EPILOG
Zwei Monate später
In dem exklusiven Nachtclub
in der Nähe des Lake Michigan drängten sich Vampire, diverse andere
Dämonen und mindestens eine Göttin, die eine Vorführung der
seltenen Tauelfen bewunderten, die mit ihren zarten, flatternden
Flügeln einen komplizierten Tanz aufführten.
Vipers neuestes Etablissement zeugte auf
wunderschöne Weise von einer anspruchsvollen Eleganz, die auf eine
kultiviertere Klientel abzielte als die anderen seiner Nachtlokale.
Hier gab es keine Orgien, keine Blutkämpfe, keine öffentliche
Nahrungsaufnahme. Stattdessen saßen erlesen gekleidete Gäste, in
das Licht der riesigen Kronleuchter getaucht, an kleinen Tischen
und ließen es sich gut gehen.
Das exklusive Flair war etwas ganz
Besonderes.
Plötzlich jedoch wurde die Exklusivität nur allzu
jäh gestört.
Mit großen Schritten stürmte Jagr durch die Tür.
Der bloße Anblick des riesigen Vampirs, der in einen Ledermantel
gekleidet war, der ihm bis zu den Knöcheln reichte, und seine
hellblonden Haare geflochten trug, was seine strenge, eisige Miene
erkennen ließ, reichte aus, um dafür zu sorgen, dass sich mehrere
niedere Dämonen unter ihren Tischen versteckten.
Jagr sah sie nicht einmal. Das Publikum, das die
Tauelfen längst vergessen hatte und stattdessen seine langbeinigen
Schritte in den hinteren Teil des Zimmers beobachtete, war ihm
herzlich gleichgültig.
In Wahrheit war ihm das meiste herzlich
gleichgültig. Alles, was er wollte, war, seine Pflicht zu erfüllen
und in die Stille seines Verstecks zurückzukehren.Was bildete sich
dieser neunmalkluge Styx überhaupt ein?
Der Anasso hatte gewusst, dass nur ein
königlicher Befehl ihn dazu zwingen würde, einen überfüllten
Nachtclub zu betreten. Jagr machte keinen Hehl aus seiner
Verachtung für die Gesellschaft anderer. Das warf die Frage auf,
weshalb Styx eine solche Umgebung für ein Treffen wählte.
Jagr, der in einer Stimmung war, die übel genug
schien, um den gesamten riesigen Club mit eisiger Kälte zu
erfüllen, ignorierte die beiden Raben, die in der Nähe des
Hinterzimmerbüros Wache standen. Er hob die Hand und sprengte, ohne
zu zögern, mit seiner Macht die schwere Eichentür aus den Angeln.
Die drohend vor ihm aufragenden Raben knurrten warnend und warfen
ihre schweren Umhänge ab. Darunter kamen ihre zahlreichen
Schwerter, Dolche und Feuerwaffen zum Vorschein.
Jagr verlangsamte seinen Schritt dennoch nicht.
Styx würde es nicht zulassen, dass seine Wächter einen geladenen
Gast verletzten. Zumindest, bis Jagr ihm das geliefert hatte, was
er wollte.
Und selbst wenn Styx seine Hunde nicht
zurückpfiff … nun denn - er hatte Jahrhunderte darauf gewartet, im
Kampf getötet zu werden. Das war das Schicksal eines
Kriegers.
Aus dem Inneren des Zimmers drang leises
Gemurmel, und die beiden Raben erlaubten ihm widerstrebend den
Zutritt.
Jagr trat über die zerstörte Tür hinweg und hielt
inne, um einen wachsamen Blick durch den in eisblauen und
cremefarbenen Tönen gehaltenen Raum schweifen zu lassen. Wie
erwartet, nahm Styx eine Menge Platz hinter einem schweren
Schreibtisch aus Walnussholz ein. Der Ausdruck auf seinem
bronzefarbenen Gesicht war nicht zu entziffern. An seiner Seite
stand Viper.
»Jagr.« Styx lehnte sich in seinem Ledersessel
zurück, die Finger unter dem Kinn gefaltet. »Vielen Dank für das
prompte Erscheinen.«
Jagrs kalte Augen zeigten kaum Regung. »Hatte ich
eine andere Wahl?«
»Vorsicht, Jagr«, warnte ihn Viper. »Dies ist der
Anasso.«
Jagr schürzte verächtlich die Lippen, aber er war
weise genug, seine verärgerten Worte für sich zu behalten. »Was
wollt Ihr?«, grollte er stattdessen.
»Ich habe eine Aufgabe für Euch.«
Jagr knirschte mit den Zähnen. Es war ihm
gelungen, sich das ganze vergangene Jahrhundert inmitten seiner
riesigen Büchersammlung zu verstecken, ohne andere zu belästigen.
Im Gegenzug erwartete er von ihnen das Gleiche. Seit er so töricht
gewesen war, es Cezar zu gestatten, sein Versteck zu betreten,
schien es, als würde er den verdammten Vampirclan nicht mehr
loswerden.
»Was für eine Aufgabe?«, fragte er. Sein Tonfall
machte deutlich, dass ihm diese Aussicht ganz und gar nicht
gefiel.
Styx lächelte und deutete auf ein Sofa in der
Nähe. Es war ein Lächeln, das Jagr einen Schauder der Beunruhigung
über den Rücken jagte.
»Nehmt Platz, mein Freund«, sagte der Anasso
gedehnt. »Diese Angelegenheit könnte einige Zeit in Anspruch
nehmen.«