13. Kapitel
Das Scheißgeld auszugeben, stellte sich als schwierig heraus: Es gab so gut wie nichts, was dem Mädchen passte. Ross trottete den ganzen sonnigen Vormittag lang von Geschäft zu Geschäft ergeben hinter ihr her. Frustriert kaufte sie wahllos Kleinkram – Schmuck, Kosmetika, eine Handvoll Sonnenbrillen und eine klobige Plastikuhr, die an ihr aussah, als hätte sie sich eine Schildkröte ans Handgelenk geschnallt. Sie erstand eine Schultertasche, einen Schlauch aus weichem, schwarzem Leder von der Form und Größe eines Schafmagens, kippte noch im Laden den Inhalt ihrer überquellenden Handtasche hinein und ließ sie leer zurück. In einem besonders bunten und unaufgeräumten Laden hatte sie endlich Erfolg. Die Verkäuferin sah aus wie Shelley Duvall vor zwanzig Jahren. Sie verschwand mit ihrer Kundin zwischen Regalen und Kleiderständern, und die Frauen waren für eine Dreiviertelstunde nur noch akustisch auszumachen. Ross döste in einem Sessel, froh darüber, zu sitzen und das verletzte Bein auszuruhen, bis die beiden wieder auftauchten. Der kleinen Auswahl von Kleidungsstücken, die sie mitbrachten, sah man nicht an, dass sie die Scheine wert waren, die dafür über die Theke gingen.
Wenig später fand sich Ross, nachdem er dem Mädchen wieder gedankenlos gefolgt war, bei einem teuren Herrenausstatter wieder. Er sah ein, dass er einen neuen Anzug brauchte, hätte ihn aber lieber woanders oder unter anderen Umständen gekauft. Er mochte den Laden nicht. Die tuntige Schnöseligkeit der Verkäufer irritierte ihn. Anders als die rastlosen Chinesen, bei denen er sich sonst seine Anzüge besorgte, schienen sie kein besonderes Interesse an einem Verkauf zu haben. Obwohl sie ihn gut verstanden und das auch nicht verheimlichten, sprachen sie nicht Englisch, und das Mädchen ließ sich nicht dazu herab, zu dolmetschen. Zu jeder ihrer Äußerungen veranstalteten die Verkäufer ehrerbietige kleine Tänze, aber Ross begegneten sie wie die widerwilligen Spender eines Gnadenaktes. Er entschied sich eilig für den ersten Anzug, der ihm passte und sich bequem anfühlte, und bezahlte unter den missbilligenden Blicken des Personals, indem er wie ein Zuhälter Scheine aus einem Bündel von Whittakers Geld pflückte.
Als sie so weit waren, zu gehen, tat das Mädchen etwas unerwartet Boshaftes. Vor den Augen seines neidischen Kollegen gab sie dem jüngeren der Verkäufer einen größeren Geldschein – seine weiche Hand schnappte reflexhaft zu – und beauftragte ihn, ihre gesamten Einkäufe ins Hotel zu bringen. Ross wunderte sich über sie. Sie überging demonstrativ den Älteren, Ranghöheren, und lieferte den Jüngeren der Missgunst seines Kollegen aus. Hatte sie sich auch über die beiden geärgert?
Sie sagte es ihm nicht, sondern lief vor Ross her zurück zum Hafen. Es war Mittag geworden. Nach einem halben Tag zu Fuß, und weil er den vergangenen Abend noch lebhaft vor Augen hatte, erwartete er, dass sie sich ein ausschweifendes Mittagessen leisten würde. Doch es gab nur Sandwiches und Kaffee unter einem Sonnenschirm in einem der überfüllten Straßencafés an der Promenade. Sie aß hastig, sah dabei auf die Uhr und sprang auf, sobald sie fertig war. Ross beeilte sich zu zahlen und hatte Mühe, ihr zu folgen, als sie mit großen Schritten zurück in die Stadt eilte. Erst in der Tür eines Kosmetiksalons klärte sie ihn auf. Das Hotel hatte ihr kurzfristig einen Termin besorgt, es würde ein paar Stunden dauern, und jemand käme, um ihm die Haare zu schneiden. Dann verschwand sie in Begleitung von zwei zwitschernden Damen, die sich ihr sofort unterworfen hatten, wie alle Menschen, denen sie sich mit einem Wunsch näherte.
Ross blieb neben einem Kaffee und einem nutzlosen Aschenbecher zurück. Er war der einzige Mann in diesem Panoptikum der Lichter, Spiegel und intensiven Gerüche, bevölkert von kunstvoll gestylten Frauen, die von Zeit zu Zeit deutlich weniger perfekte Kundinnen an ihm vorbei zur Tür brachten oder von dort abholten.
