Mittelgrün/Blattgrün: Neutrale Mitte

Neutrale Mitte   Grün hat eine absolute Sonderstellung im Farbkreis, denn ein reines Mittelgrün kann, am Übergang der warmen zu den kalten Farben gelegen, weder den einen noch den anderen zugeordnet werden. Hervorgegangen aus warmem Gelb und kaltem Blau bildet Grün die neutrale Mitte und vereint in sich die gegensätzlichen Qualitäten beider Farben: Freude und Ernsthaftigkeit, Härte und Weichheit. Es schlägt die Brücke zwischen Intellekt und Intuition, Aktivität und Passivität, zwischen vorwärtsdrängendem Gelb und sich zurückziehendem Blau – die in Grün zum Stillstand kommen.

Träge Ruhe   Genau wie seine Komplementärfarbe Rot ist Grün daher in sich ruhend. Doch Rot ist komprimierte Kraft, die sich in einem Punkt sammelt. Es strahlt eine statische, aber kraftvolle Ruhe aus. Grün dagegen prägt viel eher eine leichte Trägheit. Es ist eine genügsame Waage, damit zufrieden, die vorwärtsdrängende, lebendige Kraft von Gelb sowie die flüchtige, distanzierte Qualität von Blau harmonisch auszubalancieren und in sich zu verbinden. Die Kraft aus beiden Farbimpulsen braucht Grün dringend, um der elementaren Kraft von Rot, die ihm gegenübersteht, standzuhalten.

Fruchtbarer Müßiggang   Grün schafft die Voraussetzungen dafür, neue Vorhaben planen zu können. Durch die gelben Impulse ist es ideenreich, durch die blauen mit der nötigen Distanz gesegnet, um den Plan überblicken zu können. Dabei schafft ruhiges Grün eine ausgleichende Atmosphäre, in der man die Dinge tatsächlich »in aller Ruhe« betrachten kann. Grün ist in diesem Sinne die Basis, auf der sich etwas entwickeln kann. Dazu passt, dass der Farbname Grün vom althochdeutschen Wort gruoni beziehungsweise von der Sprachwurzel grho abstammt, was wachsen und gedeihen bedeutet.

Ruhendes Potenzial   Grün bietet so zwar die Grundlage, auf der sich etwas entwickeln kann, besitzt aber keine Eigendynamik und gibt keine Richtung vor: Reines Grün bewegt sich nicht und verlangt nichts. Es gleicht aus. Wassily Kandinsky ging sogar so weit zu sagen: »Grün ist wie eine dicke, sehr gesunde, unbeweglich liegende Kuh, die nur zum Wiederkäuen fähig mit blöden, stumpfen Augen die Welt betrachtet.«

Wenn Grün seine träge Ruhe aufgeben will, muss es aus seiner Mitte heraustreten und sich entweder für die gelbe, extrovertierte oder die blaue, nach innen gerichtete Seite entscheiden. Anders als Rot, das als Primärfarbe seine Kraft aus sich selbst heraus generiert und stets ganz bei sich bleibt, muss sich Grün demnach aufgeben – ganz im Sinne von Hermann Hesses Gedicht Die Stufen, in dem es heißt: »Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.« Will träges Grün »neuen Räumen jung« entgegentreten, muss es seine gewohnte Beschaulichkeit aufgeben: entweder in Richtung der frech-spritzigen Gelbgrüntöne oder aber in die der überlegt-kommunikativen Blaugrüntöne.

Gelbgrün   Sobald sich die Waage durch die Beimischung von etwas mehr Gelb zu dessen Seite neigt, wandelt sich der Charakter von Grün zu dem eines lebhaften, jungen Farbtons wie Limonengrün, das, je näher es dem Gelb kommt, sogar richtig frech und respektlos wirken kann. Es herrscht allerdings noch das mittlere, harmonische Grün vor, weswegen die Farbe trotz des strahlenden, aufmerksamkeitheischenden Gelb nie zu laut oder zu schreiend wirken wird, sondern sich einpendelt auf einem zwar anregenden, aber stets auch noch ausgleichenden Level. Das rastlose Denken von Gelb ist hier durch den Grünanteil beruhigt worden zu einem wachen, aber ausgeglichenen Geist.

Hoffnung   Insbesondere mit den gelbstichigen Grünnuancen wie frühlingsfrischem Maigrün ist auch der Begriff der Hoffnung verknüpft. In ihnen dominieren die gelben Impulse, die für das Licht und generell alles Positive stehen; die Waage hat sich hier zur »guten«, strahlenden, hoffnungsfrohen Seite hin geneigt. Es sind die Farben der ersten Blätter im Frühling, der Hoffnung auf bessere Zeiten nach meist kargen Wintern.

