13
IM WÜRGEGRIFF
Der Angriff geschah so übergangslos, so anmutig, so selbstverständlich in seiner erschreckenden Präzision, dass meine Augen und mein Geist während der ersten wichtigen Sekunden hinterherhinkten, sich weigerten, in seinem Zusammenbruch an der Wand irgendetwas anderes als einen Augenblick jämmerlicher Unbeholfenheit zu erkennen, herbeigeführt durch die Erschöpfung und die traumatischen Erlebnisse, die wir alle in den letzten paar Stunden hatten durchmachen müssen.
Selbst als er sich mit beiden Händen an die Kehle griff, verzweifelt die schwarze Linie betastete, die nun seinen Hals zierte, missverstand ich seine Atemprobleme, hielt sie für das Symptom eines Herzanfalls, dachte, er hätte sich vielleicht an seinem Speichel verschluckt. Seine hervorquellenden Augen, sein aufklaffender Mund, die plötzliche, von Entsetzen geprägte Erkenntnis in seinen Zügen, mein eigenes, dumpfes Begreifen, dass ihm etwas Schreckliches widerfuhr - all das waren Bewohner dieser ersten Sekunde, so vollständig im Augenblick ihrer Geburt, dass es keine Zeit mehr gab, Logik anzuwenden und zu überlegen, wo sie hergekommen sein mochten.
Ich dachte: Klaue Gottes, und stürzte zu ihm.
Ein rasender Schmerz, und ich wurde zurückgeschleudert, wusste nur, dass etwas mich am Kinn getroffen hatte. Als ich über das Bein des Sofas stolperte, das Philip Bettelhine erst vor wenigen Minuten freigemacht hatte, war mir klargeworden, dass die Faust Wethers gehört hatte. Und als mir zu meinem größten Schrecken bewusst wurde, dass ich stürzen würde, beschloss ich, dass der Mistkerl nur vorgespielt haben konnte, was zum Teufel auch immer er mich hatte glauben lassen wollen, das mit ihm nicht stimmte, damit er mich mit solch einem unerwarteten Schlag erwischen konnte.
Als ich dann mit einer Gewalt zu Boden krachte, die einen neuerlichen Schmerz durch die Seite meiner Hüfte jagte, die ich mir bei dem Nothalt geprellt hatte, hatte ich das Reich, in dem ich ihn dafür umbringen wollte, dass er meine Abwehr durchbrochen hatte, bereits wieder verlassen und jenes mit Namen So ist das gar nicht gewesen betreten.
Nun, da die Luft aus meinen Lungen entwichen war, wollte mein Körper nichts sehnlicher, als sich zu einem Ball zusammenzurollen und auf Luft zu warten und auf die Anweisung, in die Welt zurückzukehren.
Ich rollte mich weg, kam gerade rechtzeitig auf Hände und Knie, um zuzusehen, wie Wethers an der Wand herabglitt und am Boden zusammensackte. Die fahle Haut seines Gesichts hatte sich purpur gefärbt - ein Farbton, dem nur noch eine kleine Intensivierung fehlte, und er wäre in Schwarz übergegangen. Seine Augen hatten sich so weit aus ihren Höhlen entfernt, dass es schien, als wollten sie herausfallen wie Murmeln. Er versuchte, sich wieder hochzukämpfen, aber seine Krämpfe ließen nicht einmal mehr das zu; seine Beine traten wild zur Seite, sein Arsch landete wieder auf dem Boden, und seine Haltung sah seltsamerweise behaglich aus, obwohl er immer noch an seinem Hals herumtastete.
An der schwarzen Linie, die sich um seine Kehle zog.
Seine Finger glitten über diese Linie, ohne an Einfluss zu gewinnen.
Ich krabbelte im Eiltempo zu ihm. Der Weg schien nicht enden zu wollen, jeder Schritt Minuten zu dauern in einem Rennen, in dem Leben und Tod nur Herzschläge voneinander entfernt waren. Es mag ganze drei Sekunden gedauert haben und Lebzeiten mehr, mich über seine zuckenden Beine zu ziehen, während er in seiner Panik versuchte, mich fortzustoßen. Ein Knie in meinem Bauch raubte mir den wenigen Atem, den ich noch hatte; und als ich ihn an den Handgelenken packte und versuchte, seine Hände von seinem Hals zu ziehen, kämpfte er dagegen an, und seine schon hervorquellenden Augen gingen jetzt über vor Panik.
Hätte ich genug Luft gehabt, einen Ton von mir zu geben, so hätte ich gebrüllt: Lass los, du Arschloch, ich versuche, dir das Leben zu retten!
Nur, weil seine Kraft bereits nachließ, gelang es mir, seine Hände von seiner Kehle zu entfernen und mir genauer anzusehen, was ihn einschnürte. Es war eine Art schwarzes, schimmerndes Band, das um seinen Hals geschlungen worden war und in einem Paar silberner Ringe endete, die dazu gedacht waren, das Material zwischen ihnen zu spannen.
Die Donutlöcher im Zentrum jedes Ringes waren von schwarzen Flecken getrübt, beinahe wie das sich abschwächende Muster im Sehfeld eines Menschen, der zu lange in helles Licht gestarrt hatte. Ich wusste nicht, ob es sich um Rückstände eines Gasaustritts handelte oder um eine Art Manifestation einer Energiequelle, die sie angetrieben hatte, aber es schmerzte mich in den Augen, auch nur hinzusehen.