Nach einiger Zeit setzte sich eine der Frauen zu ihm. Sie duftete berauschend und sprach Englisch mit einer Telefonsexstimme. »Wir lassen jemand kommen, der Ihr Aare macht, Monsieur, bitte aben Sie ein wenig Gedüld. Können wir sonst noch etwas für Sie tun? Eine Gesichtsmaske? Die Augenbrauen?« Sie rückte näher, bis sich ihre Schultern berührten, nahm eine seiner Hände, drehte sie prüfend und strich sanft mit ihren Fingerspitzen darüber.
Eine Maniküre?
Ross hatte noch nie eine Maniküre gehabt, nicht einmal zu seiner Hochzeit. Eine Maniküre. Warum nicht.
Der Nachmittag verging ungewöhnlich langsam. Ross saß unbeachtet herum, fühlte jeden Luftzug an Schläfen und Hinterkopf, wo er für seinen Geschmack zu kahlgeschoren war, und betrachtete, wenn er sich unbeobachtet fühlte, seine neuen Hände. Normalerweise hatte er kein Problem damit, Zeit untätig verstreichen zu lassen. Schon als Junge hatte er auf der Jagd Geduld und Selbstbeherrschung geübt. Als Soldat, als sich lange Perioden gespannter Untätigkeit mit kurzen Phasen hektischer Aktivität abwechselten, profitierte er davon. Als Wachmann war Nichtstun praktisch sein Job, und später, als Detektiv, verbrachte er den größeren Teil seiner Zeit in geparkten Autos bei endlosen Observierungen. Kollegen, die in den Nachtschichten schlafen wollten, schätzten ihn als Partner, denn er versuchte nie, sich zu unterhalten, weil er sich anscheinend nie langweilte. Aber jetzt, als er immer länger auf das Mädchen wartete, wurde er ungeduldig. Als sie endlich wieder auftauchte, war er erleichtert und ärgerlich zugleich. Solange er zahlte, wartete sie an der Tür, und als er sie einholte, machte er sich Luft. »Was zum Teufel hat denn so lange gedauert!?«
»Wieso?«, sagte sie über die Schulter, »hatten Sie irgendwas vor?«
Fünf Stunden. Wofür? Der Zopf war verschwunden, ihr Haar war kürzer und seltsam metallisch gefärbt, nicht schwarz, sondern irgendwie anthrazit- oder graphitfarben mit ein paar Strähnen. Und sie hatte jetzt rote Fingernägel. Das war alles? Auf dem Weg zum Hotel verflog sein Unmut, und er war überrascht, als sie ihn darauf ansprach. Im Spiegel des Fahrstuhls fing sie seinen Blick ein und sagte: »Mir hat es auch zu lange gedauert.«
Ross wusste nicht, was er darauf antworten sollte; dass sie sich für etwas entschuldigte, war neu. Sie deutete sein Schweigen falsch und fuhr fort: »Ich habe ein komplettes makeover gebraucht. Bei den verdammten Nonnen durften wir uns gerade mal die Beine rasieren.«
Er sagte: »Ihr Haar ist gut geworden.«
»Ihres auch.«
»Aber fühlt sich ungewohnt an.«
Der Fahrstuhl hielt und entließ sie.
»Bis morgen haben Sie sich daran gewöhnt. Hören Sie,« jetzt war sie wieder ganz sie selbst, »ich esse nicht zu Abend. Seien Sie bis zehn Uhr fertig. Um halb elf gehen wir.«
Ross duschte, um die Gerüche des Nachmittags loszuwerden, schlief eine Stunde, bestellte sich beim Zimmerservice ein Bier und etwas zu essen und kleidete sich an: den neuen Anzug, das letzte saubere Hemd, das er mithatte, und das er über der Hose trug, weil es nicht für eine Krawatte gemacht war, und seine teuren Schuhe. Der Anzug war enger geschnitten, als er es gewohnt war, und ließ ihn lässiger wirken, als er sich fühlte. Im mannshohen Spiegel an der Innenseite der Badezimmertür begutachtete er sich. Einerseits gefiel ihm, was er sah, andererseits war ihm sein Spiegelbild nicht mehr vollständig ähnlich, und irritierte ein wenig. Instinktiv wehrte er sich gegen eine zusätzliche Verunsicherung, auch wenn sie nur geringfügig war. Die Situation, in der er sich befand, war unübersichtlich genug. Er war auf sich gestellt und deshalb darauf angewiesen, eins mit sich zu sein. Während er noch dabei war, sich mit den Neuheiten in seiner Erscheinung anzufreunden, summte das Telefon. Das Geräusch war laut in dem stillen Raum und ließ ihn zusammenfahren.
»Wenn Sie so weit sind, dann kommen Sie zur Verbindungstür«, sagte das Mädchen, als er abhob. Ross drückte die schweren Schiebetüren auf seiner Seite auseinander. Die Flügel auf der anderen Seite waren nur zentimeterweit geöffnet. Durch den Spalt sagte sie: »Was wir jetzt machen, Walter, ist eine Art Spiel. Betrachten Sie es als Teil Ihres Jobs, und geben Sie sich Mühe, okay? Fertig?«
Was? »Äh, ja.«
Die Türen rollten polternd auseinander. Das Mädchen trat einige Schritte zurück und stellte sich in Modelpose auf, die Hände auf den Hüften. »Und?«
Ross starrte sie an, als würde er sie wieder zum ersten Mal sehen.
