3

 

»Du siehst aus, als ob du ein paar Runden mit einem Rancor gekämpft hättest.«

»Vielen Dank, Wes. Das ist ein Vergleich, den General Crespin sicherlich zu schätzen wüßte.« Wedge ließ sich seufzend in seinen Sessel sinken und legte die Füße auf den Schreibtisch. Sein Büro war früher einmal ein Lagerraum gewesen, miserabel beleuchtet und nicht einmal mit einem Holoschirm ausgestattet, um ein Bild einer beruhigenden Landschaft unter irgendeiner fernen Sonne zu zeigen.

Sein Sessel war ein umgebauter Schleudersitz, den jemand auf einer kräftigen Feder und einem Querträger montiert hatte. Sein Schreibtisch war ein über zwei niedrige Aktenschränke gelegtes Stück aus einer Schiffswand. Das alles war typisch für die Einrichtung des Stützpunktes Folor, der nur äußerst knapp mit Geldmitteln ausgestattet war. Janson saß in einem ähnlichen Sessel an der Wand, und ein dritter Schleudersitz war Wedge gegenüber angebracht.

»Haben wir heute Piloten?« fragte Wedge.

»Wir haben Piloten. Möglicherweise die letzte Gruppe, wenn ein paar Nachzügler es noch schaffen.«

»Dann wollen wir anfangen. Wer zuerst?« Wedge hatte von Anfang an ein ganz einfaches Schema für die Bewerbungsgespräche eingeführt: Janson behielt die Unterlagen über die Piloten, so daß Wedge überhaupt nichts von den Leuten wußte, die ihm zugeführt wurden. So konnte er bei jedem Kandidaten viel besser auf seine innere Stimme lauschen.

Janson warf einen Blick auf sein Datapad. »Er heißt Kettch, und er ist ein Ewok.«

Wedge fuhr hoch. »Nein.«

»O ja. Er ist wild entschlossen zu kämpfen. Du solltest ihn einmal hören, wenn er ›Yupp, yupp‹ sagt. Bei ihm klingt das wie ein Schlachtruf.«

»Wes, selbst wenn wir annehmen, daß man ihn nach den Normen der Allianz zu einem Jägerpiloten ausbilden könnte, dann wäre ein Ewok ja nicht einmal in der Lage, die Kontrollen eines X-Flüglers zu bedienen.«

»Er trägt Arm- und Beinverlängerungen, Spezialprothesen, die ihm ein wohlmeinender Medidroid gebaut hat, und er ist wirklich ganz wild darauf, für uns zu kämpfen.«

Wedge ließ sich in seinen Sessel zurückfallen und hielt sich die Hand über die Augen. »Bitte, sag mir, daß du mich bloß auf den Arm nimmst.«

»Natürlich nehme ich dich auf den Arm. Die Datennummer eins ist eine menschliche Frau, von Tatooine, Falynn Sandskimmer.«

»Das wirst du mir büßen, Janson.«

»Yupp, yupp, Commander.«

»Bring sie herein.«

 

Am Abend sah sich Wedge die Liste der bisher interviewten Kandidaten an. Eine Tatooinerin mit einer ausgezeichneten Beurteilung ihres fliegerischen Könnens, ein As, aber mit einer Laufbahn, die bis jetzt nur bis zum Dienst in einer Verbrennungsanlage geführt hatte, wegen »chronischer Unverschämtheiten«, wie in ihren Personalakten zu lesen stand. Sie war außerstande, ihre Abneigung zu verbergen, wenn sie mit vorgesetzten Offizieren zu tun hatte, die sie nicht respektierte. Unfähig, Disziplin zu halten. Wedge fragte sich, welchen nachteiligen Einfluß diese Eigenschaft auf ihre Personalakten vor ein paar Jahren gehabt hätte, als die Neue Republik noch Rebellenallianz hieß und die Streitkräfte eine lockere, ziemlich formlose Organisation gewesen waren, wo Individualismus eher die Regel als die Ausnahme gewesen war.

