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VIRGINIA
Laß die Puppen tanzen, laß die Puppen spielen, dachte Virginia verdrießlich. Seit Stunden war sie mit der Umprogrammierung von Maschinen beschäftigt, und die Arbeit wurde immer schwieriger. Sie lag ausgestreckt im zurückgeklappten Sessel, körperlich entspannt und bequem, aber irritiert und beunruhigt von den immer neuen Anforderungen. Gegenwärtig erprobte sie eine neu programmierte Arbeitsfunktion an einer Maschine, deren Vorgangsweise sie auf der zentralen Projektion verfolgte und steuerte. Die Maschine wendete und näherte sich einem Phosphorstreifen. Vorsichtig, vorsichtig dachte sie, schaltete sich aber nicht ein. Ein Fehler von einem bloßen Zentimeter würde den Greifarm der Maschine durch die Phosphorfarbe stoßen, die Leiterelemente in der dünnen Farbschicht unterbrechen und die Leuchtkraft des Streifens trüben. Der Vorzug der Phosphorfarbe lag in der einfachen Anbringung: man brauchte die Farbe lediglich aufzutragen, an den Rändern Schwachstromkabel zu befestigen, und schon hatte man eine billige Lichtquelle, von der keine Wärme ausging. Nachteilig wirkte sich aus, daß ihre mechanische Widerstandskraft gering war und überdies zur Bildung fleckiger dunkler Partien neigte, wo der Strom ungleichmäßig floß. Eine Maschine konnte solch einen Streifen mit einer unkontrollierten Bewegung stark beschädigen.
Was diese vor ihren Augen zu tun sich anschickte. Wie das neue Programm es verlangte, versuchte sie das schleimige grüne Wachstum auszumachen und mit einem Saugschwamm wegzuwischen. Nachdem sie die Hälfte des, Streifens bearbeitet hatte, drehte sie den Arm jedoch in seinem Gelenk, und der Greifer grub sich mit einem knirschenden Geräusch in die Phosphorschicht. Der Lichtschein flackerte und wurde schwächer.
Virginia zog die Maschine zurück und deaktivierte sie. Dann machte sie sich wieder über das kurz zuvor aufgesetzte Programm her und versuchte den Fehler zu finden, der den Greifarm in diesem entscheidenden Augenblick falsch bewegt hatte.
»Virginia! Ich brauche noch fünf in Schacht 4, es eilt!« dröhnte Carls Stimme aus dem Lautsprecher.
Sie machte ein Gesicht. »Geht nicht! Alle voll beschäftigt.« Sie machte sich wieder daran, die Programmeinheiten in der dreidimensionalen Anordnung durchzuprüfen, weil sie die Struktur des Programms nicht löschen wollte. Es konnte nur an Kleinigkeiten liegen, einer Feineinstellung hier, einer kleinen Anpassung dort…
»He, ich brauche sie jetzt!«
»Schieb ab, Carl! Ich hab zu tun.«
»Und ich nicht? Nun mach schon! Der Schleim frißt uns hier draußen lebendig auf!«
»Wir sind bereits überbeansprucht.«
»Ich muß die Dinger haben. Jetzt!«
Es war hoffnungslos. Sie tastete eine letzte Korrektur ein und löste die Sequenz aus. Auf einem separaten Kanal sendete sie:
- Johnvon, sieh dir das an! Wo liegt das Problem? Ich bin zu dumm, es zu sehen.
- Erlaubnis, die Maschine zu befragen und Bordprogramm einzustellen?
Das war ein wenig riskant; Johnvon war großartig in der Analyse, hatte aber in der unmittelbaren Arbeit mit Maschinen nicht viel Erfahrung. Aber dies war eine Krise.
- Gewiß.
»Virginia? Laß mich nicht im Stich!«
»Ich bin hier. Komme mir vor wie die Köchin in einem Schnellrestaurant. Alle drängen mich, du und Lani und Jim Vidor, aber die Zeit reicht nicht, diese Oberflächenmaschinen für die Arbeit in den Stollen umzuprogrammieren.«
»Nun, tut mir leid, aber ich habe es hier mit einer üblen Situation zu tun«, sagte Carl etwas weniger laut. »Dieses Zeug breitet sich rasch aus – es muß hier mehr Feuchtigkeit in der Luft sein. Ich befürchte, es wird Würmer anlocken, und wenn die ein Loch machen, werden wir sie im Vakuum ausräumen müssen. Das ist viel schwieriger.«
»Ich weiß, ich weiß.« Carl erklärte immer geduldig, warum er Hilfe benötigte, als ob sie nicht verstünde.
Sie schaltete auf einen anderen Kanal, überblickte die Situation im Schacht 4 und gab eine Reihe von Befehlen unmittelbar durch ihren neuralen Anschluß. Dann zurück zu Carl. »Hör zu, ich kann es jetzt nicht machen.«
»Wieso nicht?« War das ein gereizter, nörgelnder Ton? Nun, zum Teufel mit ihm!
»Weil ich bis zum Hals in der Scheiße stecke«, schrie sie und unterbrach die Verbindung.
Es war ein gutes Gefühl.