|215|ACHTZEHN

Toms Flug ging erst am Nachmittag des nächsten Tages. Er nahm sich ein Zimmer in einem Hotel, das W hieß und in Westwood lag. Das Zimmer war luxuriös und ungefähr so groß wie ein Wandschrank. Er war müde, aber die Gedanken drehten sich, und er konnte nicht einschlafen. Er begab sich in die Lounge. Dunkle Spiegel und gedämpftes Licht, die Gäste halb so alt wie er und unwahrscheinlich gutaussehend. Er setzte sich an die Bar und bestellte ein Mineralwasser. Zum ersten Mal seit Jahren sehnte er sich nach etwas Stärkerem.

Später legte er sich halb angezogen aufs Bett und sah sich Jay Leno im Fernsehen an. Der Talkmaster interviewte einen stoppelbärtigen Schauspieler, den Tom nicht kannte. Er versuchte sich zu konzentrieren, aber es gelang ihm nicht. Er konnte nur an Danny denken. Was würde geschehen? Er fiel in einen unruhigen Halbschlaf, in dem er durch ein mit hohem Schilf bewachsenes Marschland verfolgt wurde, er teilte das Schilf mit den bloßen Händen und rief Dannys Namen, wieder und wieder, bis er sich am Rande eines dunklen Pools wiederfand. Er blickte hinab und sah seinen Sohn, der um Hilfe rief und seine Arme nach ihm ausstreckte. Tom erwachte schweißüberströmt und mit weit aufgerissenen Augen. Er rieb sich sein Gesicht und wollte den Traum abschütteln, aber kaum hatte er die Augen geschlossen, war er wieder da. Dannys Gesicht war blass und geisterhaft und angsterfüllt. Tom legte sich ans Ufer und streckte den Arm nach ihm aus, wollte den Jungen hochziehen. Aber er war zu weit weg. Ihre Hände berührten sich nicht. Dann bemerkte er, dass Danny dort unten nicht alleine war. Im Wasser trieben Leichen.

|216|Gegen sechs Uhr stand Tom auf, duschte und checkte aus. Jahre war er nicht in L. A. gewesen. Es gab hier zu viele Gespenster. Die Straßen waren leer. Er fuhr in Richtung West Hollywood, an Orten vorbei, die er noch aus der Kindheit kannte. Aber alles hatte sich verändert. Die Carl-Curtis-Schule befand sich an einem anderen Ort, der kleine Park mit dem Streichelzoo war umgebaut worden. Er fuhr La Cienega entlang bis zum Sunset und in die Hügel, den gleichen Weg, den Diane immer zu Rays Haus gefahren war. Er bog um die letzte Ecke. Das Tor war nicht mehr dasselbe und das rote Dach verschwunden. Anstelle des Hauses stand dort ein Palast aus Glas und Zement.

Er fuhr zurück durch den Canyon in Richtung Osten und dann nördlich auf den Freeway zum Friedhof, wo Dianes Begräbnisfeier stattgefunden hatte. In jenen Tagen war hier nur Natur gewesen, inzwischen war jeder Winkel bebaut. Tom brauchte eine Weile, bis er den Friedhof gefunden hatte. Er war viel kleiner als in seiner Erinnerung. Es gab kein Grab, keinen Grabstein. Wegen der Schande und wahrscheinlich, wie er irgendwo als Junge gelesen und geglaubt hatte, weil verurteilte Mörder kein anständiges Grab verdienten. Später hatte er erfahren, dass es Dianes Wunsch gewesen war. Ihre Asche war im Garden of Remembrance verstreut worden.

Tom lief unter der heißen Morgensonne an den Blumenbeeten entlang. In einer Laube von weißen und rosa Rosen stand eine Steinbank. Der Duft von Rosen erinnerte ihn an Diane. Er saß eine Weile mit geschlossenen Augen da und stellte sie sich vor. Zuerst hatte er immer das Bild ihrer letzten Begegnung vor Augen. Sie ganz in Weiß, im Sonnenlicht der Gefängniszelle. Er wünschte, er wäre liebevoller gewesen.

Er fuhr zum Flughafen, gab den Mietwagen ab und checkte früh ein. Während er wartete, las er sämtliche Zeitungen. Lauter Storys über den Irak, aber nichts über Danny. Die Presse schien |217|das Interesse verloren zu haben. Anfangs hatte Tom Fernsehcrews vor seiner Haustür erwartet, doch nur eine Journalistin hatte ihn angerufen, eine Freundin, die für den Missoulian arbeitete. Auch sie schrieb lediglich einen kurzen Artikel, der irgendwo im Mittelteil der Zeitung versteckt war. Toms Name wurde nicht erwähnt.