Er fragte sich auch, wieviel Falynn Sandskimmers Einstellung zu einem ganz bestimmten Helden der Neuen Republik zu den zwei Degradierungen beigetragen hatte, die ihre beiden Beförderungen zunichte gemacht hatten. Als er sie nach Luke Skywalker befragt hatte, hatte sie gesagt: »Können Sie sich vorstellen, Ihr ganzes Leben lang mit ihm verglichen zu werden, bloß weil Sie auch von Tatooine stammen und den Pilotenberuf ergriffen haben? Nein, ich habe Luke Skywalker nie persönlich kennengelernt. Tatsächlich wünsche ich mir sogar, ich hätte nie von ihm gehört.« Bei Lukes Freunden würde ihr diese Einstellung nicht gerade Sympathien eintragen. Wedge, der auch zu jenen Freunden gehörte, tat die Bemerkung einfach mit einem Achselzucken ab. Ihr Wert für seine Einheit lag in ihrer Leistung und nicht in besonderer Wertschätzung für einen Mann, von dem er persönlich große Stücke hielt.

Der zweite Pilot, ein menschlicher Mann von Etti IV, würde sich in Kürze vor einem Kriegsgericht wegen Diebstahls verantworten müssen. Er rechnete zuversichtlich mit einem Freispruch und bat um die Chance, sich bei Commander Antilles bewähren zu dürfen. Eine Minute, nachdem er sein Büro verlassen hatte, stellte Wedge fest, daß das gesamte Holo seiner lang verstorbenen Eltern von seinem Schreibtisch fehlte. Er schickte Janson hinter dem Kleptomanen her und strich ihn von der Kandidatenliste.

Der dritte Pilot war ein Talz, einer der weißfelligen humanoiden Bewohner von Alzoc III. Als ehemaliger imperialer Sklave hatte er gelernt, Frachter für die Rebellenallianz zu fliegen, und war dann auf Jäger umgestiegen, als in dem Jahr vor dem Tod des Imperators Knappheit an guten Piloten ausgebrochen war und man händeringend nach Leuten wie ihm suchte. Aus seiner Personalakte war zu erkennen, daß er an einigen psychosomatischen Krankheiten litt und daß die Wahrscheinlichkeit eines Nervenzusammenbruchs in den letzten Jahren gewachsen war. Dem Gutachten war zu entnehmen, daß diese Probleme aus dem Konflikt zwischen dem grundsätzlich sanftmütigen Wesen der Talz und dem auf Zerstörung feindlicher Ziele abgestimmten Kampfauftrag der Jägerpiloten zu suchen waren.

Wedge und Janson ließen ihn am Simulator die Flottenmanöver in der Schlacht von Endor durchspielen – eine an Zielen reiche Umgebung, wo die besten Jägerpiloten eindrucksvolle Abschußergebnisse erzielten. Der Talz machte seine Sache gut, aber Wedge und Janson sahen zu, wie seine biomedizinischen Werte in die rote Gefahrenzone kletterten – ein klares Anzeichen, daß er selbst im Simulator unter Streß stand. Sie wünschten dem enttäuschten Piloten einen guten Flug nach Hause und empfahlen ihm, sich zu den Frachtern zurückversetzen zu lassen.

»Nummer vier heute«, erklärte Janson, »ist Lieutenant Myn Donos.«

Wedge warf seinem Stellvertreter einen mitfühlenden Blick zu. »Hattest du Gelegenheit, mit ihm zu sprechen?«

»Nein. Er ist gerade erst im Stützpunkt eingetroffen. Aber Hobbies Bericht habe ich gelesen. Die militärische Abwehr hat ihn von allen Vorwürfen freigesprochen.«

»Gut. Dann bring ihn herein.«

Janson sprach in sein Kommlink, und gleich darauf trat ein Mann in der üblichen orangeroten Fliegerkombination der Neuen Republik ein. Er war ein wenig größer als der Durchschnitt und hatte ein rundes Gesicht mit einem dichten schwarzen Haarschopf. Sein Gesicht ließ keinerlei Bewegung erkennen. Er salutierte und blieb wie erstarrt stehen, bis Wedge seinen Gruß erwiderte.

