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Vicky

Mein Unterleib funktioniert pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk. Ich musste noch nie auf meine Regel warten und wusste damals bereits am ersten Tag nach Ausbleiben der Periode, dass ich mit Luis schwanger war. Doch heute sagt mir mein Gefühl rein gar nichts; alles ist möglich. Mir ist schlecht vor Aufregung. Ich würde die Wahrheit gern hinauszögern, halte die Ungewissheit andererseits nicht mehr aus.

Der Wecker hat noch nicht geklingelt. Vorsichtig schlage ich die Decke zur Seite, um leise ins Bad zu schleichen.

»Guten Morgen, Süße«, brummt Simon.

Mist, ich dachte, er schläft noch.

»Guten Morgen. Schlaf ruhig weiter, ich geh nur aufs Klo.«

Bitte, bitte, bete ich zu wem auch immer, lass mich schwanger sein. Noch nie habe ich so ewig gebraucht, um mir den Slip runterzuziehen und nach unten zu schauen.

Blut. Na toll. Wie in Trance versorge ich mich mit Hygieneartikeln – ein bescheuertes Wort – und lege mich nach einigen Schockminuten vorm Badezimmerspiegel stocksteif zurück ins Bett. Wie lange dauert es denn noch? Warum klappt es nicht? Setze ich mich zu sehr unter Druck? Vielleicht brauche ich ja so einen Zyklusrechner, um wirklich jeden Tag zu nutzen, an dem meine Eier bereit für den ultimativen Schuss sind. Irgendwie traue ich mich nicht, Simon darauf anzusprechen, ob er sich richtig Mühe gibt. Was weiß denn ich, ob er vernünftig kommt? Ich starre an die Zimmerdecke und warte auf Tränen, spüre jedoch nur eine lähmende Leere. Seine Hand sucht nach meiner, doch ich bleibe mit verschränkten Armen auf dem Rücken liegen.

»Hast du deine Tage bekommen?«

Er dreht sich zu mir und streicht meine Haare zur Seite, um mein Gesicht zu sehen. Genau das will ich verhindern. Ich kann es nicht ausstehen, beim Heulen beobachtet zu werden – und das wird in wenigen Sekunden passieren. Mitleid ist überflüssig, es bringt ohnehin nichts. Ich werde nie mehr gebären, ich bin eine biologische Versagerin.

»Jupp«, antworte ich gewollt salopp. »Ich möchte nicht drüber sprechen.«

»Aber Süße, wir sollten drüber sprechen, wenn es dich belastet. Und dass es dich belastet, sieht man trotz der Haare in deinem Gesicht deutlich.«

Seine zärtlichen Gesten sind gut gemeint, aber ich will trotzdem nicht lieb und sanft sein. Ich möchte jetzt bitte schön in Ruhe leiden, bevor die Kinder geweckt werden müssen.

»Es besteht kein Redebedarf. Millionen von Frauen haben das gleiche Problem und kommen damit klar. Keine große Sache. Gib mir ein bisschen, dann geht’s wieder, okay?«

»Millionen von Paaren haben das gleiche Problem«, korrigiert er mich. Oh, wie ich es hasse, wenn er in unpassenden Momenten klugscheißt. »Es betrifft auch mich, nicht nur dich. Wir kriegen das gemeinsam hin, wir sind ein super Team, das auch Krisen meistert.«

»Klar machen wir das gemeinsam. Oder soll ich mir deinen Samen mit einer Spritze einführen?« Meine Stimme ist schroff, aber ich habe ihn gewarnt. Ich wollte nichts sagen. Er ist selbst schuld, wenn ich mich jetzt in Rage rede. »Wobei ich vielleicht wirklich langsam über künstliche Befruchtung nachdenken sollte. Mit Reagenzglas und allem, was dazu gehört. Ratzfatz bin ich fünfzig, und dann klappt sowieso gar nichts mehr.«

»Vicky, das dauert noch ewig. Wir haben Zeit ohne Ende. Stress dich doch bitte nicht so. Guck mal, wir haben zwei tolle Kinder, wir haben uns, die Hunde – das ist unglaublich viel! Kannst du dich daran denn gar nicht erfreuen? Ist das für dich unwichtig?«

Rhetorische Fragen sind genau das, was ich in dieser Situation nicht brauche. Er soll einfach still sein. Ich weiß, er kann nichts dafür, doch wenn er mit den Phrasen weitermacht, garantiere ich für nichts.

