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16

Ein sternenklarer Himmel erhellte die Nacht, und das ruhige Meer wisperte in einem verführerischen Rhythmus. Aber Kate war nicht unterwegs, sich mit ihrem Liebsten zu treffen, sondern um einen Zauber rückgängig zu machen; und das würde ihr ihren Schatz auf immer nehmen. Ängstlich näherte sie sich dem stehenden Stein. Der große Stein ragte vor ihr auf und wirkte noch gebieterischer als sonst.

Allein hätte sie sich nie wieder hierher gewagt. Aber sie wollte hier jemanden treffen. Prospero stand schon am Fuß des Steins. Heute Nacht wirkte er mehr als bei früheren Begegnungen wie der Geist, als der er sein Dasein fristete. Ein Schaudern überlief sie bei seinem unheimlichen Anblick. Als sie ihn mit einem Knicks begrüßte, umwehte sie eine eisige Brise und zwang sie, den Kopf zu heben und das Gespenst anzuschauen.

»Da seid Ihr ja endlich, mein Fräulein. Ich hatte schon befürchtet, Ihr könntet es Euch anders überlegt haben.« »Nein, habe ich nicht. Ihr hoffentlich auch nicht... oder?« »Bin ich hier erschienen oder nicht?« Er verbeugte sich vor ihr. »Ich stehe Euch zur Verfügung, auch wenn ich nicht weiß, ob Ihr mich wirklich braucht. Mir scheint etwas von einer Hexe in Euch zu stecken.«

»Wie kommt Ihr denn auf so was?«, fragte sie. »Nun, weil Ihr es immer wieder schafft, mich zu verhexen und ich Dinge tue, die ich noch nie für einen Sterblichen vollbrachte. Wie zum Beispiel die Burg zu verlassen und mich aufs offene Land hinauszuwagen.« Da bemerkte Kate, mit wie viel Sehnsucht er den Blick über diese Gegend schweifen ließ. Nie hätte sie gedacht, dass sie ihm mit ihrer Bitte so viel Kummer bereiten könnte.

»So lasst uns denn beginnen«, sagte der Vorfahr. Kate nickte und zog sich die Kapuze ihres Umhangs über den Kopf.

»Äh, verzeiht, mein Fräulein. Mir ist zwar durchaus bewusst, dass man mit allerlei Zierrat und Symbolen in die rechte Stimmung für eine solche Beschwörung kommen kann, die wir heute Abend beabsichtigen, aber Ihr müsst Euch nicht gleich in einen Mönch verwandeln.« »Das tue ich doch auch gar nicht. Ich will mich lediglich vor dem Sturm schützen.«

»Was denn für ein Sturm? Ich sehe keine einzige Wolke am Himmel.«

»Ja, aber an Halloween hat es geblitzt und gedonnert. Und da habe ich gedacht, Ihr würdet heute ein Unwetter heraufbeschwören, um den Zauber rückgängig zu machen.« Prospero lachte gut gelaunt. »Bei allem, was recht ist, Kate, Ihr habt eine noch übersteigertere Meinung von meinen Fähigkeiten als ich selbst Das Wetter vermag ich nun wirklich nicht zu ändern.«

»Aber in der Nacht zu Allerheiligen hat es doch gewittert«, beharrte die junge Frau.

»Richtig, und deswegen gibt es das heute nicht. Habe ich Euch nicht gesagt, dass man alles ins Gegenteil verkehren muss, um einen Zauber rückgängig zu machen?«

»Ach so.« Kate zog die Kapuze vom Kopf und kam sich ein wenig töricht vor.

Aber da meinte Prospero: »Naja, ein Feuer brauchten wir schon.«

Kate wollte schon loslaufen und Holz sammeln, als er sie zurückhielt. »Meine Liebe, ein Feuer zu erschaffen, ist nun wirklich keine große Kunst.« Er zog seinen geheimnisvollen Kristall aus einer Tasche, und in dessen Facetten spiegelte sich das Mondlicht wieder. Prospero stellte den Stein auf den Boden, und schon schössen an ihm Flammen empor. Prospero wurde in höllisches Glühen gebadet, und das schien ihm zu gefallen. »Ihr habt mitgebracht, was ich von Euch verlangte?« Kate nickte und zog ein Stück Kohle aus den Falten ihres Umhangs, reichte es dem Zauberer, und der las, was sie darauf eingeritzt hatte.