Für Gina war es weitaus schlimmer gewesen. Eine Woche lang belagerten Journalisten die Familie, wollten Stellungnahmen und Hintergrundinformation; Dutch hatte sie bald verjagt. Im Internet konnte man einiges über den Fall finden, allerdings wenig im Vergleich zu den Artikeln über Haditha. Vielleicht war es nur eine Frage der Arithmetik. In Haditha hatten Soldaten vierundzwanzig Zivilisten getötet.

Das Flugzeug landete planmäßig, Die Luft in Missoula roch sauber und kühler als in L. A. Tom stieg in sein Auto, fuhr in östlicher Richtung zur Stadt und über die Clark Fork zum Good Food Store auf der 3rd Street, um ein paar Dinge für das Abendessen zu kaufen. Er war wieder in der Phase, in der er sich gesund ernähren wollte (meistens hielt das nicht länger als eine Woche an), und packte Bioorangen in den Einkaufswagen, als sein Handy klingelte. Die Stimme einer Frau. Sie sagte ihren Namen nicht, sondern redete los, als kenne er sie.

»Hi«, sagte sie. »Wie war’s?«

Tom hatte keine Ahnung, mit wem er sprach. Er sagte nur Hi und Oh, nicht schlecht, doch dann begriff er, dass es Karen O’Keefe war.

»Und – haben Sie den großen Filmvertrag abgeschlossen?«

Er erinnerte sich an die Lüge, die er ihr aufgetischt hatte.

»Ach, nein. Nun, so weit ist es noch nicht.«

»Oh.«

»Ich bin gerade erst zurückgekommen.«

»Oh, Verzeihung.«

»Nein, nein. Alles in Ordnung. Wie ist es Ihnen ergangen? |218|Wie geht es Ihrer Mutter? Ich meine, wegen des Katers … Wie war noch sein Name?«

»Maurice. – Sie könnte nicht glücklicher sein. Das klingt, als sei sie ein herzloser Mensch. Ist sie aber nicht. Sie ist begeistert und fühlt sich schuldig dafür. Sie möchte Sie kennenlernen. Wie wär’s mit einem Abendessen?«

»Mit Ihrer Mutter?«

Karen O’Keefe lachte. Ihr Lachen gefiel ihm.

»Nein, mit mir. Meine Mutter kann mitkommen, wenn Sie mögen.«

»Vielleicht ein anderes Mal. Ich könnte uns etwas besorgen. Ich bin gerade im Supermarkt …«

»Ich auch.«

»Was?«

»Hier, im Supermarkt. Gucken Sie mal nach rechts.«

Und da stand sie, nur zwanzig Meter entfernt von ihm, und grinste. Sie klappte das Handy zu und kam auf ihn zu. Er verspürte ein Flattern in der Brust und sagte sich, nicht albern zu sein.

»Erst die Katze, und jetzt das«, sagte Karen. »Sie müssen denken, dass ich Ihnen nachstelle.«

»Aber bitte.«

Karen sagte, sie wolle ihn zum Dinner einladen, aber Tom meinte, er liebe Kochen, warum sie nicht einfach bei ihm äßen? Sie zuckte mit den Schultern und packte die paar Sachen, die sie in ihrem Korb hatte, in seinen. Tom schob den Wagen und betrachtete Karen, wie sie Früchte befühlte, ob sie reif waren, Etiketten las. Es gefiel ihm, wie sie sich auf die Lippe biss, wenn sie sich konzentrierte, wie sich ihre sommersprossige Stirn in Falten legte und wie sie das Haar hinter ein Ohr schob. Um ehrlich zu sein, er mochte alles an ihr. Am meisten gefiel ihm der Gedanke, dass jeder, der sie sah, denken musste, sie seien ein Paar. Er hatte vergessen, wie schön dieses Gefühl war.

|219|Sie kauften Steak und Salat, französischen Käse und frische Himbeeren und exquisite Eiscreme, von der Tom noch nie gehört hatte. Karen behauptete, eine köstlichere gebe es auf der ganzen Welt nicht. Zum Teufel mit der Diät. Sie wollte bezahlen, aber das ließ er nicht zu.

