Aber eine solche Behandlung hat nur dann einen Sinn, wenn er der Schwerkraft ausgesetzt bleibt.«

»Haben Sie irgendwelche Erfahrungen mit den Yiltern, Mr. Nordine?«, fragte Picard.

Der Abenteurer nickte. »Ja, ich bin in ihren Höhlen gewesen und habe einige Male mit ihnen gesprochen. Es sind friedliche Geschöpfe, die sich von Flechten ernähren.«

»Wie kommunizieren sie?«

»Sie können mit der Tastatur eines Computers umgehen«, sagte Nordine. »Sieht sehr seltsam aus. Die Yiltern sind die einzigen Bewohner der Kristallwelt, denen etwas an fremder Technik liegt. Wir haben bei ihnen einen alten Tricorder gegen Nahrungsmittel eingetauscht. Wenn Sie ihnen einen Besuch abstatten wollen, sollten Sie einige technische Spielereien mitnehmen.«

»Das sind genau die Informationen, die ich brauche«, erwiderte Picard. »Und deshalb möchte ich, dass Sie mich zur Yiltern- Enklave begleiten.«

»Kommt die hübsche Elaysianerin namens Melora mit?«

Der Captain beschloss, diese unverschämte Frage indirekt zu beantworten.

»Wir müssen zwei Einsatzgruppen losschicken, um alle Cheftechniker rechtzeitig zu erreichen.« Er erzählte kurz von der schnell zunehmenden Thoron-Strahlung, die in weniger als sechs Tagen alle Bewohner der Kristallwelt töten würde.

Nordine pfiff leise. »Das steckt also hinter den mutierten Kristallen… Kein Wunder, dass Sie und Ihre Leute sich solche Mühe geben.« Der verschmitzte junge Mann wandte sich an Dr. Crusher und lächelte. »Danke für Ihre bisherige Hilfe, aber ich schätze, ich muss Ihren ärztlichen Rat ignorieren. Captain Picard braucht mich.«

»Wenn Sie ein Besatzungsmitglied der Enterprise wären, könnte ich Ihnen befehlen, in der Krankenstation zu bleiben.« Crusher seufzte und machte sich eine Notiz auf ihrem Handcomputer. »Es schadet Ihnen nicht, in die Schwerelosigkeit zurückzukehren, aber dadurch verbessert sich Ihr Zustand auch nicht.«

Nordine zuckte mit den Schultern. »Ich nehme nur an dem Flug teil.« Er versuchte, vom Übungsfahrrad abzusteigen, was ihm offensichtliche Mühe bereitete.

»Nein, Sie bleiben hier und ruhen sich aus«, sagte der Captain und legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter. »Dr. Crusher und ich haben noch einige Dinge zu besprechen. Ich hole Sie ab, wenn es Zeit wird, mit dem Shuttle aufzubrechen.«

»Ich kümmere mich um ihn«, versprach Ogawa.

Nordine lächelte schelmisch, als er die Krankenschwester ansah. »Wie wär’s mit einer weiteren Massage?«

»Der Captain sprach von ausruhen«, erwiderte Ogawa scharf.

Picard führte Crusher aus der Krankenstation in den Korridor.

»Was haben wir zu besprechen?«, fragte die Ärztin.

»Ein Chateaubriand in meinem Quartier«, antwortete der Captain lächelnd. »Gerade genug für zwei. Es verlangt eigentlich einen guten Merlot, aber leider kann ich nur eine Flasche Apfelsaft bieten.«

»Mir wären auch ein Cheeseburger und ein Glas Wasser recht.« Crusher erwiderte das Lächeln liebevoll.

Dann gewann ihr Gesicht einen bittersüßen Ausdruck. »Du bist besorgt, nicht wahr?«

»Ja, das bin ich«, sagte Picard leise. »In Hinsicht auf den Riss gibt es so viele Dinge, über die wir nicht Bescheid wissen, und in gewisser Weise gilt das auch für die Kristallwelt. Ich möchte, dass du dir ein Bild vom Zustand der Counselor machst, bevor wir aufbrechen.«

»Ich habe getan, was ich kann, Jean-Luc. Dies ist nicht mein Spezialgebiet.«

»Sieh sie als Freundin, nicht als Ärztin. Während wir in der Kristallwelt unterwegs waren, schien mit ihr soweit alles in Ordnung zu sein, aber sie ist auch… anders. Oft wirkt sie… abgelenkt und geistesabwesend. Sie fürchtet, erneut den Verstand zu verlieren, und in dem Fall möchte sie zum Gendlii gebracht werden.«

