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ATTENTÄTER

 

Hans Bettelhine mag ein berüchtigter Unternehmer gewesen sein, ein Mann, der mit dem Tod handelte, dessen Munitionsimperium noch immer Leben auf hundert Menschenwelten niederzumetzeln half, aber ich sollte fair sein: Aus genau diesem Grund würde ich ihm den heutigen Anschlag auf mein Leben nicht zum Vorwurf machen.

Bettelhine hätte mich überhaupt nicht eingeladen, den weiten Weg in sein Heimatsystem zurückzulegen, nur damit ein paar inkompetente Attentäter mich in seinem Raumhafen in einen Hinterhalt locken. Hätte er mich so dringend tot sehen wollen, so hätte er meine Adresse gekannt und mich aufs Geratewohl atomar vernichten können, oder er hätte, falls er eine eher chirurgische Vorgehensweise vorzog, halbintelligente Flechette-Dronen nach New London geschickt, die mich verfolgt und im Schlaf viviseziert hätten. Juje wusste, es gab Grund zu glauben, dass er dergleichen schon früher getan hatte.

Dennoch ließ sich nicht abstreiten, dass sein Hauptquartier, die Welt Xana, einen neuen Rekord für den kürzesten Intervall aufgestellt hatte, der zwischen meiner Ankunft an einem Ort, an dem ich nie zuvor gewesen war, und dem ersten Anschlag, der an besagtem Ort auf mein Leben verübt wurde, vergangen war.

Ich spreche von Minuten. Minuten.

Es passierte, noch ehe ich einen einzigen Schritt auf den Boden des Planeten getan hatte, ja, noch bevor Bettelhine hätte wissen können, dass mein Transporter an seinem orbitalen Hauptterminal Layabout eingetroffen war.

Die Porrinyards und ich gingen gerade durch die Halle neben dem Hauptandockbereich von Layabout, die vorwiegend aus einer Ansammlung von Schnapsläden, Restaurants, Boutiquen, Geschenkartikelläden und sogar einigen Bordellbuden bestand, in denen gelangweilte Geschäftsleute, die auf ihre Abreise warteten, einige Minuten dafür aufwenden konnten, sich mit Hilfe pulsierender Schallwellen multiple Orgasmen zu verschaffen. Auf dem Weg zum Fahrstuhldock, wo uns, wie man uns versichert hatte, eine Koje in jener Privatkabine erwartete, die üblicherweise für die Bettelhines reserviert war, zählte ich vier verschiedene intelligente Lebensformen - Menschen nicht eingerechnet -unter den Reisenden, die auf ihren Transport zur Planetenoberfläche oder die Abreise in andere Systeme warteten. Unter ihnen mindestens eine, die mir vollends unbekannt war und in meinen Augen aussah wie ein terrestrisches Grautier - nachdem es mit einer Lötlampe versengt und anschließend explosiv dekomprimiert worden war. All das hätte mir nach all diesen Wochen im Interschlaf mehr als genug Abwechslung bereitet, auch ohne dass ich mit den Porrinyards politische Themen diskutierte, eine Erfahrung, die grundsätzlich darin gipfelt, dass ich zahlenmäßig unterlegen bin, selbst wenn nur einer von ihnen spricht. Oscin und Skye Porrinyard - Musterbeispiele körperlicher Vollkommenheit, einer männlich, eine weiblich, beide ausgestattet mit klugen Augen, einem freundlichen Lächeln und silbrigem Stoppelhaar - besitzen einen überdimensionierten, vereinten Geist und neigen dazu, sich als Verfechter lächerlicher Standpunkte zu gerieren, nur um mich in rhetorische Fallen zu locken.

Der erste der Attentäter erhob sich in der Sekunde, in der Oscin und ich am Ende der Halle in Sicht kamen, aber für uns gab es noch keinen Grund zu der Annahme, dass sein scheinbar zielloses Umherschlendern, das ihn von den Sitzen zu dem Bereich mit dem dichtesten Fußgängerverkehr führte, allein dem Zweck diente, mich auf dem kalten Permaplastikboden des Terminals in meinem Blut enden zu lassen. Er sah sogar einem Menschen zum Verwechseln ähnlich. Bocai hatten vielfach die gleichen evolutionären Abzweigungen genommen wie Menschen. Bei genauem Hinsehen würde man nie einen Angehörigen der einen Gattung mit einem Angehörigen der anderen verwechseln, aber ihre grundlegenden Züge sind beinahe identisch. Der auffallendste Unterschied im bekleideten Zustand bestand in dem zerfurchten Bocai-Ohr und den übergroßen Bocai-Augen. Ein Bocai, der die Absicht hatte, mich umzubringen, und das hatten die meisten, hat folglich keine Probleme, sich in Schlagdistanz zu bringen, ehe offenbar wird, was er ist.

Dieser hier ging allmählich schneller, als Oscin und ich, immer noch in unsere lächerliche Diskussion vertieft, ihn passierten. Er ging parallel zu uns, dennoch gab es nach wie vor keinen unverkennbaren Anlass für mich, ihn an einem so geschäftigen Ort wie Layabout als verdächtig einzustufen.

Selbst als er die Hand in seine Jackentasche steckte und mit einer formlosen Scheibe wieder hervorbrachte, an der eine metallische Schlaufe hing, dazu angetan, sie an seiner Handfläche zu befestigen, gab es keinen Grund, ihn mörderischer Absichten zu verdächtigen.

Nicht einmal, als er sich von hinten näherte und die Hand nach meinem Nacken ausstreckte.

Wäre ich allein unterwegs gewesen, hätte mich diese Begegnung das Leben gekostet.