Karen folgte ihm in ihrem staubigen alten gelben Volvo Kombi. Bei ihrer Ankunft lief Makwi herbei und machte ein Theater, als wäre Tom jahrelang fort gewesen. Sein Hundesitter Liz war in Eile. Er bedankte sich bei ihr und bezahlte sie, und dann gingen er und Karen mit Makwi durch den Wald bis zu den Rabenfelsen.

Normalerweise ging Tom nur bis zum Fuß des Abhangs, aber an diesem Abend kletterten sie nach oben. Die letzten hundert Meter waren steil und übersät mit losen Steinen. Zweimal musste er Karen an der Hand hochziehen. Oben war sie außer Puste, und sie setzten sich auf die flachen Steine und blickten über die Baumwipfel.

Von hier konnte man Toms Haus nicht sehen, nur die Biegung des Baches etwas weiter flussabwärts sowie die Pappeln, die am Ufer wuchsen, und die Wiese, auf der Gina die Pferde gehalten hatte. Das Dämmerlicht war sanft und blau. Die Sonne ging unter, ein Meer von Rosa am Ende des Tals.

Auf dem Weg hierher hatten sie sich ohne Pause unterhalten. Jetzt herrschte ein angenehmes Schweigen zwischen ihnen. Ein paar Raben ärgerten einen Falken, der offenbar dem Nest mit den Jungen zu nahe gekommen war. Das Krächzen hallte durch das Tal.

Karen hatte über ihre Eltern gesprochen, dass ihr Vater viel älter gewesen sei als ihre Mutter und vor einigen Jahren gestorben sei. Jetzt stellte sie Fragen über seine Eltern, und er erzählte, dass er seinen Vater nie kennengelernt hatte, ja, dass er nicht einmal wusste, ob er noch am Leben war.

»Sind Sie denn nicht neugierig?«

|220|»Ein bisschen. Aber nicht genug, um es herausfinden zu wollen.«

»Wissen Sie, wo Ihr Vater lebt?«

»Ich weiß, wo er vor dreißig Jahren gelebt hat. Ich habe ihn einmal gesehen.«

Tom verstummte. Die grünen Augen fixierten ihn, warteten, dass er weitersprach. Gina war die Einzige, der er seine Geschichte erzählt hatte. Karen O’Keefe spürte, dass sie ein heikles Thema berührt hatten.

»Sorry, es geht mich nichts an.«

»Nein. Schon gut.«

Tom erzählte, dass Diane mit fünfzehn schwanger geworden war und seine Großeltern vorgegeben hatten, seine Eltern zu sein, und er viele Jahre später, als er schon Anfang zwanzig war, sich auf die Suche nach seinem Vater gemacht hatte. Mit überraschender Leichtigkeit hatte er die Adresse ausfindig gemacht. David Willis war damals Ende dreißig und lebte in Tunbridge Wells im Südosten Englands. Tom hatte überlegt, ihm einen Brief zu schreiben, stellte sich aber den Schock des armen Mannes vor, wenn er ihn öffnete. Diane hatte ihn ja nie darüber informiert, dass sie schwanger war.

Auf einer seiner seltenen Reisen nach England hatte Tom sich einen Wagen gemietet, war nach Tunbridge Wells gefahren und hatte das Haus an einer spießigen Straße gefunden.

»Es war ein sonniger Sonntagmorgen. Die Leute mähten in ihren Gärten den Rasen. Ich fuhr langsam an dem Haus vorbei, und da stand ein Mann in einer kleinen Einfahrt und wusch sein Auto. Ein Volvo wie Ihrer, nur sauberer.«

Karen O’Keefe lachte ihr entzückendes Lachen.

»Wie sah er aus?«

»Groß, schlank, attraktiv. Ich habe ganz offensichtlich seine Gene.«

»Und dann?«

|221|»Ich fuhr vorbei und wendete, parkte unter ein paar Bäumen auf der anderen Straßenseite. Ich saß eine Weile da und beobachtete ihn. Dann kam ein kleines Mädchen aus dem Haus – sie war vielleicht fünf –, und er tat so, als wolle er sie mit dem Wasserschlauch nassspritzen. Das Mädchen kicherte und kreischte und forderte ihn auf, sie nasszumachen. Dann hob er sie hoch, setzte sie auf seine Schultern und wusch weiter seinen Wagen.«

»Ihre kleine Schwester.«

»Ja, nehme ich an. Meine Halbschwester.«

»Erzählen Sie weiter.«

»Ich habe den Motor gestartet und bin weggefahren.«

»Und Sie haben sich nie mit ihm in Verbindung gesetzt?«

Tom lächelte und schüttelte den Kopf.

