Mittelblau/Marienblau: Ruhige Vertiefung

Weite   Mit Blau kommt Ruhe, Frische und Tiefe in die Farbpalette. Man assoziiert fast immer den Himmel oder das Meer mit Blau, und die Farbe selbst wirkt ebenso kühl und bodenlos. Blau erstreckt sich allerdings nicht nur in die Tiefe, sondern flüchtet sich in jede Richtung: Leichtes Blassblau verliert sich in der kühlen Luft des Himmels, mittleres Blau zieht sich in die Ferne des Horizonts zurück, und ein schweres Dunkelblau sinkt tatsächlich in die Tiefe. Blau ist die Farbe der Weite und Distanz. Sie weicht vom Betrachter zurück und strahlt dabei nichts Einladendes aus. Sie sucht nicht die Nähe wie die warmen Farbtöne, sondern entzieht sich vielmehr in weit entlegene Bereiche, in die man nicht folgen kann. Blau ist das große Nichts: nicht greifbar, flüchtig, zurückweichend.

Flüchtig und sich entziehend   In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass sich der Farbname Blau sprachgeschichtlich vielerorts erst spät entwickelt hat. Die alten Römer beispielsweise kannten kein Wort für Blau, und einige Sprachen unterscheiden nicht zwischen Grün und Blau, sondern verwenden beide Farbnamen synonym.17 Genauso bezeichnen die Isländer sämtliche Nuancen zwischen Schwarz und Blau mit einem einzigen Wort. All dies unterstreicht nur das schwer Bestimmbare, das kaum Greifbare, das Blau umgibt. Im Fall der isländischen Sprache wird Blau sogar direkt auf eine Stufe mit dem Finsteren, dem Undurchsichtigen gestellt.

»Ein reizendes Nichts«   Blau ist die Farbe des Immateriellen, und Goethe sprach von Blau als »reizendem Nichts« – es verfehlt seine Wirkung nicht, bleibt dabei aber seltsam flüchtig. Das meiste, was wir in der Natur als blau wahrnehmen, sind überdies selbst nur flüchtige, irreale Erscheinungen, wie etwa Schatten oder die Atmosphäre. Selbst der Himmel, Meere oder Seen erscheinen zwar oft blau, sind es allerdings nicht. Im Grunde blicken wir im Fall des Himmels auf die Schwärze des Alls. Lediglich aufgrund des seitlich einfallenden Sonnenlichts, das die Atmosphäre beleuchtet, nehmen wir den Himmel als blau wahr. Ein in meinen Augen zentraler Satz zu Blau, der hier nahtlos anschließt und zugleich das Wesen der Farbe klar umreißt, stammt von Yves Klein: »Was ist Blau? Das Blau ist das sichtbar werdende Unsichtbare.«

Yves Klein, für den jede Farbe eine lebendige Welt war, hat gerade die übernatürliche Aura von Blau so intensiv studiert wie kaum jemand sonst. Sein Ziel war es, das Geistige dieser Farbe greifbar zu machen. Blau war für ihn die Welt der Freiheit und Weite18, und seine monochromen Bilder in dem Blauton, den er sogar für sich patentieren ließ – ein tiefes, sattes und samtiges Ultramarin –, scheinen den Betrachter regelrecht in sich hineinzuziehen in unendliche Weiten, in übernatürliche, irreale Welten.19

Sehnsucht und Emotionen   In der Romantik symbolisierte daher womöglich gerade die blaue Blume ein zentrales Element: die Sehnsucht nach etwas außerhalb dieser Welt und, sicherlich ebenso schwer zu erreichen, nach der inneren Wahrheit. Sind diese inneren Werte mit der Hilfe von Blau gefunden, werden sie jedoch nicht nach außen getragen, sondern sind das, was man als Seelenfrieden und innere Kraft bezeichnet, die so nur über Blau erreicht werden können. Als Wasserfarbe steht es zudem eng mit den Emotionen in Verbindung, die in jener tiefgehenden blauen Innenschau ebenfalls ausgelotet werden.

Vertiefung   Mit Blau erlebt man durch die Sogwirkung der Farbe automatisch eine Vertiefung und ein Loslösen von der äußeren Welt. Ganz im Gegensatz zu seinem Komplementär Orange, das im Außen agiert und sich dort erleben will, zieht sich Blau zurück und sucht die Antworten auf drängende Fragen in sich.

Himmlisches Blau   Die sich entziehende, in die Tiefe strebende Tendenz der Farbe verband Kandinsky mit einer überirdischen Bedeutung von Blau: »Je tiefer das Blau wird, desto mehr ruft es den Menschen in das Unendliche, weckt in ihm die Sehnsucht nach Reinem und schließlich Übersinnlichem. Es ist die Farbe des Himmels, so wie wir ihn uns vorstellen bei dem Klange des Wortes Himmel. Blau ist die typisch himmlische Farbe.« Dem entspricht auch die Verwendung von Blau in der Malerei, da die Künstler für den Umhang Marias meist Blau wählten. Man hat sich dies damit erklärt, dass blaue Farbpigmente, wie das Lapislazulipulver im Ultramarinblau, sehr kostspielig und auch schwer zu beschaffen waren. Die Tradition, gerade diese wertvolle Blaunuance für die Kolorierung des Mantels der Gottesmutter zu verwenden, um deren Sonderstellung zu betonen, erschließt sich jedem sofort. Andere gehen davon aus, dass der Ursprung des blauen Marienmantels in der Bibel zu finden ist, in der die Farbe Blau die himmlische Farbe ist, aber auch die des Meeres. Damit verbindet sie Göttliches mit dem Irdischen, genauso wie Maria als Mittlerin zwischen Himmel und Erde auftrat – was auf vielen Darstellungen noch verstärkt wird durch die Kombination aus rotem Untergewand (die Materie, die Erde) und blauem Überwurf (das Immaterielle, das Himmlische).20 Eine Ahnung von der überirdischen Qualität von Blau bekommt man in Kirchen mit blau verglasten Fenstern, wie beispielsweise der Sankt-Stephan-Kirche in Mainz. Ihre Chagallfenster in verschiedenen Blautönen schaffen eine besondere, fast mystische Stimmung.