»Das ist eine der intelligenten Spezies der Kristallwelt, nicht wahr?«

»Ja, ich erzähle dir beim Essen davon. Ein erstaunliches Geschöpf.« Picard nahm Crushers Arm und geleitete sie zum Turbolift. »Auf diesem Planeten gibt es Wesen, die nirgends sonst existieren, die nirgends sonst existieren könnten. Wir müssen die Kristallwelt retten – ihr Verlust wäre eine ungeheure Katastrophe.«

Nachdem sich die Tür des Turbolifts geschlossen hatte, drückte Crusher die Hand des Captains. »Lass uns zuerst essen. Man kann eine Welt nicht mit leerem Magen retten.«

»Oh, das fühlt sich wundervoll an!«, entfuhr es Melora Pazlar, als sie schwerelos zur Decke des Transporterraums Drei schwebte. Reg Barclay stapfte mit seinen Magnetstiefeln schwerfällig übers Deck und ruderte dabei mit den Armen.

»Ich dachte mir, dass es Ihnen hier gefallen würde!«, rief er und schnappte atemlos nach Luft.

»Hier arbeitet Tangre Bertoran mit LaForge und Data zusammen?« Es waren keine anderen Personen zugegen und deshalb flog Melora zur nächsten Konsole, um dort einen Blick aufs Display zu werfen. Ist es hier?, fragte sie sich. Dies war der wahrscheinlichste Ort, denn sie hätte ihn ohnehin aufgesucht, auch ohne Regs Einladung nach ihrer Schlafperiode.

Melora scrollte durch Starfleet-Prozeduren, Fachtexte und elaysianische Schemata, bis sie schließlich fand, was sie suchte – eine winzige Fußnote mit den Schriftzeichen des alten elaysianischen Alphabets. Sie sah kurz über die Schulter und stellte fest, dass Reg noch immer langsam durch den Raum stapfte. Rasch wählte sie die Fußnote aus und brachte sie auf den Schirm. Ihre Vermutungen bestätigten sich: Es war tatsächlich eine für sie bestimmte Nachricht.

»Wir haben einen guten alternativen Plan für den Fall, dass die anderen keinen Erfolg erzielen. Gehen Sie so vor, wie wir es besprochen haben. Unternehmen Sie nichts und warten Sie auf meine Anweisungen. Der Sakrale Protektor wird sich durchsetzen.«

Melora hörte, wie Regs Schritte näher kamen, und daraufhin löschte sie die kleine Fußnote. Der Peer wird wissen, dass ich sie gesehen habe. Sie spürte eine sehr unangenehme Mischung aus Furcht und Schuld. Diese Leute versuchten nur, der Kristallwelt zu helfen, doch sie übte Verrat an ihnen. Es waren Fremde, trotz ihrer guten Absichten. Sie verstanden nicht, was die Schale für die Bewohner der Kristallwelt bedeutete. Melora konnte sich ihre Deaktivierung einfach nicht vorstellen. Genauso gut hätte man Menschen auffordern können, ihre Meere austrocknen zu lassen, oder Vulkanier, ihre Wüsten zu terraformen. Die Schale war nicht nur eine Maschine, die Nahrung und Schutz gewährte, sie stellte auch eine Verbindung zur Vergangenheit dar. Sie war ein Geschenk der Uralten.

Es beschämte Melora zutiefst, Reg zu verraten. Wenn er es herausfand, würde er ihr nie wieder vertrauen, und sie konnte es ihm nicht verdenken. Ihr Verhalten mochte ernste Konsequenzen nach sich ziehen, aber nichts war so schlimm wie der Verlust von Regs Zuneigung-Gehorsamsverweigerung und Behinderung einer Mission konnten ihr zehn bis zwanzig Jahre Freiheitsentzug einbringen – eine kleine Zelle auf einem Planeten mit Schwerkraft. Dieser Gedanke war erschreckend genug, aber hinzu kam die Erkenntnis, gegen ihren Starfleet-Eid zu verstoßen. Erst in diesem Moment des Verrats begriff Melora, welche Bedeutung Starfleet inzwischen für sie gewonnen hatte.

Aber Starfleet ist nicht wichtiger als mein eigenes Volk und meine Heimatwelt. Starfleet ist nicht wichtiger als der Sakrale Protektor!

