23
Zwei Monate nach
ihrer Rückkehr von Paris suchte Amber auf Roberts Drängen hin einen
hervorragenden Geburtshelfer in der Harley Street auf, der ihr
bestätigte, dass sie in der Tat schwanger war.
Sie hatte die
Arztpraxis verlassen und wollte gerade in den eleganten, von einem
Chauffeur gesteuerten Bentley steigen, den Robert ihr zur Verfügung
gestellt hatte, als sie beim Anblick einer Frau innehielt, die ein
paar Türen weiter aus einer anderen Arztpraxis kam. Obwohl die Frau
den Mantelkragen hochgeschlagen hatte und einen Hut mit Schleier
trug, der ihr Gesicht verdeckte, verriet ihr irgendetwas an ihrem
Gang, wer sie war.
»Louise.« Amber
spürte, wie die junge Frau erstarrte, als sie ihr die Hand auf den
Arm legte. »Dachte ich mir doch, dass du es bist.«
Hinter dem dünnen
Schleier wirkte Louises Gesicht blass, und ihre Augen waren
eingesunken. Ihr Arm fühlte sich dünn an, doch in ihren Augen
loderte immer noch die alte Feindseligkeit, an die sich Amber so
gut erinnerte.
»Und du hast
vermutlich auch gedacht, du könntest ein wenig herumprahlen,
nachdem ich derart in Ungnade gefallen bin und wohl nie mehr einen
Ehemann finde, vor allem jetzt nicht, was?«
Amber wusste nicht,
was sie sagen sollte. Sie hatte sich Louise ganz instinktiv
genähert, ohne an den Klatsch zu denken, den sie über sie und ihre
Beziehung zu George Ponsonby gehört hatte. Ganz gewiss hatte es
nicht in ihrer Absicht gelegen, mit ihrem eigenen unerwarteten
gesellschaftlichen Aufstieg zu prahlen.
Doch bevor Amber das
sagen konnte, fuhr Louise schon scharfzüngig fort: »Wie schlau von
dir, dich so vorteilhaft zu verheiraten, und wie dumm von mir, mich
so unvorteilhaft zu verlieben.«
Unwillkürlich
brachten Louises Worte eine Saite in Ambers Herz zum Erklingen, und
sie musste überrascht feststellen, dass Louise ihr tatsächlich
leidtat. Sie klang so besiegt, so niedergeschlagen, so ganz anders
als das arrogante, selbstbewusste Mädchen von früher.
»Ich bin auf dem Weg
nach Hause«, sagte sie aus einem Impuls heraus. »Komm doch mit,
dann können wir richtig reden.«
Louise fuhr sofort
die Krallen aus. »Richtig reden? Worüber denn?«
»Wir waren zwar
nicht die engsten Freundinnen, Louise, aber wir haben zusammen
debütiert, und das hat doch sicher etwas zu bedeuten«, meinte Amber
ruhig.
Zu ihrer Bestürzung
füllten sich Louises Augen mit Tränen. »Jetzt kannst du das noch
sagen, aber wenn die Wahrheit herauskommt, was früher oder später
passiert, willst du mich auch nicht mehr kennen. Niemand will mich
dann noch kennen, nicht mal meine eigene Mutter. Natürlich kann ich
Ausreden erfinden und mich eine Zeit lang irgendwo aufs Land
zurückziehen, aber damit werde ich niemanden täuschen.
Gesellschaftlich bin ich am Ende, und sicher finden alle, es
geschieht mir ganz recht. Ich hatte gehofft, dass ich mich irre und
die Anzeichen missdeute, aber das war wohl nicht der Fall.Wie der
gute Doktor mir eben erklärt hat, kann ich das Paket, das ich
trage, bald nicht mehr zurückschicken, und da die Kosten dieser
Rücksendung, wie er es so schön ausgedrückt hat, weitaus höher sind
als alles, was ich mir leisten kann, bleibt mir nichts anderes
übrig, als die Folgen meiner Dummheit zu tragen.«
Louise zitterte und
weinte jetzt, und Amber konnte es ihr nicht verdenken. Schließlich
wusste sie nur allzu gut, wie sie an ihrer Stelle empfunden hätte
und wie knapp sie selbst diesem Elend entronnen war. Ihre alte
Abneigung wich einem Gefühl der Solidarität.