Aber das ist der Grund, warum ich einen der Porrinyards in der Öffentlichkeit stets zehn Schritte hinter mir hergehen ließ.

»Oje«, sagte Oscin.

Als ich mich umdrehte, um nachzufragen, hatte er bereits auf dem Absatz kehrtgemacht und den Unterarm des Bocai gepackt.

Oscin war nicht derjenige gewesen, der gesehen hatte, wie sich der Bocai näherte. Das war Skye. Aber er wusste alles, was sie wusste, also war er im gleichen Moment wie sie im Bilde.

Sie stieß eine Sekunde später zu uns, und ihre kleineren Hände packten den Arm des Bocai etwas weiter unten. Ihr Griff und der von Oscin reichten, um den Vorstoß des Bocai aufzuhalten, bevor die Scheibe auch nur in die Nähe meiner Haut kommen konnte.

Und all das geschah, ehe ich mich vollständig hatte umdrehen können.

Meine neuralen Reaktionen laufen, verglichen mit denen der Porrinyards, im Schneckentempo ab.

Das Erste, was ich, nachdem ich meine Drehung vollendet hatte, von dem Kampf zu sehen bekam, war, wie Oscin und Skye die Strampelei des Bocai dazu benutzten, ihn auf die Knie zu zwingen.

Dann hörte ich eine vertraute, kalte Stimme in meinem Kopf. Counselor: Fünf Uhr.

Ich wirbelte erneut herum und erhaschte einen Blick auf ein weiteres, hasserfülltes Bocai-Gesicht, dessen Eigentümer von der anderen Seite des Fußweges auf mich zustürzte.

Dieser war älter und größer als der erste, einen ganzen Kopf größer als ich, ausgestattet mit einer Reichweite, die mir zum Nachteil gereichte. Offenbar hatte er den Attentatsversuch seines Freundes aus sicherer Deckung beobachtet, ehe er die Verwirrung, die durch den ersten Angriff ausgelöst worden war, dazu genutzt hatte, seinerseits die Initiative zu ergreifen.

Ich sah keine Waffe. Aber ich hatte auch keine Waffe. Meine Tasche enthielt etliche interessante Gegenstände, die nur eine Person mit diplomatischer Legitimation durch den Zoll bringen konnte, aber ich hatte weder die Zeit noch den Raum, um irgendetwas in die Finger zu bekommen, das sich in dem Moment als nützlich hätte erweisen können.

Aber das war in Ordnung.

Ungefähr zehn Schritte hinter mir war ein Schott.

Ich packte den zweiten Bocai an der Schulter und wirbelte herum, verstärkte seinen Schwung um meinen eigenen. Den letzten Meter oder so legten wir gemeinsam zurück. An dem Punkt, von dem es keine Wiederkehr gibt, brachte ich ihn zum Stolpern. Ein höchst zufriedenstellendes Knirschen ertönte, als er mit dem Gesicht voran gegen das Schott krachte. Ehe er stürzen und sich womöglich wieder erheben konnte, trieb ich ihm das Knie ins Kreuz, eine Stelle, die bei einem Bocai bis ins Detail genauso empfindlich ist wie bei einem Menschen.

Er schaffte es, sich umzudrehen und die Arme um meine Beine zu schlingen, was ihm ebenso dazu diente, sich abzustützen, wie dazu, seinen verhassten Feind festzuhalten. Ein klagender Laut, beinahe schon ein Heulen, explodierte in seiner Kehle und trug ein Ausmaß an Schmerz mit sich, das er womöglich sein ganzes Leben lang mit sich herumgeschleppt hatte. Ich stieß ihn fort. Er fiel zurück und rollte sich zusammen. Der leise klagende Laut dauerte an. Bocai haben keine Tränenkanäle, sie weinen nicht wie Menschen, aber dieser Laut transzendiert die Spezies. Ich wusste es. Ich hatte selbst ganz ähnliche Geräusche gemacht auf jener Welt, die mir neben dem Leben selbst auch meine Reputation beschert hatte. Auf Bocai.

»Wie heißt du?«, fragte ich ihn.

Er hustete ein Wort hervor, begleitet von einigen Zahnbruchstücken.

Der Name war mir nicht bekannt. »Bist du allein?«

Er keuchte. Dann passierte etwas mit seinen Augen. Sie leuchteten auf, hell genug, um purpurne Nachbilder auf meinen Retinae zu hinterlassen. Als ich die vorübergehende Blindheit fortgeblinzelt hatte, war seine Miene vollkommen ausdruckslos.

Mist.

Da waren Mikrolader hinter seinen Augenlidern. Der Blitz, ausgelöst durch ihn selbst oder einen Bundesgenossen, den ich nicht sehen konnte, war ein komprimierter visueller Impuls, dazu angetan, sein Gehirn mit einem einzigen, vorprogrammierten Bild zu überladen, ein Impuls, stark genug, sämtliche nicht autonomen neuralen Funktionen zu belegen. Ihn anzuschreien, zu schütteln oder zu versuchen, ihn auf irgendeine Weise zu wecken, war nutzlos. Er würde noch tagelang katatonisch sein.

Ich war selbst einige Male auf diese Weise überladen worden, das letzte Mal als eine unter einem Dutzend Personen, die von der Polizei von New London ausgeschaltet wurden, nachdem ich im falschen Moment versucht hatte, mich auf die andere Seite einer politischen Demonstration durchzuschlagen, die zu Krawallen geführt hatte. Meine nächste Erinnerung setzte fünf Tage später ein, und mein Kopf fühlte sich an, als wäre er voller Watte, Folge der Säuberung meines Hirns von den Fraktalen, mit denen der Impuls es geflutet hatte.