»Das ist natürlich sehr viel für mich. Ihr seid alles für mich, ist ja wohl vollkommen klar. Dennoch habe ich mir große Hoffnungen gemacht. Besonders nach Frau Schulzes Beerdigung war ich mir sicher, dass es geklappt hat. Jetzt können wir wieder ganz von vorn beginnen, echt großartig.«

Ah, hallo, da seid ihr ja, ihr Tränen. Ich schniefe und bemühe mich um Fassung, aber es geht eindeutig los. Simons Problem. Hätte er mich nicht in das überflüssige Gespräch verwickelt, wäre es mir gelungen, mich zusammenzureißen.

»Komm mal her«, sagt er und streckt seinen Arm aus. »Kuschel dich an mich. So, da sieht die Welt doch gleich besser aus, hm?«

Sieht sie nicht. Verdammter Mist, andere Frauen bekommen ein Kind nach dem anderen, und ich krieg gerade mal ein einziges rausgepresst. Das ist ungerecht. Dabei hab ich nach den letzten Nummern in Missionarsstellung extra die Beine in die Luft gestreckt. Angeblich können sich die wertvollen Samen dann besser einnisten. Der daraus resultierende Wadenkrampf war völlig umsonst. Ich flenne ein bisschen Simons Schlafanzug voll und wische mir theatralisch die Nase daran ab. Strafe muss sein.

Oha! Unser neuer Nachbar ist verdammt attraktiv! Das hat Simon mir verschwiegen, sehr interessant. Ich grinse verstohlen, als der Neue und ich zeitgleich unsere Wohnungen verlassen. Simon hat die Kinder zur Schule gebracht und ist jetzt mit den Hunden unterwegs. Beim Frühstück hatte ich mich wieder im Griff und habe ihn mit einem dicken Kuss verabschiedet. Mein Liebster kann nichts dafür, ich kann nichts dafür, irgendwann wird es schon klappen.

»Guten Morgen«, sage ich laut, denn der Bursche kämpft mit seinem Schlüsselbund und hat mich nicht bemerkt.

»Ach, hi, ich hab dich gar nicht gesehen, sorry«, antwortet er und strahlt zu mir herüber.

Er überragt mich um etwa anderthalb Köpfe und hat Ähnlichkeit mit Vin Diesel. Nicht schlecht und eine willkommene Ablenkung von den trüben Gedanken rund um Schwangerschaft und Damenbinden. Simon hat mir erzählt, dass der Typ Pascal heißt, frisch getrennt ist und einen ganz netten Eindruck macht. Ganz nett war ja wohl schamlos untertrieben. Ich gehe gedanklich meine Single-Freundinnen durch, die mit Sicherheit verrückt nach ihm sein werden. Cordula sollte ich die Info als Erste weitergeben; ich freue mich bereits auf ihren anschließenden Bericht. Der Typ entspricht hundertprozentig ihrem Beuteschema.

»Ich bin Pascal, und du bist bestimmt Simons Frau. Jetzt verstehe ich, warum er dich unbedingt anketten will.«

Ähm. Das mit der Frau lasse ich mal so stehen. Pascals Blick taxiert kurz, aber nicht lüstern meinen Körper. Holla, die Waldfee, der flirtet mich direkt an. Dreist, aber irgendwie auch schmeichelhaft. Sein Aussehen ist nun mal gigantisch, und ich bin auch nur ein Mensch.