»Steig ein«, wies
sie Louise an und duldete keinen Widerspruch. Sobald Louise neben
ihr im Bentley saß, trug Amber dem Fahrer auf: »Zur National
Gallery, Harris.«
»Was um alles in der
Welt sollen wir denn da?«
»Dort können wir
reden, ohne dass uns jemand belauscht«, erklärte
Amber.
Mehr als vier
Stunden blieben sie dort, doch egal, welche Vorschläge Amber ihr
machte, Louise beharrte störrisch darauf, dass sie das Kind, das
sie unter dem Herzen trug, abtreiben wollte.
»Verstehst du denn
nicht? Wenn ich weiterhin in der Gesellschaft akzeptiert werden
will, ist das meine einzige Chance. Ohne einen Ehemann, der dem
Kind einen Namen gibt, kann ich es nicht bekommen.«
Amber dachte an das
Kind, das in ihr heranreifte, und hätte am liebsten
geweint.
»Aber es muss doch
einen Weg geben … irgendjemanden …«
»Nein, es gibt
keinen Weg, und der einzige Jemand, der mir helfen kann, ist der
Arzt, der aber erst tätig wird, wenn ich ihm hundert Pfund in die
Hand gedrückt habe.« Sie lachte freudlos. »Leider habe ich nicht
die geringste Ahnung, wie ich so einen Betrag auftreiben soll. Ich
jedenfalls habe nicht so viel Geld. Und George Ponsonby, der mir
eigentlich helfen sollte, hat seine Dienstboten angewiesen, mich
nicht mehr vorzulassen, und meine Briefe oder Anrufe beantwortet er
auch nicht. Außerdem steht der gute Georgie-Boy kurz davor, seine
Verlobung mit einer reichen Kaufmannstochter bekannt zu
geben.«
»Aber er trägt dir
gegenüber doch eine Verantwortung«, protestierte
Amber.
»Er findet das
nicht; ich glaube, er meint, ich sollte den ehrenwerten Ausweg
wählen und nicht nur das Kind, sondern mich gleich mit dazu
umbringen.«
Amber wurde
speiübel, und das nicht nur wegen Louises Bericht. Auch der bleiche
Geist von Caroline Fitton Leghs tragischem Ende spukte durch ihre
Gedanken.
In Louises Augen
sammelten sich frische Tränen. »Ich würde ja das Familiendiadem
verpfänden, doch das ist längst eine Fälschung; das echte wurde
verkauft, damit mein Vater seine Spielschulden bezahlen
konnte.«
Sie waren bei dem
Bildnis von Lorenzo angelangt, vor dem Amber Robert kennengelernt
hatte. Automatisch blieb sie stehen, um es zu betrachten. Würde sie
sich nach allem, was sie jetzt wusste, anders verhalten, wenn sie
die Uhr noch einmal zu jener ersten Begegnung mit Robert
zurückdrehen könnte? Würde sie ihn stehen lassen? Beth hätte sie
trotzdem wieder getroffen, und dadurch wäre es auch auf jeden Fall
zu der Begegnung mit Jean-Philippe gekommen. Robert war ihr Retter,
nicht ihr Feind. Ohne ihn wäre ihre Situation genauso schlimm wie
Louises, wenn nicht noch schlimmer.
»Wie ich sehe,
langweile ich dich«, erklärte Louise beleidigt.
»Nein, gar nicht«,
entgegnete Amber wahrheitsgemäß. »Ich habe mir nur gerade gewünscht
…«
»Was denn?
Überhaupt, warum solltest du Mitgefühl mit mir haben? Beth hätte
sicher keines.«
Darauf wusste Amber
nichts zu erwidern; sie konnte weder Louises Kommentar über Beth
abstreiten, noch konnte sie erklären, warum sie sehr wohl Mitgefühl
mit ihr empfand.