»Lieutenant Donos, setzen Sie sich.«

»Danke, Sir.« Donos setzte sich in kerzengerader Haltung.

»Wie ich höre, wurden Sie von der Kommandostellung auf Gravan Sieben überprüft und für weiteren Jägereinsatz freigegeben. Gratuliere.«

»Danke, Sir.« Donos’ Gesichtsausdruck blieb unverändert.

Wedge sah zu Janson hinüber, der seinerseits Donos mit leicht verwirrter Miene beobachtete.

»Ihnen ist bekannt, daß wir dabei sind, eine neue X-Flügler Staffel aufzustellen.«

»Ja, Sir.«

»Interessiert, sich zu der neuen Einheit versetzen zu lassen?«

»Ja, Sir.« Die Stimme des Piloten ließ keinerlei Begeisterung erkennen, aber da war auch keine Spur von dem Schmerz zu merken, den er zweifellos noch über die Vernichtung seiner Staffel empfinden mußte. Wieder sah Wedge zu Janson hinüber; der hatte sich jetzt in seinem Sessel zurückgelehnt und musterte Donos gespannt.

»Wes sagte mir, daß Sie, bevor Sie zu der Allianz gekommen sind, zu den corellianischen Streitkräften gehört haben. Scharfschütze in einer Eliteeinheit im Antiterroristeneinsatz.«

»Ja, Sir.«

»Stehen Sie als Scharfschütze immer noch Ihren Mann?«

»Nein, Sir. Ich hatte in den letzten drei Jahren keine Gelegenheit, in Form zu bleiben.«

»Glauben Sie, Sie können Ihre frühere Fähigkeit zurückgewinnen, wenn Sie trainieren?«

»Ja, Sir.« Sein Tonfall ließ weder Stolz noch Begeisterung erkennen.

»Haben Sie Probleme mit der Rolle eines Scharfschützen?«

»Nein, Sir. Worin auch immer meine Rolle besteht, meine Aufgabe ist es, den Feind auszuschalten.«

»Richtig. Mir ist auch zu Ohren gekommen, daß Sie auf Corellia wegen besonderer Tapferkeit dekoriert worden sind. Damit sind Sie berechtigt, die corellianischen Blutstreifen zu tragen. Aber das tun Sie nicht. Warum?«

Donos ließ sich mit der Antwort ein wenig Zeit. »Mir kommt es nur ein wenig albern vor, Sir. Ebensogut könnte ich ein Zeichen tragen, auf dem steht ›Ich bin ein großartiger Mensch und spende den Bedürftigen.‹ Was soll’s?«

»Ich verstehe.« Wedge versuchte, im Ausdruck oder der Haltung des Piloten Anzeichen von Zorn, Stolz, Bedauern, irgend etwas zu erkennen, aber es gelang ihm nicht. »Nun, dann für den Augenblick willkommen in der Staffel der Ausbildungskandidaten.« Er schüttelte Donos die Hand. Eine Ehrenbezeigung, und dann war der Lieutenant wieder draußen.

»Früher hat er die Blutstreifen getragen«, sagte Janson. »Ich habe das erst bemerkt, als du es erwähnt hast. Das ist nicht der Myn Donos, den ich ausgebildet habe.«

»Interessant. Wieviel Zeit ist vergangen zwischen dem Start der Krallenstaffel zu ihrem letzten Einsatz und seiner Rückkehr? War da genug Zeit, daß der Feind ihn hätte gefangennehmen und programmieren können?«

»Nein. In seinem Bericht ist nicht einmal genug Zeit, daß er in einer Cantina einen Drink hätte zu sich nehmen können. Keine Andeutung, daß er jemals sein Cockpit verlassen hat. Er ist es, und er ist es doch nicht. Er hat mir nicht einmal in die Augen gesehen.«

»Also wollen wir sehen, was er leistet. Beim geringsten Anzeichen, daß bei ihm etwas in die Brüche geht, oder daß er aus psychologischen Gründen Urlaub braucht, streiche ich ihn von der Liste.«

