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Weil sie selbst gerade Opfer eines Verbrechens geworden war, konnte Cindy gut nachempfinden, wie es Rina und Hannah gehen mußte. Ihre erste Reaktion war nicht nur emotional, sondern körperlich - ihr wurde plötzlich fruchtbar schwindelig. Aber ihr Vater hatte versichert, es ginge ihnen gut. Dad hatte ihr auch gleich erzählt, daß Hannah nichts gesehen hatte. Und daß Marge den Täter erschossen hatte. Cindy war sofort erleichtert. Rina mußte keinen Prozeß durchstehen, und sie konnten Hannah ehrlich sagen, daß der böse Mann für immer verschwunden war. Doch dann dachte sie, wie ungeheuer belastend es sein mußte, einen Menschen getötet zu haben. Fragen drängten sich ihr auf. Konnte sie jemanden erschießen? Im Moment wohl schon. Aber bei den Schüssen auf sie und Crayton hatte sie sich hinter ein Auto geduckt und war starr vor Angst gewesen.

Am liebsten wäre sie sofort losgefahren, um sich davon zu überzeugen, daß es ihrer Schwester und Rina wirklich gutging. Doch im Moment war alles ein einziges Durcheinander.

Ruf doch in einer Stunde noch mal an, harte ihr Vater gesagt und hinzugefügt: Ist bei dir alles in Ordnung?

Mir geht's gut, Daddy. Wirklich. Alles schon wiederfast normal. Sie hatte gezögert. Aber warum muß ausgerechnet uns all das passieren?

Ihr Dad hatte gelacht, aber es war kein fröhliches Lachen. Probleme hat jeder mal. Vielleicht sind wir jetzt dran. Es tut mir so leid, Dad. Kommst du klar?

Mir geht's gut, meiner Familie geht's gut. Er hielt inne. Ich liebe dich, Prinzessin. Bitte sei vorsichtig. Tu deinem alten Herrn einen Gefallen und bleib wenigstens mit uns in Verbindung. Mach ich, Dad. Keine Bange. Ich paß auf mich auf.

Er tat ihr wirklich leid. Aber die Sache hatte auch einen winzigen Vorteil. Endlich hatte sie Zeit für sich. Da Dad durch die neuesten Entwicklungen abgelenkt war, kreisten seine Gedanken nicht mehr ständig um sie. Dasselbe galt auch für Marge und Oliver. Das gab ihr die Freiheit nachzudenken ... zu analysieren.

Sie griff nach der Kaffeekanne und wusch sie aus. Ihre Gedanken wanderten zu der mit Scott verbrachten Nacht. Alles war so schnell und so stürmisch geschehen, daß sie sich fragte, ob es überhaupt passiert war. Es kam ihr noch unwirklicher vor, weil sie allein aufgewacht und er bereits gegangen war. (Wenigstens lagen die zerknitterten Laken auf dem Sofa. Er hatte also tatsächlich hier geschlafen.) Und als er dann anrief, sagte er nur, daß er bei ihrem Vater sei und sie sich jetzt um die Sache im Park kümmern müßten.

Cindy trocknete die Kanne ab und stellte sie auf die Maschine.

Eine verrückte Nacht, aber wesentlich besser als die Nacht davor. An den Sex konnte sie sich kaum erinnern — sie war in Gedanken ganz woanders gewesen -, aber sie erinnerte sich an das Gespräch über Bederman und daß Scott gesagt hatte, für gewöhnlich blieben Partner nach einem Wechsel nicht befreundet. Das ließ Zweifel in ihr aufkommen über Graham und über Rick Bederman, weil er sich gestern abend sehr merkwürdig verhalten hatte und über Hayley hergezogen war. Vielleicht, dachte Cindy, hat es doch einen anderen Grund dafür gegeben, daß Bederman die Partnerschaft beenden wollte.

Ein Partnerwechsel mußte schriftlich beantragt werden. Also mußte sich in Bedermans Unterlagen eine Kopie des Antrags befinden. Wenn sie an seine Personalunterlagen rankam, würde sie den eigentlichen Grund für den Wechsel finden. War das nicht was?

