18
»Du verdammter Onker!« Die Stimme des Gerawin ertönte dicht neben meinem Ohr, und ich öffnete die Augen, obwohl ich noch ziemlich benommen war. Man schleppte mich wie einen zusammengerollten Teppich. Ich blickte zur Seite.
Unter mir waren Platten und Seile zu sehen; in der Tiefe darunter ein Gewirr aus Ranken und Ästen.
Die Gerawin trugen mich über die Brücke, die dem Volgendrin seinen Namen gegeben hatte.
Wir blieben stehen, und der angeredete krummbeinige Wächter machte eine Bemerkung, daß ja kein vernünftiger Mann mit einer solchen Eisenstange umgehen könne. Seine Stimme hatte den wütenden und verzweifelten Unterton eines Mannes, der große Schwierigkeiten auf sich zukommen sieht.
»Die Schuld liegt einzig und allein bei dir, Genarnin der Chank.«
Bei dem Chank handelt es sich um den weißen Hai der Äußeren Ozeane Kregens, ein etwas kleinerer Vetter des Chanks im Auge der Welt. Der Spitzname »Chank« wird meistens Männern verliehen, die etwas von der schnellen und tödlichen Direktheit dieser Lebewesen haben.
Der Wind bewegte die Kleidung der Gerawin. Ich spürte, wie sich das Blut schmerzhaft durch meinen Körper bewegte. In meinem Kopf hallten Beng Kishis Glocken. Die Eisenstange hatte irgendwie Ärger gemacht. Ich lachte nicht, doch die Belustigung spukte irgendwo in meinem Kopf herum, vermengt mit der Watte, die mein Gehirn zu füllen schien. Der Gerawin blieb stehen, und der Anführer starrte auf eines der Halteseile – es war durchgetrennt worden und hing nur noch mit einer einzigen Faser zusammen. Das alte Langschwert hatte an Schärfe noch nichts eingebüßt ...
Der Gerawin, der spielerisch mit dem Langschwert so ungeschickt herumgefuchtelt hatte, betrachtete das Ergebnis seines Tuns voller Entsetzen. Ein Verbindungsstrang, der das Handseil an das Nebenseil koppelte, konnte die Brücke noch nicht zum Einsturz bringen, aber ich wußte, daß sich die strengen hamalischen Gesetze auch um solche Kleinigkeiten kümmerten. Zweifellos war die Strafe für diese Verfehlung irgendwo genau verzeichnet.
Ich nutzte die Gelegenheit und versetzte dem Gerawin, der meine Beine hielt, einen kräftigen Tritt. Er stürzte brüllend rückwärts und versuchte in der windigen Höhe etwas zu finden, an dem er sich festhalten konnte. Der nächste Gerawin stürzte halb durch die Bodenplatten der Brücke und klammerte sich kreischend fest. Der Bursche mit dem Langschwert versuchte zu fliehen, verlor aber die Balance. Im nächsten Augenblick ruhte der vertraute, mit Silberdraht umwundene Griff der Waffe in meiner Hand, und ich wandte mich um, bereit, meine Gegner niederzuhauen – und notfalls auch die ganze Brücke. Ich war denkbar schlechter Laune.
Die Brücke schwankte. Gerawin drängten durcheinander. Ich spürte den Wind auf der Haut. Die Sonnen sanken dem Horizont entgegen. Ich fühlte mich schwach, meine Beine zitterten. Meine Arme brachten irgendwie das Schwert hoch – doch so langsam, daß ich bei einem ernsthaften Kampf die nächste Sekunde nicht überlebt hätte. Ich schüttelte den Kopf und versuchte die silbernen und grünen Funken vor meinen Augen zu vertreiben. Ich hatte das Gefühl, als wäre eine Herde Chunkrahs über mich hinweggaloppiert.
Die Gerawin, völlig überrascht, daß ein Bewußtloser so schnell in Aktion treten konnte – dabei wußte ich als Krozair von Zy genau, wie langsam ich in Wirklichkeit gewesen war –, machten sich dennoch methodisch daran, ihr Opfer wieder einzufangen.
»Kommt, ihr Rasts!« brüllte ich. Meine Stimme hatte einen fremden Klang. »Kämpft wie Krieger!«
Die Gerawin begannen mich zu verspotten. Immerhin waren sie Professionelle. Trotzdem wurde klar, daß sie sich mit mir nicht auf einen Schwertkampf einlassen wollten. Das große Langschwert – die ›Eisenstange‹ – hielt sie in respektvollem Abstand.