Meloras widerstreitende Empfindungen führten dazu, dass sie ganz plötzlich in Tränen ausbrach, und sie war überrascht, als Reg ihren schwerelosen Körper zu sich herumdrehte.

»Was ist los?«, fragte er besorgt.

»Ich… ich mache mir solche Sorgen«, log sie. »Wenn wir keinen Erfolg erzielen, gibt es nie Zeit für uns.«

»F-für uns?«, wiederholte er verblüfft und erfreut. Ungeschickt schlang er die Arme um Melora und sie umarmte ihn ebenfalls, klammerte sich regelrecht an ihm fest. Reg stand mit den Magnetstiefeln auf dem Deck und die Elaysianerin schwebte in der Schwerelosigkeit – es sah fast so aus wie eine Zeitung, die Windböen an einen Pfahl pressten. Und von jenem Wind fühlte sich Melora hin und her gerissen, in immer neue Richtungen gezerrt.

»Du weißt, welche Gefühle ich dir entgegenbringe«, brachte sie schluchzend hervor.

»Ich glaube schon«, antwortete Reg und es klang noch immer erstaunt. »Ich hätte nie zu hoffen gewagt, dass du genauso fühlst wie ich. Ich… ich liebe dich, Melora. Und wir werden einen Erfolg erzielen! Wir von der Enterprise haben schon des Öfteren in der Klamme gesessen. Wenn Captain Picard glaubt, dass es klappt, so klappt es auch.«

»Ich liebe dich ebenfalls, Reg«, brachte Melora hervor. Zumindest das stimmte.

Irgendwie fand sein Mund den ihren und ein vorsichtiger Kuss führte zu einer noch leidenschaftlicheren Umarmung. Im leeren Transporterraum Drei schmiegten sie sich aneinander, Reg ans Deck gefesselt, Melora schwerelos.

»Versprich mir, dass du mich immer lieben wirst, was auch immer geschieht«, bat die Elaysianerin.

»Ich werde dich immer lieben, ganz gleich was auch geschieht«, sagte Reg heiser.

Sie küssten sich erneut, hingebungsvoller diesmal, mit all der Leidenschaft, die sich seit dem Erreichen der Kristallwelt in ihnen aufgestaut hatte. Keiner von ihnen wusste, was als nächstes passieren mochte, aber in der Umarmung fanden sie Zuflucht vor dem Durcheinander und der Ungewissheit.

Melora legte den Kopf an Regs Schulter. »Am liebsten würde ich hier den ganzen Tag verbringen. Kannst du dem Riss, Captain Picard, Tangre Bertoran und allen anderen nicht einfach sagen, dass sie verschwinden sollen? Gibt es keine Flucht für uns?«

»Oh, ich möchte überhaupt nicht fliehen«, erwiderte Reg. »Vielleicht bleiben uns nur noch sechs Tage, aber sie sollen die glücklichsten in meinem Leben sein!«

Der Insignienkommunikator des Lieutenants piepste. Widerstrebend wich er ein wenig fort von Melora und klopfte auf das kleine Kom-Gerät. »Hier Barclay.«

»Hier spricht Data«, ertönte die Stimme des Androiden. »Captain Picard erwartet Sie in seinem Bereitschaftsraum. Ist Lieutenant Pazlar bei Ihnen?«

Reg grinste breit und drückte die Elaysianerin an sich. »O ja, das ist sie.«

»Bringen Sie sie mit. Data Ende.«

Der Lieutenant bedachte die Elaysianerin mit einem liebevollen Blick. »Keine Sorge, ich nehme sie überall mit hin.«

Melora umarmte ihn erneut und noch immer glänzten Tränen in ihren Augen. Sie glaubte, diesen wundervollen Mann, der sie liebte, nie verraten zu können. Doch ihr blieb keine andere Wahl, wenn sie nicht ihr eigenes Volk verraten wollte.

»Wirklich, es ist alles in Ordnung mit mir«, versicherte Deanna Troi, als sie und Beverly Crusher durch einen leeren Korridor zum Turbolift gingen.