»Warum nicht?«

»Was hätte ich denn sagen sollen. Hi, ich bin Tom, der Sohn, von dem Sie nichts wussten? Ihm das anzutun, diese Bombe platzen zu lassen, dazu brauchte ich einen triftigen Grund, nicht nur Neugier. Das war es eigentlich – pure Neugier. Es gab keine … Verbindung.«

Sie schwiegen.

»Und Ihre Mutter? Lebt Sie noch?«

»O nein. Sie ist vor langer Zeit gestorben.«

»Brüder und Schwestern?«

»Eine Schwester. Sie kam bei einem Autounfall ums Leben, als ich dreizehn Jahre alt war.«

»Das ist hart.«

»Ja, das ist es.«

Die Lüge war abgenutzt. Es war schon lange her, seit er sich sie erzählen gehört hatte, und plötzlich überkam ihn das Verlangen, zu gestehen, wie Diane wirklich gestorben war. Aber wie sollte er dieser Fremden sagen, was er noch nie jemandem zuvor verraten hatte? Nicht einmal seinem Therapeuten, nicht einmal Gina. Es wäre ein zu großer Verrat. Das war das Problem mit Lügen. |222|Wie die knorrigen Pinien, die an der Front Range wuchsen: Je älter sie wurden, desto solider wurden sie. Ein Rabe flog vor ihnen in einer warmen Bö, und das gab Tom Gelegenheit, die Unterhaltung zu beenden. Er stand auf.

»Ich bekomme Hunger. Und Sie?«

»Ich auch.«

Tom rief Makwi. Hechelnd trottete die Hündin zwischen den Bäumen hervor.

»Müssen wir nach einer Leiche suchen?«, fragte Karen.

»Hat Ihre Mutter eine neue Katze?«

»Nein.«

Sie sprachen wenig, bis sie das Haus erreichten. Tom schenkte Karen ein Glas Rotwein ein und sich eine Limonade. Danach widmete er sich den Steaks. Karen zündete auf der Veranda Kerzen an, kam wieder herein und setzte sich an den Küchentisch, um den Salat zuzubereiten.

Als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, hatte er ihr die Bänder mit den Interviews gegeben, die er mit den alten Blackfeet über die Holy Family Mission geführt hatte. Karen sprühte nun vor Ideen, wie man sie für einen Film nutzen konnte, den sie beide, sie war überzeugt, machen würden. Tom lehnte sich an den Tresen und sah zu, wie sie den Salat zupfte und dabei redete. Er mochte, wie sie sprach. Die gedehnte Sprache des mittleren Westens, nonchalant und ernst.

Die Steaks schmeckten gut. Beim Essen sprach Karen über sich. Über ihre Collegezeit in Boulder, der UCLA-Filmschule, über ein paar Dokumentarfilme, die sie gedreht hatte, die eine gesellschaftskritische und umweltpolitische Thematik hatten und sowohl in ihrer Machart als auch vom Inhalt ziemlich radikal klangen. Ein Film über einen Wettbewerb in einer Kleinstadt in Wyoming, bei dem es darum ging, Kojoten zu töten, hatte vergangenes Jahr in Sundance einen Preis gewonnen. Einer der Jäger hatte Karen einen Brief geschrieben und gedroht, wenn sie |223|sich je wieder blicken ließe, erwarte sie derselbe Willkommensgruß wie die Kojoten. Momentan arbeitete sie an einem Film über Irakveteranen.

Tom trank einen Schluck Limonade.

»Ach, tatsächlich?«

»Ja. Er soll Walking Wounded heißen. Es geht um die allgemeine Annahme, dass es sich bei Kriegsopfern nur um die Verwundeten und Toten handelt. Das ist einerseits wahr, andererseits bleiben die wahren Opfer im Verborgenen, die Leben der jungen Männer und Frauen sind zerstört, nach dem, was sie gesehen und getan haben – ganz abgesehen von den Leben derer, zu denen sie zurückkommen.«

Karen machte eine Pause und wartete auf eine Reaktion von ihm.

»Klingt interessant.«

Toms gute Laune verflog. Darum also war sie hier. Er war ein Trottel, er hatte sich von seiner Eitelkeit blenden lassen und sich eingebildet, sie habe angerufen, weil sie an ihm interessiert sei. Er diente ihr nur als Verbindung zu Danny.

»Sie sind ja so still geworden«, sagte Karen.