Wachstum und Fülle   Gerade gelbgrüne Töne stehen damit auch für neues Leben – und wirken sehr jung. Junge Triebe oder jemanden, der »grün hinter den Ohren ist«, betrachtet man als unreif und unfertig. So ist auch jedes Grün, da gerade geboren aus Gelb und Blau, ein noch junger Farbton. Es ist die Farbe der Erneuerung, der Natur und des Wachstums, die Farbe des Lebens selbst. Trotz seiner bescheidenen Mittelstellung steht Grün nicht nur in der Natur für Üppigkeit. Die Farbe schöpft aus zwei starken Ursprungsfarben. Sie vereint die gesamte Bandbreite unzähliger Grüntöne zwischen den so gegensätzlichen Polen von Gelb und Blau in sich und ist damit ein Synonym für Fülle und Überfluss.

Blaugrün   Mischt man Blau zu, erhält der Grünton eine nach innen gerichtete, nachdenkliche und abwartende Qualität. In den Blaugrüntönen dominieren die Kühle und das zurückhaltende Element von Blau gegenüber der sonnigen Energie der gelben Anteile. Manche eher blaustichigen Grünnuancen strahlen sogar etwas Weises und Altes aus, eine unaufgeregte Ruhe, die man mit Lebenserfahrung und gesetztem Alter verbindet. Die Römer zum Beispiel bezeichneten Menschen zwischen 45 und 60 als viridis, von »grünem Alter«.

Statische und ausgleichende Formen   Wenn sich die Waage aber weder zur gelben noch zur blauen Seite hin neigt, ist Grün beides, jung und alt, eine alterslose, neutrale, unbewegliche und rein statische Farbe. Das spiegelt sich in der Form des ruhenden Rechtecks mit breiter Basis wider, das durch seine vier Seiten zudem den Parallelismus von Grün in der Zahl Vier abbildet. Es steht wie die Farbe für Ausgewogenheit und Harmonie (das durchweg maskuline, starre Quadrat ist für mein Empfinden zu hart und dominant für versöhnliches Grün; sein Komplementär Rot findet sich darin allerdings wieder). Eine weitere Entsprechung in den Formen findet ausbalanciertes Grün im sphärischen Dreieck (Kugeldreieck), der Kombination aus blauem Kreis und gelbem Dreieck, das ihm Johannes Itten zugeordnet hat. Er wollte damit sowohl die Vereinigung der beiden Ausgangsfarben und ihrer Formen als auch die gelassene Ruhe von Grün zum Ausdruck bringen.

Die antike Klassik beziehungsweise ihre Wiederauferstehung im Klassizismus erinnert ebenfalls in einigen Punkten an harmonisches Grün, dem sowohl die Geradlinigkeit der Bauwerke als auch ihre Ausgewogenheit in den Proportionen entsprechen. Wo der Barock noch das Ausbrechen aus starren Linien, die Dynamik und die Bewegung favorisierte, wendet sich der Klassizismus komplett davon ab und strebt einer makellosen Ruhe und absoluter Symmetrie zu, die an Grün erinnert.

Regeneration und Heilung   Grün ist die Farbe der Balance und Harmonie. Es ist die nötige Ruhepause und wirkt ausgesprochen erholsam – nicht umsonst fährt man »ins Grüne«, um sich zu regenerieren: Auf eine grüne Fläche oder einen sommerlichen Laubwald zu blicken beruhigt nicht nur die Augen, sondern wirkt auch auf der emotionalen Ebene sehr entspannend. Man balanciert sich aus, findet zu seiner Mitte zurück – und in diesem Sinne ist Grün sogar die Farbe der Heilung. Rudolf Steiner spricht insbesondere dem Smaragdgrün besonders gute Heilenergien zu, und Hildegard von Bingens gesamtes Konzept fußt auf der »Grünkraft«, viriditas, einer Kraft, die ihr zufolge in der Mitte eines jeden wohnt und die Grundlage der Heilung bildet.

Grün tut gut, beruhigt und wird daher außerdem mit dem Angenehmen und Milden assoziiert. Denkt man daran, dass Grün sich zusammensetzt aus Gelb, das mit dem Licht gleichgesetzt wird, und Blau, das für Finsternis und Schatten steht, ist Grün zwischen beiden demnach der Halbschatten: das Angenehme und Milde.