Crusher runzelte die Stirn und gab sich möglichst streng. »Wobei es natürlich zu berücksichtigen gilt, dass ›in Ordnung‹ relative Bedeutung hat. Captain Picard macht sich Sorgen um Sie, und ich ebenfalls.«

»Nur weil ich einmal ausgerastet bin?«, erwiderte Troi fröhlich. »Warum sollte sich deshalb jemand Sorgen machen müssen?«

»Unter anderen Umständen wären Sie jetzt nicht mehr im aktiven Dienst«, warnte Beverly. »Aber der Captain hat Recht: Sie verfügen über eine besondere Beziehung zu diesem Planeten und seinen Bewohnern.«

Deanna nickte und in ihren Augen zeigte sich ein seltsamer Glanz, als sie sagte: »Was auch immer mit der Kristallwelt geschieht – es passiert auch mit mir. Unsere Schicksale sind miteinander verknüpft. Wer den Planeten angreift, greift auch mich an.«

»Wie bitte?«, fragte Beverly Crusher verwirrt.

Die Betazoidin blieb stehen und sah Crusher an, wobei der Glanz in ihren dunklen Augen noch intensiver wurde. »Seit dem ersten Traum, als mich die Botschaft der Lipuls erreichte, hat sich mein Geist geöffnet. Ich bin wie ein Empfänger, den ich nicht kontrollieren kann. Dort draußen gibt es ein anderes Wesen, das nicht zu den sechs intelligenten Spezies der Kristallwelt gehört, und es hat eine Verbindung zu mir geschaffen. Ich weiß nicht, woher es kommt – vielleicht aus dem Riss –, aber ich bin sicher, dass es zurückkehren wird.«

Diese Worte gefielen der Ärztin ganz und gar nicht. »Sie rechnen mit weiteren Wahnvorstellungen?«

»Nein, ich glaube, beim nächsten Mal werde ich imstande sein, das Wesen zu erkennen und ihm gegenüberzutreten«, sagte Troi voller Entschlossenheit. »Aber wenn ich erneut überschnappe… Bringen Sie mich zum Gendlii. Er ist meine einzige Hoffnung.«

Crusher schüttelte den Kopf und bedauerte, Troi nicht in der Krankenstation unterbringen zu können – der Captain brauchte sie. Vielleicht brauchte sie der ganze verdammte Planet. Die Counselor schien davon überzeugt zu sein.

»Dort ist der Turbolift.« Crusher deutete auf die Tür. »Bitte geben Sie gut auf sich Acht.«

»Denken Sie daran, was ich Ihnen gesagt habe.« Troi trat auf den Lift zu, dessen Tür sich vor ihr öffnete. »Ich bin nicht verrückt. Ich versuche nur, einen Kontakt herzustellen.«

»Das behaupten sie alle«, entgegnete die Ärztin und verzog das Gesicht.

Als die Tür des Turbolifts zuglitt, bedachte Deanna Beverly mit einem beruhigenden Lächeln und für einige Sekunden glaubte die Ärztin, dass mit Troi wirklich alles in Ordnung war.

Dann erwog sie die Möglichkeit, dass Deanna Recht hatte, dass auf der anderen Seite des Dimensionsrisses eine unbekannte Entität lauerte, die Träume schickte, um Kontakt mit anderen Selbstsphären aufzunehmen. Dieser Gedanke ließ sie schaudern. Die ganze Zeit über hatten sie gegen etwas gekämpft, das sie für eine Naturkatastrophe hielten, noch dazu eine, die kaum überraschte, wenn man die fragile Struktur der Kristallwelt berücksichtigte. Doch wenn es sich um einen Angriff handelte, so bedeutete er Krieg gegen einen Planeten der Föderation, möglicherweise sogar Krieg zwischen zwei verschiedenen Dimensionen, wobei der Riss eine wichtige Waffe darstellte. Und wenn die Entität auch ihre Träume beeinflussen konnte, so standen sie ihr hilflos gegenüber.

Crusher schüttelte den Kopf. Vielleicht begann sie bereits damit, eigene Wahnvorstellungen zu entwickeln. Alles um sie herum war so fremdartig, dass es schwer fiel, die Realität von Illusion zu unterscheiden. Die Kristallwelt erweckte den Eindruck, eigentlich gar nicht existieren zu dürfen, aber es gab sie. Die Sensoren reagierten nicht auf den Dimensionsriss, aber es gab auch ihn – er bombardierte sie alle mit dunkler Materie und Thoron-Strahlung. Die ganze Macht von Starfleet sollte eigentlich in der Lage sein, sie zu retten, aber Starfleet war hilflos. Nach dem Verlust der Summit würde die Flotte keine weiteren Schiffe ins Sonnensystem der Kristallwelt schicken.

