Anhang
Anhang 1: Private Vermögensverwaltung oder Gewerblichkeit?
Immer wieder stellen sich Kapitalanleger die Frage nach der Gewerblichkeit ihrer Vermögensanlagen. Diese Sorge gilt besonders, wenn es sich um hohe Vermögen handelt. Der Schritt von der privaten Vermögensverwaltung zur Gewerblichkeit ist in aller Regel ein schmerzlicher:
- Die Kapitaleinkünfte stellen Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar.
- Zusätzlich zur Einkommensteuer fällt Gewerbesteuer an.
- Die Kapitaleinkünfte müssen zum individuellen Steuersatz versteuert werden.
- Eine Abgeltungsbesteuerung zum Satz von 25 Prozent scheidet aus.
Private Vermögensverwaltung versus Gewerblichkeit: Auf was Kapitalanleger achten müssen!
Regelmäßige Wertpapieran- und -verkäufe stellen eine gewerbliche Tätigkeit dar, wenn sie eine selbstständige, nachhaltige mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene Tätigkeit unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellen. Selbstständigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass die Tätigkeit auf eigene Gefahr und Rechnung (Unternehmerrisiko) und auf eigene Verantwortung durchgeführt wird (Unternehmerinitiative). Kauft und verkauft der Anleger Wertpapiere, macht er das im Regelfall auf eigenes Risiko.
Nachhaltig sind Tätigkeiten, wenn die Absicht vorliegt, sie zu wiederholen und zu einer Einkunftsquelle zu machen. Nachhaltigkeit und Gewinnerzielungsabsicht liegen in der Regel bei jeder Wertpapieranlage vor. Denn im Gesamtergebnis erwartet der Kapitalanleger einen Totalgewinn seines Portfolios. Doch die Erfüllung der Merkmale Nachhaltigkeit mit Selbstständigkeit und Gewinnerzielungsabsicht allein genügt nicht für eine Qualifizierung als gewerblicher Wertpapierhändler. Alle Merkmale müssen kumulativ vorliegen (§ 15 Abs. 2 EStG).
Die Einstufung als gewerblicher Anleger scheitert schon meist an dem Erfordernis der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Eine solche liegt nur vor, wenn der Kapitalanleger öffentlich in Erscheinung tritt und sich an die Allgemeinheit wendet. Der Bundesfinanzhof (BFH) definiert eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr als Voraussetzung eines selbstständigen Gewerbebetriebs durch den Handel mit Wertpapieren als „eine gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbare, auf Leistungsaustausch oder Güteraustausch gerichtete, Tätigkeit am Markt“ (BFH vom 19.2.1997 XI R 1/96). Nach BFH vom 13.8.88 IV R 220/85 (es ging in dem Fall um Differenzgeschäfte bei Edelmetallen) ist von einer Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zu sprechen, „wenn eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird (BFH-Urteil vom 9. Juli 1986 I R 85/83, BFHE 147, 245, BStBl II 1986, 851, m.w.N.). Nach BFH vom 13.8.88 werden durch das Merkmal der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr „solche Tätigkeiten ausgeklammert, die von Gewinnabsicht getragen, aber nicht auf einen Leistungs- oder Güteraustausch gerichtet sind“.
Überschreitung des Rahmens der privaten Vermögensverwaltung (pVV)
Als nicht im Gesetz (§ 15 Abs. 2 EStG) enthaltenes weiteres Tatbestandsmerkmal muss hinzukommen, dass der Rahmen privater Vermögensverwaltung durch die getätigten Börsentransaktionen überschritten ist. Die Finanzverwaltung sieht in der bloßen Verwaltung eigenen Vermögens regelmäßig keine gewerbliche Tätigkeit (R 15.7. der Einkommensteuerrichtlinien (EStR). Private Vermögensverwaltung liegt vor bei Nutzung des Vermögens im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (R 15.7. Abs. 1 S. 2 EStR). Hingegen liegt keine private Vermögensverwaltung, sondern ein Gewerbebetrieb vor, wenn die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte in den Vordergrund tritt. Das ist dann der Fall, wenn das „Zu Geld Machen“ der Vermögenssubstanz (also Verkauf) im Vordergrund steht. Die Finanzverwaltung sieht den An- und Verkauf von Wertpapieren im Rahmen einer pVV ( H 15.7. Abs. 9 EStR 2008), auch wenn der fortgesetzte An- und Verkauf von Wertpapieren einen erheblichen Umfang annimmt und sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, „solange er sich in den gewöhnlichen Formen, wie sie bei Privatleuten die Regel bilden, abspielt“. „Eine gewerbliche Betätigung setzt jedenfalls voraus, dass der Stpfl. sich wie ein bankentypischer Händler verhält“ (H 15.7 EStR 2008).