Aber das war nicht so einfach. Personalunterlagen waren nicht nur vertraulich, sie wurden auch in der Innenstadt im Parker Center aufbewahrt. Zugang zu den Unterlagen war ohne schriftliche Genehmigung unmöglich, und die Personalabteilung war am Wochenende geschlossen. Es brachte nichts, ins Parker Center zu fahren.

Während Cindy weiter aufräumte, dachte sie nach. Auf den meisten Revieren war es am Wochenende sehr ruhig. Die Detectives saßen zu Hause auf Abruf, und wenn ein Fall bis Montag warten konnte, dann wurde das gemacht.

Cindy öffnete den Kühlschrank. Sie nahm Weintrauben heraus, steckte eine in den Mund, genoß den süßen, frischen Geschmack. Sie sank auf das Sofa, legte die Füße hoch.

In Hollywood mußte es rudimentäre Unterlagen über die dort arbeitenden Cops geben. Schließlich gab es Anwesenheitslisten, Urlaubsanträge, Krankschreibungen und Urlaubslisten. Die Anwesenheitsliste wurde für gewöhnlich vom Wachhabenden per Hand geführt, aber die hangeschriebenen Informationen wurden wahrscheinlich von einer zivilen Arbeitskraft in den Computer eingegeben. Vielleicht würde es ihr gelingen, den Reviercomputer zu knacken. Auf jeden Fall konnte sie viel unauffälliger in das Gebäude gelangen als ins Parker Center. Aber wenn das Revier so leer war, würde ihre Anwesenheit nicht auffallen? Sie hatte die Trauben aufgegessen, drehte die leeren Zweige in der Hand. Die Traube war ein Netzwerk, ein System. Man mußte nur wissen, wie das System funktionierte. Wenn jemand fragte, konnte sie behaupten, sie hätte Berichte zu schreiben oder würde Tropper aushelfen, weil der in Papierkram versank. Alle wußten, daß sie das tat, also würde es keinen Verdacht erregen.

Allerdings brauchte man für das Knacken eines Softwarecodes Zeit. Und vielleicht konnte sie ihn überhaupt nicht knacken. Falls es ihr gelang, wonach sollte sie suchen? Sie stand auf und griff nach ihrer Tasche. Besser, aktiv zu werden, als untätig rumzusitzen.

Sie entriegelte die Tür und schloß hinter sich ab. Vorsichtig sah sie sich um, auf dem Flur, der Treppe, der Straße, schaute hinauf zu den Hausdächern. Inzwischen war ihr die Wachsamkeit zur Gewohnheit geworden.

Als erstes zog sie ihre Uniform an, weil das unauffälliger war. Dann ging sie ins Büro und tat so, als würde sie Berichte tippen. Sie hatte Glück. Das Reviet war ruhig, und keiner schien sich für eine Anfängerin zu interessiert, die Formulare tippte.

Nach einiger Zeit stand sie auf und ging über den Flur zu dem Raum, in dem die Revierunterlagen aufgehoben wurden. Reinzukommen war denkbar einfach. Das Schloß ließ sich mit einer Kreditkarte öffnen. Mehr Schutz war nicht nötig, denn wer würde schon was auf einem Polizeirevier klauen? Nur verschwand ständig etwas: Bleistifte, Kugelschreiber, Papier, Blöcke, Umschläge, Aktendeckel, Merkzettel ... Den Computer zu knacken, war so kompliziert wie das Umlegen eines Schalters. Innerhalb von Sekunden hatte sie zwei Dutzend Fenster zur Auswahl. Sie überprüfte eins nach dem anderen, bis sie auf ein Tabellenprogramm mit Eintragungen über die Tagesaufgaben stieß — Schichten, zugeteilte Wagen, zugeteilte Straßen, Gerichtstermine, freie Tage, Arbeitstage, wer mit wem Streife fuhr, welche Detectives welchem Fall zugeteilt waren. Die Zeitpläne waren nach Datum sortiert, die Cops alphabetisch. Es war nicht schwer, Bedermans Tagesaufgaben der letzten Jahre zu finden, aber es war zeitaufwendig.