»S und V. Ihr habt die Buchstaben doch hoffentlich umgetauscht. Somit lauteten die Initialen der beiden von Euch verhexten Männer also VS.« Kate nickte und wich seinem Blick aus. »Wohlan denn, mein Fräulein, ich will mein Bestes versuchen. Aber ich sage Euch gleich, dass es nicht leicht werden wird, nur einen halben Zauber aufzuheben und -« »Aber nein, ich habe meine Meinung geändert. Hebt bitte den ganzen Zauberbann auf. Von beiden Männern.« »Dann habt Ihr also beschlossen, auf den Mann zu verzichten, den Ihr liebt.«

»Ja«, antwortete sie leise und wusste, dass der gefürchtete Moment unweigerlich gekommen war. »Da gibt es nämlich noch etwas, was ich Euch noch nicht erzählt habe. Der Mann, den ich liebe, heißt Val, Val St. Leger.« Kate zog den Kopf ein, weil jetzt unweigerlich ein Donnerwetter über sie hereinbrechen würde.

Aber Prospero lächelte nur belustigt: »Das weiß ich doch längst, meine Liebe. Wenn Ihr mich in meinem Turm aufgesucht habt und wir ins Plaudern gerieten, spracht Ihr kaum einen Satz, der nicht mit Val hat gesagt oder Val meint begann. Nur eine sehr verliebte Frau versteht es, ihre Zuhörerschaft derart zu ermüden.« Kate verzog das Gesicht. Da hatte sie geglaubt, sich so geschickt angestellt zu haben. Wenigstens war Prospero nicht böse geworden. Aber vielleicht verstand er nicht so recht...

»Ihr müsst aber wissen, dass ich nicht Vals auserwählte Braut bin.«

»Verzeiht, meine Liebe, aber auch diese Schlussfolgerung eröffnete sich mir. Wenn Ihr nämlich die auserwählte Braut wärt, hättet Ihr kaum auf schwarze Magie zurückgreifen müssen.«

»Und Ihr seid mir nicht böse, weil ich der Familiensage trotze?«

Der Geist zuckte die Schultern. »Na ja, meine Sage ist es nicht. Zu meiner Zeit gab es noch keinen Brautsucher.« »Und wie seid Ihr an Eure Braut gelangt?« »Nun, auf viel weltlichere und praktischere Weise. Ich suchte mir die Frau mit der größten Mitgift und den besten Familienverbindungen und habe sie auf der Stelle geheiratet. Wie ich Euch bereits einmal anvertraute, haben mich damals Dinge wie die wahre liebe und ähnliches in meiner Vorgehensweise nicht beeinträchtigt.« »Und heute?«

»Im Lauf der Jahrhunderte erhielt ich reichlich Gelegenheit, das Glück der Nachfahren mitzuerleben, die sich ihre Braut vom Brautsucher finden ließen. Und natürlich das Unglück derjenigen, welche sich nicht daran hielten.« »So wie bei Val und mir.«

»Ja, so wie bei Euch und Eurem zurückhaltenden Gelehrten ... Ich muss allerdings gestehen, dass ich nie eine Frau erlebt habe, die sich mit solch unangreifbarer Entschlossenheit für einen bestimmten Mann entschieden hat.«

»Es ist wohl eher die reine Selbstsucht«, sagte Kate traurig. »Ich habe sogar schwarze Magie eingesetzt, um ihn für mich zu bekommen, und nicht einen Gedanken daran verschwendet, ob das auch für ihn das Beste wäre ... Mein Zauber aber zerstört ihn. Er liebt mich, ja, doch entgegen seiner Ehre und seiner Überzeugung ... In manchen Momenten erkenne ich ihn nicht mehr wieder, und ...«