»Verstanden.«

 

»Hyperkommsignal entdeckt, Admiral!«

Admiral Apwar Trigit sah von seinem Kommandosessel auf die abgesenkte Brücke hinunter. In seinem Gesicht war keine Gemütsregung zu erkennen. »Herkunft?«

»Kopfkode zeigt an, daß es von Zsinj auf Stützpunkt Rancor kommt!«

»Ich übernehme das Signal in meiner Kommzelle.« Er stand auf, wohl wissend, daß er mit seinem allmählich ergrauenden schwarzen Haar und Bart, seiner schlanken Gestalt und der silbern abgesetzten, schwarzen Uniform, die er selbst entworfen hatte, eine beeindruckende Gestalt abgab. Er ging mit gemessenen Schritten von der Brücke des imperialen Sternenzerstörers – auch wenn er Warlord Zsinj diente, sollten seine leitenden Offiziere erkennen, daß er sich und die Implacable Zsinj lediglich gegen Bezahlung unterstellt hatte, aber nach wie vor sein eigener Herr war.

In dem sphärischen Raum, den er sich für Kommunikationszwecke reserviert hatte, drückte Trigit einen Schalter an der Hauptkonsole. Gleich darauf erschien ein dreidimensionales Bild vor ihm – Zsinj, doppelt menschengroß, in einem schwarzen Kommandosessel sitzend, zweifellos dem an Bord der Iron Fist. Zsinj trug die schneidige weiße Uniform eines Großadmirals des Imperiums, einer Rangstufe, die er in Wirklichkeit nie erreicht hatte – aber im Augenblick war seine Macht so groß, daß niemand ihm das als Anmaßung hätte vorwerfen können.

Trigit mußte über Zsinjs Geltungsbedürfnis lächeln. »Mylord, wenn ich so zu Ihnen hinaufstarren muß, werde ich mir den Hals verrenken.« Er drehte langsam an einem Knopf, worauf Zsinjs Bild einschrumpfte, bis es nur noch ein wenig überdimensioniert war. Das Vergnügen, das es ihm bereitete, Zsinj einzuschrumpfen, ließ er sich nicht anmerken; bei den Streitkräften des Imperiums hätte man ihm das als schiere Unverschämtheit ausgelegt, und er hätte von Glück reden können, wenn man ihn dafür lediglich zum Piloten einer Müllschute degradiert hätte.

Der Warlord – ein korpulenter Mann mit schütter werdendem grauen Haar, gerötetem Gesicht und einem herunterhängenden Schnurrbart, der ihn irgendwie exotisch erscheinen ließ, lächelte huldvoll. »Ich habe gerade den Bericht über Ihre letzte Sendung gelesen. Ich wollte Ihnen zur Vernichtung der Krallenstaffel gratulieren.«

Trigit verneigte sich ein wenig ironisch. »Vielen Dank. Der Kodespleißer, der die falsche Information über die Sicherheit des Gravansystems eingeschleust hat, hat mir inzwischen gemeldet, daß die Krallenstaffel völlig außer Dienst gestellt worden ist.«

»Der Pilot, der dem Überfall entkommen ist – hatten Sie das so geplant? Oder war es ein Zufall? Das war aus dem Bericht nicht zu erkennen.«

»Nein, wir haben uns alle Mühe gegeben, ihn zu töten. Sein Reaktionsvermögen und seine Reflexe haben ihm das Leben gerettet. Aber wenn ich es mir jetzt im nachhinein überlege, dann ist das wahrscheinlich mindestens ebensogut, als wenn er mit den anderen getötet worden wäre. Er hat zweifellos seinen Vorgesetzten berichtet; und jetzt können die anfangen, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wieso es Kräfte geben kann, die so raffiniert und in der Lage sind, eine ganze X-Flügler Staffel auszulöschen, ohne daß sie das nennenswerte Mühe oder Verluste kostet. Noch ein paar solcher Einsätze, und die werden eine abergläubische Angst vor uns entwickeln.«