Cindy hatte die Zeit, doch was nützte ihr das? Ricks Anwesenheitsliste sagte nichts über den Mann selbst aus. Aber es war immer noch besser, als nervös und verängstigt in ihrer kleinen Wohnung zu hocken.

In der Menüleiste fand sie die Option »Gehe zurück«. Rückwärts, Tag um Tag, Monat um Monat. Das war langweilig, stupide und brachte nichts. Rick war morgens um halb sieben da, trug sich nachmittags um halb vier aus. Sechs Tage Dienst, drei Tage frei. Manchmal arbeitete er längere Schichten, um mehr Tage hintereinander frei zu haben.

Zwei Monate zurück, drei, sechs. Die Haut unter ihren Augen begann zu zucken, während sie sich durch die endlosen, eng beschriebenen Kolonnen klickte. Diese Tabellen enthielten nichts Subjektives, keine Bemerkungen, ob gut oder schlecht. Nur sture Aufzeichnungen. Acht Monate, neun Monate, elf Monate ... um die Zeit hatte Cindy in Hollywood angefangen. Davor war Beaudry allein Streife gefahren. Noch etwas weiter zurück, und Cindy entdeckte verblüfft, daß Graham schon mal einen weiblichen Partner namens Nicole Martin gehabt hatte. Und Beaudry hatte über ein Jahr mit ihr zusammengearbeitet.

Das war seltsam. Alle redeten davon, daß Graham und Rick früher Partner gewesen waren, aber niemand hatte Nicole Martin erwähnt. Nicht mal Graham. Cindy verfolgte Martins Weg für eine Weile. Dabei stellte sich heraus, daß Nicole nach Pacific versetzt worden war — als Detective, in das Dezernat für Jugendkriminalität. Um sich das bestätigen zu lassen, rief Cindy in Pacific an und verlangte Detective Martins Voicemail. Als sich der Apparat einschaltete, legte sie auf. Okay. Grahams letzte Partnerin war befördert worden. Vielleicht erwähnte Graham sie deswegen nie, war verlegen, weil Martin den Aufstieg geschafft hatte. Aber Hayley hatte auch nichts gesagt. Möglicherweise aus demselben Grund.

Sehr seltsam. Oder Cindy verstand das System nicht. Es gab so viele ungeschriebene Regeln und Gesetze, die man nur mitbekam, wenn man sie unwissentlich brach.

Kein Wunder, daß Anfänger so nervös waren.

Vor Nicole war Graham Bedermans Partner gewesen.

Und was hatte Bederman gemacht, nachdem er und Graham sich getrennt hatte? Cindy hatte angenommen, daß er sofort seinen jetzigen Partner Sean Amory bekommen hatte. Aber als sie die Anwesenheitsliste durchsah, wurde ihr erneut klar, warum sie nie Glück im Spiel hatte. Ihre Annahmen waren immer falsch.

Bederman hatte zunächst überhaupt keinen neuen Partner bekommen. Außerdem war er zur Nachtschicht versetzt worden. Nein, nicht die Abendschicht - die Nachtschicht. In den frühen Morgenstunden. Die bei allen am wenigsten beliebte Schicht, weil die Einsätze meist gefährlich waren. Von allen gemieden, außer man hatte einen Hang zum Lasterhaften. Was natürlich nicht fair war. Viele anständige Polizisten arbeiteten in der Nachtschicht. Einige hatten lieber tagsüber frei, andere waren alleinerziehende Mütter oder Väter, die nachts arbeiteten, um Zeit für die Kinder zu haben.