Grünbetonte Persönlichkeiten   In der Essenz ist Grün jedoch die Farbe der ausgleichenden Mitte und davon abgeleitet auch die der Körpermitte, des Herzens. Grünbetonte Menschen handeln so häufig aus dem Herzen heraus oder versuchen, beruhigend auf andere einzuwirken. Aber Grün ist nicht nur ausgleichend, sondern auch träge und damit zugleich die Farbe von phlegmatischen Menschen, denen der Antrieb fehlt. Verlassen sie allerdings ihre Komfortzone, sind sie oft heilend tätig und dabei ausgeglichen, bescheiden, beständig und liebevoll. Da sie zudem auf die beiden sehr gegensätzlichen Energien von Gelb und Blau zurückgreifen können, die sich in Grün treffen, ist ihnen auch eine tolerante Haltung eigen, die vieles akzeptieren kann. Sie können beide Seiten nachvollziehen und werden sich immer für eine friedliche, harmonische Lösung einsetzen, die einen fairen Ausgleich schafft – und die typisch grüne Balance wiederherstellt.

Vokabeln

Mitte, Balance, Harmonie, Ausgleich, ausgewogen, symmetrisch, Ruhe, unbeweglich, träge, genügsam, zeitlos, neutral, beruhigend, heilsam, erholsam, regenerierend, entspannend, tolerant, Fülle, Phlegmatiker.

Raumgestaltung – perfekte Symmetrie

Viele wünschen sich ein harmonisches Zuhause, das Ruhe ausstrahlt und dabei hilft, sein Gleichgewicht wiederzufinden und neue Kraft zu schöpfen. Grün ist dafür ideal, denn es wirkt ausgesprochen beruhigend und erholsam, was es früher zur beliebten Farbe für Salons und Gesellschaftszimmer machte. Auch heute ist es sicherlich eine angenehme Farbe für nahezu jeden Raum im Haus. Doch was in der Natur sehr stimmig wirkt – in den eigenen vier Wänden möchte man meist trotzdem nicht dauerhaft allein von Grün umgeben sein, auch wenn man Wald und Wiese noch so zugetan ist. Erst recht nicht, wenn man weiß, dass grün gestrichene Flächen einen Raum nicht nur ausbalancieren, sondern die Bewohner auch leicht träge werden lassen – oder wie Goethe es ausdrückte: »Man will nicht weiter, und man kann nicht weiter.« Trotzdem gibt es keine Farbe, die so ausgleichend wirkt. Gerade diesen Effekt kann man allerdings genauso gut mit den Übersetzungen der Farbe erzielen, ohne dass auch nur ein grünes Bild an der Wand hängt.16

Grün entspricht in der Einrichtung ein klar strukturierter, geordneter sowie vor allem ausgewogener Stil. Hier bieten sich für die Möbelstücke klassische, geradlinige Formen an, die harmonisch, aber auch statisch und leicht starr wirken. Um dabei das ausgewogene Gesamtbild zu erhalten, kann man dem Raum ein Raster zugrunde legen. Dazu wird beispielsweise die Waagerechte durch Sideboardkanten, Regale, das Sofa und den Couchtisch hervorgehoben. Diesem horizontalen wird ein vertikaler Akzent gegenübergestellt, zum Beispiel in Form eines schlanken, hohen Glaszylinders oder durch Schiebevorhänge mit schlanken Paneelen, die die Senkrechte betonen. Der Raum bekommt dadurch die Grün eigene ausbalancierte Struktur und eine ausgeglichene Atmosphäre, in der die Zeit stillzustehen scheint…

Für den typisch zeitlosen, ruhigen Raumeindruck kann man sich bei der Farbpalette auf – möglichst neutrale – Töne einer Farbfamilie beschränken. Genauso sollten alle Einrichtungsgegenstände perfekt aufeinander abgestimmt sein, wobei sie sich nicht notwendigerweise in einem Stil bewegen müssen; immerhin setzt sich auch ein Grün aus zwei unterschiedlichen Impulsen zusammen. Die Mischfarbe Grün spiegelt sich daher in einem Mix aus unterschiedlichen Materialien, wie zum Beispiel der Kombination von glänzend und matt in dem Nebeneinander von polierten Chromgestellen auf matten Sisalteppichen. Genauso passt ein Hell-dunkel- oder der Kalt-warm-Kontrast von kaltem Stein neben warmem Holz oder einer warmen, feinen Wolldecke auf dem kühlen Leder eines Sofas. Schließlich schafft auch die Kombination von großen auffälligen (gelben) und kleinen dezenten (blauen) Stücken – bei denen jedoch über Farbe, Form oder Textur eine optische Brücke zwischen den unterschiedlich großen Elementen geschlagen werden sollte – einen »grünen«, da vereinenden, ausgleichenden Eindruck. Spinnt man den Faden bei den Details einer Raumgestaltung weiter, wäre beispielsweise die Zeichnung eines aufrecht stehenden Mannes mit selbstbewusst geöffneten Armen, die über der Skulptur einer in sich zusammengesunkenen Frau hängt, »grün« – männlich und weiblich, extrovertiert und in sich zurückgezogen, Gelb und Blau. Beide Impulse verschmelzen in Grün zu einem harmonischen Ganzen, das Ruhe und Ausgewogenheit ausstrahlt.