»Wie sehe ich aus?«
Er räusperte sich. »Gut.«
Sie rollte genervt die Augen. »Vamos! Sie sollen sich Mühe geben! Sie müssen doch wissen, wie das geht! Sie waren doch mal verheiratet!«
Auch sie hatte sich verwandelt. Sie trug Make-up, Lippenstift, Schmuck an Hals, Ohren und Fingern, Hand- und Fußgelenken. Sie hatte Sandalen an, die sie morgens gekauft hatte, einen knielangen Wickelrock aus dünnem Baumwollstoff, feuerwehrrot und bedruckt wie ein Hawaiihemd, ein schwarzes Stretchtop mit einem tiefen V-Ausschnitt und Dreiviertel-Ärmeln. Ross vermisste das helle Auge – sie trug veilchenblaue Kontaktlinsen.
»Sie sehen gut aus.« Umwerfend.
Sie ließ nicht locker. »Ich habe dicke Beine.«
Auf einmal begriff er, was sie wollte. »Nein. Nein, Sie haben schöne Beine. Glauben Sie mir. Ich verstehe was von Beinen.«
»Ich habe einen Hintern wie eine Negerin.«
»Das macht nichts, ich meine, das muss so sein. Alle schönen Frauen …«
Sie zwickte die unbedeckte Körperpartie zwischen dem Saum des Oberteils und dem Bund ihres Rocks.
»Ich bin fett.«
Aber ihre Haut war straff, unter der Polsterung war ihr Bauch flach, und sie hatte eine ausgeprägte Taille. Ross musste nicht nachdenken. »Erinnern Sie sich, wie Uma Thurman John Travolta erklärt, dass Frauen ein Bäuchlein haben müssen?«
»Uma Thurman! Uma Thurman passt jetzt nicht! Die ist dünn! Und trotzdem hat sie größere Brüste als ich!«
»Große Brüste sind vulgär. Ein kleiner Busen hat immer Klasse.«
»Busen!«, rief sie und lachte, »Walter, wo kommen Sie her?«
»Ich mag den Ausdruck Titten nicht.«
»Ich auch nicht. Sagen Sie mal ehrlich, als Mann, sehe ich jetzt aus, als wäre ich leicht zu haben?«
»Nein.«
»Nicht? Mmh. Würden Sie mit mir ausgehen?«
»Aber ich gehe ja mit Ihnen aus.«
»Nein, ich meine, richtig. Sie wissen schon.«
»Ja.«
Es entstand eine kleine Pause. Dann sagte sie: »Sie sehen auch gut aus, Walter. Cool. Killermäßig.« Sie zwinkerte mit einem ihrer wundervoll violetten Augen. »Ich würde auch mit Ihnen ausgehen.«
»Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre?«
»Und zwanzig Zentimeter größer. Los, hauen wir ab, sonst geht die Nacht ohne mich vorbei.«
Ross folgte ihr zehn Minuten lang durch abendliche Straßen, die der Wind vom Meer noch nicht abgekühlt hatte, bis sie die Bar erreichten, die Nathalie am Abend zuvor empfohlen hatte. Sie lag im Parterre eines stattlichen, alten Gebäudes, das früher einmal ein zum Hafen gehörender Speicher gewesen sein musste. Durch große, geöffnete Bogenfenster konnte man von der Straße aus hineinsehen und das einladende Gemenge aus Musik und Stimmen hören. Sie war gut besucht, aber nicht voll. Eine bunte Neonskulptur über der Tür sagte, Leo’s Café Americain.
Ross mochte das Leo’s von dem Moment an, als er eintrat. Jede Kneipe hat ihren eigenen Geruch. Das Leo’s duftete. Und es gab eine gute Musikanlage. Über verborgene Boxen kam die Aufnahme eines Konzerts mit mehrstimmigem, weiblichem Gesang, Country-Rock, der Ross bekannt vorkam – die Dixie Chicks? In Frankreich? War es das, was Leo für americain hielt?
Auf der Suche nach einem Platz sah sich Ross um. Das Lokal bestand aus einem einzigen, langgestreckten Raum, dessen hohe Decke auf zwei Reihen gusseiserner Säulen ruhte. Gegenüber dem Eingang gab es einen imposanten Tresen aus schwarzem Holz, Messing und Chrom. Es gab eine winzige Bühne an einer Schmalseite des Raumes, und davor war unter einem Stroboskop und einigen Scheinwerfern an der Decke eine kleine Tanzfläche freigehalten.
