4.

Während Lea und Ketura sich darauf vorbereiteten, die verborgenen Schätze im Bett der Sarn zu heben, gönnte Jochanan ben Gerschom sich nur die notwendigsten Pausen, denn er wollte seinen Auftrag so schnell wie möglich erfüllen. Vor zwei Jahren, als sein Vater krank geworden war, hatte er dessen Stelle bei Jakob Goldstaub eingenommen und den Weg nach Augsburg mit der Kutsche zurückgelegt. Damals hatte er sich alle Mühe gegeben, die Strecke im Gedächtnis zu behalten, denn es war sein Traum gewesen, der vertraute Leibdiener Samuel ben Jakobs zu werden und ihn auf seinen Reisen zu kutschieren. Jetzt würde er warten müssen, bis Elieser genesen und vor allen Dingen alt genug war, die Geschäfte zu übernehmen, und seine Zukunft hing ebenso wie die des jungen Herrn davon ab, ob Lea das Erbe Jakob Goldstaubs für sie alle bewahren konnte.

Was das betraf, war Jochanan nicht sehr zuversichtlich, denn Lea war ja nur ein Mädchen, das nichts von Geschäften verstand und keinerlei Erfahrung besaß. Andererseits hatte sie bereits gezeigt, welch klugen Kopf sie auf ihren Schultern trug, denn sonst hätte sie den Markgrafen nicht so mühelos täuschen können. Während Städte wie Tübingen, Reutlingen, Ulm und Günzburg wie gesichtslose Schatten auf seinem Weg zurückblieben, versuchte Jochanan, aus dieser Tatsache Zuversicht zu schöpfen. Ging es Lea und ihrer Familie gut, hatten auch die Bediensteten ein festes Dach über dem Kopf und konnten manche Annehmlichkeiten genießen. Er würde alles tun, damit es so blieb, und vor allen Dingen wollte nicht er schuld sein, wenn innen die Heimat verloren ging. Gerschom hatte seinem Sohn oft genug erklärt, wie ein Jude sich auf Reisen zu verhalten hatte, und an diese Lehren hielt Jochanan sich. Nie nächtigte er im Freien, wo die Gefahr bestand, dass sich Räuber oder verspätete Reisende einen Spaß daraus machten, ihn zu quälen oder gar zu töten, und in den Herbergen bat er stets nur um einen Platz im Hof oder bei schlechtem Wetter unter einem Vordach. Dabei beklagte er sich weder über zu hohe Preise noch über schlechtes Essen und verlangte auch nicht nach koscherer Nahrung. Sein Vater hatte ihn auch vor dem Essen gewarnt, dem die Christen gerne Schweinefleisch beimischten, und so begnügte er sich mit Brot und Fisch, und Anfeindungen und derben Späßen begegnete er mit derselben freundlichen Langmut, die er bei seinem ermordeten Herrn so bewundert hatte. Jakob ben Jehuda hatte sich niemals beschwert, wenn man ihm Bier über den Kopf schüttete oder freche Burschen die von Schweinefett triefenden Hände an seinem Kaftan abwischten, sondern hatte seine Peiniger kraft seines Willens mit Freundlichkeit beschämt.

»Man muss sich biegen, wenn man nicht brechen will«, hatte Jakob ben Jehuda Jochanan auf jener Reise erklärt. »Samuel wird das noch lernen müssen, auch wenn er mehr Mut besitzt als die Ritter, die auf ihren Burgen sitzen, verächtlich auf uns Juden herabsehen und uns insgeheim glühend um den Reichtum beneiden, den Generationen unseres Volkes geschaffen haben, während sie und ihre Vorfahren ihr Hab und Gut in sinnlosen Fehden verschleuderten.«

Ja, Samuel war mutig gewesen, zu mutig vielleicht, dachte Jochanan und wünschte sich, er hätte mit Lea über ihn sprechen können. Sie verehrte ihren Bruder über jede Vernunft hinaus und hielt ihn für unfehlbar, denn sie hatte nie ein kritisches Wort über ihn hören wollen. Jochanan glaubte, Samuel besser zu kennen als sie, und grübelte tagelang über der Frage, ob sein Herr und sein Vater noch am Leben sein könnten, wenn Samuel nicht versucht hätte, sie gegen die eindringenden Christen zu verteidigen. Irgendwann aber kam er zu dem Schluss, dass auch er aufbegehrt hätte, wenn sein Vater von rauen Händen geschunden worden wäre.