Zsinj lächelte. »Und wie steht es mit Ihrem Kodespleißer? Was, wenn man ihn erwischt und ihn zum Reden bringt?«

»Unmöglich. Sie hat ihren Einsatzort bei den Rebellen bereits verlassen. Ich lasse sie auf die Implacable bringen und gebe ihr hier eine Offiziersstelle.«

»Es wäre billiger gewesen, sie einfach eliminieren zu lassen. Ihr früherer Vorgesetzter hätte das getan.«

»Ja, Ysanne Isard hat ein Schreckensregiment über ihre Offiziere und Helfer geführt«, nickte Trigit. »Und wenn sie versagt oder sich sonst irgendwie als Belastung für sie erwiesen haben, hat sie sie eliminiert. Damit sie wußten, daß es für sie kein Happy End und keinen angenehmen Ruhestand geben konnte. Die einzige Aussicht für sie war buchstäblich der Tod oder die Flucht. Damit erwirbt man sich keine Loyalität. Das ist nicht meine Art.«

»Gut.«

»Aber das erklärt nicht, weshalb Sie mich unter so beträchtlichem Kostenaufwand kontaktiert haben.«

Zsinjs Lächeln wurde breiter. »Ich möchte frühe Ergebnisse über das Projekt Morrt hören.«

»Ah. Nun, die ersten paar tausend Parasitendroiden der Morrt-Klasse sind verteilt worden. Ich erhalte bereits die ersten vorläufigen Berichte. Natürlich konzentrieren sich die Signaltreffer auf die bekannten Bevölkerungszentren – die imperialen und unabhängigen ebenso wie die der Neuen Republik. Und dann gibt es auch Kontakte von unbekannten Plätzen und solchen, die als zerstört oder aufgegeben gekennzeichnet sind. Sobald wir mehr wissen, können wir Leute hinschicken und nachsehen.«

»Gut. Halten Sie mich über Ihre sämtlichen interessanten kleinen Operationen auf dem laufenden.«

»Ja, selbstverständlich, so wie immer, Mylord.«

Zsinj nickte huldvoll, und dann verblaßte sein Bild ins Nichts.

Trigit seufzte. Mit Zsinj war viel leichter umzugehen als mit Ysanne Isard, auch unter dem Namen Iceheart bekannt, der ehemaligen Leiterin des imperialen Geheimdienstes – und inzwischen von der Sonderstaffel getötet. Im Gegensatz zu Iceheart hatte Zsinj begriffen, wie unsinnig Verschwendung war – beispielsweise Untergebene zu ermorden, einfach weil einem danach war. Aber Zsinjs ständiges Bedürfnis, über jede Operation auf neuesten Informationsstand gebracht zu werden und seine Nase in jeden neuen Plan und jedes neue Vorhaben zu stecken, war äußerst belastend.

Nun denn. Solange Zsinj vernünftig blieb und dafür sorgte, daß die Implacable mit Treibstoff, Waffen, Proviant und Informationen versorgt wurde, würde Trigit bei ihm bleiben. Das war viel besser, als sich selbst auf den einsamen Pfad eines Warlords zu begeben.

Zumindest so lange, als er nicht über dieselbe Macht wie Zsinj verfügte.

 

»Noch welche?« sagte Wedge.

Janson warf einen Blick auf sein Chrono. »Allmählich wird es spät, aber wir müssen uns nur noch zwei Kandidaten ansehen.«

»Heute oder insgesamt?«

»Insgesamt. Mit deiner Sklaventreibermentalität hast du uns so unter Druck gesetzt, daß wir die erste Phase des Auswertungsprozesses schon beinahe hinter uns haben.« Janson warf einen Blick auf sein Datapad. »Der nächste heißt Voort saBinring, ein Gamorreaner.«

»Sehr witzig. Beim erstenmal hast du mich drangekriegt, aber zweimal funktioniert das nicht.«