Es blieb keine Zeit mehr, darüber zu sinnieren, ob die Berührung der Endpunkte gefährlich sein mochte. Die Gefahr war bereits eingetreten. Die Ringe waren zu klein für meine Finger, also packte ich sie mit der Faust und versuchte, die Würgeschlinge zwischen ihnen zu lösen. Sie widersetzten sich machtvoll. Wie kleine Raketen, die darauf beharrten, auf ihrer vorgesehenen Flugbahn zu bleiben. Der erste Ruck riss sie fast aus meiner Umklammerung, und ich musste so schwer kämpfen, dass ich für einen furchtbaren Augenblick feststellen musste, dass ich bei dem blinden Versuch, diesen Kampf zu gewinnen, überkompensiert und angefangen hatte, ihren mörderischen Griff um den Hals ihres Opfers zu verstärken.
Sollte Wethers sterben, würden die Beweise aufzeigen, dass ich ihn ermordet hatte.
Ich hörte Stimmen aus meiner unmittelbaren Zukunft.
Das überrascht mich nicht. Mit so etwas habe ich immer gerechnet.
Das ist Andrea Cort. Wissen Sie, was sie getan hat, als sie noch ein kleines Mädchen war?
Einmal ein Monster, immer ein Monster.
Zeit, mit ihr zu machen, was man eben mit einem tollwütigen Hund macht.
»GottVERDAMMT!«
Vielleicht war es eine Woge neuer Kraft, genährt von Adrenalin, vielleicht hatten auch die Ringe beschlossen, sich ein neues Ziel zu suchen, und vielleicht hatten sie auch nur einmal in die falsche Richtung gezogen und so meine Bemühungen unterstützt, jedenfalls löste sich die Schlinge auf einmal, ließ von Wethers ab und schickte mich rücklings an der gegenüberliegenden Wand des schmalen Korridors zu Boden. Genau wie er landete ich mit dem Hintern voran, die Beine um die seinen gegrätscht. Nun, da er wieder atmen konnte, inhalierte er keuchend, tief und dankbar - was mir wiederum wenig half -, während das Material zwischen den Ringen machtvoll zuckte, getrieben von dem Zorn eines tödlichen Etwas, dem das gebührende Blut vorenthalten wurde.
Das war nicht meine erste Würgeschlinge. Mein Leben war ereignisreich genug. Aber alle anderen, die ich gesehen hatte, waren frei von technischen Spielereien: ein Seil, ein Draht oder auch nur ein Stück Stoff, umgewandelt in ein Instrument des Todes durch böswillige Hände. Nie jedoch hatte ich eine Würgeschlinge gesehen oder mir auch nur erträumt, die aus eigenem Antrieb in Aktion trat: eine, die zusammengerollt und einer Zielperson auf den Hals gehetzt werden konnte, wo sie durch ihren eigenen Eifer, den schmutzigen Job zu erledigen, befeuert würde.
Das schwarze Material war kaum zu sehen, wenn man das Band flach vor sich hielt - nicht ganz auf Nanoebene, dann wäre es unsichtbar gewesen, aber immer noch dünner als menschliches Haar. Von oben betrachtet, erinnerte die Breite an die von gewöhnlichem Kräuselband, auch wenn es dank seiner kalten Schwärze etwa so festlich wirkte wie ein sternenloser Nachthimmel. Ich erinnerte mich, wie Wethers darum gerungen hatte, es von seiner Kehle zu zerren, und für einen Moment tat er mir leid; bündig mit seiner Haut, die Konturen seines Halses annehmend, war es vermutlich etwa so leicht in einem Stück zu entfernen wie eine Schicht Farbe. Die Ringe an beiden Enden boten wahrscheinlich die einzig sichere Methode, das Ding zu handhaben. Soweit man in dem Zusammenhang überhaupt von »sicher« sprechen konnte.
Einen Augenblick lang überlegte ich, wie viel KI das Ding enthielt, ob es mit ausreichend Intelligenz ausgestattet war, dekodiert oder sogar befragt zu werden.
Dann öffnete sich die Schlinge, zuckte kurz und schloss sich um mein rechtes Handgelenk.
Es geschah so schnell, dass ich nicht begriff, was geschah, bis der Schmerz des zusammengeschnürten Fleisches zum Wichtigsten in meinem Universum geworden war. Ich keuchte auf, trat, einem Reflex folgend, um mich und traf dabei Wethers Leiste - eine lebhafte Illustration der Leitlinie, die besagte, man solle nie irgendetwas tun, um die einzige andere anwesende Person in einem Raum, in dem etwas versucht, einen umzubringen, kampfunfähiger zu machen, als sie es bereits war. Er fiel ächzend auf die rechte Seite. Was mich betraf: Ich fluchte und tat, was mein Instinkt verlangte, und der verlangte von mir zu versuchen, mein rechtes Handgelenk mit Hilfe der linken Hand zu befreien - ein großer Fehler, wenn doch schon das bloße Zusammenführen beider Hände lediglich dazu diente, der Würgeschlinge eine wunderbare Möglichkeit zu verschaffen, zu manövrieren und erneut zuzuschlagen.
Noch ein Zucken, und eine zweite Schlaufe legte sich um mein linkes Handgelenk.
Das Band zog sich zusammen, und meine geschlossenen Fäuste wurden aneinandergerissen, kollidierten unter einem schmerzhaften Knacken meiner Knöchel.
»Wethers, helfen Sie mir!«
Nicht gut. Selbst wenn er ein Kämpfer sein sollte - und ich hatte keine Garantie dafür, dass er das war oder dass er mir zu Hilfe kommen würde, wenn er könnte -, mochte es immer noch mehrere Minuten dauern, bis er sich so weit erholt hätte, um irgendetwas zu tun. Im Augenblick war er jedenfalls voll und ganz damit beschäftigt, sich am Boden zusammenzurollen, zu husten und zu würgen und verzweifelt zu versuchen, genug Luft zu absorbieren, um auf seinen Schmerz zu reagieren. Bis all mein Schreien endlich das Pulsieren des Blutes in seinen Ohren übertönt hätte, hätte die Schlinge mir längst beide Handgelenke gebrochen und sich weiter ihren Weg gebahnt, vermutlich zu meinem Hals, wo sie dann mit mir das Gleiche würde anstellen können, was sie schon bei ihm versucht hatte.
