7

 

Vier X-Flügler rasten durch den Hangartunnel und stießen durch das Magnetdämmfeld in das Vakuum, das Folor umgab.

»Gruppe Zwei formieren«, sagte Kell. »So dicht wie möglich bei mir bleiben. Wir sind unter dem Auge.« Das »Auge« war ein weiterer X-Flügler, der von Wedge, der bereits einen halben Kilometer über ihnen Position bezogen hatte. Knirps, Phanan und Face formierten sich schnell um ihn. Das trug nichts dazu bei, die Spannung zu lockern, unter der Kell stand, seit er die Motoren seines X-Flüglers gezündet hatte. Dabei war Janson weit und breit nicht zu sehen und konnte daher keine Schuld daran haben – nein, das war sein altes Problem, die Atemnot, die ihn jedesmal überkam, wenn er einen Einsatz zu leiten hatte. Das war völlig anders als im Simulator; jetzt saß er am Steuerknüppel eines echten Raumjägers, der ein Vermögen wert war, und befand sich auf einem Einsatz, bei dem ihn ein Fehler in der Zielerfassung oder beim Manövrieren das Leben oder das Leben eines Flügelmannes kosten konnte.

Er bewegte die Schultern, um sie zu lockern, und versuchte, sich in den Griff zu bekommen. Vielleicht hörte Wedge am Komm nicht so genau hin und konnte seinen angestrengten Atem nicht hören. Vielleicht überwachte niemand die Biosensoren, die manchmal an die Sessel von neuen Piloten angeschlossen waren. Vielleicht würde niemand seine Probleme bemerken.

Er warf einen Blick auf die Anzeigen seines Navigationscomputers – ganz einfache Daten, da kein Hyperraumsprung, ja nicht einmal ein extralunarer Flug angesagt war. Er übermittelte die Daten an die anderen und zog dann seine Maschine nach Süden herum.

Ein visueller Scan zeigte, daß der Rest von Gruppe Zwei Position hielt; die Sensoren zeigten Wedge, der seine Position nicht verlassen hatte, sowie einen weiteren Blip, der ohne Zweifel mit ihrem Ziel in Verbindung stand und unmittelbar vor ihnen, aber kilometerweit entfernt im Süden war.

Jetzt war Wedges Stimme aus ihren Kommsystemen zu hören. »Gentlemen, das ist eine einfache Übung im Bodenbeschuß. Der Blip auf Ihren Sensoren ist nicht Ihr Ziel. Das ist Lieutenant Janson in der Narra, unserem Shuttle. Janson wird mit dem Personalbergungstraktorstrahl des Shuttle etwa dreihundert Meter hinter sich eine Zielattrappe ziehen. Fünf und Sechs werden das Ziel anfliegen, und dann dreißig Sekunden später Sieben und Acht. Ihre Befehle sind ganz einfach: auf zwei Kilometer Distanz scharfmachen, auf eineinhalb Kilometer Distanz feuern und sofort wenden und zum Stützpunkt zurückkehren. Ihre Kommsysteme sind jetzt blockiert; Fünf und Sechs werden nicht mit Sieben und Acht sprechen können und umgekehrt. Wenn Sie ›Abbrechen‹ hören, brechen Sie Ihren Angriff ab und warten auf weitere Befehle; wahrscheinlich bedeutet das dann, daß einer von Ihnen die Narra bereits in der Zielerfassung hat. Noch Fragen?«

Kell sagte: »Nein, Sir«, und hörte, wie Knirps das wiederholte.

»Dann gute Jagd.«

Kell sah zu, wie die Zahlen auf seinem Entfernungsmesser schnell kleiner wurden, und sah dann ganz schwach den Schatten eines neuen Blip, der ein kurzes Stück hinter der Narra immer wieder aufflackerte und gleich wieder verlosch. Augenblicke später sah er die Narra selbst, ein ferner Lichtpunkt vor dem Hintergrund einer Bergkette auf Folor, und schließlich das Ziel: ein Segel aus reflektierendem Stoff, das in voll geöffnetem Zustand etwa gleich groß wie das Shuttle selbst war. Im Augenblick war es allerdings nicht ganz geöffnet und flatterte im Traktorstrahl des Shuttle.

Bei der ständigen Änderung von Form und Größe würde das auf eineinhalb Kilometer ein herausforderndes Ziel sein. Er wandte sich an die R5-Einheit hinter seinem Cockpit.