Als die Türme von Augsburg vor ihm auftauchten, verbannte Jochanan seine düsteren Gedanken tief in seinem Inneren. Bisher konnte er mit sich zufrieden sein, denn er hatte sein Ziel nach nur zehn Tagen erreicht und hoffte, den Rückweg in der gleichen Zeit zu schaffen. Als er sich dem wuchtigen, aus großen Quadersteinen errichteten Stadttor näherte, warf er den Wachen einen ängstlich prüfenden Blick zu, behielt aber sein einfältiges Lächeln bei und streckte ihnen unaufgefordert einen Doppelkreuzer als Torsteuer hin. Die Torwächter der Städte spielten einreisenden Juden oft böse Streiche, aber die Männer hier, die in die Farben der Stadt gekleidet waren und ihr Wappen auf der Brust trugen, interessierten sich nicht für einen jungen Mann in einem abgetragenen Kaftan mit verblasstem Judenring auf der Schulter, sondern nahmen ihm wortlos die Münze ab und winkten ihn genauso lässig durch wie andere Wanderer. Trotzdem wagte Jochanan erst stehen zu bleiben und sich umzusehen, als er das Tor ein Stück weit hinter sich gelassen hatte. Vor ihm öffnete sich die Straße zu einem kleinen Marktplatz, auf dem Bauern ihr restliches Gemüse und ein paar Hühner billig anboten, um endlich nach Hause zurückkehren zu können.

Jochanan zwängte sich zwischen den eng stehenden Wagen hindurch, wich unter dem Gelächter der Umstehenden einem Kasten aus, in dem mehrere Ferkel quiekten, und versuchte sich zu erinnern, welche der vier Gassen, die von dem Markt in die Stadt abzweigten, zum Judenviertel führte. Noch während sein Blick über die Häuserzeilen irrte, zupfte jemand an seinem Mantel. Er drehte sich um und sah einen Jungen vor sich, dessen Kittel das Waschen genauso dringend nötig gehabt hätte wie Hals und Gesicht.

Der Knirps starrte ihn aus blauen, unschuldig wirkenden Kinderaugen an. »Bist du fremd hier, Jude?«

Wider Willen nickte Jochanan.

»Wenn du mir sagst, wohin du willst, werde ich dich führen. Es kostet dich nur einen Heller.«

Jochanan atmete erleichtert auf und nestelte eine Münze aus dem dünnen Beutel an seinem Gürtel. »Ich will zu Ruben ben Makkabis Haus. Kennst du es?«

Der Junge machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wer kennt es nicht? Schließlich steht der alte Jude bei den Stadtoberen in hoher Gunst, höher sogar als die meisten ehrlichen Christenmenschen.«

Einen Augenblick lang war seinem Gesicht anzusehen, wie diese Tatsache die christlichen Einwohner fuchste. Sofort aber grinste er wieder, versprach Jochanan, ihn bis vor das Haus zu bringen, und fing geschickt die Münze auf, die dieser ihm zuwarf. Er führte Jochanan durch ein Gewirr von Straßen in ein Gässchen, in dem die hohen, schmalen Fachwerkhäuser sich mit jedem Stockwerk einander mehr zuneigten, bis die Giebel sich beinahe berührten. Unten am Boden herrschte trotz des hellen Tages ein diffuses Dämmerlicht, in dem man kaum die Hand vor Augen sehen konnte, und es stank so erbärmlich, dass Jochanan gar nicht wissen wollte, was alles auf dem weichen, glitschigen Boden herumlag. Da er sich nicht daran erinnern konnte, bei seiner Reise mit Jakob ben Jehuda durch diese schmutzige Gasse gekommen zu sein, tastete er nach seinem Führer, der vor ihm gehen musste. Doch den schien der Erdboden verschluckt zu haben.

Wütend über sich selbst, weil er trotz besseren Wissens auf einen schmierigen kleinen Jungen hereingefallen war, drehte Jochanan sich um, stapfte zum Ausgang der Gasse zurück und versuchte, das Judenviertel auf eigene Faust zu finden. Er schob sich an schwer beladenen Passanten vorbei, die ihm wütend befahlen, aus dem Weg zu gehen, oder ihn direkt gegen eine Hauswand stießen. Niemand war willens, auf seine Frage nach Ruben ben Makkabis Haus zu antworten, und so stolperte Jochanan in wachsender Verzweiflung weiter. Endlich stieß er auf einen größeren Platz, der von einer mächtigen Kirche beherrscht wurde. Er wusste nicht, ob er vor dem hiesigen Münster oder einer der geringeren Kirchen stand, so dass das Gebäude ihm auch nicht half, sich zu orientieren. Gerade, als er einen weiteren Versuch machen wollte, einen der Vorübereilenden zu fragen, fiel ihm eine Frau mit einer weißen Flügelhaube auf, die ihren Kopf völlig umschloss und nur das Gesicht freiließ. Über ihrem langen Kleid aus dunkler Wolle trug sie einen hüftlangen Übermantel, auf dessen linker Schulter deutlich der gelbe Judenkreis zu sehen war, und in der Hand hielt sie einen schweren, mit einem bestickten Tuch bedeckten Korb.

Jochanan rannte ihr nach und sprach sie an. »Gute Frau, könnt Ihr mir Rat geben? Ich suche das Haus des ehrwürdigen Ruben ben Makkabi, wurde aber von einem Gassenjungen in die Irre geführt.«

Die Frau blieb stehen und musterte Jochanan. Ihm war die lange Reise anzusehen, und seine Kleidung wies ihn als Knecht aus. Trotzdem grüßte sie ihn freundlich. »Friede sei mit dir, Bruder. Bekümmere dich nicht länger wegen des Streichs eines frechen Burschen, sondern folge mir. Meine Familie wohnt direkt neben ben Makkabi.«

Erfreut bot Jochanan der Frau an, ihr den Korb zu tragen. Die Frau schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich werde einen Sohn Israels nach so einer langen Wanderung wie der deinen doch nicht als Lastesel benützen. Du warst gewiss großen Gefahren ausgesetzt?«

Obwohl Jochanan ihr fremd war, schien sie sich zu freuen, mit ihm reden zu können. Er antwortete höflich, dass die Reise nicht so schlimm gewesen sei, und berichtete ihr dann von dem Sarninger Massaker, das so sehr auf seiner Seele lastete, als wäre er selbst nur mit knapper Not entkommen. Die Frau hatte bereits davon gehört und erzählte ihm, dass diese Nachrichten die Augsburger Judengemeinde in tiefe Trauer gestürzt hatten.

»Leider ist Sarningen kein Einzelfall«, fuhr sie fort. »Immer wieder erfahren wir von Vertreibungen und Morden. Gott allein weiß, warum unser Volk in diesen Tagen so furchtbar bedrängt wird. Die Christen verbreiten ständig neue Lügen über uns und behaupten, wir würden ihre Kinder schlachten und ihr Blut für unser Passahbrot verwenden. Dann wiederum machen sie einander weis, wir würden die Brunnen vergiften, damit die Christen zugrunde gehen. Mein Gott, wie können sie nur auf so etwas kommen? Es sind doch dieselben Brunnen, aus denen auch wir unser Wasser schöpfen. Außerdem sagen die Rabbiner, dass die meisten Krankheiten und Seuchen von der Unsauberkeit kommen, in der die Christen leben. Das wundert mich nicht, denn ihre Mönche und Priester predigen, dass es Sünde sei, seinen Körper zu waschen, da es Wollust erzeuge und üble Triebe. Ich kann nicht begreifen, dass die Menschen so etwas glauben. So dumm können doch selbst Christen nicht sein.«

Jochanan hatte den Christen den Tod seines Vaters noch nicht vergeben und war bereit, alles Schlechte von ihnen anzunehmen.

