Kapitel 19
Max ist bewusst, dass unser letztes Mal nicht so befriedigend für mich war wie das erste. Der Ausdruck in seinen Augen macht mir klar, dass er fürchtet, er sei daran schuld, weil er mit seinem Gerede von einem Baby etwas in unserer Beziehung zerstört hat.
Ich kann ihm nicht die Wahrheit sagen. Ich kann ihm nicht sagen, dass er überhaupt nichts dafür kann, was da passiert ist. Die Versuchung, von ihm zu trinken, hätte mich beinahe überwältigt. Ich kann es nicht fassen, wie kurz ich davor stand, es tatsächlich zu tun.
Ich will jetzt nicht darüber nachdenken, und ich will das Schicksal nicht noch einmal herausfordern. Stattdessen erzähle ich ihm lächelnd, ich sei müde. Was auch stimmt. Und dass alles nach einer erholsamen Nacht gleich ganz anders aussehen würde. Was hoffentlich stimmt.
Er steht auf und geht ins Bad, um sich die Zähne zu putzen. Ich breche auf dem Bett zusammen und warte, bis er fertig ist. Das Bad mit jemandem zu teilen, geht nicht mehr – vor allem kein Bad mit so großen Spiegeln. Nicht, wenn man ein Vampir ist. Als das Telefon klingelt, ist es kurz nach zehn.
Es ist meine Mutter. »Habe ich dich geweckt?«, fragt sie besorgt.
»Nein. Ich habe mich nur schon hingelegt – ein bisschen ausruhen. Wie war euer Essen mit Carolyn?«
»Sie ist nicht gekommen.« Moms Stimme drückt eine Mischung aus Gereiztheit und Sorge aus. »Wir haben versucht, sie anzurufen, aber sie hat nicht abgenommen. Warum sollte sie uns einfach versetzen? Dieses Abendessen war schließlich ihre Idee.«
Nach allem, was ich heute über Carolyn erfahren habe, überrascht mich nichts mehr. Meiner Mutter sage ich: »Vielleicht musste sie zu einem Notfall ins Krankenhaus und hatte keine Zeit mehr, euch zu benachrichtigen. Ich sehe sie morgen. Dann frage ich sie, was passiert ist.«
»Ich habe deine Nachricht von heute Nachmittag bekommen«, fährt Mom fort. »Deshalb hatte ich gar nicht erwartet, so bald von ihr zu hören. Ihre Einladung zum Essen war eine echte Überraschung.« Kurze Pause. »Gibt es etwas Neues von Trish?«
Das gehört zu den Dingen, die ich am meisten verabscheue – Menschen, die ich liebe, belügen zu müssen. Es wird nicht leichter, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das je ändern wird. Aber ich kann noch niemandem erzählen, was ich herausgefunden habe, schon gar nicht meinen Eltern. »Ich rechne damit, dass ich bald etwas erfahren werde, Mom. Bitte mach dir keine allzu großen Sorgen. Wie kommt Dad denn mit all dem zurecht?«
Sie zieht scharf den Atem ein. »Nicht gut. Er benimmt sich, als würde er Carolyn nicht glauben, dass Trish tatsächlich von Steve ist. Aber ich sehe ihm an, dass er eine Todesangst um das Mädchen hat.« Da fällt mir etwas ein. »Mom, hat Carolyn Trishs Bürste bei euch gelassen?«
Wieder eine Pause. Im Geiste sehe ich meine Mutter vor mir, die ins Wohnzimmer geht und sich suchend umschaut. »Ja«, sagt sie schließlich. »Hier ist sie.«
»Ich hole sie morgen ab. Ich glaube, wir sollten diesen Gentest machen lassen. Du hast doch einen von Steves Milchzähnen aufgehoben, oder? Ich erinnere mich, dass ich ihn irgendwo gesehen habe.«
Ihr Lachen ist kurz und traurig. »Ich habe auch einen von deinen. Den ersten, der dir ausgefallen ist.«
Ich lasse einen Augenblick verstreichen, bevor ich erwidere: »Würdest du mir Steves Zahn heraussuchen? Ich glaube, davon können sie auch eine DNS-Probe nehmen.«
Mom braucht lange für ihre Antwort. Aber schließlich sagt sie mit leiser, fester Stimme: »Ich lege dir die Sachen auf den Esszimmertisch, falls wir nicht da sein sollten, wenn du kommst. Morgen wird in der Schule wieder ganz normal unterrichtet, und ich fürchte, das wird ein langer Tag.«
Ich verspreche, mich bei ihr zu melden, dann legen wir auf. Max schlüpft neben mir ins Bett, und wir kuscheln uns unter der Decke aneinander. Er schläft zuerst ein, und ich winde mich aus seinen Armen und starre an die Decke, während ich darauf warte, dass der Schlaf meine schreckliche Sorge um ein Mädchen dämpft, das ich erst seit heute kenne, nicht einmal einen ganzen Tag.