Mode – Harmonie der Gegensätze

Im Gegensatz zu grünen Interieurs sieht man Kleider in Grün eher selten. Dabei ist es eine fast neutrale Farbe, die zudem einen guten Hintergrund für viele andere Farbtöne abgibt, die in Kombination mit Grün erst richtig zum Strahlen gebracht werden. Außerdem setzt sich die harmonische Wirkung der Farbe auch in der Mode fort, und in grünen Kleidungsstücken macht man in der Regel einen angenehmen, ausgeglichenen und großzügigen Eindruck auf andere.

Um ein tatsächlich grünes Ensemble in seiner Wirkung noch zu verstärken oder um die harmonische Ausstrahlung von Grün ohne die Verwendung der Farbe selbst modisch umzusetzen, kann man auf ausgewogene Designs zurückgreifen, die sowohl im Schnitt als auch in der Farbwahl nie schrill oder extravagant und asymmetrisch sind, sondern einen harmonischen, klassischen und absolut zeitlosen Stil widerspiegeln.

Der ausbalancierten Ruhe von Grün entsprechen zum Beispiel harmonische klassische Formen, wie man sie in den Kleidern der Modedesignerin Madame Grès findet. Sie ließ die antiken griechischen Gewänder wiederaufleben. Es waren ordentlich drapierte Roben, an denen jede Falte exakt an der vorgesehenen Stelle fixiert war, was neben der Harmonie der Formensprache auch die unbewegliche Ruhe von Grün umschreibt.

Alltagstauglicher umgesetzt entsprechen Grün klassische Hosenanzüge. Um der Balance von männlichen und weiblichen Aspekten Rechnung zu tragen, achtet man hier bei eher strengen, maskulinen Hosen darauf, dass die dazu ausgewählten Jacken beispielsweise runde Revers haben, oder man kombiniert sie mit taillierten, dekolletierten Blazern. Daneben sollten die Stoffe weich und fließend sein, um ein zusätzliches weibliches Element einzuweben und den insgesamt maskulinen Gesamteindruck eines Hosenanzugs auszubalancieren.

Dieselbe harmonische Zusammenführung von Gegensätzen kann man über die Materialwahl noch einmal verstärken, indem man kühle und warme Stoffe oder fließende Gewebe und solche mit Stand miteinander kombiniert, beispielsweise ein Seidentop auf einer Wollhose. Auch kühle, fließende Seide allein (Blau), die sich auf der Haut aufwärmt sowie strahlt (Gelb), drückt die Qualität von ausbalanciertem Grün aus. Genügsames Grün findet sich aber auch in anspruchslosen, einfachen Stoffen wie Baumwolle oder Leinen wieder. Geht man noch einen Schritt weiter und betrachtet nicht nur die Stoffarten selbst, sondern auch deren Bindung, dann entsprechen Grün alle sogenannten Leinwandbindungen, bei denen der Schussfaden regelmäßig abwechselnd unter und über den Kettfäden hindurchgeht, was ein harmonisches, klares Bild ergibt.

Übersicht

Raumgestaltung kurz und knapp:

Grün prägt eine ruhige Atmosphäre in einem ausgewogenen, zeitlosen Stil, bei dessen Möbelstücken klassische Proportionen und harmonische Formen dominieren. Durch eine Rasterung des Raumes wird eine harmonische, symmetrische Gestaltung erreicht. Grün entspricht daneben ein Mix aus blauen und gelben Elementen wie matt-glänzend, weich-hart, dezent-auffällig, klein-groß, kalt-warm und so weiter, der sich zu einem harmonischen Ganzen verbindet.

Mode kurz und knapp:

Ein ausgewogener, zeitloser Stil mit harmonischen Proportionen und einer symmetrischen Schnittführung spricht eine grüne Sprache. In der Mode entspricht Grün die Kombination aus »blauen« und »gelben« Elementen wie matt-glänzend, weich-hart, dezent-auffällig, klein-groß, kalt-warm und so weiter, die sich beispielsweise in einem maskulinen Hosenanzug mit weiblichen Details wiederfindet. Typisch sind daneben Kleider in klassischen Formen und einfache, anspruchslose Materialien.