»Er ist Gamorreaner.«

Man fand die grünhäutigen, schweinegesichtigen Gamorreaner in unausgebildeten Wach- und Polizeistreitkräften vieler Welten. Sie waren technisch primitiv und nicht an fortgeschrittenen Technologien interessiert, wie man sie für höherqualifizierte Berufe benötigte. »Es ist unmöglich, gamorreanische Männer zu Jägerpiloten auszubilden; das ist für die viel zu kompliziert. Und ihr Drüsensystem macht sie gewalttätig und ungeduldig.«

»Er ist Gamorreaner.«

»Na, wenn es dir Spaß macht, dann laß ihn hereinkommen.«

Janson sprach in sein Kommlink. Gleich darauf trat ein Gamorreaner ein – einen Meter neunzig groß, schweinegesichtig und in der Uniform eines Piloten der Neuen Republik gekleidet, wobei das auffällige Orange seiner Kombination im Kontrast zu seiner grünen Haut einem fast Übelkeit erregte – und salutierte.

Janson lächelte Wedge zu. »Yupp, yupp, Commander.«

 

Jedesmal, wenn der Gamorreaner etwas sagte, kam zuerst seine natürliche Stimme – ein für ein menschliches Ohr unangenehm klingendes Grunzen und Quieken – heraus. Dann wurde es von seiner anderen, mechanischen Stimme übertönt, die aus seinem in seinen Hals implantierten Übersetzungsgerät kam. »Nein, Commander, ich habe seit meiner Kindheit nicht unter anderen Gamorreanern gelebt.«

Wedge räusperte sich. »Sie werden sicherlich begreifen, daß mir das neu ist. Aber ich bin wirklich neugierig, wie Sie es, nun ja, fertiggebracht haben, sich über die biologischen Gegebenheiten Ihrer Rasse hinwegzusetzen und das Fliegen zu lernen.«

»Ich habe mich nicht über meine Biologie hinweggesetzt. Man hat mir diese Veränderungen aufgezwungen. Das habe ich Binring Biomedical Products zu verdanken.«

»Den Namen kenne ich. Sie versorgen die Streitkräfte des Imperiums mit Lebensmitteln. Widerliche grüne Nährpasten, die eine Ewigkeit brauchen, bis sie verderben. Perfekt für Sturmtruppler.«

Der Gamorreaner nickte. »Sie adaptieren auch Lebewesen an unterschiedliche planetarische Gegebenheiten. Und dann gibt es auch noch unangenehmere Experimente. Ich war eines davon. Der Imperator wollte für Spionagezwecke Gamorreaner mit menschenähnlicher Selbstkontrolle. Man hat dazu Änderungen an meiner Biochemie vorgenommen. Meine Aufmerksamkeitsspanne übersteigt die menschliche Norm. Meine mathematischen Fähigkeiten entsprechen nach menschlichen Standards denen von Genies. Ich verliere nie die Kontrolle über meinen Zorn.«

»Und das war ein imperiales Projekt?« Wedge ließ sich diese neue Erkenntnis durch den Kopf gehen. »Wie viele wie Sie gibt es?«

»Niemanden. Ich bin der einzige, bei dem dieses Experiment erfolgreich war.«

»Alle anderen Umwandlungen endeten tödlich?«

»So könnte man sagen. Alle anderen haben Selbstmord begangen.«

»Warum?«

»Wenn ich das wüßte, würde ich auch dazugehören. Aber ich bin sicher, daß es etwas mit Isoliertheit zu tun hat. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie das einzig denkende menschliche Wesen in der ganzen Galaxis wären und man Sie zwingen würde, unter Gamorreanern zu leben, und wenn alle anderen Menschen, die Ihnen je begegnen, blutdürstige Primitive wären?«

»Da mögen Sie recht haben.« Wedge lehnte sich zurück und musterte den unglücklichen Kandidaten eine Weile. »Wie sind Sie dazu gekommen, sich der Allianz anzuschließen?«

