20. Kapitel

Einer der Männer hielt einen Schirm über Hauser, ein anderer einen über Carmen, die bei Ross im blutigen Wasser saß und seinen Kopf in ihrem Schoß hielt. Sie weinte laut. Hauser beugte sich zu ihr und sagte: »Du hättest unten bleiben sollen, Carmen. Du brauchst dringend einen Arzt. Komm jetzt.«

Sie schüttelte heftig den Kopf.

»Komm. Du kannst hier nichts mehr tun. Er ist tot.«

Sie sah zu Hauser auf und sagte unter Tränen: »Er ist nicht tot. Er ist warm, und ich kann seinen Puls fühlen.«

Hauser zuckte die Schultern. Er hatte viele Männer sterben sehen, und nicht wenige davon hatte er selbst getötet. Auf einen mehr oder weniger kam es ihm nicht an.

»Ich gehe nicht ohne ihn.« Sie wurde lauter. »Ihr müsst ihm helfen. Wenn ihr es nicht tut, dann tue ich es selbst.«

Sie legte Ross’ Kopf vorsichtig ab, kniete sich hin und versuchte, seinen leblosen Körper in eine sitzende Position aufzurichten.

»Helft ihm«, rief sie über die Schulter. Keiner rührte sich. Sie sprang auf und begann zu schreien. Ihre Stimme war tief wie die eines Mannes. »Er darf nicht sterben! Ihr dürft ihn nicht sterben lassen! Das hat er nicht verdient! Wenn Ihr ihn sterben lasst – ich schwöre euch! – Gott ist mein Zeuge!«

Die Männer waren vor ihr zurückgewichen, denn sie versprühte Rotz und Blut bei jedem Wort. Mit geballten Fäusten stand sie zwischen ihnen, zitternd vor Kälte und Verzweiflung. Sie weinte nicht mehr.

»All die Toten!«, schrie sie Hauser an. »Glaubst du, ich weiß nicht, warum die alle gestorben sind!?« Sie deutete auf Ross. »Der hier soll am Leben bleiben! Ich will es!« Sie brüllte wie ein zorniges Tier.

Irgendwie drang sie zu Hauser durch. Oder er erinnerte sich, dass er Offizier war und was er den Männern schuldete, die er führte: Keiner wird zurückgelassen. Auf jeden Fall aber sah er in die Zukunft. Er sah Carmen in einem Jahr, in fünf, in zehn Jahren. Sie war intelligent und willensstark. Sie war sentimental und deshalb nachtragend. Sie war Emilio Rojas Enkelin und Raoul Castillos Cousine. Sie war mehr oder weniger verwandt mit einhundertneunzig Millionen Dollar.

»Los.«

Die Männer packten Ross und trugen ihn davon. Carmen stolperte hinter ihnen her. Hauser folgte ihnen ins Trockene und zog sein Telefon aus der Tasche.

Zehn Stockwerke tiefer spürte Whittaker den Vibrationsalarm seines Telefons. Über einen Knopf im Ohr empfing er Hauser. Er entschuldigte sich bei der Frau an seinem Arm, vertraute sie einem von Hausers jungen Männern an, durchquerte den Saal, rechts und links grüßend, und näherte sich einer kleinen Gruppe von Männern, die um zwei Asiaten herumstanden, einen kleinen älteren Mann und eine zurückhaltende junge Frau. Sie öffneten ihren Kreis, als Whittaker zu ihnen trat. Er lächelte über den Kopf des kleinen Mannes hinweg in die Runde und sagte: »Gentlemen, wir haben uns entschieden. Bitte machen Sie Ihrem Klienten klar, dass es keinen Deal geben wird. Nicht jetzt, nicht später. Unter keinen Umständen.« Whittaker lächelte noch ein wenig breiter. »Nie mehr. Bitte sehen Sie mir meine Deutlichkeit nach. Aber ich möchte sichergehen, dass es keine Missverständnisse gibt.«

Sie waren so durchschaubar. Zufrieden las Whittaker in ihren Gesichtern, wie sie ihre Verluste an Honoraren und Provisionen überschlugen und dabei innerlich von ihrem Klienten abrückten. Die junge Frau zog unmerklich den Kopf ein wenig zwischen die Schultern. Sie würde gleich die schlechte Nachricht überbringen müssen.