Hellgrün/Jade: Meditative Auszeit

Geistige Ruheinsel   Gelb und Blau sind in hellem Grün auf eine höhere Ebene gehoben worden und entsprechen dort ihren hellen, lichteren Versionen. Leises, einladendes Vanille und die luftige Weite von Himmelblau, in der die Gedanken sich frei entfalten und auf Wanderschaft gehen können, verbinden sich in Jade zu einer meditativen Atmosphäre. Während mittleres Grün vor allem ausgesprochen beruhigend auf den Körper und die Emotionen wirkt, gleicht ein Jadegrün den Geist aus und lässt ihn zur Ruhe kommen. Anregende und beruhigende Gedanken halten sich die Waage.

Meditative Ruhe   Dabei kann unaufdringliches helles Grün seltsam unbeteiligt wirken. Hellorange beispielsweise scheint den Betrachter mit offenen Armen zu erwarten, Zartgelb tippt sachte den Geist an, Hellblau weitet und klärt ihn, aber ein Pastellgrün bleibt neutral. Bei näherer Betrachtung erkennt man allerdings, dass statt »unbeteiligt« oder »neutral« ein Begriff wie »besonnen« den Kern viel besser trifft. Blasses Grün ist nicht nur ausgeglichen und ausbalanciert. Denn wo Grün sein Gleichgewicht gerade erst durch das Verschmelzen der gegensätzlichen Impulse von Gelb und Blau erreicht hat, hat Hellgrün diese Balance bereits verinnerlicht und sich eine Stufe weiterentwickelt. Helles Grün strahlt fast eine Art »Meisterqualität« aus, und wollte man einen passenden neuen Namen finden, würde sich Zen-Grün anbieten.

Gelassene Ausgeglichenheit   Die Harmonie von luftigem Pastellgrün ähnelt dabei einem Balanceakt, der in schwindelnder Höhe, aber sicher und gekonnt ausgeführt wird. Denn dank seiner gelassenen Ausgeglichenheit kann ein helles Grün sein Gleichgewicht überall halten. Jadegrün ist durch Weiß aufgelockertes Grün, das nun nicht mehr nur bewegungslos und teils träge wirkt, sondern mühelose Balance und eine souveräne Ruhe ausstrahlt.

Vokabeln

Balanciert, harmonisch, geordnet, ausgeglichen, gelassen, meditativ, leise, schlicht, bescheiden, dezent, neutral, leicht, licht, friedvoll, lind, Zen.

Raumgestaltung – ein neutraler Ort

Der Ausgleich und die Ruhe wurden bei Grün noch durch das Nebeneinander von gelben und blauen Elementen erreicht, wie zum Beispiel der Kombination von warmen und kalten oder harten und weichen Materialien. Bei Jadegrün ist die Verbindung beider Ausgangsfarben bereits abschlossen. Es gibt kein Nebeneinander mehr und auch keine nur rein optische Verschmelzung verschiedener Elemente, sondern der Fokus liegt auf dem Neuen: der Aufhellung mit Weiß. Dadurch wird das Grün auf eine lichtere, ätherische Ebene gehoben, die nicht nur körperlich beruhigend wirkt, sondern eine meditative Atmosphäre schafft, in der auch die Gedanken zur Ruhe kommen. Wie ein Garten im Zen-Stil unterstützt helles Grün die Meditation, der Geist wird beruhigt und zentriert. Die neutralen Blassgrüntöne eignen sich damit für alle Wohnbereiche, in denen man sich entspannen möchte, da sie beruhigend und lind, aber nie zu kühl wirken. Sie schaffen Räume wie ein Spa – die friedliche Atmosphäre wirkt beim Betreten sofort erholsam, und der stressige Alltag tritt in den Hintergrund.

Jade scheint wie gemacht zu sein für den fernöstlichen Einrichtungsstil: schlicht, ästhetisch und klar strukturiert. Die Wirkung von blassgrünen Wänden kann man so zum Beispiel mit einer strukturierten Raumaufteilung verstärken, da auch sie dem Auge Ruhe bietet und hilft, die Gedanken zu ordnen. Wässriges Grün drückt sich – ganz im Sinne des Zen-Stils – daneben in einer reduzierten Gestaltung aus, die nicht überladen oder vollgestellt wirkt, sondern klar und übersichtlich mit vielen freien Flächen.

Denn wie allen mit Weiß aufgehellten Farben entsprechen auch Jade großzügige, lichte Räume mit nur wenigen Einrichtungsgegenständen, unter die sich einzelne klassische Stücke mischen können, in denen das reine Grün noch anklingt. Auch leichte Bambusmöbel in ausgewogenen Formen sprechen die Sprache von blassem Grün, genauso helle, gedeckte und natürliche Töne, die zur lichten, erholsamen Atmosphäre beitragen.

