13

Coruscant

 

In einem tiefen Tunnel, einem Instandhaltungsgang, der von den Wohnungen der Umgebung isoliert war, einem Gang, in den ständig mehr schmutziges Wasser aus den oberen Ebenen triefte, wurde das Voxyn lebhafter. Es hob den Kopf und begann mit den vertrauten Seitwärtsbewegungen. Die Yuuzhan-Vong-Krieger waren aufgeregt und überließen dem Voxyn und seinem Wärter die Spitze.

»Krieger, flankiert es«, befahl Denua Ku. »Wir können uns nicht leisten, auch noch dieses Voxyn zu verlieren. Sie sind zu selten geworden.«

Zwei Krieger gingen nach vorn, einer auf jeder Seite des Voxyn. Sie hielten sich jedoch außer Reichweite seiner Klauen, auch wenn das bedeutete, durch die schwarze Flüssigkeit zu waten, die sich auf dem Boden sammelte. Nichts jedoch würde sie gegen die Säure des Tieres schützen, wenn es sich entschloss, sie anzuspucken.

Zweihundert Schritte weiter blieb das Voxyn stehen. Es starrte nach links oben.

»Findet einen Zugang«, befahl Denua Ku.

Zwei Krieger rannten weiter den Tunnel entlang und fanden bald schon Treppen nach oben. Das Voxyn musste weitergezerrt werden, denn es fühlte sich dort, wo es war, näher an seinem Ziel, aber sobald es sich im Treppenhaus befand, sprang es mit einer Energie die Stufen hinauf, die es zuvor nicht an den Tag gelegt hatte.

 

Mara kroch vierzig Meter über dem Boden einen Metallträger entlang. Das Licht von den Lampen, verlöschenden Glühstäben und von den Fackeln drunten erreichte sie kaum; sie ging davon aus, dass ihre dunkle Kleidung und ihre Geschicklichkeit verhinderten, dass man sie sehen konnte.

Der Boden unter ihr war unregelmäßig und zum Teil aufgeworfen; das Ergebnis eines der Erdbeben, die, wie Danni sagte, Coruscant plagten, seit die Yuuzhan Vong begonnen hatten, die Umlaufbahn des Planeten zu verändern. Der Boden war mit einem schwarzen Material überzogen, mit einem klebrigen, gummiartigen Zeug, das Mara schon auf zahllosen Dächern anderer Gebäude auf anderen Planeten gesehen hatte. Dass es hier benutzt worden war, zeigte, dass diese Oberfläche nicht als Arbeits- oder Wohnbereich gedacht war − aber nun war sie voller Personen. Ein ununterbrochener Strom hagerer Männer und Frauen unterschiedlichster Spezies kam von den Treppen an den vier Ecken des Raums oder ging auf diese Treppen zu. Sie trugen Lumpen, sie kümmerten sich nicht umeinander, sie blinzelten kaum, und sie schleppten Durabetonblöcke, Trümmer und Leichenteile weg, zerrten all das durch einen Seitengang nach draußen und kehrten ohne Traglasten wieder zurück.

Offenbar gruben sie in dem Raum oder den Räumen unter diesem schwarzen Boden etwas aus, und zwar auf Befehl eines anderen. Aber wo − und was − war dieses Geschöpf? