PROLOG
London, 1814
Der Ballsaal bot eine verblüffende
Farbenpracht. Im flackernden Kerzenschein wirbelten die in Samt und
Seide gekleideten Damen in den Armen von eleganten Herren umher,
und das strahlende Aufblitzen ihrer Edelsteine ließ einen
funkelnden Regenbogen entstehen, der von den in die Wände
eingelassenen Spiegeln zurückgeworfen wurde. Der stilvolle Prunk
war atemberaubend, dennoch war es nicht das lebhafte Spektakel, das
die Aufmerksamkeit der zahlreichen Gäste dauerhaft auf sich
zog.
Diese Ehre gebührte Conde Cezar.
Mit der amüsierten Arroganz der
Aristokratie bewegte er sich langsam durch die Menge. Dabei war
nicht mehr vonnöten als ein Heben seiner schlanken Hand, damit sie
sich wie das Rote Meer teilte, um ihm den Weg freizumachen, und ein
Blick aus seinen glühenden schwarzen Augen, um die Damen (und
einige Herren) in hektische Aufregung zu versetzen.
Zu ihrer eigenen Verärgerung legte auch
Miss Anna Randals Herz einen Schlag zu, als sie das außerordentlich
fein geschnittene Profil plötzlich zu Gesicht bekam. Denn das war
völlig unnötig - Herren wie der Conde würden sich nie dazu
herablassen, Notiz von einer armen, unbedeutenden Jungfer zu
nehmen. Solche Herren nahmen nur Notiz von schönen, verführerischen
Frauen, die auch noch den abgebrühtesten Schurken
ermunterten.
Dies war der einzige Grund, weshalb Anna
sich zwang, der schlanken, eleganten Gestalt auf den Fersen zu
bleiben, als diese den Ballsaal verließ und die geschwungene Treppe
erklomm. Eine arme Verwandte zu sein bedeutete, jede noch so
unangenehme Aufgabe zu übernehmen, die sich ergab.An diesem Abend
bestand ihre Pflicht darin, ein Auge auf ihre Cousine Morgana zu
haben, die stets angezogen von gefährlichen Männern wie Conde Cezar
war. Diese Faszination konnte schnell in einem Skandal für die
gesamte Familie enden.
In ihrer Eile, ihn nicht zu verlieren, hob
Anna ungeduldig den Saum ihres billigen Musselinkleides an. Wie sie
es erwartet hatte, bog der Conde ab, als er das Ende der Treppe
erreicht hatte, und schritt durch den Korridor, der zu den
Privatgemächern führte. Ein solcher Windhund besuchte niemals etwas
dermaßen Langweiliges wie einen Ball, ohne zuvor ein Stelldichein
zu arrangieren. Alles, was sie tun musste, war, dafür zu sorgen,
dass Morgana nicht das Opfer dieser Schändlichkeit wurde. Dann
würde Anna in ihre dunkle Ecke im Ballsaal zurückkehren und weiter
zusehen, wie die anderen Mädchen den Abend genossen.
Sie verzog das Gesicht bei diesem Gedanken
und hielt wenig später inne, als die von ihr verfolgte Person
plötzlich durch eine Tür schlüpfte und verschwand. Was nun?
Obgleich sie nichts von Morgana gesehen hatte, schloss das nicht
aus, dass diese sich bereits in dem Zimmer verbarg, um auf das
Eintreffen des Conde zu warten.
Ihre egozentrische Cousine verfluchend, die
nichts außer ihrem eigenen Vergnügen im Sinn hatte, lief Anna
vorwärts und drückte vorsichtig die schwere Tür auf. Sie würde nur
einen flüchtigen Blick hineinwerfen und dann …
Ein Schrei entwich ihrer Kehle, als
schlanke Finger ihr Handgelenk packten, sie in den dunklen Raum
zogen und die Tür hinter ihr zuschlugen.