Wieder begannen die Eisenketten zu fliegen. Die metallenen Glieder bissen sich fest. Ich versuchte mich zu befreien, wurde aber von der schwankenden Brücke und den Halteseilen behindert. Immer neue Ketten legten sich um meinen Körper, und ich erkannte, daß der Kampf bereits vorüber war, bevor er richtig angefangen hatte.
Mit einem letzten Schrei richtete ich mich auf, zerrte an den Ketten und wirbelte das Langschwert über meinem Kopf.
»Für Zair!« brüllte ich und ließ los.
Der Anführer der Gerawin reagierte schnell. Er duckte sich. Das Langschwert, ein greller Lichtblitz, wirbelte durch die Luft. In hohem Bogen segelte es in den Äther hinaus und begann schließlich zu stürzen. Herumwirbelnd, schimmernd, so verschwand es in dem Rankengewirr tief unter uns.
»Zair soll euch holen, ihr Cramphs!« sagte ich. Aber dann knallte mir das letzte Kettenstück gegen den Kopf, und wieder einmal legte sich der schwarze Mantel Notor Zans gnädig um mich.
An die nächsten Tage habe ich nur eine sehr vage Erinnerung. Ich kam erst wieder richtig zu mir, als ich mich schwer bewacht in Ruathytu befand. Der Angriff der Wilden auf den Volgendrin der Brücke war jedenfalls verlustreich zurückgeschlagen worden; daneben war meine Gefangennahme nur ein unbedeutendes Ereignis gewesen. Der Kov von Apulad hatte jedenfalls seinen ganzen Einfluß geltend gemacht und seine älteren Ansprüche auf mich durchgesetzt. Er ließ mich nun in die Hauptstadt bringen, wo ich verurteilt werden sollte. Wenn er mit mir fertig war, so hatte er verkündet, mochte Pallan Horosh meine Überreste wegen des Todes der beiden Pachaks zur Rechenschaft ziehen.
In Ruathytu wurde ich in die berüchtigten Verliese des Schlosses von Hanitcha dem Sorgenbringer gebracht, das verrufene Hanitchik.
Ich kannte mich in kregischen Gefängnissen weiß Gott aus – das Hanitchik war ein besonders entsetzlicher Kerker. Folter gehörte hier zum täglichen Leben – und zum täglichen Tod. Die Nahrung war scheußlich, wurde aber regelmäßig serviert und reichte gerade aus, um Leib und Seele an einem dünnen Faden zusammenzuhalten. Dafür konnten sich die Gefangenen bei den hamalischen Gesetzen bedanken.
Natürlich galten meine Gedanken in erster Linie der Flucht.
In den hamalischen Gesetzen ist eine Vorschrift verankert, wonach der nächste Verwandte eines Mordopfers die Wahl hat zwischen mehreren raffinierten Foltermethoden, die auf den Mörder angewendet werden, ehe er gehängt wird. Ich hatte so ein Gefühl, als würde sich der Kov von Apulad in meinem Falle für die allersubtilste Folter entscheiden, die das Gesetz zuließ.
Mit den Einzelheiten des Prozesses möchte ich Sie nicht langweilen; jedenfalls ging das Verfahren seinem unvermeidlichen Ende entgegen. Die Verhandlungen wurden unter sorgfältiger Beachtung aller Vorschriften durchgeführt – wobei die Tatsache, daß das Urteil schon von vornherein feststand, die komplizierten Gesetze im Grunde ad absurdum führte. Ich blieb konsequent bei meiner Aussage, daß ich gar nicht Chaadur sei, was den Kov aber nicht störte. Er hatte inzwischen einen Posten inne, der ihn der direkten Befehlsgewalt der Königin unterstellte; sein Einfluß reichte aus, um ein Urteil durchzusetzen.
Ich machte mir Gedanken über Ornol ham Feoste. Er hatte in Sumbakir eine kleine Vollerfabrik geleitet, ein sehr provinzieller Posten. Nach dem Tode seiner Frau Esme tauchte er nun hier in Ruathytu auf und stand plötzlich in der Gunst der Königin, und seine Verbindung zu den Vollern war stärker denn je.
Auch auf Kregen sind zwei plus zwei vier – manchmal jedenfalls.
Die Neun Gesichtslosen, welche Edelleute erwählen, die auf die Geheimnisse der Voller achten sollten, mußten auch Kov Ornol ham Feoste berufen haben. Eine andere Erklärung schien mir nicht möglich zu sein. Damit glaubte ich ein weiteres Stück des Puzzlespiels gefunden zu haben – aber was konnte mir das nützen? Die drei Richter fällten den Schuldspruch.