Weiter führt die Finanzverwaltung in H 15.7. aus, dass der Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung unabhängig vom Umfang der Beteiligung überschritten wird, wenn die Wertpapiere nicht nur auf eigene Rechnung, sondern untrennbar damit verbunden in erheblichem Umfang auch für fremde Rechnung erworben und wieder veräußert werden, zur Durchführung der Geschäfte mehrere Banken eingeschaltet werden, die Wertpapiergeschäfte mit Krediten finanziert werden, aus den Geschäften für fremde Rechnung Gewinne erzielt werden sollen und alle Geschäfte eine umfangreiche Tätigkeit erfordern (BFH vom 4.3.1980 – BStBl II S. 389). Handelt der Kapitalanleger aber ausschließlich im eigenen Interesse für eigene Rechnung, dann ist er im Regelfall aus der Gewerblichkeit raus!
Blickt man in den Bereich der sonstigen Geldanlagen, so reicht der fortgesetzte An- und Verkauf von Wertpapieren für sich allein zur Annahme eines Gewerbebetriebs nicht aus, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:
- An- und Verkauf liegt im Rahmen der gewöhnlichen Formen, wie sie bei Privatleuten die Regel bilden. Das gilt selbst dann, wenn der Handel einen erheblichen Umfang annimmt und sich über längere Zeit erstreckt (BFH v. 20.12.2000 X R 1/97).
- Merkmal „banktypischer Händler“: Selbst der An- und Verkauf von Optionskontrakten in größerem Umfang begründet nach BFH keinen Gewerbebetrieb. Eine gewerbliche Betätigung setzt jedenfalls voraus, dass der Kapitalanleger sich wie ein bankentypischer Händler verhält (vgl. BFH v. 20.12.2000 a.a.O.).
- Tätigwerden für fremde Rechnung: Nach BFH vom 4.3.1980 (VIII R 150/76) liegt dann eine gewerbliche Tätigkeit vor, wenn die Wertpapiere in Verkaufsabsicht für eigene Rechnung mit Kredit und untrennbar verbunden damit für fremde Rechnung bei Vereinbarung von Optionen und Wiederkaufsverpflichtungen erworben werden.
- Es werden Büros/ein Geschäftssitz unterhalten.
- Der Anleger tritt unmittelbar oder über einen Dritten als An- und Verkäufer von Wertpapieren hervor.
Der BFH hat mit Urteil 2.4.71 VI R 149/67 bei An- und Verkauf von Pfandbriefen unter gezielter Ausnutzung eines sog. „grauen“ Markts eine gewerbliche Tätigkeit angenommen unter der Voraussetzung, dass die Bank in verdeckter Stellvertretung gehandelt hat. In diesem Ausnahmefall ging es um ein ganzes Konsortium, für das die Bank tätig wurde. Die Geschäfte des Konsortiums trugen bankähnlichen Charakter. Das Konsortium hat für die Durchführung der Geschäfte eigenes Vermögen nicht eingesetzt, sondern mit Krediten gearbeitet. Der Zweck der Geschäfte war auch nicht, Vermögen in Wertpapieren anzulegen, sondern allein Gewinne zu erzielen. Schließlich sprach in dem Urteilsfall gegen eine Vermögensverwaltung auch die Tatsache, dass sich drei Personen, ohne ein eigenes Vermögen einzubringen, zur Durchführung der Geschäfte zusammengeschlossen haben. Die Geschäfte bestanden vielmehr ausschließlich darin, Wertpapiere anzukaufen, um sie sogleich wieder zu verkaufen. Dies war eine bankentypische Betätigung.