Sie waren in einer völlig fremden Umgebung auf sich allein gestellt und mit einem Problem konfrontiert, das sie nur zum Teil verstanden. Deanna hatte sich verändert und sie alle hingen von einem unsicheren Techniker sowie einigen nichthumanoiden Lebensformen ab, die nur hier existierten. Sie hatten Captain Jean-Luc Picard und die Crew der Enterprise auf ihrer Seite, aber Crusher fragte sich, ob das genügte.

Sechs Personen waren anwesend und dadurch schien es eng zu werden im Bereitschaftsraum des Captains. Picard musterte die erwartungsvollen Gesichter von Deanna Troi, Data, Reg Barclay, Melora Pazlar und Keefe Nordine. Er verließ sich nicht gern auf einen Zivilisten wie Nordine, aber die Umstände erlaubten es ihm nicht, wählerisch zu sein. Der junge Mann trug Beinschienen und einen Antigrav-Anzug, der dem Pazlars ähnelte. Er schien einigermaßen mit der Gravitation fertig zu werden. »Danke, dass Sie so schnell gekommen sind«, begann der Captain. »Ich nehme an, Sie alle haben die Gelegenheit genutzt, zu schlafen und sich zu erfrischen. Inzwischen verfügen wir über die Kristalle von drei Cheftechnikern und es fehlen drei weitere. Da wir den Transporter nicht verwenden können und die Flugzeiten recht lang sind, habe ich beschlossen, zwei Einsatzgruppen zu bilden, jede mit einem eigenen Shuttle.«

Er deutete auf den Androiden. »Mr. Data und Mr. Nordine werden mich zur Enklave der Yiltern begleiten. Commander Troi, Lieutenant Barclay und Lieutenant Pazlar suchen den Cheftechniker der Lipuls. Alle zwei Stunden erstatten wir uns gegenseitig Bericht und anschließend treffen wir uns im Territorium der Alpusta. Ich rechne nicht mit Problemen, aber trotzdem halte ich den Einsatz von zwei Gruppen für besser. Commander Troi leitet die Gruppe Zwei.«

Picard wandte sich an Barclay. »Wenn Commander Troi irgendetwas zustößt, haben Sie das Kommando über Gruppe Zwei.«

»Ja, Sir!«, bestätigte Reg und klang noch eifriger als sonst.

Der ernste Blick des Captains glitt über die Gesichter der Anwesenden. »Ich brauche nicht extra darauf hinzuweisen, dass wir uns keinen Misserfolg leisten können. LaForge hat mir versichert, dass wir in der Lage sind, die Kraftfelder der Schale von der Enterprise aus mit Energie zu versorgen, doch wir brauchen alle sechs Kristalle, um die Schale zu deaktivieren.«

Barclay räusperte sich und hob zögernd die Hand. »Sollen… sollen wir die Kristalle mit Gewalt nehmen, wenn es notwendig ist?«

»Nein. Das ist ein weiterer Grund für den Einsatz von zwei Gruppen – wenn eine versagt, kann die andere einen weiteren Versuch unternehmen. Data hat bereits zwei Shuttles ausgerüstet und die notwendigen Koordinaten programmiert. Ich möchte in fünfzehn Minuten aufbrechen. Noch Fragen?«

Keefe Nordine hob die Hand. »Was machen wir, wenn wir dieses Problem gelöst haben? Kehren wir dann zur Erde zurück?«

Der Captain lächelte und klopfte dem jungen Mann auf die Schulter. »Keine Sorge, Mr. Nordine, ich werde dafür sorgen, dass Sie heimkehren können. Bis dahin habe ich Sie als zivilen Missionsspezialisten auf den Dienstplan gesetzt.«

Der Abenteurer strahlte. »Gut!«

»Wir sehen uns in fünfzehn Minuten im Shuttlehangar. Wegtreten.«

Deanna Troi kam sich wie das fünfte Rad am Wagen vor, als sie bemerkte, dass sich Barclay und Pazlar immer wieder ansahen, wodurch die Startvorbereitungen langsamer vorankamen. Wenn Captain Picard etwas von ihrer Liebesbeziehung geahnt hätte, wäre er vielleicht nicht bereit gewesen, sie beide der gleichen Einsatzgruppe zuzuweisen – um Ablenkungen zu vermeiden. Typisch Mann, etwas zu übersehen, das sich direkt vor der eigenen Nase abspielte.