Wie jeder normale Mensch glaubte ich dennoch nicht, daß ich schon sterben müßte – irgendeine Fluchtchance würde sich mir schon bieten. Ich weigerte mich also, meine Rolle als Hamun ham Farthytu preiszugeben, um mir ein Alibi zu verschaffen. Rees und Chido hätten mir sicher beigestanden und mit ihren Aussagen die Identifikation des Kov erschüttert. Daß mir dieser Notanker blieb, war ein beruhigender Gedanke. Einer meiner Gefängniswärter erschütterte allerdings meine Selbstsicherheit erheblich.
»Die Königin ist sehr glücklich«, vertraute er mir an, als ich in dem engen Burghof meinen täglichen Spaziergang machen durfte. »Die Armee des Nordens hat den großen Sieg errungen, auf den wir alle gewartet haben.«
Ein kalter Schauer rann mir über den Rücken. Ich schluckte.
»Ja«, fuhr er fort und verlagerte seinen Cham von einer Wange in die andere. »Havil hat uns mit seinem Lächeln bedacht. Die Rasts aus Pandahem sind völlig aufgerieben worden. Ein großer Sieg!«
»Wo war das?«
»Keine Ahnung. Diese ausländischen Orte klingen doch alle gleich. Bei Kuerden dem Gnadenlosen! Was für Geschichten! Die Armee soll die Kerle tagelang verfolgt haben! Stell dir die Beute vor! Wenn ich noch beide Augen und ein gesundes Bein hätte, wäre ich dabei gewesen, das kannst du mir glauben. Einen Sack voller Gold und Juwelen hätte ich – ah! Ich möchte gar nicht daran denken!«
Da konnte ich ihm nur beipflichten. Aber nachdenken mußte ich. Dabei war seine Geschichte noch gar nicht zu Ende.
»Die Königin – Havil möge ihr leuchten – will sich zur Herrscherin krönen! Das wird eine Feier! Ganz Ruathytu wird auf dem Kopf stehen! Der Triumphzug dauert bestimmt den ganzen Tag, und ich werde ihn mir ansehen, oben vom Hanitchik aus!« Er kaute. »Na, das darf ich doch, oder?«
»Gewiß«, sagte ich. »Waren es nur die Pandahemer? Oder auch andere ...?«
»Ach, du hast die Geschichten auch gehört, wie? Ja, es heißt, eine Armee aus Vallia wäre daran beteiligt gewesen. Rasts aus Vallia! Hanitcha soll ihnen tausend Sorgen schicken!« Er lachte leise und spuckte aus. »Alles ist zerschlagen. Zurückgeworfen in ein Land, das Jholaix heißt – dort verstecken sie sich. Wir brauchen bloß nachzurücken und sie fertigzumachen. Den Namen Jholaix kenne ich – den Wein habe ich mir aber noch nie leisten können.«
So sprach Nath der Schlüsselverwahrer, mein Wärter und Gegner – aber sonst ein ganz normaler Mann.
Eines der wichtigsten Anklagepunkte gegen Gul Chaadur betraf den Umstand, daß er sich zu Unrecht als Horter ausgegeben hatte. Die offizielle Folterung sollte in drei Tagen stattfinden. Bei dieser Sachlage durfte ich nicht länger zögern. Rees und Chido und die anderen, die mich in Ruathytu als Amak des Paline-Tals gekannt hatten, mußten aussagen. Hamun ham Farthytu mußte aus der Versenkung auftauchen. Ich hatte vielleicht schon zu lange gezögert. Die Überreste der Armeen der pandahemischen Länder und meiner Streitkräfte aus Vallia und Djanduin saßen in der äußersten Nordostecke Pandahems fest, in Jholaix. Eine Entscheidungsschlacht konnte sie völlig vernichten und die ganze Insel unter den Einfluß Hamals bringen. Eigentlich mußte ich jetzt bei meiner Armee sein.
Als mein Entschluß feststand, rief ich nach Nath dem Schlüsselverwahrer. Doch er stand bereits an der Zellentür, schwang seine Lampe und rasselte mit dem Riegel.
»Hör auf zu schreien, Chaadur! Es ist soweit. Sinnlos, sich dagegen zu sträuben, Junge. Du hast einen Mord begangen, jetzt mußt du dafür bezahlen.« Hinter Nath erblickte ich Soldaten mit Ketten.
»Aber ich habe doch noch drei Tage«, sagte ich verblüfft.