Ich sah mich nach den Porrinyards um und war keineswegs überrascht, als ich sah, dass der Bocai, den sie entwaffnet und mit Handschellen gefesselt hatten, ebenfalls völlig erschlafft war. Ich machte mir gar nicht die Mühe, sie zu fragen, ob sie in Ordnung waren. Natürlich waren sie. Sie waren die Porrinyards. »Hat sich der Mistkerl selbst überladen?«

»Ja«, sagten sie in perfektem Gleichklang. »Und eingenässt auch. Ich brauche einen Waschraum.«

»Was war das für eine Waffe?«

»Eine interessante. Ich schlage vor, wir verschieben das, bis wir die Sicherheitsleute informiert haben.«

Ich ließ meinen Blick durch die Halle schweifen und sah jenseits all der verschreckten menschlichen und oft undurchdringlichen außerirdischen Gesichter ein Dutzend bewaffneter Sicherheitsleute auf uns zulaufen. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich erkennen, dass sie sämtliche Waffen bei sich hatten, die üblicherweise in orbitalen Umgebungen zum Einsatz kamen und als erprobt gelten durften, darunter auch Großflächen-Streulader. Ein halbes Dutzend Minikameras, insektenartig, sowohl in Hinblick auf ihre Größe als auch auf ihre Wendigkeit, umkreiste uns schon jetzt, erfasste die Lage und übertrug die Daten an die taktischen Kräfte, die noch zu weit entfernt waren und nicht riskieren wollten, Unschuldige ins Kreuzfeuer zu nehmen.

Bedachte man, mit welchem Kaliber die Bettelhine Munitions Corporation schwelende Konflikte auf anderen Welten ausrüstete, die immerhin die Hauptklientel der Familie stellten, so war es unmöglich vorherzusagen, welche Obszönitäten sie auf ihrem eigenen Territorium für uns reserviert haben mochten.

Und selbst wenn die Lader schon das Äußerste der Bewaffnung darstellten, wollte ich doch nicht die nächsten Tage mit abwesender Miene zubringen, während irgendwelche Dronen mich fütterten und mir den Arsch abwischten. Auch wollte ich das wie auch immer geartetete, alles verschlingende Bild nicht sehen, das sie dazu auserwählt hatten, mein Bewusstsein zu überschreiben. Hatten sie die Wahl, so pflegten Sicherheitskräfte den Geist ihrer Klientel nicht gerade mit erfreulichen Bildern zu erschüttern.

Ich fiel auf die Knie und legte die Hände an meinen Hinterkopf, gestattete den Wachleuten, mich zu umzingeln. Die Porrinyards folgten meinem Beispiel.

Bisher genoss ich den Aufenthalt auf Xana nicht allzu sehr.

Beim Anblick meiner Miene rieten mir die Porrinyards: »Du weißt doch, wie es heißt, Andrea. Beurteile eine Welt niemals nach ihrem Raumhafen ...«

 

Mein vollständiger Name lautet Andrea Cort.

Mein offizieller Titel ist seit einer Beförderung, mit der meine Vorgesetzten im Dip Corps nichts zu tun hatten, der einer Sonderstaatsanwältin der Obersten Staatsanwaltschaft des Diplomatischen Corps der Hom.Sap-Konföderation.

Nur gut, dass ich nicht jedes Mal den ganzen Titel rezitieren muss, während Streulader auf meinen Kopf zeigen. Anderenfalls hätte ich mich vermutlich irgendwo bei der sechsten oder siebten Silbe verhaspelt.

Der Teil mit der Sonderstaatsanwältin beinhaltet, dass niemand bis hin zum Präsidenten der Konföderation mir je sagt, wohin ich gehen soll. Ich stelle meine eigene Tagesordnung auf und erfreue mich an Möglichkeiten, wie sie sonst nur den innerplanetaren Staatsführern zur Verfügung stehen.

Die Beförderung erfolgte zur Überraschung einer gehobenen Managementebene, die mich bis dahin als pure Wegwerfware unter den Gütern in ihrem Eigentum erachtet hatte.

Zu Hause in New London kochten auf den Korridoren noch immer allerlei Spekulationen über die Frage hoch, welche Fäden ich wohl gezogen haben mochte, um mir solch eine Unabhängigkeit zu erschleichen.

Die Wahrheit lautet, dass die Befehle, die sie, soweit sie es beurteilen konnten, von ihresgleichen erhalten hatten, tatsächlich exzellente Fälschungen waren, hervorgebracht von einer gänzlich anderen Zivilisation. Es waren Schöpfungen jener uralten Softwareintelligenzen, die als die KIquellen bekannt waren und die mich angeworben hatten, um ihnen in dem Bürgerkrieg gegen ihre eigenen, internen Feinde beizustehen, die sie als Abtrünnige Intelligenzen bezeichneten - ich hingegen, aus ganz persönlichen Gründen, als Unsichtbare Dämonen.

Meine eigene, heimliche Abtrünnigkeit erforderte den Austausch einer Riege der Dienstherren gegen eine andere, allerdings hatte ich noch nicht herausfinden können, welchen Preis meine erweiterte Autonomie innerhalb der Hom.Sap-Kreise haben würde. Der Boden unter meinen Füßen war immer noch alles andere als solide. Meine Legitimation schon, und sie besänftigte das hiesige Kanonenfutter und führte uns vorbei an der dritten und zweiten Managementebene und direkt hinein in das Büro des Sicherheitschefs von Layabout, eines gewisses Colonel Antrec Pescziuwicz.