Die Hälfte der Tische und der Plätze am Tresen waren besetzt. Das Publikum war größtenteils unter dreißig. Der Barmann war der älteste Anwesende, grauhaarig, mit einem Fünftagebart und einem bunten Hemd. Zwischen den Tischen arbeitete eine athletische junge Frau, der man ansah, dass sie ihre Tage auf dem Wasser oder am Strand verbrachte.
Ross setzte sich so, dass er den Raum überblicken konnte und den Eingang im Auge hatte. Es war ein Reflex. Tatsächlich sah er keinen Grund für besondere Wachsamkeit. Zudem versetzte ihn die freundliche Atmosphäre der Bar in einen Zustand milder Sorglosigkeit. Es war fast so, als hätte er die Welten gewechselt. Es störte ihn kaum noch, dass sich ihnen fast alle Gesichter zugewandt hatten, als sie hereinkamen, und dass ihnen die Blicke folgten, als sie sich zwischen den besetzten Tischen hindurchdrängten. Es schien ihm sogar, als würde die Aufmerksamkeit, die das Mädchen hervorrief, jedes Mal geringer. Vielleicht hatte sich diese Stadt schon ein wenig an Carmen Whittaker gewöhnt.
Ross trank Wodka mit Bitter Lemon und beobachtete dabei den Betrieb und die Leute um ihn herum. Die Leute gefielen ihm. Die Bar gefiel ihm. Er gefiel sich selbst, in seinem neuen Anzug, mit dem frischen Haarschnitt. Und den Händen. Verstohlen betrachtete er sie. In Zukunft, nahm er sich vor, würde er öfter zum Friseur gehen, seine Hände machen lassen, wann immer er Geld dafür übrig hatte, und überhaupt seiner Erscheinung mehr Aufmerksamkeit widmen. Vielleicht wurde sein Leben ja einfacher, wenn er mehr auf Äußerlichkeiten achtete. Das Mädchen unterbrach ihn in seinen Gedanken.
»Hier ist nichts los«, sagte sie missmutig.
»Nichts los?«
»Ich dachte, hier kann man tanzen.«
»Vielleicht ist es noch zu früh. Oder weil Dienstag ist.«
»Es ist Mittwoch, und es ist Viertel nach elf. Wir machen Folgendes, Sie zahlen, besorgen uns ein Taxi …«
»Nein.«
»Nicht?«
Ross bereitete sich auf eine Manipulationsattacke vor, auf einen Temperamentsausbruch. Seine gute Stimmung und der Wodka machten ihn ein wenig aufsässig.
»Mir gefällt es hier.«
Er trank aus und hob sein leeres Glas und zwei Finger der anderen Hand über den Kopf, als die Kellnerin in seine Richtung sah. Das Mädchen blieb wider Erwarten gelassen, aber sie wollte seine Weigerung nicht einfach hinnehmen.
»Wegen der Surferin? Sie fahren auf Kellnerinnen ab, nicht wahr?«
Ross ging nicht darauf ein. Der Zufall hatte ihm womöglich eine Überraschung für sie beschert. Er sagte: »Der wahrscheinlich einzige Tanzpartner, den Sie in dieser Stadt finden werden, ist hier in dieser Bar.«
»Ich brauche keinen Partner«, antwortete sie pampig, »hier wird ja nicht getanzt. Wo?«
»Nicht umdrehen. Ich sage Ihnen, wann.«
An einem der Tische an den Fenstern saß eine gemischte Gruppe, gutaussehend, gutgekleidet und gutgelaunt, junge Leute, die wirkten, als würden sie tagsüber zusammen arbeiten und an diesem Abend etwas feiern, einen geschäftlichen Erfolg oder einen Jahrestag. Einer von ihnen war ein schlanker junger Mann mit zimtfarbener Haut und glänzenden schwarzen Haaren, ein Karibe vielleicht oder ein Inder, etwas schlaksig, aber sonst so schön wie der junge Gregory Peck. Ross hatte ihn bemerkt und festgestellt, dass er die Größe des Mädchens hatte – vielleicht fehlten noch ein, zwei Zentimeter –, als der Junge aufstand, um einer Frau Platz zu machen, die den Tisch verließ. Als er sich bei ihrer Rückkehr wieder erhob, sagte Ross: »Der Tisch am mittleren Fenster. Jetzt.«
Sie warf sich auf ihrem Stuhl herum und reckte ungeniert ihren langen Hals. Als sie genug gesehen hatte, sagte sie atemlos: »Hey, der sieht ja süß aus!« Für einen Moment hatte sie Mühe, ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten, und Ross bekam eine Ahnung davon, was in ihr vorging: Sie rang mit Hemmungen, schätzte Chancen ab und versuchte, einen Entschluss zu fassen. Er ließ eine Minute vergehen, bevor er sie wieder ansprach. »Was haben Sie vor?«
»Ich mache mir meine eigene Party.« Ihr Tonfall verriet, dass sie noch nicht so weit war.
»Mit dem Jungen?«
Sie zuckte unentschlossen die Schultern.