»Oscin! Skye! Irgendwer!«
Es half nichts. Dies waren Luxusunterkünfte. Die Räume waren schallgeschützt. Ich hätte hier drin
eine Explosion auslösen können, und im Salon hätte niemand auch nur einen verdammten Ton davon
gehört.
Das Band, das meine Handgelenke fesselte, dehnte sich, gestattete mir, die Hände aus einander zuziehen, und schrumpfte dann wieder, zog meine Hände erneut mit knochenknackender Kraft zusammen. Ich keuchte auf vor Schmerz, überlegte, ob ich noch einmal schreien sollte, kam auf den entsetzlichen Gedanken, ich hätte vielleicht keine Antwort erhalten, weil sich auf der Königlichen Kutsche noch ein Dutzend weiterer dieser verfluchten Mistdinger herumtrieben und sich anderer Kehlen bemächtigt hatten, der Kehlen von Oscin, Skye, Dejah, Jason, Jelaine ...
Noch ein Knacken. Jeder Knochen in meinen Händen tat mir weh. Ich fühlte einen Einschnitt in der Haut, qualvoll in seiner Plötzlichkeit, und Blut strömte zwischen meinen Fingern hindurch.
Wenn Sie das nächste Mal auf dem Boden sitzen, die Beine vor sich ausgestreckt, dann legen Sie Ihre Hände vor den Körper, als wären sie mit Handschellen gefesselt, und sehen Sie selbst, wie einfach es ist, in so einer Lage auf die Füße zu kommen. Und nun versuchen Sie, das in einem schmalen Korridor zu bewerkstelligen, während Ihre Beine sich mit denen eines halb bewusstlosen Mannes an der Grenze zwischen bloßem Husten und vollständigem Übergeben verheddert haben. Schlimmer noch, versuchen Sie es, während Sie sich zugleich darum bemühen, das scharfe Ende einer Säge in den Griff zu bekommen, eines, das Sie rein zufällig auch noch zutiefst verabscheut und keine Skrupel hat, Sie zu verletzen, wo es nur kann, auf dass es losziehen und einen noch wirkungsvolleren Weg suchen kann, Ihnen noch mehr wehzutun. Ich garantiere Ihnen, das wird eines der unerfreulichsten und schwierigsten Dinge sein, die Sie je bewältigen mussten.
Mir wäre es vielleicht nicht gelungen, hätte ich nicht eine Wand im Rücken gehabt.
Ich beugte beide Beine, sodass ich die Füße auf den Boden stemmen konnte, und Pressen! Mein Rücken glitt die Wand hinauf.
Die Würgeschlinge an meinen Handgelenken zuckte erneut so heftig, dass sie mich beinahe aus dem Gleichgewicht gebracht hätte, aber ich konnte dagegenhalten, stolperte einen Schritt nach rechts und schaffte es irgendwie, nicht über Wethers ausgestreckte Beine zu stürzen.
Der Druck um mein rechtes Handgelenk wurde stärker, brannte wie eine Linie aus purem Feuer. Röte machte sich glitzernd an den Rändern bemerkbar.
Wenn das noch schlimmer wurde, würde mir das verdammte Ding die Hände absägen.
»WETHERS! Verflucht!«
Der wäre mir keine Hilfe. Er hustete nicht mehr, reagierte aber auch nicht. Vielleicht hatte er noch nie zuvor um sein Leben kämpfen müssen, vielleicht hatte er auch nie gelernt, dass das instinktive Verlangen, sich zu einem Ball zusammenzurollen und sich zu verstecken, statt sich dem Etwas, das einem bereits Schmerzen zugefügt hatte, in den Weg zu werfen, nichts anderes bewirkte, als dass man sich selbst zu einem passiven Zielobjekt machte.
Das war eine Lektion, die ich auf Bocai gelernt hatte.
Ich stolperte zum Schlafzimmer der Suite, hielt mir die eigensinnige Würgeschlinge auf Armeslänge vom Leib, taumelte, als die Ringe, die ich in den Fäusten hielt, von einer Seite zur anderen ruckten in dem Versuch, mich aus dem Gleichgewicht zu bringen. Sie waren stark genug, mich wie eine Frau gehen zu lassen, die versuchte, sich eines Entführers zu erwehren, der sie an den Armen festhielt. Nicht ganz so stark wie ich, aber sie wurden immer stärker, und es würde nicht mehr lange dauern, bis die Erschöpfung mir alle verbliebene Kraft geraubt hätte.
Und darum brauchte ich eine Waffe.
Ich ruckte herum, als ich das Bett passierte, prallte dagegen, stieß einen Schrei aus, als der schneidende Schmerz in meinen Handgelenken sich zu peinigender Qual steigerte, schrie lauter, als er noch stärker wurde, tat ein paar Schritte und prallte erneut gegen das Bett.
Meine Tasche lag an dem transparenten Schott, dessen Panoramablick auf Xana nun den Schilden Platz gemacht hatte, die im Augenblick des Nothalts abgesenkt worden waren.
Ich fiel auf die Knie und ließ mich weiter fallen, verfehlte die Tasche um einen halben Meter, schaffte bald darauf das letzte Stück vermittels einer Serie konvulsiver Fußtritte.
