Kapitel 68
Die „alte Frau, die wie die Queen aussieht“, ihr geplantes Opfer, ganz alleine. Das wäre die ideale Situation für Fred und Kev gewesen, um zuzuschlagen. Aber zum Glück waren die beiden Kriminellen ihr nicht nach Brighton gefolgt. Als sie am Morgen sahen, wie sie und ihre Freundinnen aufbrachen, hatte man an dem Wirbel den die Alten veranstaltet hatten, gleich sehen können, dass es sich um einen Tagesausflug handelte. Fred konnte sich das Spritgeld für eine längere Verfolgungsfahrt nicht leisten. Für heute schwebte die Queen nicht in Gefahr.
Sie stand ganz verlassen auf dem Rasen. Ein schlechtes Gewissen hatte sie schon, wenn sie an das Versprechen an ihren Mann dachte. Aber sie hatte ja Pilot bei sich. Jemand dem du vertrauen kannst. Der stand neben ihr, wedelte mit dem Schwanz und sah sie erwartungsvoll an.
Eigentlich sollte sie sich jetzt eher vernachlässigt und unglücklich fühlen, aber stattdessen empfand sie nur Freude und Erleichterung. Zum ersten Mal seit Beginn dieser „Ferien“ war sie mal wirklich alleine und konnte tun, was sie wollte. Sie sah sich voller Unternehmungslust um.
Die Schatten waren noch länger geworden, und eine leichte Brise wehte vom Meer herüber. Es wurde kühl, und sie zog den Kaschmir-Pashmina, den sie einst vom Maharadscha von Bangalore bekommen hatte, aus ihrer Tasche und warf ihn um ihre Schultern.
„So, alter Junge, jetzt werden wir uns erst mal um dich kümmern müssen“, sagte sie zu Pilot. Obwohl sie vorher so sicher geklungen hatte, hatte sie effektiv keine Ahnung, wie sie das Tier reinigen sollte. Resolut schritt sie Richtung Strand aus. Wenn nichts half, müsste sie vielleicht sogar mit ihm hineinwaten, obwohl sie dazu nicht sonderlich Lust hatte. Auf dem Weg zum Wasser wählte sie eine kleine Seitengasse, damit sie ein wenig Schaufensterbummeln konnte. Viele Geschäfte waren schon zu, oder gerade dabei zu schließen und es waren kaum noch Leute unterwegs.
Dann fiel ihr Blick auf einen winzigen Laden, an dem fast vorbei gegangen wäre. Ein Schild stand darüber, auf dem: HÜBSCHES HÜNDCHEN stand. Sie blieb davor stehen und schob die Tür auf.
Eine Dame mittleren Alters fegte gerade Hundehaare mit einem Besen zusammen.
„Sorry, meine Liebe, wir schließen gerade.“
„Oh je! Wie ärgerlich! Ich habe hier nämlich einen Notfall.“
Die Frau schnüffelte und verzog dann das Gesicht.
„Ja. Und was für einer. Sie wären überrascht, wie viele der Sorte ich jede Woche hier kriege.“
Die Queen erklärte, dass sie am selben Abend nach London zurückfahren mussten, und dass es im Auto schwer erträglich sein würde.
Mit einem Seufzer sagte die Frau: „Also gut. Lassen Sie ihn hier und kommen Sie in einer halben Stunde wieder. Ich schau, was sich da machen lässt.“
Nach dreißig Minuten betrat die Queen wieder den Laden. Sie kam mit einem ganz anderen Hund hinaus. Jedenfalls sah er ganz anders aus. Die Frau hatte Pilots Fell kurz abgeschoren. Mit einem Mal war er sehr dünn, mehr wie ein Windhund.
Vor dem Laden lächelte die Queen zu ihm herunter, hochzufrieden.
„Jetzt siehst du wirklich edel aus, Pilot. Ich kann es kaum abwarten, mit dir auf der Promenade und am Strand anzugeben.“
Sie beugte sich herab und stellte sein Halsband, das nun viel zu weit geworden war, enger. Dann marschierten sie glücklich Seite an Seite zum Strand.