Fazit: Den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung wird der gewöhnliche private Kapitalanleger nur in Ausnahmefällen überschreiten können. Nach BFH vom 6.10.1982 I R 7/79 kommt es zur Abgrenzung einer vermögensverwaltenden Tätigkeit vom Gewerbebetrieb grundsätzlich auf den Umfang des verwalteten Vermögens nicht an. Auch wenn bei einem großen Vermögen die Verwaltung eine umfangreiche Tätigkeit mit kaufmännischem Einschlag erfordert und ein Büro unterhalten wird, begründet dies noch keinen Gewerbebetrieb. Nach BFH Urteil vom 20.12.2000 – X R 1/97 setzt eine gewerbliche Betätigung voraus, dass der Steuerpflichtige sich wie ein Händler verhält. Daraus folgt: Eine gewerbliche Tätigkeit ist nicht gegeben, solange sich die Transaktionen in jenem gewöhnlichen Umfang vollziehen, wie sie bei Privatleuten die Regel bilden.
Checkliste Gewerblichkeit
Merkmal Sachverhalt |
Gewerbliche Tätigkeit |
Private Vermögensverwaltung |
Verhalten wie ein Händler |
X |
|
Handeln auf eigene Rechnung |
X |
|
Unterhaltung von Büros oder eines Geschäftssitzes |
X |
|
Aufnahme von Krediten |
X |
|
Geldanlage unter dem erkennbaren Ziel der Erlangung eines regelmäßigen Leistungs- oder Güteraustausches |
X |
|
Fruchtziehung aus dem Vermögen liegt im Vordergrund |
X |
Anhang 2: Steueranträge in Verbindung mit Kapitalanlagen
Antragsart |
Rechtsgrundlage |
Antragstellung gegenüber |
Ausstellung einer NV-Bescheinigung |
§ 44a EStG |
Finanzamt |
Wahlveranlagung zum Abgeltungsteuersatz |
§ 32d EStG |
Finanzamt |
Antrag auf tarifliche Einkommensteuer (Günstigerprüfung) |
§ 32d EStG |
Finanzamt |
Antrag auf Einbezug der Kapitalerträge in die Steuerveranlagung (bei bestimmten Beteiligungen bzw. unternehmerischen Beteiligungen) |
§ 32d EStG |
Finanzamt |
Bescheinigung über gezahlte Versicherungsprämien (bei Veräußerung von Lebensversicherungen) |
§ 20 EStG |
Versicherungsunternehmen |
Freistellungsauftrag |
§ 44a EStG |
Bank, Bausparkasse, Investmentgesellschaft sonstiger Abzugsverpflichteter |
Erteilung einer Steuerbescheinigung |
§ 45a EStG |
Bank, Bausparkasse, Investmentgesellschaft sonstiger Abzugsverpflichteter |
Berücksichtigung tatsächlicher Anschaffungskosten |
§ 43a EStG |
Bank, Bausparkasse, Investmentgesellschaft sonstiger Abzugsverpflichteter |
Verlustbescheinigung |
§ 43a EStG |
Bank, Bausparkasse, Investmentgesellschaft sonstiger Abzugsverpflichteter |
Kirchensteuer-Abzug |
§ 51a EStG |
Bank, Bausparkasse, Investmentgesellschaft sonstiger Abzugsverpflichteter |
Antrag auf Nicht-Erhebung der Abgeltungsteuer bei Mutter-Tochter Fällen (im Konzernverbund) |
§ 43b EStG |
Bank, Bausparkasse, Investmentgesellschaft sonstiger Abzugsverpflichteter |
Steuerbescheinigung für die Kirchensteuer-Veranlagung |
§ 51a EStG |
Bank, Bausparkasse, Investmentgesellschaft sonstiger Abzugsverpflichteter |