»Protonentorpedo Eins auf zehn Meter Annäherungszünder stellen. Sage dem R2 von Sechs, daß er es genauso machen soll.«

Der R5 piepte seine Bestätigung. Kell hatte dem schimmernden neuen Droiden noch keinen Namen gegeben; das war das Vorrecht des ersten Piloten, dem dieser X-Flügler und sein Astromech zugeteilt wurden.

Auf zwei Kilometer Distanz rief er: »S-Flügel in Angriffsposition.« Er griff nach oben rechts, um den entsprechenden Schalter umzulegen, und sah, wie die Angriffsflügel an backbord und steuerbord die Stellung einnahmen, die den X-Flüglern ihr einmaliges Profil verliehen.

Als sie eingerastet waren, verblaßte sein Head-Up-Display. Kell hatte jetzt klare Sensorsicht auf das Ziel… war aber außerstande, seine Waffensysteme darauf einzustellen.

»R5, was ist mit meiner Zieloptik?«

Das verwirrte Pfeifen des R5 zwitscherte über das Kommlink, und auf dem Datendisplay war UNBEKANNT zu lesen.

»Sechs, ich habe keine Zielkennung!«

»Fünf, wir haben keine Waffensysteme. Allgemeines Versagen.«

»Verdammt, verdammt…« Kell verspürte ein eisiges Gefühl im Magen, das sich so schnell ausbreitete, als ob man ihm dort eine Kühleinheit installiert hätte. Er richtete seinen X-Flügler auf Sicht auf das Ziel aus, korrigierte ein paar Grad nach backbord, um damit die Geschwindigkeit des schleppenden Shuttle auszugleichen. Jetzt hatte er nur noch Sekunden zur Verfügung, um sich visuell und mit seiner Sensorik zu vergewissern, daß der Torpedo nicht etwa die Narra treffen würde.

Die Zahlen seines Entfernungsmessers zogen weiter über den Monitor, zeigten jetzt eineinhalb Kilometer an. Kell feuerte; sah den Torpedo auf das Ziel zufegen und es um reichlich vierzig Meter verfehlen. Als er die Maschine hochzog und den langen Kreisbogen begann, der ihn wieder auf den Stützpunkt orientieren sollte, sah er zu, wie der Torpedo auf seiner ballistischen Bahn weiterflog und schließlich die Flanke eines fernen Berges traf, der von einem kurzen grellen Blitz erhellt wurde.

»Nicht sonderlich gut, Fünf«, sagte Wedge. »Sieben, Acht, Anflug beginnen.«

»Sieben bestätigt.«

»Acht bestätigt.«

Kell runzelte die Stirn. Plötzlich konnte er Sieben und Acht wieder hören. Ohne Zweifel hatte Wedge, da er und Knirps ja ihren Anflug hinter sich hatten, die entsprechenden Systeme wieder freigeschaltet. »R5, kannst du mir ein Bild über ihre Telemetrie verschaffen? Die von Sieben und Acht?«

Die R5-Einheit tutete zustimmend. Kurz darauf tauchten zwei Ansichten des fernen Ziels nebeneinander auf Kells Hauptschirm auf – Ansichten, die ähnlich, aber nicht identisch waren und deshalb wie ein nicht abgestimmtes stereoskopisches Bild wirkten.

»Sieben, empfehle, die Torpedos auf breitere Annäherungszünder zu schalten. Das Ziel ist fies.«

»Gute Idee. Wird gemacht. Okay Acht, S-Flügel jetzt in Angriffsstellung.«

»Bestätigt.«

Gleich darauf wurde eines der visuellen Bilder grau. Kell grinste säuerlich. Sieben und Acht würden dieselbe Panne erleben wie er.

»Acht, meine Waffen sind weg. Systemausfall, scheint mir.«

»Sieben, meine Zielerfassung ist hin. Hast du noch Waffen?«

»Ja.«

»Aufpassen, ich übertrage jetzt meine Zielinformation an dich … warte, bis zur Erfassung … Erfaßt!«

»Feuere jetzt, Sieben. Wir haben eine Detonation … sieht nach Treffer aus. Aber ich habe immer noch keine Zielsensoren.«

»Die meinen zeigen sauberen Abschuß. Guter Schuß, Acht.«

»Du hast die ganze Arbeit gemacht. Ich habe nur abgedrückt. Aber eigentlich gefällt mir das so.«