Pescziuwicz trug einen kahl geschorenen Schädel zur Schau, außerdem ein Monokel und einen Schnurrbart, buschig genug, dass die Anwesenheit von Ober- und Unterlippe allenfalls vermutet werden durfte. Sein Büro bestand aus einer Zusammenstellung von poliertem, dunklem Holz, antiken, scharfkantigen Waffen, ausgestellt mit den Flaggen jener Nationen, die sie einmal eingesetzt hatten, um den Grund und Boden eines Schlachtfelds mit Eingeweiden zu verzieren. Das war die Art von Dekoration, die nur ein Arschloch, ein Historiker oder ein Krieger als angenehm empfinden konnte; nicht, dass diese drei Teilmengen je inkompatibel gewesen wären.

Bis die Zeugen bestätigten, dass wir uns nur selbst verteidigt hatten, hatte der Schnurrbart des Colonels zu schäumen begonnen. Er entließ die Wachen und starrte mich aus Augen an, die mich rundweg dafür verwünschten, dass ich einen solchen Albtraum in seinen Arbeitstag getragen hatte. »Wissen Sie, ich halte nicht so viel von Konföderationstypen. In meinen Augen seid ihr ein Haufen arroganter, selbstgerechter Hochstapler.«

Ich weigerte mich, beleidigt zu werden. »Diese Einschätzung ist gewiss nicht die Schlechteste, die mir bisher zu Ohren gekommen ist.«

Er fuhr fort: »Unter normalen Umständen hätte ich Sie drei auf Basis grundsätzlicher Erwägungen eingesperrt. Scheiß auf den diplomatischen Aufruhr. Aber wie ich sehe, sind Sie Ehrengast hier, folglich bin ich verpflichtet, Sie mit aller mir möglichen Höflichkeit zu behandeln.«

»Ich muss sagen, bisher leisten Sie exzellente Arbeit.«

Grunzen. »Ich kann diese Kanaken, die wir festgenommen haben, nicht befragen, weil meine Laderspezialisten sagen, dass sie beide eine Woche lange inkontinent vor sich hin sabbern werden. Aber ich habe ja Sie. Gibt es irgendeinen Grund, warum die so einen Feuereifer entwickelt haben, Ihnen eine Zielscheibe auf den Rücken zu pinseln?«

Ich stand gerade noch eine Neuronenfeuerung davor, ihm zu sagen, er solle sich doch selbst schlaumachen, aber die Porrinyards hatten einige Verbesserungen an meiner grundlegenden Höflichkeit herausarbeiten können. »Ihre Spezies betrachtet mich als Kriegsverbrecherin.«

Er blinzelte nicht einmal. »Haben sie Beweise?«

Kein Anlass zur Zurückhaltung. »Als ich, nach Merkantil-Zeitrechnung, acht Jahre alt war, hat meine Familie in einer experimentellen, utopischen Gemeinde zusammen mit Bocai gelebt.«

Seine Brauen zogen sich zusammen. »Und wozu zum Teufel sollte das gut sein?«

»Sie wollten beweisen, dass beide Spezies in Frieden miteinander leben können.«

»Hat es zwischen Menschen und Bocai je Krieg gegeben?«

»Nein.«

»Irgendwelche ernstlichen Auseinandersetzungen?«

»Nein.«

»Warum sollte sich dann irgendjemand die Mühe machen, einen solchen Beweis antreten zu wollen?«

Ich räusperte mich. »Ich habe nie behauptet, es wäre eine radikal utopische Gemeinde gewesen.«

Die Wahrheit, soweit ich sie kannte, lautete, dass meine Eltern und ihre Freunde die Bocai ganz einfach mochten und der Ansicht waren, dass sie gute Nachbarn wären. Und bis ich acht Jahre alt war, habe ich das auch geglaubt. Soweit es mich betrifft, tue ich das immer noch, auch wenn mir dort die Todesstrafe droht.

»Also«, fragte er, »was ist passiert?«

Es dauerte eine Weile, ihm die Geschichte zu erzählen, aber das ist im Groben das, worum es geht: Nachdem Menschen und Bocai jahrelang in Frieden zusammengelebt, ihren Besitz miteinander geteilt und sich gegenseitig bei der Erziehung ihrer Kinder unterstützt hatten, waren die Bewohner unserer kleinen Gemeinde plötzlich ohne erkennbare Provokation aufeinander losgegangen und hatten sich gegenseitig in Stücke gerissen. Zu den Waffen, die sie dazu benutzt haben, zählten auch ihre bloßen Hände und die gebleckten Zähne. Außerordentlich gemäßigte Autoritäten glauben, der Massenwahn müsse etwas mit den Umweltbedingungen zu tun gehabt haben. Mich im Besonderen erklären sie damit, dass ich zu jung gewesen sei, um vernünftig zu sein, während alle anderen verrückt gespielt haben. Aber der Vorfall wurde zu einem politischen Argument für einige außerirdische Rassen, die ihn dazu missbrauchten, menschliche Interessen anzugreifen. Bocai insbesondere griffen ein Nachrichtenholo von den Evakutierten auf, das sich auf mich als das traumatisierte kleine Mädchen, das über und über mit Blut befleckt war, konzentrierte, und sie wählten mich als das symbolische Gesicht des Gräuels aus.

Sie waren nicht gerade erfreut, als ich, viele Jahre später, als Mitarbeiterin des Dip Corps wieder in Erscheinung trat.