»Ich glaube, ihre Priester verdrehen den Leuten bewusst den Kopf und sorgen so dafür, dass die Christen üblen Sinnes sind und nur Böses wollen. Dabei behaupten sie aber, sie würden sich an die überlieferten Gesetze des Mosche Rabbenu zu halten, die besagen, dass man nicht töten soll.«

Während des Gesprächs hatten sie die Judengasse erreicht und traten durch das offen stehende Tor. Die Häuser hier drinnen unterschieden sich kaum von denen der anderen Einwohner Augsburgs. Sie waren im gleichen Fachwerkstil erbaut, besaßen dieselben schiefergedeckten Dächer, und aus den Kaminen quoll ebenfalls grauer Rauch. Dennoch fühlte Jochanan sich hier sofort heimisch. Er konnte nicht sagen, ob es an den religiösen Symbolen lag, mit denen die Fensterhäute bemalt waren, oder am Geruch vertrauten Essens. Dieser Fleck hier war ein kleines Stück Juda in der Fremde, auch wenn das gekrönte Jerusalem weit jenseits aller Träume lag. Jochanan erinnerte sich, dass es hier in Augsburg eine Synagoge gab und beschloss, sie so bald wie möglich aufzusuchen. Das Fehlen eines geweihten Raumes, in dem sie beten konnten, stellte die größte Einschränkung ihres Lebens in Hartenburg dar. Die Bestimmungen des Markgrafen hatten es Jakob ben Jehuda verboten, andere Juden nachzuholen oder einen Rabbi für mehr als ein paar Tage zu Gast zu laden. Selbst die Lehrer seiner Söhne hatten die Markgrafschaft vor Ablauf von zwölf Wochen wieder verlassen müssen.

»Dort ist das Haus des ehrenwerten Rabbi Ruben.« Die Stimme seiner Begleiterin rief Jochanan wieder in die Gegenwart zurück. Er wunderte sich, dass Ruben ben Makkabi als Rabbi bezeichnet wurde, erinnerte sich dann aber daran, dass sein verstorbener Herr ihn einen talmudkundigen Mann genannt hatte.

»Ich danke dir.« Jochanan verneigte sich vor seiner Führerin und betätigte den Türklopfer, der mit einem verschlungenen Willkommensgruß verziert war. Die Frau ging ein paar Schritte weiter, blieb vor einem anderen Haus stehen und wartete, bis Ruben ben Makkabis Haustür geöffnet wurde. Jochanan nickte ihr noch einmal dankbar zu und grüßte dann den Diener, der ihn kritisch musterte. Der Mann schien ihn als seinesgleichen einzuschätzen und ließ ihn mit einer herablassenden Geste ein. Während Jochanan seine Schuhe auszog und den nicht weniger schmutzigen Mantel im Flur ablegte, meldete der Diener ihn seinem Herrn. Kurz darauf vernahm Jochanan eine laute, überrascht klingende Stimme, und als er sich umdrehte, kam der Hausherr auch schon auf ihn zu und begrüßte ihn überschwänglich.

Ruben ben Makkabi war ein Mann um die fünfzig, mittelgroß und von hagerer Gestalt, und sein Gesicht wirkte durch den langen, grauen Bart noch schmaler, als es bereits war. Er trug einfache Lederpantoffel und einen langen Hausmantel aus brauner Wolle und hatte seinen Kopf mit einer schlichten Kippah bedeckt. »Kommst du wirklich aus Hartenburg?«, fragte er Jochanan ganz aufgeregt. »Wir haben schon von dem schrecklichen Geschehen gehört, dem unser Bruder Jakob ben Jehuda und seine Familie zum Opfer gefallen sind.«

»Ja, mein Herr ist tot und S..„ äh, mein Vater auch.« Erst im letzten Moment hatte er sich daran erinnert, dass Lea ihm eingeschärft hatte, Samuels Tod zu verschweigen, weil sie den Brief an Ruben ben Makkabi mit dem Namen ihres Bruders unterzeichnet hatte.

Der Hausherr legte die zittrigen Hände auf Jochanans Schulter.

»Was ist mit den Kindern meines Freundes? Man hat mir berichtet, sie seien alle umgekommen.«

»Sie konnten dem Pogrom entkommen. Elieser wurde schwer verletzt und wird vielleicht ein Krüppel bleiben. Lea und Rachel wurden von einer Christenfreundin gerettet und Samuel ist auch irgendwie entkommen …« Das Letzte zu sagen fiel Jochanan schwer, weil sein Gewissen sich sträubte, einen Rabbiner zu belügen.