Jetzt schaltete sich knisternd Wedges Stimme ein: »Gute Arbeit, ihr beiden. Jetzt zurück zum Stützpunkt, damit Gruppe Drei das gleiche machen kann. Sie werden niemanden, der diese Übung noch nicht durchgemacht hat, über Ihre Parameter informieren. Das ist ein Befehl.«

»Ja, Sir.«

»Eins Ende.«

Kell knirschte mit den Zähnen. Wieder hatte ihn einer von Wedge Antilles’ raffinierten Tricks wie einen Stümper aussehen lassen. Er hatte hart daran gearbeitet, sein erstes Nullergebnis in den Simulatoren auszugleichen, hatte so hart gearbeitet, daß er erster unter den Piloten geworden war, und jetzt fing das Ganze wieder von vorn an.

 

Der Punching Dummy hatte die Form eines Menschen – das heißt, wenn man einen Menschen dermaßen mit Essen mästete, daß seine Gesichtszüge halb in den wabbeligen Fleischfalten verschwanden, und ihn dann in der Turnhalle des Stützpunktes Folor auf eine flexible Stange steckte. Kell schüttelte den Kopf; ihm würde es jedenfalls nicht passen, wenn man ihn so behandelte. Aber ebensowenig würde es ihm passen, wenn man ihn so zurichtete, wie er das jetzt mit dem Dummy machte.

Er begann mit Eins-Zwei-Kombinationen, die den Kopf des Dummy zum Schaukeln brachten und ihn kurzzeitig deformierten; das an Knetmasse erinnernde Memorymaterial stellte zwar binnen Sekunden wieder die richtige Form des Kopfes her, aber bis dahin trug er die Spuren von Kells Fäusten. Jetzt ging er auf Handkantenschläge gegen den Hals der Puppe über, rückte dann näher, um ihr den Unterarm gegen die Nase zu schmettern, und trieb aus dieser Stellung dem Ding zweimal hintereinander das Knie in den Brustkasten. Beide Male hörte er knackende Geräusche aus dem Inneren der Puppe; sie war so gebaut, daß sie sich wie Fleisch anfühlte und auch wie Fleisch und Knochen nachgab, wenn sie genügend hart angegriffen wurde, um dann aber wieder in den ursprünglichen Zustand zurückzukehren.

Er tänzelte zurück, pendelte hin und her, fintete mit der linken Hand, setzte mit einem rechten Haken nach, der den Kopf des Dummy herumriß. Sehr befriedigend … wenn auch nicht so, als ob sein Gegenüber der echte Wedge oder der echte Janson gewesen wäre.

Kell wußte, daß er keineswegs der beste Nahkämpfer der Gruppe war. Eine Frau, die halb so schwer und einen Kopf kleiner war als er, war für seine Ausbildung zuständig. Sie konnte ihn ganz nach Belieben immer wieder auf die Matte schicken und härter zuschlagen, als er das je schaffte. Aber er war groß, schnell und durchtrainiert und vermutete daher, daß er zu den oberen zehn Prozent unter den unbewaffneten Kämpfern bei den Streitkräften gehörte. Das war einfach etwas, worauf er sich gut verstand. Nur zu schade, daß ihn das auf Folor nicht weiterbrachte. Er wirbelte herum, versetzte der Puppe einen kräftigen Tritt gegen das Brustbein und sah zu, wie das Ding auf seiner biegsamen Stange nach hinten kippte und sich dann wieder aufrichtete.

Das war ganz so wie seine Tätigkeit hier auf Folor. Wenn all seine Fähigkeiten so poliert und glatt wie seine Kampfweise waren, dann schienen ihm all seine Ziele hier ebenso elastisch wie diese Puppe da. Er gab ihnen alles, was er hatte, und sie richteten sich immer wieder auf wie Stehaufmännchen, unbewegt, unverletzt und ohne daß er Spuren an ihnen hinterlassen konnte.

»Bist du auf den Dummy sauer? Oder ist das ein anderes verrücktes Bewußtsein von dir?«

Kell fuhr herum. Knirps saß auf einem Barren und beobachtete ihn interessiert, die braunen Augen weiter geöffnet, als das für ihn üblich war. Das Fell, das seinen Körper bedeckte, war an einigen Stellen zerzaust und in Unordnung, an anderen Stellen feucht, was darauf hindeutete, daß er gerade geduscht und sich nicht gründlich genug abgetrocknet hatte. »Hmm… wahrscheinlich ein verrücktes Bewußtsein«, sagte Kell.