Ich beendete die Geschichte mit: »Auf meinen Kopf ist ein Preis ausgesetzt worden.«

Pescziuwicz strich mit der Fingerspitze über seinen Schnurrbart. »Wie hoch?«

»Keine Ahnung. Ich habe die Wechselkurse in letzter Zeit nicht geprüft.«

»Ich schon«, sagten die Porrinyards.

Natürlich hatten sie. »Rauf oder runter?«

»Rauf«, sagten sie.

Ich bedachte sie mit einem ärgerlichen Blick.

Sie grinsten ein identisches Grinsen. »Wir sind nicht in Versuchung geraten.«

Pescziuwicz musterte sie gepeinigt. »Tut mir einen Gefallen, ihr zwei, ja? Mir ist egal, was für ein widernatürliches Ritual da bei euch abläuft, dass ihr immer zur selben Zeit reden müsst, aber bitte, wechselt euch ab. Wenigstens, solange ihr in meinem Büro seid. Ihr treibt mich in den Wahnsinn.«

»Wie Sie wünschen«, sagte Skye allein.

Pescziuwicz fummelte an irgendeiner virtuellen Schnittstelle herum, die nur er sehen konnte, und rief das Holo von den Bocai auf, die wir ausgeschaltet hatten. »Das sind die Ersten von diesen Kanaken, die ich auf dieser Station zu sehen bekomme.«

»Sie reisen nicht gern«, erklärte ich.

»Stubenhocker, was?«

»Sie sind nicht nur Stubenhocker, sie bleiben auch lieber unter sich. Sie haben wenig Interesse an speziesübergreifender Diplomatie. Die meisten lernen nie, Merkantil zu sprechen. Diejenigen, mit denen wir zusammengelebt haben, wurden als Sonderlinge angesehen, weil sie mit Menschen zusammenwohnen wollten, und sogar sie hatten Probleme, eine andere Sprache als ihre eigene zu lernen. Die Fähigkeit des Spracherwerbs lässt bei dieser Spezies nach der Pubertät stark nach. Außerweltliche Sprachen zu lernen, fällt ihnen in jedem Alter ausgesprochen schwer. Sollten Sie je dazu kommen, diese beiden zu befragen, dann werden Sie vermutlich einen Dolmetscher brauchen.«

»Aggnnh, das kann ja heiter werden.« Er legte die Fingerspitzen aneinander. »Aber der Punkt ist, dass diese beiden nicht einfach irgendwelche Touristen sind, die sich zufällig auf der Station aufgehalten, plötzlich diese berühmte Kriegsverbrecherin entdeckt und spontan aus einer Laune heraus entschieden haben, sich diesen einmaligen Zufall zunutze zu machen und eine patriotische Großtat zu vollbringen.«

»Davon würde ich auch nicht ausgehen.«

»Sie haben auf Sie gewartet.«

»Sieht ganz so aus.«

Er dehnte den Moment ein wenig. »Ich mag Sie nicht, Counselor.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Das ist mir weitgehend gleichgültig.«

Er betrachtete die Scheibe, die die Porrinyards dem ersten Bocai abgenommen hatten und die nun in einem Levitationsfeld schwebte, sicher außerhalb der Reichweite irgendwelcher ungeschickter Hände, die sie versehentlich hätten aktivieren können. »Irgendeine Ahnung, was das ist?«, fragte er.

Nun meldete sich Oscin allein. »Das nennt man eine ...« (Bitte Geräusch einsetzen, das sich anhört wie ein Paar Tchi, die zur gleichen Zeit unter Verdauungsproblemen leiden). »Merkantil-Übersetzung: Klaue Gottes. Es ist eine K'cenhowten-Waffe, die vor beinahe sechzehntausend Jahren eingeführt wurde. Die repressive Theokratie, die damals an der Macht war, hat sie zur zeremoniellen Exekution von Ketzern benutzt. Ich hätte sie selbst nicht erkannt, hätten wir nicht eine kurze Dienstreise zu einer unserer Botschaften auf dem Grund und Boden von K'cenhowten unternommen, in der eine dieser Waffen ausgestellt worden ist. Bis jetzt hatte ich angenommen, es gäbe außerhalb von Museen und Privatsammlungen keine funktionstüchtigen Exemplare mehr.«

Aus irgendeinem Grund überließen die Porrinyards Skye die Pointe: »Sie sind sehr wertvoll.«

»Schön zu hören«, sagte ich. »Ich möchte nicht, dass irgendjemand am Tag meiner Ermordung sagt, ich hätte nur ein paar Cent gekostet.«

»Das wäre in diesem Fall äußerst unwahrscheinlich«, beschied mir Skye. »Es hat nie mehr als hundert Klauen Gottes gegeben. Man nimmt an, dass keine zwanzig mehr übrig geblieben sind. Ich denke, wir müssten Kontakt zu einem Experten aufnehmen und uns die genaue Zahl nennen lassen, um herauszufinden, ob wir die Herkunft dieses Exemplars aufdecken können.«

»Ist das denn notwendig?«, fragte Pescziuwicz. »Das ist doch nur ein Gerät wie jedes andere auch. Meine Vorgesetzten könnten die grundlegende Funktionsweise in einer halben Stunde eruieren. Was sollte irgendjemanden davon abhalten, heutzutage so ein Ding nachzubauen?«

Oscin übernahm. »Technisch gesehen nichts. Aber es scheint mir der logische erste Schritt zu sein, die Authentizität dieser Waffe zu bestimmen.«

