Schlusswort

Sind nicht Farben wie Töne und Töne wie Farben und Farben wie Musik. Ich liebe die Musik der Farben.

Emil Nolde

Eine blinde junge Frau sagte einst zu Beethoven, sie gäbe alles dafür, einmal das Mondlicht sehen zu können. Er konnte es sie zwar nicht sehen lassen – aber hören. Beethoven vertonte den Mondschein in einer seiner bekanntesten Kompositionen, der Mondscheinsonate, in der die Musik den silbernen Schein des Mondlichtes imitiert. Umgekehrt beschrieb Thomas Mann den fast ätherischen, körperlosen Klang im Vorspiel zu Wagners Lohengrin als »eine blau-silberne Schönheit«.

Schon Isaac Newton sah eine Entsprechung zwischen Farben und Tönen, weshalb er das Spektrum des sichtbaren Lichtes, obwohl die Farben nahtlos ineinander übergehen und so unzählige Nuancen unterschieden werden können, nur in die bekannten sieben Farben aufteilte – analog zu den sieben Tönen der dorischen Tonleiter. Bekannt sind auch Wassily Kandinskys Texte, in denen er Farben mit Tönen gleichsetzte und die »ruhigen, gedämpften, mitteltiefen Töne der Geige« mit Grün verglich, das ebenso ausgleichend wirke, während Rot den Eindruck von »starken Trommelschlägen« vermitteln könne.

Die Parallelismen zwischen Farben und Klängen sind wohl die am häufigsten beschriebenen. Die Kandinsky-Schönberg-Korrespondenz ist hier ein schönes Beispiel für den Austausch über die Verbindungslinien zwischen Malerei und Musik, zwischen Farbe und Klang. Nicht umsonst spricht man von der Klangfarbe bei den Tönen von Instrumenten oder von den Farbtönen eines Gemäldes. Musik und Farben können, wenn sie in ihrem Gehalt übereinstimmen, ähnliche bis identische Gefühle hervorrufen. Der zeitgenössische Maler Gotthard Graubner lässt sich daher beim Malen seiner Farbraumkörper von Musik leiten. So begleitete ihn bei der Arbeit an Nänie in Schwarz-Violett das von Brahms vertonte schwermütige, dunkle Schicksalslied aus Friedrich Hölderlins Roman Hyperion. Damit vereinen sich mit Hölderlins Sprachklang und der Musik von Brahms zwei Ausdrucksformen derselben Energie, um eine dritte, das Gemälde, hervorzubringen.

Der Komponist Olivier Messiaen bezeichnete Klänge als hörbar gemachte Farben. In Orchestern ist es durchaus üblich, von den Musikern zu fordern, ein Stück zum Beispiel etwas weniger grün, sondern blauer zu spielen. Und Alexander Skrjabin nutzte Farben als begleitendes Element der Musik in seinem Stück Prometheus, bei dessen Uraufführung er 1914 in New York eine Farborgel einsetzte. Für Mysterium plante er sogar, neben den Farben auch Düfte einzusetzen, die beide die Botschaft der Musik noch unterstreichen sollten.

All diese Beispiele sollen eines zeigen: Jede Energie hat ihren Inhalt und ihre Botschaft. Ihr individuelles eigenes Wesen. Und dieses Wesen kann sich auf viele Arten ausdrücken: in bestimmten Klängen, Farben, Formen, Düften, Geschmäcken und vielem mehr. Goethe hat es in seiner Farbenlehre ähnlich formuliert: »Ich habe nichts dagegen, wenn man die Farbe(n) sogar zu fühlen glaubt; (…) auch zu schmecken sind sie. Blau wird alkalisch, Gelbrot sauer schmecken. Alle Manifestationen der Wesenheiten sind verwandt

Eine Energie hat demnach immer mehrere Kanäle, durch die sie sich zeigen kann und durch die sie sinnlich erfassbar wird. Dabei bleibt die ursprüngliche Energie stets dieselbe und ruft in all ihren Ausdrucksformen auch immer ein ähnliches Gefühl hervor. Mit den Parallelismen ist es wie mit einem Satz, der in verschiedene Sprachen übersetzt wird. Doch egal, ob man »der Tisch ist eckig« nun auf Italienisch, Griechisch, Swahili, in Musiknoten oder eben in Farben ausdrückt, die Bedeutung bleibt immer gleich. Auf eine einfache Formel gebracht könnte man sagen: Farbe = Form = Material = Duft = Klang = Zahl.

So findet sich die komprimierte Kraft von Rot in kraftvollen, kompromisslosen Linienführungen genauso wieder wie in massiven, unverrückbaren Möbelstücken. Ebenso »rot« sind dicht gewebte, griffige Stoffe und sinnliche, intensive Düfte. Alle haben den gleichen Inhalt, die gleiche Wirkung, denn: Alle Manifestationen der Wesenheiten sind verwandt.