»Entschuldigung.«

»Nein, ich muss mich entschuldigen. Ich habe von Ihrem Sohn gehört. Ich hätte etwas sagen sollen.«

»Nein, wieso sollten Sie?«

»Weil Sie jetzt glauben, dass ich nur darum hier bin.«

»Der Gedanke war mir gekommen.«

»Verdammt.«

Karen stand auf, ging zum Geländer und starrte zum Bach hinunter, sie verschränkte die Arme vor der Brust, um sich gegen die Kälte zu schützen. Irgendwo in den Pappeln rief eine Eule. Die Kerzen flackerten. Der Lichtschein tanzte auf ihrem Kleid. Sie war wütend und beschämt, das sah Tom ihr an. Plötzlich kam er sich schäbig vor. Was zum Teufel war so wichtig |224|daran, wieso sie hier war? Egal warum, er genoss ihre Anwesenheit. Das allein zählte. Er hätte an ihrer Stelle dasselbe getan. Er ermahnte sich, endlich erwachsen zu werden.

»Karen?«

Sie wandte sich um, den Tränen nahe. »Es tut mir leid, dass Sie das denken«, sagte sie.

»Das tue ich nicht. Bitte, setzen Sie sich wieder her.«

»Denn so ist es nicht.«

»Bitte.«

Karen kam zögernd zum Tisch, setzte sich, ihre Arme noch immer verschränkt.

»Sollen wir von der weltbesten Eiscreme kosten?«

»Nein, danke, ich kann nicht.«

»Ich möchte Ihnen von Danny erzählen.«

»Bitte, Tom. Das müssen Sie nicht.«

»Aber ich möchte es gerne. Ehrlich.«

Er füllte ihr Glas, lehnte sich zurück und fing an. Kurz sprach er von seiner Scheidung und wie er und sein Sohn sich allmählich immer fremder geworden waren. Wie eifersüchtig er auf Dutch gewesen war. Über seinen Groll und den entsetzlichen Streit mit Danny. Dann gestand er ihr den wahren Grund für seine Reise nach Kalifornien und fasste Dannys Bericht über das zusammen, was in der Nacht der Tötungen passiert war. Karen hörte zu, ohne ihn einmal zu unterbrechen. Als er zu Ende gesprochen hatte, war sie tief bewegt und nahm seine Hand. So blieben sie sitzen, eine Ewigkeit, wie es schien. Nur eine Kerze brannte noch.

»Danke«, sagte sie leise.

Tom nickte und lächelte.

»Hat er einen guten Anwalt?«

»Nur einen vom Militär. Ich habe von Anfang an gesagt, er sollte einen unabhängigen haben, aber Gina und Dutch wollen davon nichts hören.«

|225|Karen hielt immer noch seine Hand. Tom entzog sie ihr sanft.

»Es wird kühl.«

Trotz seines Einspruchs bestand sie darauf, den Tisch abzuräumen. Sie stellte sogar das Geschirr in die Spülmaschine.

»Der Staubsauger ist da hinten im Schrank«, sagte er.

Sie lachte und drehte sich zu ihm. Einen Moment lang sahen sie sich an. Es war nur ein flüchtiger Augenblick, aber er wusste, hätte er einen Schritt auf sie zu gemacht und sie geküsst, sie hätte nichts einzuwenden gehabt. Er konnte nicht sagen, was ihn abhielt. Vielleicht lag es am Altersunterschied, oder war es doch der Nachklang des Zweifels über ihre Beweggründe?

»Ihre Mutter wird sich wundern, wo Sie bleiben.«

Die Bemerkung kam so unvermittelt, dass er sich dafür verfluchte, als er sie von sich gab.

»O ja. Ich will ja keinen Stubenarrest bekommen.«

»Sorry, ich wollte nicht –«

»Nein. Sie haben recht. Es ist Zeit zu gehen.«

Er begleitete sie zum Auto. Sie dankte ihm für das Abendessen und sagte, sie hätte einen schönen Abend gehabt. Makwi war mit vor die Tür gekommen, und Karen streichelte die Hündin, sagte Tschüs und gab Tom einen keuschen Kuss auf die Wange. Tom blickte dem Auto nach, bis die Rücklichter verschwunden waren. Nachtstille umgab ihn. Er blickte auf Makwi hinab, sie sah ihn betrübt an. Du hast es vermasselt, schien sie ihm sagen zu wollen.

»Schau nicht so.«

Herr und Hund gingen zurück ins Haus.