»Warum?«

»Wenn es sich um eine echte Antiquität handelt, so ist sie erheblich mehr wert als das Kopfgeld, das auf den Counselor ausgelobt wurde. Die Sponsoren dieses Attentäters hätten also ein schlechtes Geschäft gemacht. Ist das Gerät aus neuerer Zeit, dann hat sich jemand viel Mühe gemacht, eine obskure Waffe nachzubauen, was, wie wir annehmen müssten, symbolische Gründe haben dürfte. Wie auch immer, das Alter der Waffe zu bestimmen, würde uns helfen, herauszufinden, was im Kopf der Attentäter vorgegangen ist ... oder welche Mittel ihre Auftraggeber, wenn überhaupt, auf den Tisch gelegt haben.«

Angesichts der Umstände wusste ich genau, dass ich es bedauern würde, die nächste Frage zu stellen: »Was hätte sie mit mir angestellt?«

Skyes sanftere Stimme passte sich Oscins Tonfall an. »Wird die Waffe in unmittelbarer Nähe des Angegriffenen aktiviert, produziert sie eine intensive, örtlich begrenzte Oberschwingung, die imstande ist, die Organe eines Gegners zu verflüssigen, ohne die Haut zu penetrieren. Dein Gehirn hätte noch ungefähr vier Minuten lang funktioniert, etwa so lange, wie es dauert, bis dein komplettes Verdauungssystem aus Blase und Anus gesickert ist.«

Widerlich, sogar gemessen an den Normen unserer derzeitigen Gastgeber. Bettelhines Fabriken hatten Gifte und Bomben und Energiewaffen produziert, die ganze Planetenhemisphären unfruchtbar machen konnten, aber in einem kleineren Maßstab stellte die Klaue sogar für die Angestellten eines Unternehmens, dessen Produkte einige Male neue Standards in Hinblick auf völkermörderische Effizienz gesetzt hatten, ein Werkzeug des Schreckens dar. Die Klaue wirkte nicht wie etwas, das diese Leute je gefertigt hätten. Sie war zu ... intim.

Stille senkte sich über den Raum, lange genug, dass Pescziuwicz und ich all die appetitanregenden Anblicke und Geräusche genießen konnten, die unser jeweiliges Vorstellungsvermögen heraufbeschwor.

»Hört sich nach einer effektiven Möglichkeit zur Gewichtsreduktion an«, bemerkte ich.

Pescziuwicz' Kopf schwenkte herum. »Erwarten Sie, dass ich lache?«

»Nein, Sir.«

»Lassen Sie mich Ihnen die Gründe aufzählen, warum ich es nicht tue.« Pescziuwicz fing an, seine Fingerspitzen abzuzählen. »Erstens: Ein Dip-Corps-Transporter mit Priorität taucht ohne Vorankündigung auf meiner Station auf. Was noch in Ordnung ist - der Große Mann hat seine Finger in allen möglichen Pasteten, und er ist nicht verpflichtet, mich über alles und jedes in Kenntnis zu setzen. Das ist nur eines der vielen Dinge, die meine Arbeit so interessant gestalten. Aber zweitens stellt sich heraus, dass in den Rücken der Würdenträgerin an Bord ein ganz persönlicher Satz konzentrischer Kreise tätowiert wurde. Das ist schon nicht mehr ganz so schön. Nicht, dass das Fällen moralischer Urteile Bestandteil meiner Arbeitsplatzbeschreibung wäre, aber ich hätte schon gern gewusst, dass an Bord meiner Station ein Sicherheitsproblem auftauchen könnte. Trotzdem werde ich auch darüber noch hinwegsehen. Ich übersehe sogar dieses Hirtenstar-Pärchen, das Sie für sich arbeiten lassen; ich will nicht einmal wissen, welche Story die zu bieten haben. Kommen wir also zum dritten Punkt: Sie sind ein Ehrengast, was bedeutet, dass hinter diesem Besuch mehr steckt, als ich mir ausmalen möchte, und niemand macht sich die Mühe, mir zu erzählen, dass gerade dieser Gast sein ganz eigenes Sicherheitsproblem mitbringt. Viertens: Diese reiseunwilligen Trottel haben hier auf Sie gewartet, und zwar exakt zur Zeit Ihrer Ankunft, bewaffnet mit irgendeinem obskuren K'cenhowten-Spielzeug von vor sechzehntausend Jahren, eine Waffe, die man kaum in Besitz bringen kann, eine Waffe, die sogar, wenn sie neu sein sollte, darauf hindeutet, dass ein Fanatiker hinter dem Angriff steckt. Das ist so weit entfernt von in Ordnung, dass in Ordnung zu Hause beim Goldfisch bleiben kann, denn unter jeder halbwegs vernünftigen Betrachtung der logistischen Erfordernisse dieses speziellen Attentatsversuchs wird unverkennbar klar, dass die nicht unbeträchtlichen Vorbereitungen, um all diese Einzelteile zusammenzufügen, bereits lange im Gang gewesen sein dürften, als Sie drei in New London an Bord Ihres Transporters gegangen sind. So, nun packen Sie mal all diese Punkte zusammen und binden Sie eine hübsche rote Schleife drumrum, und ich kann nur noch feststellen, dass wir gerade mit einem Sicherheitsleck von verdammt historischen Ausmaßen konfrontiert worden sind.«