»Vicky«, sage ich. Simon musste sich mehr anstrengen, um von meinem richtigen Namen Victoria zur Koseform Vicky zu gelangen. Ich sollte das lassen. Es gehört sich nicht, zwei Nachbarn nacheinander klarzumachen. »Niemand kettet hier jemanden an. Ich bin freiwillig mit ihm zusammen – und das äußerst gerne.«

»Na, das ist doch schön, da habt ihr euch gesucht und gefunden. Nicht jeder hat solch ein Glück. Du, ich muss los … Wenn du willst, komm einfach mal auf einen Kaffee rüber, würde mich freuen.«

»Ich muss mich auch beeilen. Okay, danke. Tschüss.«

Schnell weg hier. Ich schäme mich vor mir selbst, dass ich dermaßen durch Äußerlichkeiten zu blenden bin. Schließlich bin ich nicht nur mit dem allerliebsten Mann überhaupt liiert, sondern er ist rein zufällig ebenfalls optisch allererste Sahne. Und kein Poser wie dieser Pascal. Auf dem Weg zum Auto beschließe ich, mir zu verzeihen. Ich bin hormonbedingt zurzeit nicht zurechnungsfähig und vergesse den harmlosen Wortwechsel.

Auf meinem Schreibtisch liegt die Krankschreibung meines Kollegen Björn Lewandrowski, der in den nächsten Tagen drei wichtige Außendiensttermine wahrnehmen sollte. Das kann er mir doch nicht antun! Einem der Kunden werde ich absagen können, doch von den anderen beiden hängt die Quartalsprovision für das gesamte Team ab. Eigentlich kam Björn mir gestern ziemlich gesund vor … Hm, ich werde ihm eine WhatsApp-Nachricht schreiben und mich nach seinem Wohlbefinden erkundigen.

Hey, du Verräter, wie geht’s dir? Die komplette Woche, dein Ernst? Hoffentlich was ohne Aua, Gruß Vicky.

Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten.

Tut mir so leid, ich bin voll im A****. Meine Galle wird morgen früh entfernt. Darum wohl sogar zwei Wochen, sorry! Björn

Oh nee, aber immerhin spinnt er nicht rum. Ich bin heute wirklich übel drauf, dass ich jedes Wort in den falschen Hals kriege.

Du bist also im Krankenhaus? Dann lass die Schwestern in Ruhe, und behalt den Rest deiner Organe für dich. Mach dir keine Sorgen, wir schmeißen den Laden schon und ergattern den verdammten Bonus!

Ich halte die Hand unter das plätschernde Wasser meines Tischbrunnens und versuche, nicht in Panik zu geraten. Der Brunnen beruhigt mich zuverlässig, außerdem wird es Zeit, die Aufgaben auch mal an andere Kollegen zu delegieren. Immer alles an mich zu reißen und mich für die Einzige in der Abteilung zu halten, die den Durchblick hat, grenzt an Wahnsinn. Björns Termine werde nicht ich übernehmen, sondern Herr Jirka, der zwar ein hervorragender Autoverkäufer gewesen sein mag, unsere Werbeartikel aber bisher nur mäßig erfolgreich an den Mann bringt. Trotzdem liegen zu viele Aufträge auf meinem Schreibtisch, als dass ich mich auch noch mit dem anderen Mist rumschlagen könnte. Ich werde Jirka mit einer Unmenge Tipps versorgen, in der Hoffnung, dass er bis zum Termin nicht bereits die Hälfte wieder vergessen hat. Ach, vielleicht mache ich es doch direkt selbst … Nein, nichts da. Entschlossen wische ich mir die Finger am Hosenbein trocken und suche die Kurzwahlnummer des Kollegen raus. Als ich mich auf dem Bürostuhl zur großen Fensterfront drehe und den Blick über die sonnige Dachterrasse genieße, auf der die Mitarbeiter theoretisch ihre Pausen abhalten können, klopft es. Ich unterbreche die Telefonverbindung und begrüße meinen Chef, der gerade eintritt.