Damit die Räume nichts von ihrer ruhigen Ausstrahlung verlieren, sollte bei der (ohnehin zurückhaltenden) Dekoration oder beim Einräumen von offenen Regalen auf einen ausgewogenen Gesamteindruck geachtet werden. Wichtig sind dafür Anknüpfungspunkte zwischen den einzelnen Stücken, zum Beispiel ein Objekt, das in gleichmäßigen Intervallen als ruhender Pol immer wiederkehrt. Erkennbare Bezüge zwischen den verwendeten Farben, Texturen und Einrichtungsgegenständen schaffen zusätzlich Ausgewogenheit. Denn in »jadegrünen« Räumen herrscht keine Kakophonie, sondern eine meditative Ruhe, und die Dinge im Raum korrespondieren miteinander – leise.

Mode – Klassik light

Pastelliges Grün wirkt fein, ästhetisch und erinnert an zierliche Schneeglöckchen oder die ersten schlanken Halme nach dem Winter. Es ist ein sehr zarter Farbton, mit dem man dezent und harmonisch gekleidet ist – allerdings erscheint man auch nicht sehr durchsetzungsfähig, sondern genauso ätherisch wie durchscheinendes Blassgrün selbst.

Wie Mittelgrün einem ausgewogenen, klassischen Stil entspricht, so wird ein helles Grün am besten mit »Klassik light« oder »ätherischer Klassik« umschrieben, denn der Stil präsentiert sich durch das leichte Weiß deutlich zarter und luftiger als der mittelgrüne. Die grundlegend harmonischen Proportionen bleiben bestehen, und auch bei hellem Grün werden keine auffälligen Extravaganzen oder asymmetrischen Schnitte auftauchen, die das Gleichmaß stören würden. Hellgrüne Kleidungsstücke wirken harmonisch, zeitlos und unaufdringlich. Sie sind schlicht im Sinne von einfach und klar.

Ein Beispiel aus der Geschichte sind die als Empire- oder Chemisenkleider bekannten zarten Modelle, die man in Jane-Austen-Verfilmungen häufig sehen kann: hohe Taillen und gerade fallende Röcke bei pastellfarbenen Kleidern aus dünnem Musselin. Gerade die Rückbesinnung auf den bis heute als Ideallinie empfundenen Stil der klassischen Antike spricht die Sprache der Grüntöne, die ebenfalls die absolute Mitte, das goldene Maß abbilden. Die damalige Neuerung, Kleider ohne Korsetts zu tragen, entspricht daneben der natürlichen und gelassenen Qualität von Zartgrün. Zudem war mit der Abkehr von den starren, mit Fischbein verstärkten Oberteilen auch eine neue, einfache Leichtigkeit verbunden, die auch ein Pastellgrün ausstrahlt. Der lockere, natürliche Faltenwurf zeigt den Übergang von zwar ruhigem, aber noch unbeweglichem Mittelgrün hin zu der souveränen Harmonie seiner hellen Nuance. In einer modernen Form findet man diese Mode heute in schlichten Tuniken mit hoher Taille wieder, die durch die zarten Stoffe wie Batist oder Seide sehr anmutig wirken.

Die geradlinigen Formen haben vor allem durch diese dünnen, halbtransparenten Materialien – es passen auch dünn gewebter Popeline, Musselin oder Gaze – eine besondere Grazie, und die Leichtigkeit der duftigen, hauchzarten Stoffe umschreibt die wenig greifbare Essenz von Blassgrün. Die schnörkellosen Schnitte und deren harmonische Wirkung werden unterstrichen durch eine helle, ruhige Farbpalette und unifarbene oder dezent gemusterte Stoffe mit klarer, glatter Struktur. Schmuck und Accessoires wirken für sich allein. Sie sind in dezenten Formen gehalten, aus leichten Materialien gefertigt und fügen sich harmonisch in das Gesamtbild ein, ohne die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Übersicht

Raumgestaltung kurz und knapp:

Hellem Grün entspricht ein entspannender, meditativer, teils fernöstlich angehauchter Stil mit Möbelstücken in ausgewogenen, schlichten Formen. Erkennbare Bezüge zwischen den einzelnen Einrichtungsgegenständen, Texturen und Farben schaffen eine ruhige Atmosphäre. Die hellen Räume wirken aufgeräumt und sind ohnehin nur sparsam ausgestattet mit leichten Möbelstücken, klassischen Einzelstücken und unifarbenen Stoffen oder dezenten Musterungen in natürlichen Tönen.

Mode kurz und knapp:

»Ätherische Klassik« wäre ein passender Begriff für die schlichten, schnörkellosen Kleidungsstücke aus zarten, halbtransparenten Stoffen, die an klassische Vorbilder erinnern. Typisch sind eine helle, ruhige Farbpalette und dezenter, zarter Schmuck.