Ich wahrte die Ruhe. »Ja, aber wessen Leck?«

»Was soll das nun heißen?«

»Mein Kontaktmann im Dip Corps, Artis Bringen, hat mir Mr Bettelhines Einladung binnen einer Stunde, nachdem er sie erhalten hat, zukommen lassen. Meine Mitarbeiter und ich haben New London innerhalb von zwölf Stunden nach Erhalt der Einladung verlassen. Wir haben die meisten der seither vergangenen Monate in Blaugel verbracht, während unser Antrieb mit voller Leistung gearbeitet hat. Eine Verschwörung gegen mich, die auf ein Sicherheitsleck in New London oder an irgendeinem anderen Punkt außerhalb dieses Systems zurückgeht, hätte nicht nur meinen Reiseplan aufdecken müssen, die Verantwortlichen hätten außerdem eigene Reisearrangements treffen, abreisen und mir dann noch irgendwie zuvorkommen müssen, um rechtzeitig die Falle mit der Klaue Gottes einzurichten. Das wäre eine Leistung gewesen, die auf so vielen ineinander verschachtelten Wundern beruhen würde, dass wir davon ausgehen können, dass das Sicherheitsleck sich hier befindet und auch die Klaue irgendwo hier bereitgestellt wurde, irgendwann zwischen dem Augenblick, in dem Mr Bettelhine beschlossen hat, mich einzuladen, und dem, in dem die Einladung an meine Kollegen zu Hause versendet wurde.«

Das nahm ihm den Wind aus den Segeln. »Das ist alles? Auf Wiedersehen und alles Gute?«

»Ich fürchte, ja, Sir. Meine Kollegen und ich sind aus einem bestimmten Grund hier, von dem die Interessen Ihres Arbeitgebers, Hans Bettelhine, betroffen sind. Wir haben eine lange Reise zurückgelegt, auf seine persönliche Bitte hin, und wir müssen dringend nach Xana und anfangen, uns mit seinen Interessen zu befassen. Wir haben weder die Zeit noch die Mittel, um unsere ganze Aufmerksamkeit der Aufklärung dieser Angelegenheit zu widmen. Aber es gehört zu Ihren Pflichten, mit Bettelhine und den Ordnungsbehörden der Konföderation zusammenzuarbeiten, um Daten über die Aktivitäten von Individuen zu sammeln, die in kriminelle Handlungen an Bord dieser Station verwickelt sein könnten. Infolge dessen können wir ebenso gut den Weg freimachen, damit Sie loslegen können.«

Pescziuwicz' Mund klappte auf. Und zu. Und wieder auf. Und zu. Schließlich appellierte er an Oscin: »Ist sie immer so?«

»Nein«, klagte Oscin. »Heute ist sie wirklich prägnant.«

Das hätte der Moment sein können, in dem Pescziuwicz vielleicht explodiert wäre, wäre es nicht zu einer Unterbrechung gekommen: ein Signal, das wir weder sahen noch hörten, das jedoch seine volle Aufmerksamkeit erforderte, während er uns zugleich mit erhobenem Zeigefinger aufforderte, still zu sein. Sein Adamsapfel hüpfte auf und nieder und reflektierte so seine eigene tonlose Entgegnung. Seine Haltung wirkte kurz gereizt, dann ungläubig. Er sah mich an, schloss dann die Augen, und in dem Pulsieren an seinen Schläfen und dem Anschwellen seiner Kiefermuskulatur offenbarte sich eine beträchtliche Anspannung. »Das war der Boss. Der große Boss.«

Hans Bettelhine. Den man ebenso gut als Dschingis Khan oder Vlad Dracul oder Adolf Hitler oder Peter Magrison hätte bezeichnen können. Dieser Mann negierte jede Charakterisierung meiner selbst als Monster: Ihr haltet mich für böse? Seht ihn an. »Ja.«

»Es ist sein Planet. Es sind seine Gesetze. Ich kann nichts daran ändern, wenn er verlangt, dass Sie seiner Obhut überstellt werden.«

»Aber ...«, bot ich an.

Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Nur ein warnendes Beispiel: Vor einigen Jahren hat Ihr Corps einen unglückseligen jungen Mann namens Bard Daiken hergeschickt, der in Bezug auf die Schulden einer Welt, über die wir momentan nicht sprechen müssen, in Verhandlungen treten sollte. Um derartige Verhandlungen kümmert sich ein Mitglied des engsten Familienkreises der Bettelhines, ein vernünftiger Mann, dem es nicht schwerfiel, angemessene Verhandlungsergebnisse zu erzielen, aber Daiken hielt sich für eine Art Feuerball und verlangte einen vollständigen Schuldenerlass. Er wollte es noch besser machen, als seine Vorgesetzten es in den von ihnen aufgestellten Bedingungen verlangt hatten; er wollte mehr, als irgendeine Person mit einer gesunden Selbstachtung je hätte akzeptieren können. Doch auch da drohte Daiken keinerlei Gefahr. Man hätte immer noch eine Einigung erzielen können. Aber Daiken hat auf Mr Bettelhines Unterhändler Druck in einer Form ausgeübt, die Mr Bettelhine als kriminell betrachtet hat.«

»War sie kriminell, Mr Pescziuwicz?«

»Diese Frage allein zeigt deutlich, dass Sie nicht verstanden haben, worum es geht. Xana mag Geschäfte mit der Konföderation machen, aber wir gehörten nie zu den Mitgliedswelten. Xana ist ein unabhängiges Lehensgut in sich. Hier bestimmt die Familie Bettelhine, was kriminell ist und was nicht, und sie bestimmt auch, wie diejenigen zu bestrafen sind, die meinen, sie könnten sich gegen ihre Gesetze stellen.« Er verlagerte seine Position auf seinem Stuhl und fuhr fort: »Zu neunundneunzig-Komma-neunneunneun-wasimmer-neun Prozent der Zeit stellt das keinerlei Problem dar, weder für uns noch für unsere Besucher. Aber dann stolpern wir über diesen Bruchteil eines Prozents, üblicherweise in Form eines arroganten Würdenträgers von außerhalb, der sich einbildet, er könne alles tun oder sagen, weil er sich darauf verlässt, dass seine eigene diplomatische Immunität ihn schützen wird. Ich habe genug von Ihrer Persönlichkeit zu sehen bekommen, um Sie darauf hinzuweisen, dass Ihre Haltung Daiken nicht geholfen hat.«