»Mir scheint es eher ein sehr fähiges Bewußtsein zu sein. Anscheinend kannst du es ja jederzeit, wenn du das willst, abschalten. Sonst würdest du ja uns angreifen.«

Kell lächelte. Er schaffte es immer noch nicht ganz, die Logik seines Flügelkollegen zu durchschauen oder mit der umständlichen Art zu Rande zu kommen, mit der Knirps in ein Gespräch einstieg. »Kann schon sein. Dieses ›Bewußtsein‹ funktioniert besser, wenn man es willkürlich abschalten kann.«

»Ja. Unser Pilotenbewußtsein verbessert sich auf diese Weise. Hast du das bemerkt? Man sieht manchmal einfach durch den Nebel hindurch. Das ist gut.«

»Das freut mich.«

»Aber du hast ein anderes Bewußtsein, – das uns beunruhigt.«

»Uns – heißt das alles, was Knirps ausmacht?«

Knirps schüttelte den Kopf, so daß sein Pferdeschwanz wippte. »Mit uns meine ich die ganze Staffel. Alle die, die zugeben, daß sie sich Sorgen machen, meine ich.«

Kell hob sein Handtuch vom Boden auf, warf es sich über die Schultern und setzte sich neben Knirps auf den Barren. »Das verstehe ich nicht.«

»Du hast ein böses Bewußtsein in dir. Du glaubst wohl, wir sehen das nicht? Es spricht zu dir, wenn dir etwas mißlingt, und peitscht dich dann mit deinem Versagen.«

Kell wandte sich von ihm ab und sah wieder zu dem Dummy hinüber. Seine Gesichtszüge hatten inzwischen wieder ihren normalen Ausdruck angenommen und machten den Eindruck, als würden sie ihn angrinsen. Amüsiert gleichgültig angrinsen. Vielleicht sogar verächtlich. »Daran ist nichts auszusetzen. Zu analysieren, wenn man irgend etwas falsch gemacht hat, und dabei den richtigen Schluß zu ziehen, ist nur Teil der Analyse.«

»Und dann läßt es dich nicht los. Tagelang. Wochenlang. Frißt an dir. Wie ein Tier, das in dich hineingekrochen ist und jetzt um sich beißt, um wieder herauszukommen.«

»Du solltest das einfach als mein Motivationsbewußtsein sehen.«

»Nein. Das ist es nicht. Es läßt dich Dinge denken, die nicht zutreffen. Es ist dein Feind. Ich bin dein Freund. Ich wünschte, ich könnte darauf schießen.«

Die Stimme von Knirps klang so verbittert, daß Kell sich überrascht zu ihm herumdrehte. »Jetzt sei nicht albern.«

»Falynn und Grinder haben ihren heutigen Einsatz auch verpatzt. Weißt du, wo sie sind? In der Cafeteria. Sie essen und lachen und freuen sich auf den morgigen Einsatz. Sie und andere haben sich Myn Donos vorgenommen und versuchen, ihn zum Lächeln zu bringen. Und wo steckst du? Hier in der Turnhalle und prügelst auf dich und einen Dummy ein.«

»Ist Tyria dort?«

Knirps riß die Augen auf, weil ihn der plötzliche Themenwechsel verblüffte. »Ja.«

»Waren sie schon lange dort?«

»Nein.«

»Also, ich habe noch nicht gegessen. Ich denke, ich werde mich jetzt schnell duschen und mich dann zu ihnen setzen. Kommst du mit?«

»Ich glaube, du hast mir nicht zugehört.«

»Natürlich habe ich das. Wir sehen uns in ein paar Minuten.«

Während Kell zu den Duschräumen ging, hörte er, wie Knirps einen langgezogenen Seufzer von sich gab.

 

Es war genau so, wie Knirps berichtet hatte. Der größte Teil der Staffel Grau hatte sich um den längsten Tisch in der Offizierscafeteria versammelt. Falynn und Jesmin hatten Donos in die Mitte genommen. Als Kell auf sie zukam, lachten sie; Knirps winkte ihn zu sich heran, aber Kell setzte sich neben Piggy gegenüber von Tyria und Phanan. Face hatte gerade das Wort. »Und da war ich jetzt, splitternackt, aus meinem Zimmer ausgesperrt und auf dem Korridor unterwegs auf der Suche nach einem Handtuch, einem Lumpen, irgend etwas, und in dem Augenblick kommt der Eins O um die Ecke. Der Typ hat etwa genausoviel Humor wie ein Wookiee mit Nesselausschlag. Also lege ich meine beste Ehrenbezeigung hin und sage: ›Major, bedaure melden zu müssen, daß mein persönliches Tarngerät nur bedingt funktionierte‹.«