»Hallo, Herr Wieter.«

»Hallo, Frau Mahler. Sie sind bestimmt genauso begeistert wie ich von der Krankmeldung? Wissen Sie, was Herr Lewandrowski hat?«

»Ja, ihm wird die Gallenblase entfernt. Ich nehme an, er hatte eine Kolik, er ist jedenfalls im Krankenhaus. Wir haben vorhin nur kurz per Handy geschrieben, und es sieht so aus, als wenn das nicht mit einer Woche getan ist.«

»Hm, ausgerechnet … Dann müssen wir umdisponieren.«

Chefs wünschen sich Mitarbeiter mit Lösungsvorschlägen, statt mit Gejammer. Darum sage ich souverän: »Ich war gerade im Begriff, Herrn Jirka mit den heute zu erledigenden Aufgaben zu betrauen. Falls er keine Zeit hat, fahre ich notfalls selbst zu den Kunden raus. Wir bekommen das natürlich hin, gar kein Problem.«

Was bin ich nur für eine tapfere Angestellte – jederzeit bereit, Überstunden zu machen und Mehrarbeit zu leisten.

»Sie bleiben auf jeden Fall hier. Ich brauche Sie die nächsten Tage an meiner Seite, denn uns steht eine Betriebsprüfung ins Haus. Mit diesem ganzen EDV-Kram komme ich nicht zurecht.«

Und ich schon gar nicht. Ich bin ein einziger Bluff, und niemand merkt’s. Irgendwann kommt es raus, befürchte ich in nächtlichen Stunden, wenn alles schläft und nur ich wachliege, beschäftigt mit all den Horrorszenarien, die Mütter sich nun mal ausmalen: verloren gegangene Zeugnisse, nicht bezahlter Schwimmunterricht, überfälliger Einkauf von frischem Obst und Arbeitslosigkeit wegen Hochstapelei. Vielleicht werde ich aber auch niemals auffliegen, weil die anderen noch blöder sind als ich.

Herr Wieter lässt nur in Ausnahmefällen den Chef raushängen, normalerweise kann ich schalten und walten, wie ich es für richtig halte. Er ist froh, wenn er sich nicht mit lästigem Kleinkram rumschlagen muss und arbeitet selbst hart – was wahrlich keine Selbstverständlichkeit ist, wie ich aus der Vergangenheit weiß. Umso bewusster ist mir, dass Widerspruch zwecklos sein wird. Eine klare Ansage von Herrn Wieter kommt selten genug vor, und ich bin gezwungen, ihr zu folgen. Gedanklich schreibe ich die üppige Provision in den Wind. Leb wohl, neue Handtasche, ich werde dich mir schon wieder nicht leisten können.

Die Schritte vom Parkplatz bis zur Haustür lege ich im Schweinsgalopp zurück. Nach diesem anstrengenden Arbeitstag inklusive zweier Überstunden sehne ich mich richtig nach meiner Familie. Mein Herz schreit danach, Luis an mich zu pressen und den Duft seiner Haare einzuatmen. Ich will zu Simon, Tilda und den Hunden, ich kann es kaum erwarten und mag gar nicht daran denken, dass ich morgen wieder so einen Tag vor mir habe. Manchmal wäre ich gerne Hausfrau oder Aussteigerin oder einfach nur faul. Ständig diese Hetzerei, das macht mich ganz verrückt.

Ich habe die ersten zwei Treppenstufen genommen, als hinter mir Herrn Schulzes Wohnungstür aufgerissen wird. Ruckartig drehe ich mich um und sehe seinen Sohn, der wie ein Irrer die Tür zuknallt und Richtung Hauseingang läuft. Au weia, der sieht aber ziemlich aufgebracht aus. Bestimmt hat sein Vater ihm verklickert, dass er natürlich nicht in ein Altersheim gehen wird. Wozu auch? Er ist gar nicht gebrechlich; er ist lediglich allein.

»Guten Abend«, rufe ich dem Widerling vorwurfsvoll hinterher, doch er eilt nach draußen, ohne den Gruß zu erwidern oder sich umzudrehen. Blödmann.