Immaterielles Blau   Überirdisches Blau steht am Ende der Reihe der Grundfarben, die sich von kraftvollem Rot, der Farbe der Materie und des Körpers, über Gelb als Ebene des Intellekts kontinuierlich weiterentwickeln hin zu der vergeistigten, »spirituellen« Qualität von Blau, das auch das Himmlische umfasst. Blau steht demnach diametral zu den beiden anderen Primärfarben. Es ist der Gegenentwurf zur strahlenden, sich verströmenden Kraft von Gelb, das sich laut und teils ungebeten zu Wort meldet. Ein Gelb kann in seiner Leuchtkraft nicht übersehen werden. Das leise Blau hingegen wendet sich von der Welt ab, zieht sich zurück und löst sich in der Ferne auf. Blau ruht in sich und strahlt eine unprätentiöse, unaufdringliche Ruhe aus, die sich selbst genügt. Es ist unabhängig vom Außen – auch ganz im Gegensatz zu Rot, das Einfluss nehmen, dominieren will. Rot ist zudem sichtbar gemachte Kraft, aber auch schiere Substanz. Blau ist das Gegenteil: die Befreiung von jeder Stofflichkeit, um sich in schwerelose Sphären zurückziehen zu können. Es ist die Farbe der Schatten, es ist nurmehr das immaterielle Abbild eines Körpers.

Ruhe   Neben dieser überirdischen, passiven, sich zurückziehenden Wirkung von Blau fällt vor allem die ungeheure Ruhe auf21, die die Farbe ausstrahlt. Im Unterschied zum absolut Ausbalancierten, fast Phlegmatischen von Grün ist es bei Blau allerdings eher Ruhe durch Abwesenheit, es ist Rückzug und Vertiefung. Menschen, die Blau lieben, werden daher oftmals als introvertiert oder gar melancholisch eingeschätzt. Tatsächlich treten sie meist distanziert sowie sehr zurückhaltend auf. Sie verhalten sich in Gesprächen eher beobachtend, statt selbst das Wort zu ergreifen. Denn Blau drängt sich nie in den Vordergrund, sondern es ist ein abwartender, zurückgenommener Farbimpuls. Doch diese scheinbare Teilnahmslosigkeit ist eher ein Überlegen, ein gründliches Abwägen der Situation als echte Passivität. Mit Blau gelingt es, einen Schritt zurückzutreten und alles in Ruhe und mit Abstand zu betrachten, es zu vertiefen. Wenn sich blaubetonte Menschen dann wieder zu Wort melden, strahlen sie eine überlegte Kraft aus und sind klar in ihrem Ausdruck sowie in ihren Ansichten.

Sicherheit   Daneben sind Menschen, die Blau lieben, meist auch zuverlässig, verantwortungsbewusst und treu. Sie können ausgesprochen beruhigend auf andere einwirken und mit ihrer ruhigen Sicherheit Klarheit in die Gedanken von aufgebrachten Menschen bringen. Diese Sicherheit oder der Schutz, den Blau ausstrahlt, leitet sich einerseits aus seiner Distanz ab: Blau wirkt nicht greifbar und – im übertragenen Sinne – unantastbar. Andererseits vermittelt die kühle Ruhe von Blau Neutralität, überlegte Besonnenheit und Verlässlichkeit. Ein intensives Rot pulsiert mit ungezähmter Kraft, ein lautes Gelb will alles ausleuchten und drängt dabei unruhig stetig weiter nach vorne. Doch die zurückhaltende und klare Haltung von Blau flößt Vertrauen ein, seine kühle Distanz vermittelt Objektivität, Vernunft und wiederum – Sicherheit.

Vokabeln

Ruhe, Ferne, Weite, Ewigkeit, Vertiefung, Geist, Seele, leise, weich, rein, klar, pur, schlicht, frisch, kühl, schattig, demütig, unaufdringlich, zurückgenommen, sehnend, sich entziehend, flüchtig, gasförmig, immateriell, introvertiert, distanziert, passiv, beruhigend, entspannend, heilig, weise, friedlich, himmlisch, glaubwürdig, sicher, objektiv, verlässlich, treu, besonnen, vernünftig, vertrauenswürdig, schützend, konzentrisch, Kreis, rund, weiblich, Melancholiker.

Blauer Kreis   Blau entspricht allen runden Formen sowie allen fließenden und weichen Elementen. Es sind generell vollendete, zurückgenommene und dezente Formen, allen voran der Kreis, das Symbol für Unendlichkeit – passend für ewiges, himmlisches Blau. Die Kreisform bildet daneben aber auch die zurückweichende, introvertierte Qualität von Blau ab, die »nach innen gekehrt und in sich geschlossen ist«.22 Dass die Kreisform tatsächlich besser geeignet ist als zum Beispiel das Rechteck, um das Wesen von Blau einzufangen, kann man gut selbst testen, wenn man nacheinander zwei Bilder von Yves Klein betrachtet, die beide im selben Blauton gemalt sind. Das eine Gemälde ist kreisförmig (IKB 54), während das andere ein rechteckiges Format hat (IKB 3). Im Kreis wirkt das Blau stimmiger, die Form unterstützt optisch die sich zurückziehende Wirkung des Blautons, der sich in der Bildmitte in sich selbst zusammenzuziehen scheint. Dieses Gefühl der Unendlichkeit kommt bei dem kantigen, rechteckigen Gemälde weniger auf, das eher wie ein Rahmen um einen Ausschnitt aus grenzenlosem Blau wirkt – aber nicht stimmig, (da) nicht rund.