Die anderen lachten brüllend. Selbst Donos, der bedächtig in seiner Tasse Kaf rührte, brachte die Andeutung eines Lächelns zustande. Falynn fragte: »Und was hat er dann gemacht?«

»Wie sich herausstellte, war er doch ganz in Ordnung. Er ließ mich eine Weile in Habachthaltung stehen, musterte mich von Kopf bis Fuß, erwiderte dann meine Ehrenbezeigung und sagte: ›Ja, es ist offensichtlich, daß das Projekt gescheitert ist. Ich schlage vor, Sie gehen jetzt und bedecken sich.‹ Und das habe ich dann getan.«

Falynn kicherte und fragte dann: »Und was war mit dem Lieutenant?«

Face zuckte die Achseln. »Die verstand wenigstens Spaß. Wahrscheinlich war das auch der Grund, daß wir uns sympathisch fanden, und vermutlich auch der Grund, daß wir so schnell wieder auseinandergingen. Am nächsten Tag haben sie meine Kleidung vor der Tür zur Nahrungswiederaufbereitungsstation gefunden. Ein Zettel hing daran, auf dem stand: ›Ich kann nicht mehr mit dem leben, was ich getan habe. Denk an mich, wenn du einen Bissen zu dir nimmst.‹ Sie hat natürlich meinen Namen daruntergesetzt. Ich bin ungeschoren davongekommen von wegen Nackt-im-Flur-Herumlaufen und habe bloß einen schriftlichen Verweis wegen ›Groben Unfugs‹ bekommen, und außerdem mußte ich für die Abschlußfeier allen die Stiefel putzen.«

Phanan nickte und wandte sich zu Donos. »Also, Lieutenant – «

Donos blickte auf. »Wir sind nicht im Dienst. Sag Myn zu mir.«

»Also, Myn. Machen die das im Militär von Corellia auch?«

Donos nickte. »Eine lange, ehrenwerte Tradition. Ich muß euch einmal von der toten Gurrkatze erzählen, die einfach nicht begraben bleiben wollte.«

Grinder schniefte. »Alberne Streiche. Eine lächerliche Zeitvergeudung.«

Die anderen sahen ihn an, und Face sagte: »Du hast dich wohl nie in die gesicherten Dateien von irgendeinem Kumpel eingespleißt und sie geändert, Nachrichten hinterlassen oder so etwas, bloß um dich lustig zu machen? Oder damit der Betreffende dumm aussah?«

»Ganz sicherlich nicht.«

»Dann habe ich noch nie einen Kodespleißer wie dich kennengelernt.«

Der Bothaner lächelte. »Ich bin eben besser.«

Falynn wandte sich von ihm ab und sah wieder Donos an. »Und du warst also wirklich Scharfschütze?«

Der Lieutenant nickte.

»Mußtest du jemals … du weißt schon … ich meine, du brauchst keine Antwort zu geben, wenn es dir peinlich ist.«

»Ob ich jemals jemanden kaltblütig erschossen habe? Ohne ihm eine Chance zu geben?«

Sie nickte mit ernster Miene.

»Ja. Dreimal habe ich das getan. Ich war nicht wild darauf; sonst würde ich das wahrscheinlich immer noch tun. Aber besser tote Feinde als tote Unschuldige.« Er sah aufsein Chrono. »Und weil wir gerade von Schießen reden, ich sollte mich jetzt wohl anziehen und draußen auf dem Schießplatz ein wenig üben.« Der Stützpunkt verfügte über einen Kellerschießstand, aber die Distanzen, auf denen man Laserkarabiner einzusetzen pflegte, waren wesentlich größer. Donos und Janson hatten draußen auf einem Hügel im harten Vakuum eine Schießstätte eingerichtet; Donos würde von verschiedenen Bodenerhebungen in der Umgebung darauf schießen. »Zehn, willst du immer noch mitkommen?«

Tyria nickte. »Ich werde dich jedenfalls nicht allein dort draußen herumvagabundieren lassen.«

Jesmin sagte: »Bitte, laßt mich mitkommen. Ich brauche Übung mit dem Vakuumanzug.« Sie stand auf.

Donos folgte ihr und verließ die Cafeteria mit der Mon Calamari, nachdem er den Kollegen kurz zugenickt hatte.