»Einer meiner Erschaffer, der zugesehen hatte, wie seine anderen … Kinder … sich nacheinander selbst das Leben nahmen, hat mich an einer ganzen Anzahl unterschiedlicher Simulatortrainingsprogramme teilnehmen lassen, um meine Kapazität zu messen. Wenigstens hat er das gesagt. In Wirklichkeit hat er es getan, um mir beizubringen, wie man verschiedene Fahrzeuge des Imperiums und der Allianz steuert. Und dann hat er mir dazu verholfen, aus der Binringanlage zu fliehen. Und so kam ich schließlich nach Obroaskai.«

»Der Bibliothekswelt.«

»Ich habe dort sehr viel gelernt und schließlich beschlossen, bei der Allianz einzutreten.«

»Ihr, äh, Erschaffer – er hat sich nicht für die Flucht entschieden?«

»Er war wegen der Projekte, die er durchgeführt hatte, sehr traurig und hat sich dazu entschlossen, seinen anderen Kindern in den Tod zu folgen.«

Wedge zuckte zusammen. »Also schön. Um wieder auf unser augenblickliches Thema zurückzukommen: In Ihrer Dienstakte ist zu lesen, daß Sie Probleme haben, Ihr Temperament zu zügeln. Ihnen steht ein Kriegsgerichtsverfahren bevor, weil Sie einen Vorgesetzten geschlagen haben – aber besagter Offizier ist bereit, die Anklage fallenzulassen, wenn Sie nur versetzt werden und möglichst weit weg von ihm kommen. Was haben Sie dazu zu sagen?«

Der Gamorreaner ließ sich ein paar Augenblicke mit seiner Antwort Zeit. »In der Neuen Republik gibt es zwei Arten von Piloten. Diejenigen, die früher für das Imperium geflogen sind und eine irrationale Abneigung gegen Nichtmenschen mit sich herumtragen, und diejenigen, die unangenehme Zusammenstöße mit Gamorreanern gehabt haben.«

»Das sehe ich anders.«

»Sie haben auch nicht das erlebt, was ich erlebt habe. Und nach meiner Erfahrung sehen sich gamorreanische Flieger einem hohen Maß von Beschimpfungen und Beleidigungen seitens ihrer Kollegen ausgesetzt. Und das geht weit über Kollegenstreiche hinaus und kann zu Sabotage und Lügen und tätlichen Angriffen führen.«

»Sie haben Ihren Vorgesetzten nicht geschlagen?«

»Ich habe mehrere Kollegen in moderierten Wettkämpfen geschlagen. Ich mußte keinen von ihnen öfter als einmal schlagen. Sie werden feststellen, daß die Anklage gegen mich binnen einer halben Stunde nach dem angeblichen Zwischenfall erhoben worden ist. Aber ich kann Ihnen versichern, daß niemand, den ich jemals geschlagen habe, bereits eine halbe Stunde danach fähig war, zusammenhängend zu sprechen. Sir, er hat mich geschlagen; ich habe seinen Schlag abgeblockt. Aber in seiner Erinnerung ist das zu einem Angriff meinerseits geworden. Er ist nur deshalb bereit, die Anklage zurückzuziehen, weil er nicht stark genug ist, um die Verantwortung für das ganze Maß meiner Verfolgung zu übernehmen.«

Wedge dachte nach. »Nun, das ist für den Augenblick alles. Die Kandidatenausbildung beginnt morgen.« Er stand auf. Die anderen folgten seinem Beispiel, und er schüttelte dem Gamorreaner die Hand. »Übrigens, wie wollen Sie angesprochen werden? Voort?«

»Mir ist Voort recht. Aber viele andere sagen Piggy zu mir. Damit bin ich auch einverstanden, weil ich über den negativen Beigeschmack dieses Spitznamens hinwegsehen kann.«

Wedge und Janson wechselten Blicke. »Der Lieutenant und ich haben einmal einen ausgezeichneten menschlichen Piloten gekannt, den alle Piggy nannten. In dieser Staffel hat das keinen ›negativen Beigeschmack‹. Es ist eher so etwas wie ein Ehrenname, und ich kann nur hoffen, daß Sie sich seiner würdig erweisen werden.«