Ross wartete. Als sie sich nicht rührte, sagte er: »Los. Was kann Ihnen schon passieren.« Hoffentlich hat er keine Freundin dabei, dachte er, hoffentlich ist er nicht schwul.
»Hoffentlich ist er schwul«, sagte das Mädchen und machte Anstalten, aufzustehen.
»Huh…?«
»Tanzen. In Europa können nur die wenigsten Heteros halbwegs tanzen, schon gar nicht solche großen.« Und wenn er dich abblitzen lässt, dann liegt es nicht an dir, dachte Ross. Sie warf ihm ihre Tasche in den Schoß, bekreuzigte sich rasch, wie es manche Sportler tun, wenn sie ins Spiel gehen, und sprang auf.
»Wünschen Sie mir Glück, Walter.«
»Viel Glück, Carmen.« Er meinte es.
Falls sie unsicher war, dann war es ihr jedenfalls nicht anzumerken, als sie das Lokal durchquerte. Wieder folgten ihr viele Blicke. Zuerst sprach sie an der Bar kurz mit dem Grauhaarigen; erst danach machte sie sich auf den Weg zu dem Tisch am Fenster.
Der Junge sah ihr nicht entgegen, oder er tat, als ob er sie nicht bemerkte, aber er stand auf, als sie seinen Tisch erreichte und noch ehe sie ihn angesprochen hatte. Es war eine eher schüchterne als höfliche Geste, und Ross dachte, gut keine Freundin, und: Vorsicht, verjag ihn nicht. Aber, Intuition oder Berechnung, das Mädchen machte alles richtig. Anfangs hielt sie Abstand, während sie sprachen, und überbrückte die Distanz mit ihrem Lächeln, erst zurückhaltend, dann werbend und endlich, als sich der Junge entspannt hatte, ein wenig flirtend. Dabei näherte sie sich ihm nach und nach, vorsichtig, immer bereit innezuhalten, falls er auswich. Er ließ sie herankommen, bis sie so nahe war, dass er ihren Atem spüren musste. Schließlich griff sie im Gespräch, wie unabsichtlich, nach seiner Hand. Für Ross hatte die kleine Geste trotz ihrer Beiläufigkeit etwas Rührendes. Jetzt war der Moment: Wenn der Junge jetzt seine Hand zurückzog, dann war’s das. Aber er erwiderte die Berührung, und sie setzten ihre Unterhaltung Hand in Hand fort. Okay. Ross atmete aus und lehnte sich zurück, als sich die beiden anlachten und das Mädchen, ohne die Hand des jungen Mannes loszulassen, ein paar Tanzschritte auf der Stelle machte, bevor sie noch einmal zum Tresen lief.
Kurz darauf gingen die Lichter über der Tanzfläche an, der Konzertmitschnitt wurde ausgeblendet und durch eine Latin-Pop-Nummer ersetzt. Wieder war es eine Live-Aufnahme. Ross erkannte den kokainheißen Gesang von Marc Anthony. Über der Tanzfläche war die Musik etwas lauter ausgesteuert als im Rest des Raumes. Fast das gesamte Lokal beobachtete eine halbe Minute lang das tanzende Paar, bevor das allgemeine Interesse nachließ, weil nichts Aufregendes passierte und weil man sich an den Anblick zu gewöhnen begann. Der Junge war kein besonderer Tänzer; Ross staunte, dass er überhaupt tanzen konnte, noch dazu Salsa. Er beherrschte kaum mehr als die Grundschritte, und er war anfangs etwas gehemmt, durch die Aufmerksamkeit des Publikums oder die aufregende Präsenz des Mädchens. Aber er machte tapfer und mit zunehmendem Vergnügen und Geschick mit. Das Mädchen dagegen war trotz ihrer Größe und Masse eine geborene Tänzerin. Tanzen war für sie anstrengungslose Instinkthandlung. Sie tanzte nicht nur technisch perfekt, sie glühte geradezu vor Bewegungsdrang und Begeisterung. Trotzdem hielt sie sich zurück, fest entschlossen, ihren gerade gewonnenen Partner nicht zu überfordern und damit zu vergraulen. Sie hielt ihn bei Laune, indem sie unmissverständlich demonstrierte, dass sie Spaß mit ihm hatte, und überging großzügig seine kleinen Ungeschicklichkeiten. Sie ist klug, dachte Ross, sie nimmt den Jungen mit, sie lässt ihn gut aussehen, vor sich selbst und vor den Leuten. Dafür wird er ihr aus der Hand fressen.
In der ersten Pause zwischen den Musiktiteln applaudierten und pfiffen die Freunde des Jungen scherzhaft, und ein paar Leute, die am Rande der Tanzfläche saßen, schlossen sich an. Das Mädchen knickste lachend, bevor die Musik wieder einsetzte. Beim dritten oder vierten Musikstück erschien ein zweites Paar auf der kleinen Tanzfläche, und dann immer mehr Leute, bis von ihr und dem Jungen nur noch die Köpfe zu sehen waren.