Dunkelgrün/Tanne: Tiefe Ruhe

Stille und Stabilität   Die ausgleichende Stimmung von Grün wird in seinen dunklen Tönen zu einer tiefen Ruhe gesteigert. Robustes Tannengrün hält die für Grün charakteristische Balance auf einer tieferen Ebene. Es ist kein Farbton, der leicht zu verunreinigen oder – im übertragenen Sinn – zu verunsichern wäre; kaum etwas bringt es aus der Fassung. In dunklem Grün kommt nicht nur alles zur Ruhe, sondern es wirkt auch ungemein beruhigend auf andere – alles Schrille scheint von Tannengrün absorbiert zu werden wie von einem dichten Wald, der den Zivilisationslärm schluckt.

Sicheres Fundament   Der tiefe Grünton strahlt eine wohltuende Schwere und Stabilität aus, bei der man das Gefühl hat, sich ihr bedingungslos anvertrauen zu können. Man fühlt sich mit diesem Farbton harmonisch geerdet und gefestigt. Tannengrün ist ein Synonym für ein konkretes, sicheres Fundament, auf dem man stehen und sich ohne Hast die nächsten Schritte überlegen kann.

Status quo, Ordnung und Struktur   Doch vorerst ist es genau richtig, sich hier aufzuhalten, zu verharren, den Status quo zu halten. Denn dunkles Grün kennt die natürliche Ausgeglichenheit von Mittelgrün nicht, das nur vorwärtsdrängendes Gelb und zurückweichendes Blau ausbalancieren muss. In Tannengrün ziehen zusätzlich die schweren dunklen Anteile nach unten, weshalb es ihm schwerer fällt, die Balance zu halten. Es fürchtet sich, seine sichere Basis könnte ins Wanken geraten, und sucht daher beständig nach Ordnung und Struktur. Es muss die Kontrolle behalten, um sich sicher fühlen zu können. Dadurch wirkt ein dunkles Grün allerdings teils unbeweglich, konservativ und übertrieben herb.

Überlegte Aktionen   Anders als bei Schwarz, das sich in keine Richtung bewegt, hat dunkles Tannengrün jedoch das Potenzial, aus der Stille aufzutauchen, aufzustehen und zu einer ruhigen, bedachten Handlung zu schreiten – wohlgemerkt »zu schreiten«, nicht zu eilen. Hektik, Stress oder gar Panik sind Begriffe, die im Vokabular von dunklem Grün nicht vorkommen. Denn das flüchtige Blau wird in den dunklen Tiefen von Tannengrün verankert und bleibt als klare, verlässliche Qualität erhalten. Und der rastlos vorwärtsdrängende Impuls von Gelb ist hier so weit abgeschwächt, dass er allein noch für wenige bedächtige Aktionen ausreicht. Das laute Gellen von Gelb aber wird in einem dunklen Grün zu einem gedämpften Ton, der den Charakter von Tannengrün zusammenfasst: kontrolliert und gemäßigt.

Vokabeln

Still, beruhigend, erdend, dämpfend, streng, herb, ernst, konservativ, traditionell, wertbeständig, verlässlich, konkret, statisch, stabil, robust, beständig, kontrolliert, sicher, Status quo, gediegen.

Raumgestaltung – sicheres Fundament

Tannengrün vermittelt ein Gefühl von absoluter Sicherheit – es ist ein Zur-Ruhe-Kommen in geschützter Umgebung. In dunklem Grün gestaltete Räume wirken fast still und strahlen etwas Bedächtiges, Traditionelles aus. Wie bei allen sehr dunklen Farben sollte man aber bedenken, dass sie Räume optisch verkleinern und leicht drückend wirken können. Stellt man ihnen zudem keine modernen, jungen Farben – wie zum Beispiel Fuchsia oder Türkis – zur Seite, weckt gerade Tannengrün eher Assoziationen von alteingesessenen Herrenclubs oder Jagdzimmern.

Die für dunkles Grün typische Sicherheit und Stabilität kann auch durch eher konservative, robuste Möbelstücke erreicht werden. Sie sollten auf eine möglichst lange Geschichte zurückblicken und auf angenehme Weise Beständigkeit und Ruhe ausstrahlen. Herbe, kräftige Farbtöne unterstützen den greifbaren, sicheren Eindruck, den die Möbel erwecken.

Auch die klare Linienführung von schmucklos-funktionalen Shaker-Möbeln umschreibt den schnörkellosen, leicht kantigen Stil von dunklem Grün, das viel Wert auf Funktionalität und Wertbeständigkeit legt. Eine solide Verarbeitung ohne verzierende Ornamente und die für Tannengrün charakteristische Strenge zeichnen die Möbelstücke in durchgängig traditionellen Formen aus. Besonders aus massivem, dunklem Holz gefertigt strahlen sie etwas sehr Verlässliches aus, das dem Sicherheitsstreben von Dunkelgrün entspricht.