Raumgestaltung – kühle Weite

Sind Wände oder großformatige Oberflächen blutrot gestrichen, hat man den Eindruck, die Farbe trete auf einen zu und fordere etwas ein: Aufmerksamkeit und Reaktion. Blaue Flächen dagegen ziehen sich vom Betrachter zurück und überlassen ihm den Raum. Mehr noch, sie erweitern ihn spürbar. Sind Wände und Decke im selben Blauton gestrichen, verschwimmen sogar die Grenzen und Trennlinien. Der Raum wirkt dann weniger eckig, sondern wie ein Kokon – rund, und damit typisch Blau. In blau gestalteten Zimmern kommt man zudem wunderbar zur Ruhe. Man zieht sich dort aus dem Alltag zurück und findet nach einem anstrengenden Tag zurück zu innerem Frieden, weswegen sich der Farbton für alle Schlafräume eignet. Seine Verwendung im Badezimmer dagegen ist zweischneidig: Einerseits fühlt man sich in einem blauen Bad erfrischt, auch verbindet man mit Blau Reinheit und Hygiene. Andererseits dürfte man morgens, umgeben von einem zwar entspannenden, aber allzu passiven Blau, nur schwer in Schwung kommen und in den Tagesrhythmus finden. Der kühlende Effekt der Farbe lässt einen zudem schnell frösteln – ungünstig für einen Raum, in dem man sich häufig unbekleidet aufhält. Im Übrigen wirken viele Blautöne sehr ernsthaft bis ausgesprochen ungastlich. Johannes Itten ging sogar so weit, Blau als Raumfarbe ganz abzulehnen, da »Blau als Innenraum (…) unheimlich, leblos, erschreckend (wirkt), man wagt kaum zu atmen«. Die positiven Eigenschaften der Farbe kann man aber auch ohne tatsächlich blaue Wände oder Oberflächen in eine Raumgestaltung einfließen lassen, zum Beispiel die Weite und schlichte Klarheit, die Blau kennzeichnen. So entsprechen ihm sehr großzügig geschnittene Räume. Oder im hinteren Raumteil werden bewusst kleine Einrichtungsgegenstände platziert, um den Raum tiefer wirken zu lassen und die für Blau so typische Sogwirkung zu erreichen.

Doch selbst nur im »blauen« Stil eingerichtete Räume scheint stets ein kühler Hauch zu durchwehen, der nicht zuletzt auf die bescheidene Einrichtung zurückgeführt werden kann. Typisch für Blau sind sehr schlichte, in den Hintergrund tretende Möbelstücke. Üppige Polsterungen, Kissen, Wohnplaids, dicke Teppiche oder persönliche Accessoires fehlen. Dadurch wirken »einfarbig blaue« Räume ungastlich, karg und fast unbewohnt. Daneben finden sich in Räumen, die Blau in eine Einrichtung übersetzen, nur wenige ausgewählte Möbelstücke, um das Auge und den Bewohner zur Ruhe kommen zu lassen. Eine Vielzahl an Gegenständen oder eine unruhige Raumaufteilung hätten den gegenteiligen Effekt und würden keine blaue Sprache sprechen.

Wo reines Gelb ausgesprochen konturlos und ausladend wirkt, ist Blau stets in sich geschlossen und konzentrisch, weswegen ihm ein ruhiger und wortwörtlich »in sich runder« Stil entspricht. Der Raum wirkt dabei wie ein geschlossenes Ganzes oder bildet sogar einen Kreis nach. Dabei kann ein Thema immer wiederkehren in der Einrichtung: zum Beispiel die typische Kreisform selbst in runden Tischen, abgerundeten Kanten, kurvigen Armlehnen an den Sesseln, bauchigen, runden Vasen und Lampenfüßen sowie in einem Bild, das tatsächlich verschiedene Kreise zeigt. Die Form zitiert sich so ständig selbst und schafft, wenn auch oft nur unterbewusst, einen stimmigen, »runden« Gesamteindruck. Typisch für Blau ist dabei das Fließende im Übergang von einem Einrichtungsgegenstand zum nächsten; harte Kontraste werden genauso vermieden wie scharfe Kanten an Möbelstücken. So könnte ein mit schimmernder grauer Seide bezogener Stuhl vor einem Vorhang aus weißem gewaschenem Leinen stehen, und das dezent grau-weiß gemusterte Stuhlkissen aus einem Seide-Leinen-Mix verbindet beide über Farbe und Material miteinander. Es schafft sanfte Übergänge und den »runden«, in sich geschlossenen Gesamteindruck.

Der zurückhaltende Charakter von Blau lässt sich neben einer grundlegend schlichten und dezenten Gestaltung auch mit glatten, fließenden Materialien in unaufdringlichen Farben erreichen. »Blaue« Stoffe sollten allerdings immer dünn bis durchscheinend sein, um auch den immateriellen Charakter der Farbe wiederzugeben.