Deanna hatte natürlich gewusst, dass Reg in Melora vernarrt war, und ganz offensichtlich erwiderte sie seine Gefühle. Die Frage lautete: Sollte sie in dieser Hinsicht irgend etwas unternehmen? Sowohl Reg als auch Melora spielten eine wichtige Rolle für die Mission – keiner von ihnen konnte ersetzt werden –, und eine Trennung hätte Barclay sicher sehr belastet. Lange Zeit hatte er auf ein solches Erlebnis gewartet und Deanna wollte ihm auf keinen Fall die Freude daran nehmen. Sie hätten einen besseren Zeitpunkt wählen können, aber Cupido schlug oft dann zu, wenn man es überhaupt nicht erwartete.

Nein, dachte Troi. Mir bleibt nichts anderes übrig, als die Anstandsdame zu spielen und das Beste zu hoffen. Beide waren Profis und für Melora stand zu viel auf dem Spiel, um sich ablenken zu lassen. Das hoffte Deanna jedenfalls. Was Reg betraf: Selbst unter den besten Umständen neigte er zu Gedankenlosigkeit und Meloras Präsenz schien sein Verantwortungsbewusstsein zu steigern. Ihre Kristallwelt- Mission hatte in ihm heldenhafte Eigenschaften zum Vorschein gebracht, die sich nur selten zeigten.

Nun, vielleicht regten sich ähnliche Bedenken in Reg und Melora. Möglicherweise erfüllte es sie mit Unbehagen, den Befehlen einer Counselor Folge leisten zu müssen, die vor wenigen Tagen halluziniert hatte.

Deanna glaubte, sich erholt zu haben, abgesehen vom Verlust ihrer Empathie. Sie konnte die Gefühle anderer Personen nicht mehr direkt wahrnehmen – sie war in diesem Zusammenhang wie Menschen auf Vermutungen angewiesen. Jetzt wusste sie, warum Menschen so oft gereizt und verärgert waren. Der Umgang mit anderen Personen fiel schwer, wenn ihre Empfindungen ein Rätsel blieben.

Die Counselor sah sich um und versuchte, ganz ruhig zu bleiben. »Reg, ich glaube, Sie sollten die Magnetstiefel im Schrank verstauen, bevor Sie darüber stolpern.«

»Ja, natürlich!«, erwiderte er fröhlich und ließ einen Schutzanzug fallen, um nach den Stiefeln zu greifen.

Melora schenkte ihm ein liebevolles Lächeln und wandte sich dann wieder ihren Instrumenten zu. »Commander Troi«, sagte sie, »wir sollten den Nährsträngen ins Innere der Kristallwelt folgen. Es dauert vielleicht etwas länger, aber dadurch vermeiden wir, zum falschen Kristall zu geraten. Es kann manchmal recht schwer sein, einen Lipul zu finden.«

»Gehen Sie nach Ihrem eigenen Ermessen vor«, erwiderte Troi. »Wenn wir die Enterprise verlassen haben, können Sie die künstliche Gravitation deaktivieren.«

»Danke, das weiß ich sehr zu schätzen.«

Der Kommunikator piepste und Captain Picards Stimme erklang. »Gruppe Eins an Gruppe Zwei.«

»Hier Troi«, meldete sich die Counselor vom Kopilotensessel aus.

»Wir sind startbereit. Wie ist Ihr Status?«

»Wir liegen etwa fünf Minuten hinter Ihnen zurück«, sagte Troi freundlich. »Brechen Sie ruhig auf, Sir. Wir treffen uns in der Alpusta-Enklave.«

»Denken Sie daran, sich alle zwei Stunden zu melden. Picard Ende.«

Deanna lehnte sich zurück, sah aus dem Fenster in den Hangar und beobachtete, wie sich das große Außenschott öffnete. Dahinter zeigte sich nicht etwa der Weltraum, sondern ein hellblauer Himmel mit einem Gittermuster, das von den Metallbändern der Schale stammte. Rechts stieg ein Shuttle auf, glitt der Öffnung entgegen und wurde dabei schneller. Data steuerte das kleine Raumschiff und draußen verwandelte es sich in einen Schemen, der zur Kristallwelt huschte.

Troi hoffte, dass ihr verspäteter Start kein Vorbote des Unheils war. Sie fühlte sich von einer seltsamen Beklommenheit erfasst.

Andererseits… Angesichts eines romantischen Liebespaars an Bord war ihnen das Schicksal vielleicht wohlgesinnt.