Meine Tasche ist ein Tchi-Kunstwerk und nach meiner Einschätzung eine der größten Errungenschaften einer Spezies, zu deren Eigenheiten auch eine schwelende Paranoia zählt. Außen gab es keine sichtbaren Nähte, keine Scharniere, keine Verbindungsstellen, die imstande wären, durch ihre bloße Existenz zu verraten, wie das verflixte Ding sich vielleicht öffnen ließe, wäre es denn bereit, sich von irgendjemandem außer mir öffnen zu lassen. Meine Dip-Corps-Legitimation reichte, es überall durch den Zoll zu bringen, und die Verriegelung - die mit einem halben Dutzend verschiedener Codes gesichert war, die von einem DNA-Scan bis hin zu einem neuralen Signal reichten, das ich durch eine bloße Berührung übermitteln konnte - stellte von jeher eine enorm wichtige Sicherheitsmaßnahme dar, deren Zweck es war, zu verhindern, dass die Tasche ohne meine Erlaubnis durchsucht oder auch nur gefahrlos berührt werden konnte.
Das war natürlich eine wahrlich gute Sache, da das Kopfgeld, das auf mich ausgesetzt war, mich etwa genauso paranoid hatte werden lassen wie einen beliebigen Tchi, und ich übertrete nie eine Grenze ohne Schmuggelware, die, sollte sie entdeckt werden, sogar für eine Person mit diplomatischer Immunität zu einer Festnahme, einer Inhaftierung oder dem Tod führen konnte.
In der Tasche befanden sich mehrere Gegenstände, die möglicherweise imstande waren, die Würgeschlinge, die sich um meine Handgelenke spannte, zu deaktivieren oder zu zerstören; es gab sogar einen Gegenstand, mit dem ich die ganze Kabine hätte verdampfen können, allerdings litt ich noch nicht ausreichend Qualen, darin eine brauchbare Option zu sehen.
Natürlich konnte ich - immer vorausgesetzt, mir bliebe überhaupt genug Zeit - keinen dieser Gegenstände in meine Finger bekommen, ohne meine Hände zu öffnen.
Und wenn die Fähigkeiten, die die Würgeschlinge bisher demonstriert hatte, als Indikator gelten konnten, würden sich die Dinge von der Sekunde an, in der ich die Ringe losließ, sehr schnell sehr vers chlimmern.
Andererseits war es nicht gerade so, als hätte ich eine Wahl.
Ich hörte Wethers draußen um Hilfe rufen. Was mir momentan auch nicht half. Der Schmerz war inzwischen so schlimm geworden, dass ich mir nicht einmal mehr Zeit nahm, einmal tief durchzuatmen. Ich tat es einfach, öffnete die Handflächen, die von einer Seite zur anderen aufgeschnitten und blutverschmiert waren. Die beiden Ringe, die sie gehalten hatten, reagierten beinahe ulkig, erhoben sich ungefähr einen Zentimeter über die Haut, legten sich zur Seite wie Köpfe, die, von einer unerwarteten Entwicklung überrascht, zweimal hinsehen wollten. Dann flogen sie, zogen jeder sein Ende des Bandes hinter sich her, peitschten jeder in eine andere Richtung um meine gefangenen Handgelenke herum, um sich selbst zu befreien, was mutmaßlich in einem unverzüglichen Angriff auf meinen Hals enden würde.
Jetzt auf die aufbrandenden Stiche der wiederauflebenden Blutzirkulation zu reagieren, wäre eine hervorragende Möglichkeit, sich umbringen zu lassen.
Stattdessen packte ich die Schlinge, kaum dass sie sich gelöst hatte, in ihrer Mitte und schleuderte sie fort, so weit ich nur konnte.
Das verdammte Ding segelte über das Bett, änderte jedoch die Richtung, ehe es die Wand auf der anderen Seite treffen konnte. Die Ringe sanken tiefer, hielten auf das Bett zu, und die Schlinge zwischen ihnen sah aus wie ein von beiden Seiten gehaltenes Banner.
Dieses Mistvieh konnte fliegen. Wie zum Teufel sollte ich mich einer flugfähigen Würgeschlinge erwehren?
Ich lag immer noch auf dem Rücken und hatte keine Überlebenschance, sollte ich mir die Zeit nehmen, auf die Beine zu kommen, also griff ich nach meiner Tasche - meiner hochwichtigen Tasche mit den Waffen, von denen ich hoffte, ich könnte sie gegen das verdammte Ding einsetzen - und schleuderte sie nach der Schlinge. Die Ringe mit dem Band vollführten einen verrückten Salto und entgingen dem Zusammenprall, erholten sich bereits, als meine Tasche auf der anderen Seite des Betts aus meinem Sichtfeld entschwand. Ich rollte mich herum, sah, wie die Schlinge in niedriger Höhe auf mich zukam, trat nach ihr und fühlte etwas wie ein Zupfen, als mein rechter Fuß einen der Ringe streifte.
Das Ding erholte sich schnell, flog eine Schleife und hielt auf meine Kehle zu. Ich versuchte noch einmal auszuweichen, hatte aber nicht genug Zeit, und die Schlinge wickelte sich mit einer derart schwindelerregenden Gewalt um meinen Hals, dass ich die Hitze, mit der das Material auf die Haut prallte, in der Gurgel spürte.
Die Ringe zogen, und die Schlinge spannte sich, begierig darauf, mir die Luft, den Atem und das Leben zu nehmen.
»Scheißding!«, brüllte ich - was ich nur konnte, weil ich meine Kehle einen Sekundenbruchteil, bevor das verfluchte Ding die Schlinge zugezogen hatte, mit der Hand bedeckt hatte. Als sich die Schlinge spannte, lag sie über meinen Knöcheln. Die Haut dort brannte, als sich das Material immer enger zusammenzog und mir die Blutzirkulation abschnürte. Aber der Verlust der Blutzirkulation in der Hand lässt sich viel leichter überleben als der Verlust von Sauerstoff im Hirn ...