Aber Nachtschicht zu machen hieß auch, man konnte fremdgehen, ohne der Ehefrau was erklären zu müssen. In der Nachtschicht hatte man leichteren Zugang zur dunklen Seite - wortwörtlich und im übertragenen Sinn. Cops, die den Nervenkitzel liebten, sich gern in Randzonen bewegten, am Rande der Legalität — unter Nutten, Zuhältern, Schiebern und Dealern -, weil sie meinten, sie würden der Versuchung nicht erliegen. Doch das passierte immer wieder. Oft genug berichteten die Medien von unehrenhaft entlassenen Polizisten. Nichts wies jedoch darauf hin, daß Rick zu dieser Sorte gehörte. Er konnte aus völlig legitimen Gründen Nachtschicht gemacht haben. Cindy wußte, daß er kleine Kinder hatte. Vielleicht hatte seine Frau tagsüber gearbeitet, während Bederman auf die Kinder aufpaßte. Allerdings kam er ihr nicht wie der häusliche Typ vor. Aber hatte er neulich nicht gesagt, er müsse früh gehen, weil er nach Hause wollte? Möglich, daß Cindy ihn falsch eingeschätzt hatte. Vielleicht war er ein liebevoller Familienvater. Doch sie blieb skeptisch.

Rick hatte etwa zwei Jahre auf der dunklen Seite verbracht. Und ausgerechnet in diesen zwei Jahren hatte Armand Crayton seine großen finanziellen Erfolge gehabt. Genau in dieser Zeit hatte Crayton seine Partys gegeben, den Rolls-Royce geleast, Pläne geschmiedet und Geschäfte mit Dexter Bartholomew gemacht.

Zufall?

Noch einmal ließ Cindy die Einsatzliste durchrollen - rückwärts, vorwärts, wieder rückwärts, verfolgte die Entwicklung von Beaudry und Bederman. Eine halbe Stunde später meinte sie, alles zusammenzuhaben, war erstaunt über das Ergebnis.

Beaudry und Bederman waren fast zehn Jahre lang Partner gewesen. Die Partnerschaft hatte ungefähr um die Zeit begonnen, als Bederman laut Olivers Erinnerung nach Hollywood gekommen war und Oliver nach Devonshire versetzt wurde. Zehn Jahre lang Partner.

Wenn Bederman Beaudrys Lahmheit auf den Geist gegangen war, dann hatte er sich lange Zeit gelassen, das zu äußern.

Scott hatte recht. Irgendwas stimmte da nicht.

Na gut, sagte sich Cindy. Sie waren zehn Jahre lang Partner. Und dann? Dann hatten sie sich getrennt, Beaudry bekam Nicole Martin als Partnerin und Bederman übernahm die Nachtschichten, allein.

Dann wurde Martin zum Detective befördert, und Beaudry fuhr sechs Monate allein Streife. Ungefähr um dieselbe Zeit kam Bederman in die Tagschicht zurück und fuhr ebenfalls drei Monate lang ohne Partner. Erst danach tauchte er auf der Einsatzliste zusammen mit Sean Amory auf. Erstaunlich, was einem simple Einsatzlisten verrieten!

Drei Monate lang waren Bederman und Beaudry also während der Tagschicht allein gefahren. Wenn sie wieder als Partner hätten arbeiten wollen, wäre das möglich gewesen. Offensichtlich hatten sie bewußt darauf verzichtet. Warum?

Wer wollte nicht mit wem zusammenarbeiten? Oder berühre es auf Gegenseitigkeit? Und was hatte das mit Crayton zu tun, wenn es da überhaupt einen Zusammenhang gab?

Cindy schaltete den Computer aus, stopfte die handschriftlichen Notizen in ihre Tasche. Vorsichtig lugte sie aus dem Büro, schlich zu ihrem Spind, zog sich um und verließ das Revier. Draußen atmete sie erstmal tief durch. Sie hatte nicht bemerkt, wie angespannt sie war. Es tat gut, wieder im Freien zu sein.