Mode – körperloses Fließen

Spätestens wenn man an Jeans denkt, die zu fast allem passen, weiß man, dass Blau in der Mode eine sehr neutrale Farbe ist. Es ordnet sich unter, bleibt im Hintergund und überlässt den Kombifarben den Platz auf der Bühne. Trotzdem wird Blau immer wieder als schwierig bezeichnet, da es dem Gesicht regelrecht die Farbe entziehen kann; in blauer Kleidung kann der Teint sogar leicht gelblich wirken. Unter der Vielzahl von Blautönen ist zwar mit Sicherheit eine Nuance dabei, die einem schmeichelt – gelbstichige Blautöne wie Petrol können die Augen und den Teint von südländischen Typen zum Strahlen bringen, und sie betonen warme Haarfarben, kühles Eisblau dagegen ist vorteilhaft für nordische Typen. Doch das Problem bei fast allen Blautönen ist, dass man darin richtiggehend unterkühlt und unnahbar wirken kann. Die sehr nüchterne Wirkung der Farbe kann man sich allerdings bei Bürokleidung zunutze machen, da Blau deren ohnehin meist sachlichen Stil noch steigert. Man wirkt in Blau zudem verlässlich, besonnen und umsichtig.

Charakteristisch für einen blauen Stil ist eine seltsam verschwommene Gesamtwirkung, als würde man die Kleidungsstücke durch Wasser hindurch betrachten. Anders als bei Rot mit seinem klaren, dominanten Look wirkt der blaue unbeständig und formlos. Bei Kleidungsstücken, die Blau entsprechen, ist zudem kein eindeutiger Stil auszumachen. Überhaupt ist bei dieser distanzierten Farbe nichts offensichtlich: Zunächst sieht man vielleicht nass glänzende, an fließendes Wasser erinnernde Stoffe in ebenfalls fließenden Schnitten. Oder die extreme Schlichtheit von zurückgenommenem Blau zeigt sich in einfacher Baumwolle und – dem substanzlosen Blau entsprechend – transparenten Stoffen ohne jede Verzierung. Aber auf den zweiten Blick erkennt man vielleicht ein Material, das sich aus mehreren Lagen zusammensetzt und den Blick festhält, »in die Tiefe« lenkt. Trotzdem wirken rein »blaue« Kleider nie sinnlich oder gar provokativ wie »rote«, sondern ausgesprochen reizlos, und das obwohl Blau einem sehr weiblichen Stil entspricht mit weichen Formen, Kleidern und Röcken.

Zu bescheidenem Blau passen betont einfache Schnitte. Denn wo Rot sich in den Mittelpunkt drängt und erkannt werden will, weicht Blau vom Betrachter zurück und möchte genau das Gegenteil erreichen: nicht auffallen und im Hintergrund bleiben. Introvertierte Menschen und solche, die bewusst einen sehr schmucklosen Stil suchen, können daher auf blaue Kleidung ausweichen – das gilt sowohl für die Farbe selbst als auch für Kleidungsstücke, die ihr entsprechen. Eine blaue Garderobe ist bescheiden, unprätentiös, schlicht und pur (was allerdings nicht für die gelbstichigen Töne wie modernes Türkis oder für vibrierendes »Electric Blue« gilt!). Blau ist eine ruhige Kraft, die sich selbst genügt. Sie muss nicht im Rampenlicht stehen, weshalb auch modische Spielereien oder ausgefallener Schmuck keine Rolle spielen.

Will man Blau in einzelne Kleidungsstücke übersetzen, bieten sich am ehesten ferne Einflüsse von weit her an, die nebenbei die schlichte Bescheidenheit von Blau abbilden, wie asiatische Kleiderformen. Daneben entsprechen ihm auch die schmucklosen Modelle von Balenciaga aus den 1950ern, auch als »Sackkleider« bekannt geworden, die reichlich Raum lassen zwischen Körper und Kleid und ihn nicht betonen, was der zurückhaltenden, körperlosen Qualität von Blau nahekommt.

Blau als Modefarbe kann sehr reizvoll sein, aber an den Beispielen wird deutlich: Der Farbimpuls Blau und das Prinzip Mode sind im Grunde zwei vollkommen unvereinbare Dinge. Scheues Blau möchte sich im Hintergrund halten, nicht auffallen. Zudem ist Blau die immateriellste Farbe. Es hat keine Substanz, keine Form, die wirklich in Mode übersetzt werden könnte. Blau sind für mich am ehesten noch die absolut schlichten, fließenden Gewänder, die man häufig auf Engeldarstellungen sieht – als Übersetzung für himmlisches Blau sind sie wie geschaffen, doch für den Alltag beschränkt man sich, abgesehen von der Farbe selbst, besser allein auf ihre Entsprechungen in Stoffen oder den bewusst schlichten Stil, lässt die blauen »Formen« aber außen vor.

Übersicht

Raumgestaltung kurz und knapp:

Blau entsprechen tatsächlich weite, tiefe Räume oder auch nur die optische Illusion von Weite und Tiefe, zum Beispiel hervorgerufen durch kleinere Einrichtungsgegenstände im hinteren Raumteil. Typisch sind daneben eine zurückgenommene Möblierung, wenige Accessoires und keine Highlights, sondern ein betont schlichter, in sich geschlossener, »runder« Stil mit einer ruhigen Atmosphäre. Eine kühle, dezente Farbpalette sowie glatte, fließende Materialien in dünner Webart und dezenter Musterung ergänzen den Stil.

Mode kurz und knapp:

»Mode« ist fast der falsche Begriff für den betont bescheidenen, dezenten Stil von Blau. Form- und konturlos wirkende Kleider sind ebenso typisch blau wie körperferne Schnitte. Bei den Materialien entsprechen Blau glänzende, fließende und schlichte Materialien in dezenten, kühlen Tönen und in dünner Webart.