Ich rollte mich herum, kam irgendwie auf die Beine, taumelte heftig, als die Ringe mich zu bezwingen versuchten, wie ein Pferd unter der Kontrolle eines Reiters, und krachte mit dem Hinterkopf mit roher Gewalt an das Schott.
Ich fühlte Blut an meinem Nacken: Die Schlinge hatte sich auf der Rückseite meines Halses durch die Haut geschnitten.
Meine Kehle zu schützen, würde mich nicht allzu lange retten, sollte es dieser Monstrosität gelingen, sich durch mein Rückgrat zu sägen. Eine Quadriplegie ist temporär, wenn man es schafft, lange genug zu überleben, um sich eine halbwegs anständige medizinische Versorgung zu sichern; ich hatte mehr als nur einmal entsprechende Verletzungen erlitten und mich nie länger als ein paar Stunden damit abplagen müssen. Aber ein durchtrenntes Rückgrat hätte mich gegenüber allem und jedem, der oder das die Absicht verfolgte, mir ein längerfristiges Übel zuzufügen, hilflos gemacht. Paralysiert wäre ich ein leichtes Ziel für jede Schandtat, die die Würgeschlinge im Schilde führen mochte ...
Meine freie Hand tastete nach dem Band, fand einen der Ringe und riss an ihm, zerrte das Material fort von meinem Hals.
Mit einer Hand immer noch meine Kehle schützend, nutzte ich die andere, um die Schlinge wie eine Peitsche zu schwingen und den Ring am anderen Ende gegen das Schott zu prügeln. Als er aufprallte, flammte ein Blitz auf, eine Art Entladung, aber der Ring selbst brach nicht. Ich holte erneut aus und schlug ihn gegen den Beistelltisch. Wieder flammte ein Funken Licht auf, wenn auch nicht so kräftig, beinahe so, als hätte sich das verdammte Ding abgerollt und den Aufprall abgemildert, um einen Schaden zu verhindern, der ihm bei einem neuen Angriff im Wege sein könnte.
Ein dritter Peitschenschlag, dieses Mal wieder auf das Schott, und der Ring entging dem Aufprall vollständig, widersetzte sich einfach dem Schwung und jagte auf meine Augen zu.
Ich heulte auf, wirbelte herum, verlor jedoch das Gleichgewicht und ging wieder einmal zu Boden.
Ich wurde nicht zum ersten Mal mit einem möglichen, grotesken Tod konfrontiert. Fragen Sie mich irgendwann mal nach Catarkhus oder One One One. Aber die Vorstellung, überwältigt und niedergerungen zu werden von etwas, das klein genug war, dass ich es in meinen verdammten Händen halten konnte, war mehr, als ich ertragen konnte. Ich kreischte vor Empörung und Zorn und schleuderte das jujeverdammte Ding einfach weg, ohne mich darum zu scheren, ob es nach einer oder zwei Sekunden wiederkäme. Ich wollte nur für einen Moment frei von ihm sein, eine oder zwei Sekunden, um Luft zu holen, ohne seine verhasste Berührung auf meiner Haut zu spüren.
Wo immer es in den nächsten ein oder zwei Sekunden verschwand, weiß ich nicht, denn plötzlich brüllte jemand im Vorraum: »Andrea! Was ist los?«
»Counselor!«
Skye. Paakth-Doy. Eine perfekte Gelegenheit, noch einmal um Hilfe zu schreien.
Aber ein saublöder, unvernünftiger Instinkt nahm sich der Sache an. »Bleibt da draußen!«
Es gelang mir, eine Hand auf das Bett zu bekommen und mich in eine halbwegs aufrechte Position zu ziehen, als ich auch schon etwas Schwarzes aufblitzen sah, das direkt auf mein Gesicht zuflog. Ich warf mich rücklings auf die Matratze, rollte mich herum und sah erneut etwas aufblitzen: eine derbe Schlinge, die über mir durch die Luft schwirrte. Meine verletzten Hände hinterließen Blutflecke auf dem Federbett, als ich mich zurück zur anderen Seite des Betts rollte und in dem Moment auf dem Boden aufschlug, in dem Skye und Paakth-Doy laut meinen Namen rufend hereinstürzten.
Die Würgeschlinge, die schon wieder auf meinen Hals zuhielt, änderte den Kurs und steuerte nun Skye an.
Ich schrie »Scheiße!« und stürmte erneut in Richtung meiner Tasche. Keine Zeit, sie zu öffnen, keine Zeit, irgendetwas herauszuholen, dem ich zutraute, dieses Ding zu überwältigen, keine Zeit, irgendetwas zu tun, außer schon wieder mit der gottverdammten Tasche zu werfen und zu hoffen, dass sie die Würgeschlinge weit genug fortschleudern würde, dass ich Gelegenheit bekäme, irgendetwas zu improvisieren. Vielleicht könnte ich ein Laken vom Bett reißen und es wie ein Netz werfen ...
Dann hörte ich ein Fffwap.
Skye stand wie erstarrt da, die Fäuste um die Ringe geschlossen, die Arme so weit gespreizt, dass die tödliche Schlinge aufgespannt wie ein Draht zwischen ihren Händen hing. Sie pulsierte, vibrierte so zornig, dass sie nur noch als verschwommene graue Linie erkennbar war; Skye hielt sie immer noch unerschütterlich fest, so weit gedehnt wie nur möglich, und machte es ihr unmöglich, einen neuen Angriff zu starrten.
»Ich bin beeindruckt«, sagte Paakth-Doy.