Diesen Räumen haftet stets etwas Nüchternes an, da dunkles Grün die Kontrolle behalten möchte. Ohne die Souveränität von klarem Grün, das den Spagat zwischen seinen beiden Ursprungskräften meistert, wirkt die Ruhe von Dunkelgrün noch verkrampft und kontrolliert. Wenn es daher nur wenige ausgesuchte Stücke aus robusten, schweren Materialien im Blick behalten muss, reicht ihm das vollkommen aus. Auch überflüssige Dekoration und sonstiger Kleinkram findet sich in »dunkelgrünen« Räumen aus diesem Grund nicht. Stattdessen sind breite Holzdielen, Steingut, Putz, Klinkerwände und sichtbare Balken (die Struktur im Auge behalten) sowie festes Leinen oder Baumwolle als strapazierfähiger Bezug für Sofas und Stühle klassisch dunkelgrün.

Bei Tannengrün geht es in erster Linie darum, einen sicheren Rahmen zu schaffen, ein Zuhause, das auf einem stabilen Fundament steht und zugleich praktisch sowie vertraut ist.

Mode – es lebe die Tradition

Tannengrün macht seinem Ruf, konservativ und leicht langweilig zu wirken, alle Ehre, wenn es die einzige Farbe in einer Garderobe ist. In Kombination mit zum Beispiel lebhaftem Türkis kann es aber seinen ganzen Charme ausspielen. Aber ein Outfit komplett in dunklem Grün wirkt immer etwas ländlich und erinnert viele eher an Lodenjanker, Wadenstrümpfe und Forstwirte als an gediegene Eleganz. Dunkelgrün muss in klaren, strengen Schnitten daherkommen, dann garantiert es eine verlässliche Ausstrahlung. Man wirkt sicher – als habe man alles unter Kontrolle.

Der kontrollierten Ruhe von Dunkelgrün entsprechen neben strengen auch bewährte Schnitte. Dunkles Grün sucht keine Experimente und möchte nicht aus der Rolle fallen, sondern im Gegenteil seine stabile Position halten. Das gelingt am besten mit zeitlosen, eher konservativen Kleidungsstücken: beispielsweise traditionelle Faltenröcke in moderater Länge, kombiniert mit Twinsets, klassischen Perlenketten und soliden Schuhen, mit denen zugleich der sichere Stand gewahrt werden kann.

Insgesamt weist Dunkelgrün zwar schon denselben geradlinigen Stil auf wie reines Grün, doch er wirkt noch deutlich unbeweglicher, steifer und eckiger.

Ähnlich wie in der Raumgestaltung, die weitgehend ohne Dekoration auskommt, verzichtet ein Tannengrün auf Schmuck, hübsche Tücher und sonstige Accessoires, die nur der Optik dienen. Eine zuverlässige, langlebige Uhr, ein strapazierfähiger Wollschal und womöglich ein praktischer Regenschirm fehlen dagegen nicht.

»Dunkelgrüne« Kleidungsstücke sind in festen, robusten und teilweise ausgesprochen steifen Stoffen umgesetzt, wie derbe Gabardine, Tweed, Cord, Shetlandwolle oder Tartanstoffe, die daneben auch Tradition verkörpern – ein Muss für dunkles Grün mit seinem Festhalten an Sicherem und Bestehendem. Generell passt jedes Material, das verspricht, dauerhaft zu halten und strapazierfähig zu sein, zu Dunkelgrün, welches den momentanen Zustand konservieren möchte.

Übersicht

Raumgestaltung kurz und knapp:

Dunkles Grün prägt eine sichere, ausgesprochen ruhige Atmosphäre, in der sich robuste und massive Möbelstücke mit traditionellen Anklängen finden. Sie sind schnörkellos gehalten, funktional, solide verarbeitet, leicht kantig und sprechen eine strenge, nüchterne Formensprache wie zum Beispiel Shaker-Möbel aus dunklem Holz. Auch Klinkerwände, sichtbare Balken, Holzdielen, Steingut, strapazierfähige, einfache Stoffe und herbe, kräftige Farben sind typisch tannengrün.

Mode kurz und knapp:

Dunklem Grün entspricht der klassische, konservative Stil ohne Experimente. Tannengrün kann man übersetzen in bewährte Schnitte, Faltenröcke in moderater Länge, Twinsets, solide Schuhe und Stoffe in langlebiger, robuster und immer auch etwas steifer Qualität.