»Er war ja regelrecht aufgeschlossen«, sagte Phanan. »Mir wird dabei richtig warm ums Herz, wenn ich mit ansehe, wie sich alles lockert. Ich denke, wir sollten ihm einen Spielzeugbantha besorgen, damit er nachts kuscheln kann.«

»Ach halt doch den Mund«, sagte Falynn. »Er hat sich gebessert. Er hat geredet, ein wenig immerhin. Und sogar gelächelt.«

»Sich Face nackt vorzustellen, muß ja jeden zum Lachen bringen.«

Falynn funkelte ihn an. »Ton, würdest du für Myn Donos sterben?«

Der Cyborg schmunzelte. »Vielleicht ein andermal.«

»Würde er für dich sterben?«

»Das weiß ich nicht.«

»Das würde er. Ich bin ganz sicher, daß er für jeden von uns sterben würde. Er wollte für seine letzte Staffel sterben, aber das hat sein Verantwortungsbewußtsein nicht zugelassen. Mich beeindruckt das ehrlich gesagt viel mehr als deine ständigen Witzeleien, Ton. Ich würde wirklich gern wissen, wie einem dabei zumute ist, wenn man sich dauernd über andere lustig macht.« Sie stand auf, ohne seine Antwort abzuwarten, und stürmte hinaus.

Phanan hob eine Augenbraue hoch. »Ich sage, die ist in ihn verknallt.« Er drehte sich zu Face herum. »Wollen wir wetten? Ich gebe dir drei zu eins.«

»Nein, ich wette auf deiner Seite.«

Jetzt schaltete Grinder sich ein. »Da kann ich mitreden. Ich bin Experte für menschliche Psychologie. Sie ist viel zu unabhängig und pragmatisch, um irgendwelche romantischen Gefühle für ihn zu haben. Sie reagiert nur auf den Schmerz eines verletzten Lebewesens. Das ist bei Menschenfrauen ein besonderer Instinkt. Sie will ihn gesund pflegen.«

Phanan grinste. »Zwanzig Creds?«

»Fünfzig.«

»Topp.«

Kell fixierte Tyria. »Was wettest du?«

Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht haben beide recht. Manche Frauen sehen einen Mann, der völlig erledigt ist, verspüren den Drang, seine Probleme in Ordnung zu bringen, und verlieben sich dann in ihn.«

»Emotionale Störungen als Anziehungskraft. Hör mal, Tyria, ich spüre einen starken Schmerz in meinen Kindheitserinnerungen.«

Phanan zuckte förmlich zusammen. »Das klingt ja richtig gut. Das hätte mir einfallen müssen.«

Tyria stand auf und sah Kell und Phanan nachsichtig an. »Spielt ihr beiden ruhig eure Kindergartenspielchen weiter. Wir übrigen müssen noch ein wenig studieren. Ihr wißt ja, daß uns bald ein Einsatz mit Hyperraumnavigation bevorsteht. Wie sieht es mit deinen Punkten in Nav aus?«

Kell zuckte die Achseln. »Geht schon. Piggy ist da unser Genie.«

»Das stimmt.« Sie wandte sich zum Gehen, rief den beiden dann aber über die Schulter zu: »Und deshalb wird Wedge ihm ganz sicher verbieten, daß er uns hilft.«

»Weißt du«, sagte Face, »sie hat wahrscheinlich recht.«

Phanans Miene hatte sich verdüstert. »Und das mag ich überhaupt nicht.«

 

Die Datei erschien auf Admiral Trigits Datapad. Ihr Titel lautete: »Neueste Ergebnisse und Schlußfolgerungen aus dem Projekt Morrt.«

Als Verfasser war Gara Petothel angegeben, die Kodespleißerin, die ihm die nützlichen Informationen geliefert hatte, die zur Vernichtung der Krallenstaffel geführt hatten.

Er rief die Datei auf und überflog sie. Dann winkte er seinen XO heran.

»Machen Sie die TIE-Staffeln bereit«, sagte er mit freundlicher Stimme, »volle Diagnose unserer Waffen- und Schildsysteme … und die Night Caller soll eine Ladung der neuen Empionminen aufnehmen. Wir legen sie in den unbewohnten Systemen in der Umgebung von Commenor aus und fliegen dann in das Commenorsystem selbst. Anscheinend haben die Rebellen einen Stützpunkt auf dem Mond Folor … und ich glaube, es ist Zeit, daß wir dem ein Ende machen.«