»Es muss doch einen
anderen Weg geben.«
»Was für einen
anderen Weg? Die Leute zerreißen sich doch jetzt schon das Maul
über mich.Wenn ich jetzt auch noch eine Weile verschwinde – selbst
wenn es einen Ort gäbe, an den ich mich zurückziehen könnte -,
könnte ich genauso gut eine Anzeige in die Klatschkolumne der
Times setzen«, fuhr Louise verzweifelt
auf.
»Ich gebe dir das
Geld.«
Louise wurde
kreidebleich und hielt sich an einem Stuhl fest, um sich
abzustützen. Sie war so schockiert, dass Amber keinen Zweifel daran
hatte, dass sie ein solches Angebot weder erwartet noch darauf
spekuliert hatte.
»Du? Warum solltest
du so etwas für mich tun?«
Louise wirkte, als
würde sie jeden Moment zusammenbrechen.
Amber ergriff ihre
Hand, die Louise ihr kraftlos überließ. Eiskalt fühlte sie sich an.
Natürlich konnte sie Louise unmöglich erklären, warum sie so mit
ihr fühlte, konnte ihr nicht sagen, dass ihre Verzweiflung ihr erst
richtig bewusst machte, was für ein Glück sie selbst gehabt hatte.
Beinahe hätte sie dasselbe Schicksal erlitten wie Louise – wie
hätte sie da ihre Vergangenheit, ihre frühere Feindschaft nicht
beiseiteschieben und ihr helfend die Hand entgegenstrecken
können?
»Ich bekomme von
Robert ein sehr großzügiges Taschengeld, aber ich trage keine
großen Summen bei mir. Ich brauche ein paar Tage, um alles zu
organisieren. Komm doch einstweilen mit zu uns und wohne bei uns.
Wir könnten jetzt bei deiner Mutter vorbeischauen, ich könnte sie
bitten, dass sie dich mir ein paar Tage überlässt, damit du mir
Gesellschaft leistest. Aber zuerst sollte ich dir, glaube ich,
sagen, dass ich selbst ein Kind erwarte. Wenn du der Ansicht bist,
mein Zustand mache die Situation für dich schwer erträglich
…«
»Was ich schier
unerträglich finde, ist der Gedanke, dass ich je so dumm war zu
glauben, George Ponsonby könnte mich lieben. Ich bin kein
mütterlicher Typ, Amber, und werde es nie sein. Selbst wenn
sämtliche Frauen in London ein so genanntes freudiges Ereignis
erwarteten, würde das an meiner Haltung nicht das Geringste ändern.
Ich will vor allem von diesem … diesem elenden Ding befreit werden, das mein Leben zerstören
könnte.«
Louise war oben im
besten Gästezimmer und ruhte sich aus, während Amber unten mit
Robert in der Bibliothek saß. Sie hatte sich entschlossen,
vollkommen ehrlich zu ihrem Ehemann zu sein.
»Du willst
tatsächlich einer Frau helfen, die sich dir gegenüber damals so
schäbig verhalten hat?«
»Ich muss immer
daran denken, wie leicht ich mich in derselben Lage hätte
wiederfinden können wie sie, Robert, wenn du nicht gekommen wärst
und mich gerettet hättest. Ich wünschte nur, ich könnte mehr für
sie tun.« Sie legte die Hand auf ihren immer noch flachen Bauch,
als wollte sie das Leben schützen, das in ihr heranwuchs. Tränen
stiegen ihr in die Augen.
»Ich lasse nicht zu,
dass du dich wegen dieser Sache aufregst«, sagte Robert. »Und du
darfst dich nicht mit Louise vergleichen. Sie wusste von Anfang an
ganz genau, worauf Ponsonby es abgesehen hatte. Meiner Meinung nach
hat sie sich ihr Unglück ganz allein selbst
zuzuschreiben.«
»Ich muss ihr
helfen, Robert.Wenn nicht, würde es mir ewig auf der Seele liegen.
Ich wollte nur, ich könnte irgendwie verhindern, dass sie
…«
»Das kannst du nicht
verhindern«, erklärte Robert entschieden. »Die Leute reden schon.