Ihre Kehle zog sich zusammen, ehe sie hinzufügte: »Ich habe Angst, dass ich ihn mit meinem Zauber umbringe.« »Und das alles von einem kleinen Liebeszauber, meine Beste?« Prospero legte die Stirn in Falten. »Das kommt mir doch alles recht eigenartig vor. Der Zauber ist nicht mehr als eine Spielerei, auf die ich während meiner Reisen stieß. Mich wundert schon, dass sie überhaupt einen Erfolg zeitigte. Nun grämt Euch nicht, ich will es trotzdem versuchen. Doch sagt mir noch, was wird aus Euch, sobald der Zauber aufgehoben ist?« »Ach, das soll unsere geringste Sorge sein. Alle sagen mir, meine Gefühle für Val seien nur eine Jungmädchenschwärmerei, die rasch vorübergehe.« »Und so etwas glaubt Ihr? Ich meine, es muss schon eine ganz besondere Liebe sein, wenn Ihr sogar bereit seid, auf ihn zu verzichten.«

»Mag sein, aber das spielt jetzt keine Rolle. Ich möchte nur, dass Val wieder so wird wie vorher.« Eine Träne stahl sich über ihre Wange. »Können wir bitte anfangen, damit wir die Sache bald hinter uns haben?«

»Sehr wohl, Verehrteste. Eines würde mich aber wirklich noch interessieren. Um wen handelt es sich denn bei dem anderen Mann, der Eurem Zauber zum Opfer fiel?« »Victor St. Leger.«

»Oho, noch ein St. Leger. Teuerste, wenn Ihr schon ein Desaster heraufbeschwört, gebt Ihr Euch aber nicht mit halben Sachen zufrieden.« »Wahrscheinlich nicht«, gab sie zerknirscht zu. »Keine Sorge, Kate, wir werden das Kind schon schaukeln.«

Der Zauberer baute sich vor dem Feuer auf, und die junge Frau wahrte vorsichtshalber einen Sicherheitsabstand. Sie fühlte sich elend, und daran konnte die eigenartige Atmosphäre dieses Ortes auch nichts ändern. Prospero warf natürlich keinen Schatten, und dennoch schien er mit seiner reinen Gegenwart den ganzen Ort zu beherrschen. Er hob die Arme und legte den Kopf in den Nacken.

Leise Worte kamen aus seiner Kehle, unverständliches Gemurmel. Er redete immer schneller, so als versetze er sich in einen Rausch, um alle Dämonen der Hölle heraufzubeschwören.

Dann schleuderte der Urahn das Kohlestück in das Feuer. Die Flammen schössen mit ohrenbetäubendem Tosen in den Himmel, und Kate fiel schreiend auf die Knie. Sie bedeckte die Augen und hörte nur die furchtbare Explosion, als würde die Erde entzweigerissen. Und dann trat mit einem Mal vollkommene Stille ein, in der man nur das leise Rauschen der Brandung vernahm. Kate hob den Kopf und öffnete die Augen. Das Feuer erlosch ... und von Prospero war nichts mehr zu sehen. Ihr drohte das Herz stehen zu bleiben, als sie ihn schließlich auf der anderen Seite des Steins entdeckte.

Zitternd erhob Kate sich und sagte sich, dass sie nun bis ans Ende ihrer Tage von der Magie genug habe. »Hat es geklappt?«, fragte sie flüsternd. »Ich glaube, ja. Was immer Ihr mit dem Zauberspruch bewirkt haben mögt, ist nun ungeschehen gemacht...« Kate störte sich in diesem Moment weder an seiner verdrehten Formulierung noch an dem Zögern in seiner Stimme. Sie konnte sich nur darüber freuen, dass Val jetzt wieder ganz der Alte sein würde. »Danke, danke, seid tausendfach bedankt«, schluchzte sie ergriffen.

Prospero nickte nur; denn im Gegensatz zu ihr verspürte er wenig Erleichterung. Das Böse, das er schon vor Wochen entdeckt hatte, war durch den heutigen Zauber nicht zurückgedrängt worden.

»Gehabt Euch wohl«, wünschte Kate ihm zum Abschied. Diese Worte trafen ihn tiefer, als er gedacht hatte. Aber natürlich, sagte Prospero sich dann, nun, nachdem ihre Geschäfte erledigt waren, sah die junge Dame keine Veranlassung mehr, ihn wiederzusehen. Schade, er hatte sich an sie gewöhnt. »Ich verreise nämlich in Kürze nach London«, erklärte sie.

»Das ist aber weit weg.«

Sie versuchte, tapfer zu lächeln, und das machte es für den Urahn nur noch schlimmer.