»Nein, nein, mein Junge. Der Kov hat es verdammt eilig.«
Man zerrte mich aus der Zelle, und da ich mich wehrte, wickelte man mich in Eisenketten und schlug mich bewußtlos. Als ich wieder zu mir kam, war ich in einem kleinen Hof des Hanitchik an einen Pfahl gebunden, vor mir eine Gruppe erwartungsvoller Edelleute und Horters – und die schwarz und rot gekleideten Folterknechte.
Kov Ornol ham Feoste war in bester Laune. Er hatte einige Freunde zu dem Ereignis eingeladen. »Ich habe ein gutes Publikum für dich«, rief er. »Lauter Experten. Genießer.«
Man hatte mir einen Knebel in den Mund gesteckt, so daß ich ihm nicht gebührend antworten konnte. In hilfloser Wut starrte ich auf den elenden Kov, doch gegen die Ketten kam ich natürlich nicht an.
In den Kesseln glühte Feuer, die Brandeisen glühten kirschrot. Zangen, Messer, Skalpelle, Schraubgeräte lagen bereit. Der Kov saß ganz vorn in einem bequemen Sessel und freute sich sichtlich auf das Schauspiel. Seine Begleitung war nicht minder erwartungsvoll. Ich sah sie an, als der Erste Folterknecht auf mich zutrat; in seiner Hand schimmerte ein winziges Messer. Er trug eine schwarze Haube, hinter deren Schlitzen seine Augen funkelten.
Ich betrachtete die Versammlung dieser hamalischen Edelleute und Horters. Es war erschreckend, wie heruntergekommen, wie böse dieses Land war, dieses schimmernde, dekadente Ruathytu, beherrscht von dem übelsten Einfluß von allen – Königin Thyllis. Ein oder zwei Anwesende kannte ich aus der Zeit meines früheren Lebens in Ruathytu, doch leider nicht gut genug, daß sie mich als Amak des Paline-Tals erkennen würden. Meine Lage war inzwischen so verzweifelt, daß ich es begrüßt hätte, als irgend jemand erkannt zu werden, nur eben nicht als Chaadur.
Dieser Wunsch ging so schnell in Erfüllung, daß ich mich bis heute frage, ob nicht wieder einmal die Everoinye oder die Savanti ihre Hand im Spiel hatten.
Zwei Plätze von Kov Ornol entfernt räkelte sich ein Mann in seinem Sessel. Ich erkannte ihn sofort. Er trug ein auffälliges Gewand, auf das blaue, graue und schwarze Sechsecke gestickt worden waren; er hatte große Ähnlichkeit mit einem katzenhaften, gefährlichen Chavonth. Diesen Mann hatte ich auf Befehl der Herren der Sterne vor langer, langer Zeit aus dem Schnee der Berge des Nordens gerettet.
Ich starrte auf den Mann, während sich das kleine Messer in der gespenstisch weißen Hand des Folterknechts näherte. Ich war splitternackt. Meine Haut schimmerte von Schweiß. Der Knebel erzeugte ein würgendes Gefühl in meiner Kehle. In meinen Augen mußte in diesem Augenblick der Blick des Teufels gelegen haben, während ich Naghan Furtway ansah, der früher einmal Kov von Falinur gewesen war.
Heute hatte mein Kamerad Seg Segutorio den Titel des Kov von Falinur inne: Naghan Furtway war ein vallianischer Flüchtling, ein Mann, der meiner Heimat sicher nur Zorn und Ablehnung entgegenbrachte. Schon einmal hatte er mich demaskiert und verraten, vor vielen Jahren bei den Drachenknochen.
Würde er mich wiedererkennen?
Als Kov von Vallia war Naghan Furtway früher sehr mächtig gewesen. Er spielte leidenschaftlich gern Jikaida; in den Bergen des Nordens war ich oft gegen ihn angetreten und wußte, daß er so spielte wie er lebte: rücksichtslos und unbarmherzig.
Trotzdem hatte er sich dabei über die havilfarischen Cramphs aufgeregt, die uns defekte Flugboote verkauften. Seine Verbannung und seine Flucht hatten ihn offenbar anderen Sinnes werden lassen. Daß er sich hier in Ruathytu aufhielt, war kein gutes Zeichen. Er war zu einem Renegaten geworden.
Das Messer berührte meine Haut, glitt hinein und wurde zurückgezogen. Ein Blutstropfen war an der Spitze sichtbar. Die Folterung würde sich hinziehen.
Ich beobachtete Naghan Furtway.
Wieder fand das Messer sein Ziel, raffiniert plaziert, schmerzhaft.
In diesem Augenblick stand Naghan Furtway auf, warf sein Cape zurück und legte die Hand auf den Griff seines Rapiers. Das Messer des Folterknechts drang tiefer ein, wurde zurückgezogen. Schmerz durchflutete mich.