Ross zog auf einen der letzten freien Plätze am Tresen um. Irgendwann kam das Mädchen vorbei, fischte eine Zigarette aus ihrer Tasche, die er immer noch hütete, und nahm ihr Glas mit zu dem Tisch am Fenster, wo man für sie zusammengerückt war. Er sah ihr noch nach, als sich eine Frau zwischen ihn und seinen Nachbarn an den Tresen drängte und dabei fast sein Glas umstieß. Ross sagte zu ihrem Hinterkopf: »Hey, aufpassen.«
Sie drehte sich um und stand direkt vor ihm, zu nah für sein Empfinden. Er erkannte sie. Sie war ihm an einem der Tische aufgefallen, an dem sie mit einer Freundin saß. Sie sagte etwas und lächelte entschuldigend. Er lächelte zurück. »Ich spreche kein Französisch, Baby.«
Sie gefiel Ross. Sie sah gut aus, auf eine etwas strenge Art vielleicht, und sie war nicht mehr ganz jung. Ende dreißig oder vielleicht schon so alt wie er selbst, schätzte er. Sie hatte schönes, dunkles Haar. Sie lachte und sagte: »Aber ich verstehe Englisch, Baby.«
»Oh. Nichts für ungut. Ich wollte nicht respektlos sein.«
»Nein, ich muss mich entschuldigen. Ich habe fast Ihren Drink umgeworfen. Ich bin Denise.«
»Hi, Denise. Freut mich. Walter.«
»Allô, Voltaire. Sie sind Amerikaner, nicht wahr?«
»Sieht man mir das an?«
»Man hört es. Sind Sie ein Freund von Leo?«
Leo? Der Barmann?
»Nicht? Warum sonst sollte sich ein Amerikaner in die französische Provinz verirren?«
Warum fragte sie? Ross dachte, sie hat mich doch zusammen mit dem Mädchen gesehen. Wurde er gerade angebaggert? Er sagte: »Ich bin mehr oder weniger beruflich hier.«
Sie sah zur Tanzfläche. »Ach ja, la fille spectaculaire. Ich mag die Musik hier«, fuhr sie fort und ersparte ihm die Frage, warum sie hier war. »Das Leo’s ist der letzte Club in dieser Stadt, in dem nicht nur noch hasserfüllt gerappt wird oder diese monotone Maschinenmusik läuft.«
»Ist das so? Dann ist es gut, dass ich gleich hierhergefunden habe.«
»Ja, nicht wahr?« Sie blickte an ihm vorbei in den Raum. »Wissen Sie, wenn wir schon das gleiche mögen und hier fast die einzigen erwachsenen Menschen sind, vielleicht setzen Sie sich zu uns, Walter, es würde mich freuen.«
»Vielen Dank. Aber …«
»Ja, klar. Aber falls Sie Ihre Meinung noch ändern …«
»Ja, dann gerne.«
Also doch. Schnell und direkt. Gibt es eigentlich keine schüchternen Frauen mehr? Ross blickte ihr nach. Irgendwie passte sie nicht ins Leo’s. Er stellte sie sich in einem Kleid vor, in einer Galerie oder einem Theaterfoyer. Abgesehen von den Haaren ähnelte sie Carol. Was mochten solche Frauen an ihm?
Und nun, wie weiter? Er war begutachtet worden, und sie hatte sich präsentiert. Wenn er sich zu ihr setzte, überlegte er, würde die gegenseitige Prüfung in die zweite Runde gehen: Ist er/sie diskret und höflich, sauber und gesund, nicht zu langweilig, zu eitel, nicht irgendwie pervers oder gewalttätig, ist er/sie erfahren, aufmerksam und selbstlos genug für halbwegs guten Sex … und so weiter. Entsprach er auch bei näherer Betrachtung noch ihren Vorstellungen, würde sich die Freundin bald unter einem Vorwand verabschieden, und das Gespräch würde zunehmend persönlicher. Irgendwann käme der Aufbruch und der heikle Moment der Einladung. Er würde ihr die Initiative überlassen, denn sie wirkte wie eine Frau, die ihre Entscheidungen gern selbst traf. Er würde mit zu ihr gehen, um ihr und sich die blasierte Missbilligung des Hotelpersonals zu ersparen.
Die Verlockung war stark. Ross war überfällig. Es war fast drei Wochen her, seit er sich zum letzten Mal mit Carol getroffen hatte. Er fühlte sich nicht dazu verpflichtet, Carol treu zu sein; sie war selbst eine verheiratete Frau. Lourdes dagegen … Immer, wenn er über Carol nachdachte, kam ihm auch Lourdes in den Sinn. Lourdes hatte er nie betrogen. Er erinnerte sich nicht, ob er jemals mit dem Gedanken gespielt hatte. Die Melancholie, die sich immer dann einstellte, wenn er an seine verlorene Frau dachte, kühlte seine sexuelle Unternehmungslust ab und verdüsterte in seiner Erinnerung die wenigen One-Night-Stands, die er sich in seinem Leben geleistet hatte. Es waren Enttäuschungen. Noch einer wäre auch nicht besser als die vorigen, sagte er sich, ich bin wohl nicht dafür gemacht. Außerdem bin ich verletzt. Die Schmerzen würden wiederkommen, wenn es zur Sache ging, falls es überhaupt soweit kam. Die riesigen Blutergüsse an seinem Körper würden die Frau bestimmt schon vorher verjagen.