Die Geschwindigkeit, die Skye an den Tag gelegt hatte, als sie das Ding aus der Luft gepflückt hatte, und die Kraft, die sie demonstrierte, indem sie das Ding festhielt, beeindruckten auch mich. »Guter Fang.«
Sie verzog das Gesicht. »Das hier ist ... nicht ganz das ... was man als ... langfristige Lösung bezeichnen würde, Andrea. Die Antriebseinheiten sind gemessen an der Größe unverhältnismäßig stark.«
Richtig. Ich ging zu meiner Tasche, löste den Verschluss und schob einige identische schwarze Anzüge zur Seite, ehe ich die diversen Gegenstände bloßlegen konnte, die gegenüber planetarischen Zollstellen besser im Dunkeln blieben.
Der gewöhnlichste Gegenstand unter all den anderen war eine Stasisröhre, konstruiert zum Transport von Gefahrenmaterialien aller Art - an und für sich nicht illegal, aber ein eindeutiger Beweis für kriminelle Absichten insofern, als dass die enthaltene Substanz ein genetisch programmiertes Nanotoxin war, dessen Besitz mir nicht erlaubt war. Das war meine persönliche Suizidwaffe, eine, die mich nicht nur töten würde, sondern auch mein ganzes genetisches Material denaturieren und so die Identifizierung meiner Leiche verhindern konnte.
Sollten Sie sich je fragen, ob Ihr Leben die eine oder andere falsche Abzweigung genommen hat, dann überlegen Sie mal, wie verdammt beschissen die Umstände sein müssen, wenn Sie so etwas zu einem vertretbaren Bestandteil Ihres Handgepäcks erklären.
Skyes Stimme erklang mit hörbarem Zittern. »Andrea? Was immer du da tust...«
»Ich komme, Liebes.« Eine Drehung an einem bestimmten Verschlussmechanismus an einem Ende der Röhre öffnete das Schutzschild an den Endpunkten und setzte einen Schutzmechanismus in Gang, der einen Mikrowellenstoß durch den Inhalt der Kammer jagte, wodurch die Nanomaschinen deprogrammiert und die Trägerflüssigkeit exakt so virulent wie destilliertes Wasser war. Ein weiterer, reinigender Energiestoß zum Zwecke der molekularen Erregung verdampfte die Überreste, die dann mit hörbarem Zischen aus der Röhre entwichen.
Noch während das geschah, nahmen die Blutflecken, die meine verwundete Hand auf dem Metall hinterlassen hatte, einen hellen Rosaton an - ein Beweis dafür, dass einige wenige Nanomaschinen in dem Dampf entkommen und noch intakt genug waren, alles aufzulösen, was ihnen von meinem genetischen Material begegnete. Streng genommen war es nicht sicher, wenn ich selbst die Lösung deaktivierte. Streng genommen sollte ich in einem anderen Raum sein und von Ferne Anweisungen geben. Aber streng genommen sollte ich auch nichts mit mir herumtragen, das in der Lage war, meine Zellen zu zerstören ...
»Andrea!« Wieder Skye, und dieses Mal verriet ihre Stimme echten Schmerz.
»Hab's!« Die Enden der Röhre öffneten sich blendenförmig, ehe sie auf ganzer Länge aufklappte und jede Hälfte den Querschnitt der anderen widerspiegelte. Ich schnappte mir den Behälter, rannte zu Skye, positionierte die Unterseite der Röhre unter dem Band und klappte die obere Hälfte über ihm zu. Der Schließmechanismus rastete ein, und die Endpunkte schlossen sich ebenfalls, womit der größte Teil der Schlinge im Inneren gefangen war; aber die Enden ragten immer noch hervor, und Skye hielt immer noch einen nach wie vor bockenden Ring in jeder Hand. Alles, was ich bis hierhin getan hatte, war, einer fliegenden Würgeschlinge die Möglichkeit einzuräumen, sich in eine fliegende Keule zu verwandeln, ließe man sie los und würde sie wieder herumfliegen können. Aber wenigstens musste Skye nun nicht länger die Ringe halten.
Sie ließ sie los und umfasste stattdessen die Röhre. »Danke, Andrea. Geht es dir gut?«
»Es geht ihr natürlich nicht gut«, ließ sich eine ärgerliche Paakth-Doy vernehmen. »Sie ist verletzt. Setzen Sie sich, Counselor, dann kümmere ich mich um ihre Wunden.«
»Dafür haben wir keine Zeit, Doy ...«
Sie legte mir eine Hand auf die Schulter. »Sie mögen es ja genießen, das Miststück zu spielen, aber ich kann Ihnen versprechen, dass ich noch ein viel größeres Miststück sein kann. Ich habe Talent dafür. Wie Sie vor nicht allzu langer Zeit zu mir gesagt haben ... Packen Sie Ihren Arsch auf den Sitz.«
Ich blinzelte einige Male, dachte über diverse unverzeihliche Äußerungen nach, die ich ihr an den Kopf werfen konnte, wog sie gegen Logik und gesunden Menschenverstand auf der einen Seite und mein dringendes Verlangen, jemandem wehzutun, auf der anderen ab, nickte dann und setzte mich auf das Bett.
Paakth-Doy ging hinaus, um ihre Erste-Hilfe-Ausrüstung zu holen, und murmelte eine Entschuldigung, als sie gerade außer Sicht war.
Ich wusste nicht, mit wem sie gesprochen hatte, bis Wethers auf der Schwelle erschien, zerzaust und blass, mit geweiteten Augen, und sich immer noch mit einer Hand die Kehle rieb. Er sagte nichts, starrte mich nur an, offenkundig gelähmt von der kognitiven Dissonanz zwischen dem menschlichen Impuls, mir zu danken, da ich sein Leben gerettet hatte, und seiner Verpflichtung als Bediensteter der Bettelhines, mich weiterhin als Gefahr für die Geheimnisse der Familie einzustufen. Nach einem kurzen Moment gab er den Augenkontakt auf, schluckte und verzog sogleich das Gesicht, war doch schon der Versuch zu schlucken mit erheblichen Schmerzen verbunden.