Hellblau/Himmelblau: Luftige Leichtigkeit

Luftige Frische   Eisige Gletscher, blau schimmerndes Waterford-Kristall, die Farbe des Horizontes an klaren Tagen – Himmelblau beschreibt ein lichtes, kristallenes Blau, das nicht greifbar ist. Es hat eine ätherische, schwerelose Qualität, die zugleich gelassen und unkompliziert, aber auch sehr flüchtig wirkt und sich buchstäblich jeden Moment in Luft aufzulösen scheint.

Freiheit   Dagegen ist das Gefühl von Freiheit, das ein helles Blau ausstrahlt, fast mit den Händen greifbar. Genau wie ein wolkenloser Himmel öffnet sich auch ein Hellblau nach oben und entschwebt in luftige Höhen, in grenzenlose Freiheit. Die schier endlose, luftige Weite von Himmelblau wirkt aber nicht nur vollkommen befreiend, sondern ermutigt dazu, sie zu erfahren, zu entdecken – und sich in ihr zu verlieren.

Freies Denken   Blassblau macht den Kopf frei, es lässt den Geist weit werden und in bislang unbekannte Bereiche vordringen, mühelos und leicht. Es beflügelt, erfrischt und befreit ihn. Himmelblau öffnet den Blick für Bereiche, an die man zuvor noch nicht einmal gedacht hat – und bei alldem dehnt es sich immer weiter aus, um noch mehr Raum zu schaffen. Dadurch rücken die Dinge in weite Ferne, und man ist in der Lage, sie aus einer anderen Perspektive zu betrachten: Man gewinnt zum einen den Überblick, und zum anderen verlieren manche Situationen mit der Entfernung auch einfach an Bedeutung.

Wie alle Blautöne lässt sich auch ein Hellblau nicht festlegen. Es bleibt stets grenzenlos und flüchtig, wobei es umso substanzloser wirkt, je heller es wird. Je weiter es sich auflöst, umso mehr verliert helles Blau jeden Bezug zum Alltag und gibt sich leidenschaftslos bis unbeteiligt, doch auch unbelastet und frei. Während sich ein überlegtes Mittelblau in Indigo zu intuitivem Wissen vertieft, steigert es sich in durchlässigem Hellblau zu einem befreiten Geist, der sich mit Leichtigkeit in luftige Höhen aufschwingen kann, um von dort mit unverbrauchten, frischen Ideen zurückzukehren.

Vokabeln

Ätherisch, luftig, leicht, schwerelos, substanzlos, durchlässig, frei, weit, grenzenlos, nach oben strebend, flüchtig, nicht greifbar, leidenschaftslos, offen, öffnend, schlicht, gelassen, lässig, unkompliziert, geistig flexibel, beflügelnd, schnörkellos, klar, clean, erfrischend.

Raumgestaltung – nach oben hin offen

Himmelblau lässt Decken, die in diesem Farbton gestrichen sind, sofort höher erscheinen und vermittelt den Eindruck von luftiger Weite. Genauso sind »himmelblaue« Interieurs, wenn es sich nicht ohnehin um weitläufige Lofts oder Galeriewohnungen handelt, großzügig geschnitten, offen und weitgehend ohne Trennwände gehalten. Denn genauso wie helles Blau als Wandfarbe einen Raum erfrischt und weitet, sprechen luftig wirkende, hohe Räume, die zudem möglichst oben im Haus liegen und durch große (Dach-)Fensterflächen einen Blick in die Ferne und den Himmel ermöglichen, eine hellblaue Sprache. Da der Farbton aber, wie alle Blautöne, die gefühlte Raumtemperatur in frostige Grade sinken lässt, ist er lediglich für Räume geeignet, die nach Süden weisen und sich im Sommer stark aufheizen oder in denen man sich nicht für längere Zeit ruhig aufhält. Schwerelos wirkende und tatsächlich leichte, schnörkellose Möbelstücke in frischen bis eisigen Farben sind eine Alternative zu blassblauen Wänden. Da besonders helle Farben, wie Weiß, Mintgrün, Silber- oder Eisgrau, einen womöglich kleinen Raum größer wirken lassen – helle Möbel und Wände reflektieren das Licht –, sind sie die erste Wahl bei einer »hellblauen« Gestaltung. Überdies muss ein Himmelblau atmen können, es braucht Luft und Raum, der nicht durch zu viele Gegenstände verstellt sein oder eingeengt wirken darf.

Um also den Eindruck von luftiger Weite zu erhalten und zudem dem körperlosen Charakter von hellem Blau gerecht zu werden, sollten nicht nur leichte, sondern generell wenige Stücke Einzug halten. Leichtes Mobiliar beispielsweise aus hellem Holz, durchsichtigem Kunststoff oder weiß lackiertem Bambus sind das Maximum an Substanz, was man bei ätherischem Hellblau erwarten darf. Daneben sind blassblaue, dünne Seidenteppiche, eisblau schimmernde Bezüge und durchscheinendes, frostblaues Waterford-Kristall, das auch wunderbar die kristallklare Qualität von hellem Blau unterstreicht, nicht nur durch die Farbgebung ideal für einen »himmelblauen« Einrichtungsstil.

Ein Raum, durchgängig im Stil dieser Farbe gehalten, wäre allerdings kaum zu ertragen, denn ihn durchweht beständig ein kühler bis frostiger Luftzug, der sich frei zwischen den ohnehin wenigen Einrichtungsgegenständen bewegt, um schließlich an duftigen Voilevorhängen vorbei durch weit geöffnete Fenster zu entfliehen.