Und dann gab es ja noch das Mädchen, auf das er aufzupassen hatte.
Okay. Dann eben nicht, entschied er, vergiss es. Schade. Schlechtes Timing. Ross bemühte sich, einen Anflug von Enttäuschung zu unterdrücken, und spürte zugleich, dass seine gute Stimmung nachließ. Vier doppelte Wodka, mindestens einer zu viel, summten in seinem Schädel. Er sah sich um. Die Bar war jetzt voll und die Musik lauter. Wo war das Mädchen gerade? Er entdeckte sie am Rand des Scheinwerferlichts, weil sie Glas und Zigarette über die Köpfe der anderen Tanzenden hielt. Sie bemerkte, dass er nach ihr suchte (sie ist sehr aufmerksam, dachte er erstaunt) und winkte, und andere winkten ihm auch. Er erkannte Shelley Duvall und, an ihrem Lockenkopf, die kleine Kellnerin aus dem Hotel. Wie leicht das Mädchen Freunde gewinnt, dachte er, und wie unbefangen sie mit Klassenunterschieden umgeht. Wenn sie in diesem Tempo weitermacht, kennt sie in ein paar Tagen die ganze Stadt. Die Stadt war klein, und einige Leute, die gerade hier in der Bar waren, würden sie morgen auf der Straße grüßen. Diese Aussicht beunruhigte Ross. Ihm wurde bewusst, dass er die Situation nicht unter Kontrolle hatte. Das Mädchen tat, was sie wollte, und zog dabei maximale Aufmerksamkeit auf sich. Wenn wirklich jemand hinter ihnen her war, wie Hauser gemeint hatte, würde man sie mühelos aufspüren, oder man wartete schon auf sie, draußen, in einem Hauseingang, einem anderen Van, oder hier drinnen, zwischen den Gästen. Ross studierte eine Weile die Männer in der Bar, aber keiner sah den Angreifern in der Tiefgarage ähnlich.
Als er wieder nach dem Mädchen sah, tanzte sie mit ihrem hübschen Jungen. Kurz darauf kam sie herüber und drängte sich neben ihn an den Tresen. Ihr Gesicht war gerötet, und sie hatte winzige Schweißperlen auf Stirn und Oberlippe. In der Enge hatte Ross keine Möglichkeit, ihr Platz zu machen oder auszuweichen. Sie beugte sich zu ihm, wegen des Lärms, um in sein Ohr zu sprechen. Ihre Nähe war überwältigend. Er spürte ihre Energie, roch ihr Parfüm, jungen, gesunden Schweiß und nahm, ohne es zu wissen, auch privatere Aromen ihres großen erhitzten Körpers wahr. Ross bekam eine Erektion.
»Hey, Walter, hören Sie mir überhaupt zu?«
Er schauderte und bemühte sich, seine Wahrnehmung zu fokussieren.
»Sind Sie betrunken?«
»Nein, nein. Was haben Sie gesagt?«
»Ich nehme ihn mit ins Hotel.«
Was!? Ehe er antworten konnte, sprach sie weiter, als hätte er schon protestiert. »Kommen Sie Walter, meinen Sie wirklich, der tut mir was? Sehen Sie ihn sich an. Ich bin eine Gefahr für ihn!« Sie kicherte heiser.
Ross suchte nach Worten. »Hören Sie, Carmen, ich meine, können Sie nicht warten, zwei, drei Tage, bis Sie zu Hause …«
»O nein, kann ich nicht!«, rief sie. »Und wenn Sie was für meine Sicherheit tun wollen, dann besorgen Sie mir schnell ein paar Kondome. Im lavatorio gibt’s bestimmt einen Automaten.«
»Wenn wir …« begann er von neuem, aber sie stürmte davon. Hilflos und ärgerlich sah er ihr nach. Wenn wir heute Nacht wieder überfallen werden, dachte er, dann wird der Junge umgebracht. Die Sorglosigkeit des Mädchens war ihm unbegreiflich, kam ihm halsbrecherisch vor. Hat sie kein Gefühl dafür, was ihr passieren kann, dachte er, und dann, wütend: Was würde ihr denn schon geschehen? Ein paar Wochen Gefangenschaft. Für eine Vergewaltigung war sie nicht handlich genug, höchstens schnitten sie ihr einen Finger ab, um ihren Vater unter Druck zu setzen. Nichts, was ein Jahr bei einem Therapeuten nicht kurieren konnte. Alles besser als die Kugel in den Kopf, die auf ihn wartete.