Ich ersparte ihm die Verlegenheit, zuerst das Wort ergreifen zu müssen. »Geht es Ihnen gut?«
Er nickte langsam, ehe er heiser hervorbrachte: »Ich dachte, ich wäre tot.«
»Muss beängstigend gewesen sein«, bemerkte ich, unfähig, dem Sarkasmus zu widerstehen, »da Sie doch so viel haben, wofür es sich zu leben lohnt.«
Er sah zu Boden. Ich will verdammt sein, wenn meine Worte ihn nicht verletzt hatten.
Als Skye ihren Griff um die Röhre verlagerte, schlugen die Ringe an beiden Enden ungehalten hin und her, allem Anschein nach immer noch auf der Suche nach einer Kehle, die sie abschnüren konnten. »Sei nicht so hart zu ihm, Andrea. Du schuldest ihm dein Leben.«
Ich versuchte mir vorzustellen, wie ein blasser und beinahe artikulationsunfähiger Wethers in den Salon stolperte, mitten unter all diese Leute, und ihnen wilde Geschichten über eine fliegende Würgeschlinge erzählte. »Erstaunlich, dass noch nicht die ganze Meute hier drin ist.«
Wethers reckte das Kinn vor und krächzte: »Ich arbeite für die Bettelhines, Counselor. Ich weiß, wie man sich diskret verhält, und ich nahm an, Sie würden wünschen, dass ich das tue. In Anbetracht dieser Umstände habe ich jeden Hinweis auf meinen eigenen Zustand unterdrückt, bis es mir gelungen ist, Ihre Begleitung darüber in Kenntnis zu setzen, dass Sie unverzüglich Hilfe benötigen.«
Ich bewegte meine Hände und verzog das Gesicht. »Das war ... gut gedacht.« Und ich dachte, sprach aber nicht aus: beinahe zu gut. Auch wenn wir außer Acht lassen, dass gerade ein paar Minuten vergangen waren, seit Wethers mir mit dem Zorn des Bettelhine-Imperiums gedroht hatte, blieb noch immer die Tatsache, dass jeder andere unter den gegebenen Umständen aus Leibeskräften gebrüllt hätte. Die Erkenntnis, dass ein hochrangiger Mitarbeiter der Bettelhines darin geschult sein könnte, einen solch unmenschlichen Grad der Diskretion zu meistern, in solch einer Lage, in der es um Leben oder Tod ging, warf einige kritische Fragen darüber auf, wozu die Bettelhine-Mitarbeiter sonst noch imstande waren. »Haben Sie ... dieses Gerät je zuvor gesehen?«
Wethers schüttelte den Kopf.
»Ich schon«, sagte Skye.
Sie wollte mir gerade erzählen, wo, als Paakth-Doy mit ihrer Erste-Hilfe-Ausrüstung zurückkehrte. Doy musste sich unter Wethers Armen hindurchducken, als sie ihm im Türrahmen zum Schlafzimmer begegnete, schaffte es aber, ohne sich zu entschuldigen, und huschte sogleich mit ihrem Nanomaschinenstift an meine Seite.
Während Paakth-Doy meine Wunden versorgte, sagte Skye: »Das ist ebenfalls eine obskure antike Waffe, dieses Mal eine Ghyei-Erfindung. Deren Aristokratie bezeichnete sie als Feuerschlange, und einst, in einer mittelalterlichen Zeit voller Intrigen und Verrat, wurde sie dazu benutzt, sie in den Häusern von Verwandten, die in der Erbfolge weiter oben standen, freizusetzen.«
Von diesen Ghyei hatte ich noch nie gehört; sie gehörten nicht zu den bedeutenderen oder aus anderen Gründen bekannten Mächten des Universums. »Du weißt zu viel über solchen Dreck, Liebes.«
Skyes Lippen zuckten vage. »Du kannst es meiner morbiden Fantasie zuschreiben.«
»Die ist mir bisher nie aufgefallen.«
»Meine beiden Teile waren nicht immer dieselbe Person, weißt du.«
Aha. »Meinst du, das ist ein echtes Artefakt oder eher eine Nachbildung?«
»Bedenkt man den Durchmesser einer gewöhnlichen Ghyei-Kehle, in der zwei oder drei Menschen bequem Platz finden würden, können wir mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass ihnen eine Feuerschlange dieser Größe höchstens als Zahnseide von Nutzen wäre.«
Paakth-Doy, die sich voll und ganz auf die Heilung meiner Handflächen konzentrierte, kicherte unwillkürlich bei diesen Worten. Wir alle stierten sie an. Sie wurde rot, zuckte entschuldigend mit den Schultern und widmete sich wieder ihrer Arbeit. Meine Handflächen wurden taub, kitzelten dann, wurden kalt und dann angenehm warm. »Was hat das Ding hier zu suchen?«
Skye schien nicht zu begreifen, wie ich eine so dermaßen saublöde Frage stellen konnte. »Ich nehme an, das Gleiche wie die Klaue Gottes. Leute umbringen.«
»Ich glaube«, mischte sich Wethers ein, »der Counselor hätte gern eine etwas genauere Antwort.«
»Ich weiß Ihren Einwand zu schätzen«, sagte Skye zu ihm. »Aber ob diese Waffe für Sie oder den Counselor oder für irgendeine andere, leicht erreichbare Zielperson gedacht war, bleibt offen. Nach der Geschwindigkeit zu urteilen, mit der sich das Ding auf mich gestürzt hat, kaum dass ich eingetreten war, würde ich sagen, es schien geneigt, sich auf jeden in einem bestimmten Umkreis zu stürzen, vorzugsweise auf der Höhe des Halses.«
Das hatte Logik. »Wie«, so fragte ich sie, »stehen die Chancen, dass es schon hier war, als wir die Suite bezogen haben?«
Skye dachte darüber nach. »Ich würde sagen, in etwa so wie die Chancen, dass es irgendwann im Lauf der letzten paar Stunden von einer der Personen, die du befragt hast, hier platziert wurde.«
So schätzte ich die Sache auch ein. Aber das brachte mich nicht viel weiter, da seit dem Nothalt bereits Dina Pearlman, Monday Brown, Wethers, Arturo Mendez, Paakth-Doy und Philip Bettelhine hier gewesen waren. Ebenso gut war es möglich, dass jemand sich heimlich hereingeschlichen und die Feuerschlange deponiert hatte, als die Porrinyards und ich nicht hingesehen hatten.