Hm, ob ich mal eben nach dem Rechten sehe? Einerseits möchte ich langsam wirklich hoch zu meinen Lieben, andererseits könnte Herr Schulze nach einem heftigen Streit völlig am Ende sein. Besorgt drücke ich auf den Klingelknopf, unter dem auf einem Schild aus Salzteig in verschnörkelter Schrift I. & G. Schulze steht. Es vergehen keine dreißig Sekunden, bis sich die Tür öffnet und ein desolat aussehender Herr Schulze vor mir steht. Ich lächle ihm aufmunternd zu und versuche es mit einem Scherz. Humor ist immer gut.

»Hallo, ich hoffe, ich komme nicht ungelegen, aber dem Krach nach zu urteilen haben Sie zumindest nicht geschlafen, was, haha? So geht das nicht, würde ein Nachbar meines Vertrauens sagen, es gibt schließlich Verordnungen und Vorschriften.«

Meine witzig gemeinten Bemühungen verpuffen, weder grinst Herr Schulze, noch ist er beleidigt. Er wirkt verzweifelt. Ich schäme mich. Nur ein unsensibler Volltrottel ulkt in so einer Situation herum.

»Entschuldigung«, druckse ich verlegen, »das war wohl unpassend.«

»Keine Sorge, ich habe im Moment wahrlich andere Probleme.«

Früher hätten Sie sich trotzdem aufgeregt, schießt es mir durch den Kopf, da haben Sie sich über jeden Furz ereifert. Ach, das waren noch Zeiten, als jeder Hausbewohner seine Rolle mit Bravour ausfüllte. Nun hat ein flirtender Glatzkopf die Wohnung der notgeilen Uta bezogen und der cholerische Typ aus dem Erdgeschoss ist zum hilflosen Alten mutiert. Ein Jammer.

»Hatten Sie Ärger mit Ihrem Sohn, wenn ich fragen darf? Ich habe gerade zufällig mitbekommen, wie er aufgebracht davonlief.«

Die Hände meines Gegenübers zittern, und mit dem rechten Bein macht Herr Schulze eine komische, unkontrolliert wirkende Bewegung zur Seite. Das ist mir zuvor nie aufgefallen. Ob er krank ist?

»Frau Mahler, Sie können sich nicht vorstellen, was Bernhard vorhat! Nach allem, was wir für ihn getan haben. Irmtraud hat sich damals sämtliche Beine ausgerissen, damit er einen vernünftigen Schulabschluss bekommt. Er ist ja etwas langsam im Oberstübchen, wissen Sie, keine Ahnung, von wem er das hat, jedenfalls ist er vom Gymnasium geflogen. Seine Mutter hat ihn höchstpersönlich auf einer Privatschule angemeldet, da kein städtisches Gymnasium bereit war, ihn aufzunehmen. Dafür hat sie dann jahrelang in fremden Haushalten geputzt, um das Geld für die teure Ausbildung zusammenzukratzen. Das ist jetzt der Dank. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan.«

Kommen Sie bitte zum Punkt, denke ich, meine Familie wartet, aber ich mag ihn nicht unterbrechen, weil er so fertig aussieht. Ich hüstle gekünstelt, er fährt fort.

»Als Eltern stellt man seine eigenen Bedürfnisse stets hintan, das kennen Sie sicherlich. Na ja, vielleicht auch nicht, Sie sind ja viel außer Haus, meine Frau entstammt halt einer anderen Generation. Ihr hat es das Herz gebrochen, wenn sie länger als vier Stunden von ihrem Kind getrennt war. Nun steht das Mutterherz für immer still.«

Unglaublich, wie er es immer wieder schafft, seine Unverschämtheiten zu verpacken. Meine Empathie weicht einer gewissen Wut, doch dann spricht er weiter: »Er will mich entmündigen lassen. Stellen Sie sich das mal vor. Ich bin ja wohl nicht verrückt!«

»Ihr Sohn hat vor, Sie entmündigen zu lassen? Aber warum denn? Mit welcher Begründung? Das geht doch bestimmt nicht einfach so.«

»Haben Sie eine Ahnung. Er will sich die Wohnung unter den Nagel reißen, und dafür scheint ihm jedes Mittel recht zu sein. Ich kann doch Irmtrauds Vermächtnis nicht zurücklassen, das würde mich umbringen.«