Kov Ornol hob stirnrunzelnd den Kopf.
»Setz dich, Horter Furtway. Uns steht noch viel bevor. Widmen wir uns diesem Mörder, diesem Cramph Chaadur.«
Furtway war also unter seinem richtigen Namen bekannt.
»Ich glaube nicht, Kov.«
»Was meinst du, in Havils Namen? Malahak sei mein Zeuge, Horter Furtway, dieser Cramph wird eine exquisite Folter erleiden, ehe er stirbt. Du wirst auf deine Kosten kommen, sei versichert.«
»Das glaube ich nicht, Kov. Dieser Mann heißt nicht Chaadur.«
Kov Ornol sprang erregt auf. »Das sagt der lügnerische Rast ebenfalls! Glaubst du ihm etwa?«
»Nein. Denn ich kenne ihn. Aye, ich kenne ihn sogar gut.«
»Das ändert für mich nichts. Er hat meine Frau ermordet und ist schuldig gesprochen worden. Ich fordere, was das Gesetz mir zubilligt ...«
»Ich habe das Ohr der Königin. Ich glaube nicht, daß sie es wohlwollend aufnimmt, wenn du auf deiner Forderung bestehst, Kov Ornol.«
Die Drohung reichte aus, um jeden Höfling stutzig zu machen.
Zwischen diesen beiden, dem Kov und dem Ex-Kov, klaffte ein breiter Abgrund. Trotz seines Wortreichtums und seiner Grausamkeit war Kov Ornol ham Feoste ein kleiner Angeber, ein Dummkopf, ein Dilettant im Vergleich zu der Schläue und Zielstrebigkeit eines Naghan Furtway. An der Härte des Mannes in der gescheckten Kleidung prallten Kov Ornols große Worte wirkungslos ab.
»Die Königin ist sofort zu verständigen.« Furtway sah mich an wie ein Leem, der ein Ponsho entdeckt hat. »Wenn du auf deinen Plänen beharrst, Kov Ornol, wird die Königin dir antun lassen, was du diesem Mann anzutun gedenkst. Verlaß dich darauf.«
»So kannst du nicht mit mir reden. Ich bin ein Kov von Hamal. Ich weiß ...«
»Du weißt gar nichts, Kov. Hier geht es um die Beziehungen zwischen Hamal und Vallia. Um Politik. Und davon solltest du die Finger lassen. Davon verstehst du nichts.«
»Du bist ein Vallianer, der nicht in seine Heimat zurückkehren darf!« rief Ornol erregt. Sein Gesicht hatte sich gefährlich gerötet. Er versuchte aufzustehen und Naghan Furtway die Stirn zu bieten.
»Ich weiß also, wovon ich spreche.«
Der Folterknecht zog sich zurück. Er wollte sich nicht festlegen, solange die Diskussion noch nicht beendet war.
Ornol ham Feoste deutete mürrisch auf den Mann. »Mach weiter. Kümmere dich nicht um diesen Quatschkopf, der sich noch immer für einen Kov hält!«
»Kov Ornol, da du offenbar entschlossen bist, dich in Lebensgefahr zu begeben, muß ich dir eine Warnung zukommen lassen. Die Königin wird sich mit diesem Mann persönlich befassen wollen. Wer ihr diese Freude nimmt, darf keine Gnade von ihr erwarten. Ich sage es dir im Klartext, du Dummkopf, aber du willst ja nicht hören!«
Kov Ornol sprang zur Seite und riß seinen Thraxter halb aus der Scheide.
Wenn er ernst machte, würde Furtways Rapier ihn aufspießen, ehe er Malahak als Zeugen anrufen konnte.
»Wächter!« brüllte der Kov von Apulad außer sich vor Wut.
»Hör auf mich, Kov Ornol! Die Wächter müssen diesen Hof absichern, die Königin muß sofort verständigt werden! Die Sache birgt große Gefahr für uns alle!«
»Wovon sprichst du eigentlich, bei den herrelldrinischen Höllen?«
»Dieser Mann, dieser Mörder, den du Chaadur nennst, ist jemand, für den die Königin ein Vermögen bezahlen würde. Und ich bin der Mann – denk daran, Kov Ornol! – ich bin der Mann, der diesen Rast entdeckt hat!« Er wirbelte herum, und sein Chavonth-Cape wehte zur Seite. Er deutete auf mich, und böser Triumph verlieh ihm eine schnell verfliegende, doch erschreckende Würde.
»Dieser Mann ist Dray Prescot, Prinz Majister von Vallia!«