Auch nur die Frage zu stellen, war ein Zeichen der Schwäche, aber ich konnte es mir leisten: »Was haben Sie getan? Ihn gefoltert? Getötet?«

Pescziuwicz zeigte mir die Zähne. »Die hiesige Mode ändert sich ständig. Aber wenn Sie mich fragen, dann war das, was ihm zugestoßen ist, schlimmer als die von Ihnen genannten Alternativen. Das war eine Warnung, Counselor, keine Drohung. Ich hoffe, Sie haben einen produktiven Aufenthalt.«

Keinen angenehmen Aufenthalt, wie mir auffiel. Ich nickte und erhob mich. Ohne hinzusehen, wusste ich, dass die Porrinyards hinter mir ebenfalls aufgestanden waren. Sie erkannten meine Stimmung mit einer Genauigkeit, die auch nicht verbessert werden könnte, würde mein Geist als Dritter im Bunde verdrahtet werden. Dann zögerte ich. »Sie werden eine Warnung ausgeben müssen. Es ist noch ein dritter Attentäter auf freiem Fuß.«

Seine Wirbelsäule verwandelte sich in pures Eisen. »Ach, tatsächlich.«

»Ja, Sir. Ich weiß nicht, ob er noch auf Layabout ist, aber wenn Sie schnell sind und die Fahrstühle sperren, könnten Sie ihn vielleicht schnappen, ehe er entkommt.«

»Haben Sie diese Person gesehen? Oder raten Sie nur?«

Hinter mir stöhnten die Porrinyards wie aus einem Munde auf - sie hatten Pescziuwicz' Abneigung gegen die simultanen Äußerungen entweder vergessen oder beschlossen, sie zu ignorieren. »Bitte. Werfen Sie ihr nie vor, sie würde nur raten.«

Ich schraubte lediglich die mir eigene Kälte um ein paar weitere Grad herunter. »Ich rate nie.«

Pescziuwicz zeigte sich unbeeindruckt. »Dann erzählen Sie mal.«

»Zwei Verschwörer mit nur einer Handwaffe auszustatten, gipfelt in der Vergeudung eines absolut nutzbaren Attentäters. Unter normalen Umständen sollte man annehmen, dass auch der zweite eine gleichermaßen tödliche Waffe bei sich hat. Leere Hände jedoch deuten auf eine Planung hin, die in einem Maß idiotisch ist, wie ich es niemandem zutrauen würde, der imstande ist, sich diese Klaue Gottes zu verschaffen.«

Er beäugte mich mit vorsichtigem Respekt. »Einverstanden.«

»Selbst wenn wir annehmen, dass sie aus irgendeinem Grund nur eine Waffe dieser Art in ihren Besitz bringen konnten - warum sollte der Attentäter ohne exotische Bewaffnung dann gleich ganz ohne Waffe losziehen? Wie man es auch dreht und wendet, das ist eine erbärmlich geplante Vorgehensweise.«

Pescziuwicz' Lächeln, das nun breit genug war, der Deckung seines Schnauzers zu entfleuchen, war mühelos als Zeichen purer Anerkennung zu entziffern. »Was übersehen wir, Counselor?«

»Auf der sicheren Seite stehen wir, wenn wir davon ausgehen, dass sie klüger vorgegangen sind, als wir glauben, dass es Waffen auf beiden Seiten der Halle gab und dass die zweite zu dem Zeitpunkt, zu dem ich aufgetaucht bin, nicht mehr verfügbar war. Weiter müssen wir annehmen, dass sie erst kurz vor meiner Ankunft dem Zugriff der Attentäter entzogen wurde, da sie offenbar keine Zeit hatten, sie zu ersetzen. Meine Vermutung? Er musste sie eilig loswerden. Und dafür gibt es diverse mögliche Erklärungen, darunter an führender Stelle die, dass er gefürchtet hat, er könnte irgendwie die Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte wecken und müsse deshalb das Beweisstück verschwinden lassen. Aber da keiner Ihrer Leute verlauten ließ, dass er oder sie irgendwie auf diese beiden Personen aufmerksam geworden ist, müssen wir gezwungenermaßen nach einer anderen Erklärung suchen.«

»Und da kommt der dritte Attentäter ins Spiel.«

»Stellen wir uns einen Beobachter vor, der mit dem geplanten Anschlag nichts zu tun hat. Der einzig denkbare Grund für einen der beiden Attentäter, ihm eine Waffe in die Hände zu legen, wäre das plötzliche Auftauchen einer Zielperson, mit deren Erscheinen sie nicht gerechnet haben, jemand, dessen Tod sie noch dringender wollten als meinen, jemand, den diese dritte Person unbedingt verfolgen musste.

Ich fürchte, Ihnen bleibt nicht viel Zeit, um wen auch immer sie umbringen wollen zu retten.«

Stille erfüllte die Luft zwischen uns.

Ich sah Pescziuwicz an, dass er nach einer Schwachstelle in meiner Argumentation suchte, und erkannte den Augenblick der Resignation, als er feststellen musste, dass er nichts finden würde. Die Muskulatur an seinem Hals bewegte sich, als spräche er erneut tonlose Worte. Und der Korridor vor seinem Büro erbebte unter donnernden Schritten.