Sicherheit. Kondome. Shit.
Es gab keinen Automaten. Der Grauhaarige mit dem bunten Hemd kam, als Ross winkte, lehnte sich auf den Ellenbogen und hielt ihm ein Ohr hin, ohne den Tresen aus den Augen zu lassen. Er verstand Englisch und Kondome und reichte wortlos eine Zigarrenkiste über die Theke. Ross nahm sie auf die Knie und wühlte in dem bunt gemischten Inhalt, überrascht von der Auswahl. Er räumte farbige Kondome, solche mit Geschmack und bizarr geformte hin und her, bis er ein paar konventionelle Exemplare gefunden hatte. Aber wie viele sollte er nehmen? Eines war bestimmt zu wenig. Zwei? Drei? Ein paar, hatte sie gesagt. Also drei. Aber dann gab es auch noch verschiedene Größen … Kurzerhand warf er alle Kondome, die er aussortiert hatte, in die Tasche des Mädchens; eines würde schon passen. Der Barmann kam, um die Zigarrenkiste zurückzunehmen. Ross rief über den Lärm: »Bin ich dir was schuldig?«
»Geht aufs Haus.«
Ross stellte überrascht fest, dass der Grauhaarige auch Amerikaner war, und begriff im Nachhinein, was die dunkelhaarige Frau gemeint hatte. Der Akzent des Mannes war ihm vertraut. Er sagte: »Hey, paysano, bist du aus Texas? Was hat dich denn hierher verschlagen?«
»Schicksal. Und dich?«
Ross machte eine Kopfbewegung in Richtung des Mädchens. Der andere blickte zur Tanzfläche und wieder zu Ross. Er hatte kein Interesse an einer Unterhaltung, wollte zurück zu seiner Arbeit und machte sich bereit zu gehen. Er sagte automatisch: »Kann ich sonst noch was für dich tun?«
»Ja.« Ross reckte sich über den Tresen, um nicht mehr mit erhobener Stimme reden zu müssen. »Vielleicht kannst du mir helfen. Wo kriege ich denn was zu rauchen her?«
Der Texaner betrachtete ihn einen Moment nachdenklich, bevor er sagte: »Du bist ein Cop.«
Der Zweite in zwei Tagen, der mich für einen Polizisten hält, dachte Ross. Polizist zu sein ist wie Kohlenstaub in den Poren alter Bergleute, das wird man nie wieder los. Aber von einem Amerikaner gestellt, machte die Frage möglicherweise Sinn: Wenn er aus den USA geflohen und untergetaucht war und fürchten musste, dass Ermittler hinter ihm her waren.
Ross sagte: »Früher. Ist schon lange her.«
»Privatdetektiv? Kopfgeldjäger?«
»Ich fahre das große Mädchen. Ihr Vater ist reich.«
Der Texaner zuckte die Achseln. »Draußen. Geh auf die andere Straßenseite. Nur Gras oder Haschisch, etwas anderes will ich nicht in meinem Laden haben.« Auf einmal wurde er doch noch gesprächig. »Weißt du, es ist mir gleich, was einer raucht, drückt oder einwirft, aber ich kann keinen Ärger brauchen. Die Gesetze sind hier nicht so barbarisch wie bei uns, und die Behörden sind bei Kleinigkeiten großzügig, aber wenn sie sich ein Gerichtsverfahren sparen können, dann weisen sie einen Ausländer gerne einfach aus.«
Und das ist wohl das Schlimmste, was dir passieren kann, dachte Ross, denn drüben erwartet dich sicher deine dritte Verurteilung. Oder gar die Spritze? Ross sah dem Mann nach und fragte sich, was er wohl verbrochen hatte. Wie ein Gewalttäter sah er nicht aus, aber bei Texanern wusste man ja nie.
Er wartete ein paar Minuten und ging dann nach draußen. Wie am vorigen Abend, als sie das Hotel verließen, trat er mit gemischten Gefühlen auf die Straße. Auf dem Bürgersteig vor dem Leo’s, in der lauen Nacht, saßen und standen Gäste, denen es drinnen zu eng, zu laut oder zu warm war. Sie redeten, lachten, tranken und rauchten. Keiner der Männer sah aus wie die Angreifer in der Tiefgarage. Von den Autos, die in der schmalen Straße parkten, war, soweit Ross sehen konnte, keines ein Van. Er wechselte die Straßenseite und ging im Halbdunkel eine Weile auf und ab, bis ihn ein gepflegter junger Mann ansprach. Im ersten Augenblick hielt Ross ihn für einen Stricher. Sie tauschten ein paar Scheine und einen kleinen Plastikbeutel aus. Der junge Mann wartete höflich, bis Ross den Inhalt des Beutels auf Echtheit geprüft hatte, und verabschiedete sich dann mit einem breiten Lächeln. »Hey. Hübsche Tasche.«
Ross trug noch immer die Tasche des Mädchens mit sich herum.