Mode – entspannte Lässigkeit

Sommerliches Himmelblau hat eine sehr unkomplizierte, cleane Wirkung und ist typisch für Sportkleidung oder simple T-Shirt-Jeans-Kombinationen, die dank der Farbe sportlich, frisch und luftig wirken. Gerade an blonden Frauen kann ein helles Blau allein allerdings zu fad wirken, und frostigere Töne wie Eis- und Gletscherblau lassen sie nicht nur unterkühlt, sondern sogar schwächlich wirken.

Die positiven Eigenschaften der Farbe kann man jedoch auch in einer »hellblauen« Mode umsetzen. Pastelliges Blau schwebt in luftigen Sphären, und dazu passen Kleidungsstücke, die den Körper nicht einengen und die leicht sind. Hellblau braucht daneben eine Garderobe, die nicht ständig zurechtgezupft werden muss, sondern schlicht ihre Funktion erfüllt – und das, ohne dabei allzu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Mit Blassblau hat man ein sehr entspanntes Verhältnis zur Mode und legt wenig bis keinen Wert auf Trends, sondern kleidet sich am liebsten in einen simplen, schlichten Stil.

Die Reinheit von hellem Blau spiegelt sich in einem Clean Chic mit klaren, puren Kleidern ohne raffinierte Schnitttechniken, aufwendige Verzierungen oder sonstige Spielereien. Der Stil von hellem Blau konzentriert sich auf das Wesentliche. Denkbar sind kurze, schlicht geschnittene Kleider, die den Körper locker umspielen, oder einfach gehaltene, dünne, zartgraue Pullover, weiße Basic-Tops und weiche, verblichene Jeans in legerem Schnitt. Hellblau ist casual – der Gegenentwurf zu raffinierten Spitzenkorsagen oder aufreizenden engen Röcken zu High Heels. In »hellblauer« Mode kann man sich, genauso wie der luftige Farbton selbst, frei bewegen, nichts engt ein. Man konzentriert sich auf die Welt des Geistes – dem Körper und Mode wird wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Kleidungsstil, der der Farbe entspricht, präsentiert sich daher genauso unkompliziert und ungebunden wie Himmelblau selbst.

Ein helles Blau ist auf dem Weg zum Weiß und möchte nicht zurückgehalten werden – weder durch die Konzentration auf Äußerlichkeiten noch durch schwere Materialien. Deshalb entsprechen ihm dünn gewebte, schwerelose Stoffe, die sich mit ihm im Wind bewegen können und kaum wahrgenommen werden beim Tragen. Es werden weiche, fließende und natürliche Materialien sein wie dünnes, gewaschenes Leinen und feine Baumwollstoffe. Auch halbtransparente Materialien wie Voile übersetzen den ätherischen Charakter von Himmelblau.

Übersicht

Raumgestaltung kurz und knapp:

Hellblau entsprechen Wohnungen, die oben im Haus liegen, mit hohen Decken und einer offenen Raumgestaltung. Typisch sind auch Lofts oder Galeriewohnungen mit großen Fensterflächen, die in einem schnörkellosen, lässigen Stil eingerichtet und nur sparsam möbliert sind mit hellen, leichten Möbelstücken. Frische, frostige Farben und durchscheinende Stoffe umschreiben den luftig-kühlen Charakter von hellem Blau.

Mode kurz und knapp:

Ein hellblauer Stil findet sich in luftigen, unkomplizierten Schnitten, die simpel und lässig wirken; passend sind weiche, verblichene Jeans, Baumwolltops in neutralen Farben oder halbtransparente Leinenpullover. Durchgängig dünn gewebte Materialien in einer hellen, kühlen Farbpalette mit viel Weiß ergänzen den Stil.

Dunkelblau/Indigo23: Ruhige Präsenz

Kontemplation und Intuition   Der Mitternachtshimmel ist indigofarben, und wie er regt dunkles Blau dazu an, über die Unendlichkeit und das Sein nachzudenken. In der – einer Klausur nicht unähnlichen – Welt von tiefem Blau können alle tiefgründigen Fragen ungestört beantwortet werden. Indigo ist die Farbe der Einkehr und der intuitiven Einsichten.

Die Distanz von mittlerem Blau hat sich in Indigo zu einem kompletten Rückzug in sich selbst verdichtet. Es kann uns entführen in eine stille, abgekapselte Welt. In den unendlichen Tiefen von Indigo nutzt kein anderer Kompass als die Intuition. Das krampfhafte Festhalten am Verstand oder der Versuch, Unbekanntes rein analytisch zu erfassen, muss scheitern. Lässt man sich allerdings auf die Farbe ein, findet man einen Anknüpfungspunkt im Inneren, man ist verankert in sich selbst. Daraus ergibt sich ein tief empfundenes inneres Wissen, aus dem sich die unverrückbare Sicherheit speist, die dunkles Blau ausstrahlt. Von ihm geht etwas zutiefst Ernsthaftes und Gefestigtes aus, man fühlt sich mit der Farbe ruhig und sicher. Dunkelblau ist dabei allerdings nicht streng oder konservativ, es ist nicht unbeweglich wie dunkles Grün, sondern weit, unendlich und intuitiv.