»Ich werde mir alle Mühe geben.«

Als der Gamorreaner hinausgegangen war, sagte Wedge: »Ich hätte gern gewußt, was Porkins von ihm gehalten hätte.«

Janson zuckte die Achsel. »Das werden wir besser beurteilen können, wenn wir einmal mit ihm geflogen sind.«

»So, und wer ist jetzt der nächste? Ein Mynock? Eine Wompratte?«

»Du liebe Güte, das ist ja richtig paranoid. Nein. Als nächster und letzter kommt ein menschlicher Mann, Kell Tainer von Sluis Van. Ich glaube, das ist genau der Führungstyp, den du an deiner Stelle haben willst, wenn für dich die Zeit gekommen ist, wieder in die Sonderstaffel zurückzukehren, immer unter der Voraussetzung, daß Myn Donos nicht wieder normal wird.«

»Gut. Laß ihn hereinkommen.« Kurz darauf trat Flight Officer Tainer ein. General Crespin wird von ihm begeistert sein, entschied Wedge für sich.

Kell Tainer war beinahe zwei Meter groß, mit einem gut geschnittenen Gesicht, das wie für das Holo gemacht schien. Dunkles, kurz geschnittenes Haar, hellblaue Augen – nur noch ein wenig heller, und er würde damit wie ein Verrückter aussehen, aber so wie sie waren, wirkten sie geradezu hypnotisch, durchdringend. Er war wie ein Athlet gebaut, vielleicht sogar ein wenig zu breitschultrig, um sich im Cockpit eines X-Flüglers wohl zu fühlen, aber das war sicher ein Problem, für das er bereits eine Lösung gefunden hatte.

Kell salutierte zackig und blieb dann wie erstarrt stehen, bis Wedge die Ehrenbezeigung erwiderte. »Flight Officer Tainer meldet sich zur Stelle, Sir. Ist mir ein Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen.«

»Ganz meinerseits. Ich darf Ihnen meinen Stellvertreter, Lieutenant Janson, vorstellen.«

Kell hatte sich zu Janson herumgedreht und zum Gruß angesetzt, als Wedge zu sprechen begonnen hatte. Jetzt sah Wedge, wie der Rücken des Piloten plötzlich steif wurde. Tainers Ehrenbezeigung wurde starr und roboterhaft. »Lieutenant Wes Janson, Sir?« fragte Kell, ohne Janson dabei anzusehen.

»Ja, der bin ich«, sagte Janson verblüfft. Erst jetzt fiel ihm ein, die Ehrenbezeigung zu erwidern. Kell drehte sich wieder zu Wedge herum, aber sein Blick ging über Wedges Kopf ins Leere. »Ich bitte um Entschuldigung, Sir. Ich kann nicht in diese Staffel eintreten. Ich ziehe meine Bewerbung zurück. Erlaubnis, wegzutreten?«

Wedge fragte: »Warum?«

»Ich würde es vorziehen, das nicht zu sagen, Sir.«

»Verstanden. Und jetzt beantworten Sie die Frage.«

Kell schien einen Augenblick lang zu vibrieren, man konnte sehen, wie seine Muskeln sich gegeneinander spannten. Dann sagte er mit leiser Stimme: »Dieser Mann hat meinen Vater getötet, Sir. Erlaubnis wegzutreten?«

Janson war inzwischen um den Schreibtisch herumgegangen und stand jetzt mit sichtlich entsetzter Miene neben Wedge. Sein Blick wanderte über Kells Gesicht, und ein Schatten des Erkennens huschte über seine Züge. »Tainer – Sie haben nicht immer Tainer geheißen, oder?«

»Nein, Sir.«

»Doran?«

»Ja, Sir.«

Janson wandte sich ab, und sein Blick wanderte über die Jahre zurück, suchte etwas.

»Erlaubnis wegzutreten, Sir?« wiederholte Kell.

»Warten Sie im Flur«, sagte Wedge.

Kell ging hinaus.

Wedge sah seinen Stellvertreter an. »Was ist da los?«