Sie sah sich um, schlüpfte hinter das Steuer und verriegelte den Saturn, bevor sie den Motor anließ. Sie dachte an die Skandale, die in letzter Zeit aufgeflogen waren. Immer die alte Geschichte: Cops, die sich von Geld korrumpieren ließen. Ob sich auch Bederman während der zwei Jahre Nachtschicht vom schnellen Leben hatte verlocken lassen, zur selben Zeit, als Crayton auf dem Höhepunkt seiner Macht war? Cindy versuchte sich an die Gespräche mit Armand zu erinnern, seine Träume und Pläne. Meist hatte sie nur mit halbem Ohr zugehört, weil sie Armand für einen Aufschneider hielt. Weil sie glaubte, er wollte ihr Geld abknöpfen ... wollte ihr an die Wäsche. Da er mit beidem keinen Erfolg hatte, fragte sich Cindy, warum er sich weiter mit ihr unterhielt. Vielleicht brauchte er nur einen Zuhörer. Trotzdem hatte auch er aufmerksam zugehört, wenn sie von der Akademie erzählte oder von ihrem Traum, Polizistin zu werden.

Hatte Crayton sie als nützlichen Kontakt zur Polizei betrachtet? Hatte er geglaubt, sie sei korrumpierbar? Warf er Köder aus, um zu sehen, worauf sie anbiß? Und hatte Lark Crayton nicht dasselbe gemacht? Hatte Stacy Mills mit Ideen gefüttert, bis sie den richtigen Köder fand? Wenn Armand große Fische fangen wollte, hätte er fettere Köder verwenden müssen als simple Versprechen. Cindy dachte daran, daß sich alle nur auf Craytons Entführung und den Autoraub konzentriert hatten. Vielleicht hätten sie sich dafür interessieren sollen, was zu dem Autoraub geführt hatte, nämlich wie Armand seinen Lebensunterhalt verdiente. Was hatte Cindys Vater noch über Craytons Geschäfte gesagt? Irgendwas mit Grundstücksspekulationen in der Nähe von Palm Springs. Wie hieß die Stadt gleich wieder? Was mit Blumen ... So was wie Las Flores, nur auf französisch. Les Fleurs? Belle Fleur? Das war es. Belfleur. In einem Wort. Cindy fuhr los, aber nicht nach Hause.

Zu ihrem Erschrecken merkte sie, daß sie in südöstlicher Richtung fuhr, bis sie Arlington erreichte. Dann, als würde sie ferngesteuert, bog sie nach Osten auf den Freeway ein. Aber sie war nicht ferngesteuert. Sie wußte, was sie tat. Sie fuhr nach Belfleur in der Hoffnung, Hinweise darauf zu finden, was mit Craytons Plänen schiefgelaufen war.

Ein Schuß ins Blaue, aber zum Teufel noch mal, vielleicht würde sie dieses eine Mal richtig liegen.

Eigentlich hätte es, bei Temperaturen um zwanzig Grad, ein herrlicher Sonntagnachmittag werden sollen. Aber der morgendliche Küstennebel hatte sich nicht aufgelöst, der Himmel war milchig blau, als leide er an Sauerstoffmangel. Die Häuser waren in die Auspuffgase der Autos, Lastwagen und Busse gehüllt, alles wirkte verwaschen. Aber zum Glück herrschte wenig Verkehr. Selbst Cin-dys alter Saturn tuckerte in vernünftigem Tempo dahin, schien es zu genießen, endlich einmal nicht im Stau zu stecken.

Als sie die große Stadt hinter sich ließ, kam sie an Dutzenden von Schlafstädten vorbei. Die Siedlungen sahen identisch aus -zweistöckige Häuser mit spitzen Dächern aus Teerpappe und weißen Wänden. Ein Haus nach dem anderen. Und am Rande der Siedlungen riesige Einkaufszentren, einsame Inseln in einem Meer aus Asphalt.

Keine landschaftlich schöne Strecke, aber das war Cindy egal. Sie fand es herrlich, aus der Stadt herauszukommen, sich endlich einmal nicht bedroht zu fühlen. Allerdings wurde sie nicht sorglos. Ständig sah sie in den Rückspiegel, fuhr mal schneller, mal langsamer, wechselte immer wieder die Fahrbahn. Sie tastete in ihrer Tasche nach der Waffe, vergewisserte sich, daß ihr Handy eingeschaltet war. Sie öffnete das Fenster, schloß es wieder, drehte die Lautstärke des Radios hoch. Alles, damit sie aktiv und wach blieb. Trotzdem war da noch ein Rest von Angst, das nagende Gefühl, daß ihr etwas entging.