Selbsterkenntnis   Der Farbton führt zur tiefen Selbsterkenntnis, denn gerade sich selbst gegenüber sind von Indigo betonte Menschen von einer kompromisslosen Ehrlichkeit, die jeder überheblichen Ader entbehrt. Sie akzeptieren sich schlicht so, wie sie tatsächlich sind. Sie erkennen an, wo sie stehen, und sind bei sich selbst angekommen. Das heißt jedoch nicht, dass der Status quo beibehalten wird. Im Gegenteil: Man ist hier immer bereit, neue Erkenntnisse in sein Wissen zu integrieren, die den Zugang zu einem noch tieferen Verstehen öffnen und erlauben, noch weiter in das Unbewusste vorzudringen – ganz dem sich stetig vertiefenden, unendlichen Dunkelblau entsprechend. Diese entwaffnende Selbstreflexivität und geistige Stabilität bilden die Basis für die souveräne Präsenz, die Indigo kennzeichnet.

Antagonistisches Prinzip   Indigo ist demnach im Vergleich zu Mittelblau die deutlich präsentere Farbe. Durch die dunkle, satte Tönung wirkt es zudem viel körperlicher – aber gleichzeitig auch ungleich indifferenter und distanzierter. Dieses seltsame Wechselspiel bei Dunkelblau findet sich in fast allen Umschreibungen, die man für den Farbton finden kann: schwer, aber doch klar und durchlässig; präsent, aber zurückgenommen; gefestigt und strukturiert, aber schwer greifbar. Auch in der Formensprache setzt sich das antagonistische Prinzip von Indigo fort, denn es wird durch Formen verkörpert, die kaum fassbar sind und nicht auf eine einzige Aussage festgelegt werden können beziehungsweise nicht sofort als das erscheinen, was sie tatsächlich sind. So entspricht beispielsweise ein Dodekaeder der Qualität von Dunkelblau, erscheint er doch von weitem als (typisch blaue) Kugel. Bei näherer Betrachtung erkennt man jedoch klar voneinander abgegrenzte Formen – verbunden zu einem perfekten Ganzen. Genauso verknüpft Indigo sämtliche Aspekte eines Sachverhalts oder einzelne Charaktereigenschaften zu einem kompletten, perfekten Bild.

Komplexes Erfassen   Mit Indigo ist es möglich, nicht nur über sich selbst, sondern auch über all die Dinge zu reflektieren, die man im Alltagsstress leicht übersieht. Dunkles Blau zieht sich dazu in die Kreismitte zurück – von wo aus es, wie von einer Radnabe aus, den perfekten Überblick hat, um schließlich alles zu einem lückenlosen Ganzen zu verknüpfen. Diese Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu erfassen sowie absolut fokussiert zu denken, und die Kraft der Imagination machen die Magie von Indigo aus.

Vokabeln

Zentriert, präsent, innere Stärke, souverän, sicher, gefestigt, ernsthaft, loyal, verantwortungsbewusst, diszipliniert, distinguiert, stringent, strukturiert, fokussiert, klar, selbstreflexiv, kontemplativ, imaginativ, intuitiv, tiefsinnig, unprätentiös, schlicht, asketisch, Einkehr, Klausur, unendlich, zeitlos.

Raumgestaltung – kontemplativer Rückzugsort

Dunkelblaue Wände schaffen eine sehr ruhige, meditative Atmosphäre und sind prädestiniert für alle Räume, in denen man in Ruhe seinen Gedanken nachhängen möchte. Für alle übrigen Bereiche ist ein Indigo allerdings zu dunkel, denn es engt einen Raum schnell ein. Oft ist es besser, die Farbe nur dosiert einzusetzen oder auf wenige ausgewählte Entsprechungen der Farbe zurückzugreifen.

Dunkles Blau prägt Puristen, die man mit Sicherheit nie auf dem Flohmarkt auf der Suche nach einem kuriosen Vintageteil antreffen wird. Verspielte Schnörkel, unruhige Mustertapeten oder eine Nippessammlung sind das absolute Gegenteil von dunklem Blau. Stattdessen legt es Wert auf zeitlose Qualität und pures, klares Design – das Ganze in einem strukturierten, in sich ruhenden Gesamtbild.

Beim Betreten von »indigofarbenen« Räumen hat man trotzdem das Gefühl, sich in der Tiefe der oft lang gezogenen Räume zu verlieren. Denkbar sind hier auch Maisonettewohnungen, deren zweite Etage im Untergeschoss liegt. Doch einem strukturierten, gefestigten Dunkelblau entsprechend wird der Blick aufgefangen und gelenkt von wenigen, aber gezielt platzierten Einrichtungsgegenständen. Zwischen ihnen muss sich jedoch stets genügend leerer Raum auftun, um die Empfindung von kühler Weite zu erhalten.

Die klare, durchdachte Raumaufteilung wird unterstrichen von schlichten Linien beziehungsweise einer reduzierten Formensprache, etwa im Stil des französischen Innendesigners Christian Liaigre, die eine ruhige Präsenz ausstrahlt und die Kontemplation fördert. Dunkles Blau lebt in seinen inneren Tiefen, in die es sich zurückgezogen hat, und braucht keine Spielereien im Außen. Die fast asketische Nüchternheit dieser Räume erinnert teilweise gar an Klöster und umschreibt dabei den fokussierten, nach innen gerichteten Geist von Dunkelblau.