Dank ihrer Indiskretion weiß alle Welt von der Affäre, schließlich
hat sie überall damit herumgeprahlt. Schon deswegen wird man ihr
nicht verzeihen.Wenn sie jetzt verschwände, würde das die
Verdächtigungen nur bestätigen. Ich komme für alle Kosten auf«,
fuhr er fort. »Und ich werde Erkundigungen einziehen, damit sie die
bestmögliche medizinische Versorgung bekommt. Es gibt gewisse hoch
qualifizierte Chirurgen, die Frauen bei den verschiedensten
Frauenleiden operieren – privat. Da du so erpicht darauf bist, ihr
zu helfen, wäre es vielleicht gut, wenn ihr zwei für ein paar
Wochen nach Osterby fahrt. Sie wird sich in aller Ruhe erholen
müssen, und wir können verbreiten, man habe dir aufgrund deines
Zustands geraten, dich auszuruhen.
Aber danach muss
Louise eigene Pläne machen und ihr eigenes Leben führen, Amber.
Leute wie sie ziehen Schwierigkeiten an, und sie wird sich nie ganz
von den dunklen Seiten des Lebens fernhalten können. Ich lasse
nicht zu, dass sie dich damit besudelt. Ich brauche dir hoffentlich
nicht zu sagen, dass du Louise nichts von deiner eigenen Geschichte
erzählen darfst.«
»Nein, natürlich
nicht. Ich werde es überhaupt niemandem erzählen«, versicherte ihm
Amber.
Sie war ihm
unendlich dankbar, doch es verstörte sie, zu sehen, wie dünn und
empfindlich die Sicherheitsleine war, an der sie gehalten
wurde.
Wie Seide. Aber
Seide war auch unglaublich stark, genau wie sie es sein musste –
wie sie sein würde -, um ihr Kind zu
beschützen. Stark wie Seide.
So stark wie das
Kind, das in ihr heranwuchs. Jean-Phi lippes Kind.Wenn es ein Junge
wurde, würde er den kühnen Piratenlook seines Vaters erben? Würde
er seine künstlerischen Gaben mitbekommen, seinen Charme und seine
Grausamkeit?
Sie durfte nicht so
denken. Das Kind, das sie in sich trug, sollte Roberts Kind sein,
um seinetwillen noch mehr als um ihretwillen musste sie es als
Roberts Kind ansehen, als Kind ihrer Ehe.
Ein Kind ihrer Ehe?
Wenn sie gar nicht wie Mann und Frau zusammenlebten? Wenn sie ihre
Nächte allein und einsam in einem Ehebett verbrachte, das sie nie
mit dem Mann teilen würde, der ihr Gatte war? Das sie nie mit einem
Mann teilen würde. Denn das durfte nicht sein. Ein solches Risiko
durfte sie nie wieder eingehen, sie kannte schließlich den
Preis.
Sie musste stark
sein und den Preis zahlen, den das Leben ihr
abverlangte.
Robert wäre
verärgert, wenn er erführe, dass sie sich bereit erklärt hatte,
Louise zu begleiten, das wusste Amber, als sie durch einen
Seiteneingang in das Haus in der Harley Street eilten. Aber Louise
hatte sie angefleht.
Drei Wochen war es
nun her, seit Louise Amber ihre schreckliche Lage gebeichtet
hatte.
Amber spürte, wie
heftig Louise zitterte, während sie sich an ihrem Arm
festklammerte. Eilig wurden sie durch eine Tür gebeten, die rasch
hinter ihnen verschlossen wurde, und dann ging es eine Treppe
hinauf in einen kleinen Raum, in dem es stark nach Karbol
roch.
Eine
Krankenschwester erschien, um Louise mitzunehmen, die inzwischen
kreidebleich war vor Angst.
»Wenn du es dir noch
einmal anders überlegen willst …«, begann Amber.
Doch Louise
schüttelte den Kopf. »Ich will es nur hinter mich
bringen.«
»Wie lange wird es
dauern?«, erkundigte sich Amber bei der
Krankenschwester.
»So lange es eben
dauert.« Die Krankenschwester presste missbilligend die Lippen
zusammen.