»Ich glaube es zwar selbst nicht, Counselor«, meldete sich Wethers zu Wort, »aber in Anbetracht dessen, dass dies Ihre Suite ist, ist es unter Berücksichtigung der Tatsachen auch möglich, dass dieses verdammte Ding Ihnen oder Ihren Mitarbeitern gehört und dass Sie es hier drin aktiviert haben, um von ihrer eigenen Schuld bei dem Mord an dem Khaajiir abzulenken.«
Paakth-Doy bedachte ihn mit einem ungläubigen Blick.
Ich schüttelte den Kopf. »Machen Sie sich darüber keine Gedanken, Doy. Aber er hat nicht unrecht. Die Möglichkeit besteht.« Dann wandte ich mich ihm zu und sagte: »Genauso wie die Möglichkeit besteht, dass Sie das Ding aus der Tasche gezogen und dafür gesorgt haben, dass es Sie in meiner Gegenwart angreift. Genauso, wie die Möglichkeit besteht, dass es darauf programmiert wurde, Sie bis an die Grenze zu einem dauerhaften Schaden zu strangulieren, aber nicht mehr, dass es mir einen harten Kampf liefern sollte, aber nicht mehr, und dass Ihr Eifer, Hilfe herbeizurufen, so kurz nachdem Sie mir gegenüber ein solches Maß an Verachtung zum Ausdruck gebracht haben, sich als Farce offenbart, dazu gedacht, Sie vertrauenswürdig und über jeden Verdacht im Hinblick auf die anderen Verbrechen an Bord dieser Kutsche erhaben erscheinen zu lassen. Ich bin von keiner dieser Möglichkeiten sonderlich überzeugt, Mr Wethers, nicht mehr als Sie vorgeben, an Ihre eigene Theorie zu glauben. Aber all das passt zu den Tatsachen. Und wie Sie selbst gesagt haben, es sind Theorien, die zu bedenken ich gezwungen bin.«
Wethers rieb sich die Augen. Sein Gesicht überzog eine Müdigkeit, so unerträglich, als hätte er sie während seines ganzen Erwachsenenlebens aufgebaut. »Verstanden.« Dann blickte er mich wieder an, und seine Miene sah so traurig und verloren aus, wie ich es selten bei irgendjemandem erlebt hatte. Man hatte mir gesagt, dass er außer den Bettelhines keine Familie besaß, keine Liebe außer der zu seinem Beruf. Ich hatte, bevor ich den Porrinyards begegnet war, während eines großen Teils meines Lebens in vergleichbarer Isolation gelebt, und ich fragte mich, ob er mit seiner Einsamkeit ähnlich umging, wie ich es getan hatte - ob er angefangen hatte, stolz darauf zu sein, ob er sie gehegt hatte wie ein Kuscheltier, das sich von Abscheu und Gehässigkeit ernährte. »Aber so dankbar ich Ihnen bin, weil Sie mir das Leben gerettet haben - was ich zuvor zu Ihnen gesagt habe, gilt noch immer. Dies ist Bettelhine-Terrain. Und Sie können wirklich nicht daran interessiert sein, Ihre Privilegien als Gast zu missbrauchen.«
Ich musterte ihn mit unverhohlener Neugier. »Danach wollte ich Sie so oder so fragen. Bedrohen Sie häufig Leute, deren Anwesenheit seitens der Bettelhines erwünscht ist?«
»Es bereitet mir in Ihrem Fall nun weniger Vergnügen als vor der Rettung meines Lebens durch Sie, aber ja, das tue ich. Es ist ein Teil meines Aufgabengebiets. Gäste, auch Ehrengäste, sind so lange willkommen, wie sie sich zu benehmen wissen. Und Sie wären nicht der erste Gast, den zu bestrafen ebenfalls zu meinen Pflichten gehören würde.«
Charmant. Aber wie dem auch sei, er schien die Wahrheit darüber gesagt zu haben, dass es ihm nun weniger Freude als vor dem Angriff der Würgeschlinge bereitete, ominöse Drohungen auszustoßen. Nicht, dass ihm überhaupt irgendetwas Freude zu bereiten schien. Je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte, desto mehr verstärkte sich der Eindruck, dass er in sich selbst gefangen war, unfähig zu entfliehen, ein Gefühl, das ich unter anderem auch bei Colette Wilson und Arturo Mendez hatte. Ich erinnerte mich an einige der Dinge, die Pescziuwicz gesagt hatte, und schauderte beim Gedanken an die Dringlichkeit, mit der er seine Warnungen ausgesprochen hatte.
Also fragte ich noch einmal: »Was haben Ihre Leute mit Bard Daiken gemacht?« Er schwieg. Seine Augen blickten vage bedauernd, schafften es aber nicht, auch nur kurzfristig ein Gefühl zu übermitteln, das so etwas wie Sicherheit versprochen hätte.