Ruben ben Makkabi achtete nicht auf seine Verlegenheit, sondern warf erleichtert die Arme zum Himmel. »Jakob ben Jehudas Schwager Esra ben Nachum und die Seinen konnten fliehen und haben bei uns Schutz gefunden, dem Gott unserer Väter sei Dank. Aber er brachte uns die traurige Nachricht, Jakob ben Jehudas gesamte Familie sei dem Pogrom zum Opfer gefallen.«

»Es freut mich zu hören, dass der Onkel meines jetzigen Herrn den Christen entkommen konnte«, antwortete Jochanan diplomatisch. Der Hinweis auf das jetzige Familienoberhaupt stellte keine Lüge dar, denn Elieser war ja ebenfalls Esra ben Nachums Neffe.

Ruben ben Makkabi seufzte kaum hörbar. »Er und die Seinen weilen vorerst noch bei mir zu Gast, bis wir eine neue Heimat für sie gefunden haben. Komm, ich bringe dich zu ihm. Er wird sich über die überraschende Neuigkeit gewiss ebenso freuen wie ich.«

Jochanan sah verwundert auf, denn die Worte des Hausherrn hatten ein wenig spöttisch geklungen. Doch er wagte nicht, nachzufragen, sondern folgte Ruben ben Makkabi stumm und mit leicht gesenktem Kopf, wie es sich für einen Knecht gehörte. Bei Jochanans Anblick riss Esra ben Nachum vor Erstaunen die Augen weit auf, und als er von seinem Gastgeber erfuhr, dass der junge Mann von Samuel ben Jakob geschickt worden war, wirkte er verwirrt und auch etwas peinlich berührt.

»Ich … ich war fest davon überzeugt, die gesamte Familie meines armen Schwagers Jakob sei umgekommen, nachdem Samuel sich den eindringenden Christen entgegengestellt hatte, statt uns zu folgen, wie ich es meinem Schwager zugerufen hatte. Als wir armen Vertriebenen uns außerhalb der Stadt gesammelt haben, um gemeinsam weiterzuziehen, weilte von Jakobs Familie niemand mehr unter uns, und am nächsten Tag sahen wir die Leichen einiger schrecklich entstellter Mitbrüder an uns vorübertreiben, darunter auch den Körper meines armen Schwagers. Leider konnten wir sie nicht bergen und sie begraben, wie es das Gesetz befiehlt.«

Ruben ben Makkabi zog erstaunt die rechte Augenbraue hoch. Anscheinend hatte sein Gast ihm die Geschichte vorher ein wenig anders erzählt. Aber er sagte nichts, sondern ließ ihn mit einem sanften Lächeln gewähren. Esra ben Nachum hatte die leicht zweifelnde Miene seines Gastgebers wahrgenommen und bemerkte hastig, seine Frau und seine Tochter würden die guten Neuigkeiten sicher gern selbst aus Jochanans Mund vernehmen. Ohne auf Antwort zu warten, öffnete er die Tür zum Küchentrakt und rief nach ihnen. Die Frauen schienen hinter der Tür gewartet zu haben, denn sie traten einen Herzschlag später ins Zimmer. Während Noomi sich über Jochanans Nachricht von ganzem Herzen freute, wirkte Mirjams Miene eher säuerlich, und sie rang sich widerwillig ein paar Glückwünsche ab. Auch Esras Gesicht wirkte wie eingefroren. Mit einem Mal aber ging ein erleichtertes Lächeln über sein Gesicht, und er legte Jochanan freundschaftlich den rechten Arm um die Schultern.

»Jetzt ist also Samuel dein Herr. Ein trefflicher junger Mann fürwahr, aber in Geschäftsdingen doch noch recht unerfahren. Er wird einen treuen Freund brauchen, der ihm zur Seite steht, und wer könnte besser dafür geeignet sein als ich, der Bruder seiner Mutter? Das musst du doch auch sagen, nicht wahr?«

Ohne Jochanans Antwort abzuwarten, malte Esra ihm aus, was für wundervolle Zeiten in Hartenburg anbrechen würden, wenn er die Geschicke der Familie lenkte. Ruben ben Makkabi hörte ihm mit einem seltsamen Lächeln zu, doch das einzige Wort, das man von ihm vernahm, war die Bitte an seinen Diener, Erfrischungen für die Gäste zu bringen.