Louise war seit
beinahe einer Stunde weg, als die Tür zum Wartezimmer aufging und
zwei junge Frauen hereinplatzten, stark geschminkt und in zu engen,
zu bunten Kleidern. Die Empfangsdame hatte offensichtlich versucht,
sie aufzuhalten, doch vergebens. Zwischen sich stützen die beiden
Frauen ein junges Mädchen, das sich kaum aufrecht halten
konnte.
»Sie können da nicht
rein«, protestierte die Empfangsdame. »Und wer zum Teufel soll uns
daran hindern? Sie ja wohl nicht. Sie sehen doch, in was für einem
Zustand sie ist. Wenn der Doktor sich nicht bald um sie kümmert,
kratzt sie uns noch ab. Er sollte mal lieber nach ihr schauen,
schließlich hat er das alles verbrochen.«
»Was ist hier los?«
Die Krankenschwester kam herbeigeeilt, den Mund zu einem dünnen,
harten Strich zusammengekniffen. Im nächsten Augenblick jedoch
zeigte sich Besorgnis in ihrer Miene, und sie fragte: »Was macht
sie denn hier? Wir haben ihr doch gesagt, sie soll im Bett
bleiben.«
»Aye, wenn sie das
gemacht hätte, wär sie inzwischen tot. Gepfuscht hat er, und das
nicht zu knapp, sie muss versorgt werden, und zwar ein bisschen
zackig. Sie blutet wie ein angestochenes Schwein.«
Hinter der
verschlossenen Tür erhob sich ein schriller Schrei, bei dem Amber
die Nackenhaare zu Berge standen.
»Wie es sich anhört,
schlachtet er grade eine andere ab. Na, hoffentlich hat die mehr
Glück als unsere arme Maria. Uns hat man ja gesagt, er wäre der
Beste, den man kriegen kann. Wahrscheinlich hätten wir im East End
jemanden finden können, der es zum halben Preis gemacht hätte, und
dazu noch ordentlich.«
»Sie können nicht
hierbleiben. Sie müssen sie ins Krankenhaus bringen.«
»Wie, damit sie von
da gleich ins Kittchen kommt? Sie bleibt hier, und wenn er nicht
will, dass sie auf seinem Teppich stirbt, sollte er sich lieber mal
rausbequemen, um sie sich anzuschauen.«
»Wenn ich du wär,
Liebchen, würd ich mich schleunigst verdrücken, bevor er mir
dasselbe antut«, warnte die andere Frau Amber.
Eine weitere
Krankenschwester erschien. Sie kümmerte sich um das arme Mädchen.
Der Geruch im Zimmer löste in Amber heftigen Brechreiz
aus.
»Ihre Freundin kann
jetzt gehen, wenn Sie bitte mitkommen wollen«, sagte die erste
Krankenschwester zu Amber und bedeutete ihr, ihr zu
folgen.
Im Zimmer hinter der
verschlossenen Tür lag Louise auf einem Bett. Ein Laken bedeckte
sie. Es roch nach Blut und Erbrochenem.
»Sie muss nach Hause
und sich ausruhen.«
Amber nickte. Neben
dem Bett stand ein Eimer. Abwesend sah sie hinein, und bei dem, was
sie sah, überkamen sie Entsetzen und Übelkeit. Sie zitterte am
ganzen Körper, und sie fühlte Todesangst und
Seelenqual.
»Kommen Sie«, hetzte
die Krankenschwester Louise. »Hier können Sie nicht
bleiben.«
Das Leben, das man
Louise entrissen hatte, lag reglos in dem Eimer, ein Klumpen aus
Fleisch und Blut.
Amber wollte den
Blick abwenden, aber irgendwie konnte sie nicht. Schmerz und
quälende Schuldgefühle erfüllten sie wegen dieses Lebens, das
zerstört worden war. An Louises Stelle hätte sie es nicht ertragen,
ein Kind töten zu lassen, und doch hätte sie ohne Robert vielleicht
nicht nur das Leben ihres Kindes beenden müssen, sondern auch ihr
eigenes. Ambers Gesicht war tränennass.
Sie legte die Hand
auf ihren Bauch, fest entschlossen, das in ihr heranwachsende Leben
zu schützen und diesem entsetzlichen Ort so schnell wie möglich zu
entfliehen.