Bei der Farbgestaltung der Oberflächen passt eine weitgehend monochrome, reduzierte Farbpalette in neutralen Tönen, die die klare Formensprache nicht überlagert. Dunkle Farbakzente strukturieren lediglich das Bild und lenken den Blick gezielt auf ausgewählte Details; der Geist wird ruhig, diszipliniert und geordnet. An diesem Schema orientieren sich auch Blumenarrangements für »dunkelblaue« Räume: Passend sind dem Ikebana ähnliche puristische Kompositionen aus wenigen Bambusstangen und Schilfgrashalmen oder die Blütenformen von Calla oder klassischen Tulpen, die durch ihre Form die klare Eleganz der Wohnung unterstreichen. Kühles Silber setzt unwirkliche Akzente, und ein einzelnes Bild schmückt die Wand – es ist eine Kunst, die die Kontemplation fördert, wie zum Beispiel Yves Kleins monochrome Farbtafeln. Die Wandgestaltung selbst nimmt in der Regel eine eher untergeordnete Position ein, da die meist grauweißen oder in kargem, modernistischem Sichtbeton gehaltenen Wände nur als unauffälliger Hintergrund für die Kollektion puristischer Möbel dienen – die selbst wiederum nur letzte Außenposten von tiefem Blau sind, das sich von der Welt weitgehend zurückgezogen hat.

Mode – Purismus für Fortgeschrittene

Typisch für dunkles Blau – wie für alle Blautöne – ist der Rückzug von der Welt und die Vertiefung. Indigo sucht die Zurückgezogenheit jedoch so sehr und zieht sich so weit in seine dunklen Tiefen zurück, dass es sogar schon ein Hauch von Isolation und Klausur umweht. In dieser Abgeschiedenheit sind Äußerlichkeiten vollkommen nebensächlich. Sowohl tatsächlich dunkelblaue Mode als auch ein »dunkelblauer« Kleidungsstil strahlen eine asketische Einfachheit aus. Zugleich überträgt sich aber auch die Präsenz des Farbtons auf die Mode, und in dunklem Blau gehaltene Kleidungsstücke garantieren eine souveräne und distinguierte Ausstrahlung. Dennoch sollte man häufiger statt der Farbe selbst auf ihre Übersetzungen zurückgreifen, denn Dunkelblau steht kaum jemandem wirklich. Es wird zudem oft als unkomplizierter, neutraler Hintergrund missverstanden, doch tatsächlich gibt es kaum eine Farbe, die schwieriger zu kombinieren ist. Da Dunkelblau in der Regel nur im Team mit anderen dunklen Tönen wie zum Beispiel verschiedenen Violettnuancen stimmig wirkt, die aber schnell blass machen, bietet sich der Rückgriff auf die Entsprechungen von dunklem Blau an.

In dunkles Blau selbst beziehungsweise in einen Stil gekleidet, der ihm entspricht, fühlt man sich sicher und in der Lage, sich auf sich selbst zu besinnen, ohne von außen gestört oder abgelenkt zu werden. Dabei schottet Indigo einen jedoch nie komplett von seinem Umfeld ab. Es ist keine undurchdringliche Mauer, die nichts mehr durchsickern lässt. Dunkelblau wählt vielmehr aus und zieht nur das in seine Tiefen, was in seine Struktur eingepasst werden kann. Daher entspricht ihm auch ein sehr selektiver Stil mit ausgesuchten Einzelstücken. Sie sind in klaren Schnitten gehalten und übersetzen so die distinguierte, souveräne Ausstrahlung von Dunkelblau in Mode. Dunkelblau sind weite Bundfalten- oder Marlenehosen zu schlichten Oberteilen mit Stehkragen. Kastige Kurzjacken mit verdeckter Knopfleiste, die auf jede weitere Spielerei verzichten. Puristische Tops mit U-Boot-Ausschnitt, dunkle einfarbige Rollkragenpullover oder gerade geschnittene Etuikleider in neutralem Grau.

Im Gegensatz zu dunklem Grün, das aus Angst vor einem Kontrollverlust einen ebenfalls schlichten, aber sehr strengen und bewährten Stil prägt, kann es sich ein souveränes Dunkelblau auch leisten, Struktur mit fremdartiger Eleganz zu verbinden, beispielsweise in Kimonokleidern oder Mao-Jacken. Gefertigt sind die minimalistischen Stücke aus schweren, glatten Materialien wie etwa edlen Tuchstoffen mit schwerem, fließendem Fall, um sowohl die Dichte von dunklem Blau als auch seine fehlende Greifbarkeit in Stoff zu übersetzen.

Dunkelblau ist ein nach innen gerichteter Impuls, der keinen Wert legt auf verspielte Accessoires, auffällige Muster oder aktuelle Trends. Modischer Schnickschnack, Glitzer und Glimmer passen nicht in das Bewusstsein von dunklem Blau, das in seiner eigenen Sphäre lebt und sich tief in sich zurückgezogen hat, um den Zugang zu seiner Intuition nicht zu verlieren. Das einzige Zugeständnis könnten einzelne Ringe oder Amulette in kühlem Silber sein, die wiederum betont schlicht gehalten sind und Indigo an sein eigenes Wesen erinnern.

Übersicht

Raumgestaltung kurz und knapp:

Ein Einrichtungsstil mit einer kontemplativen Atmosphäre, bewusst kalkulierter Leere und einer asketischen Ausstrahlung entspricht einem tiefen Blau. Möbelstücke in einem puristischen Stil sind genauso typisch wie wenige Accessoires, die den Blick auf einzelne Gemälde mit meditativem Bildinhalt lenken. Eine dezente Wandgestaltung, viel kühles Silber und eine Farbpalette in klassischen Neutralen sprechen ebenfalls eine dunkelblaue Sprache.

Mode kurz und knapp:

Dunkelblau prägt einen schlichten, minimalistischen Stil mit einer puren Schnittführung, der sehr souverän wirkt. Die Kleidungsstücke sind in glatten, fließenden, schwer fallenden Stoffen gehalten und kommen ohne verspielte Details aus.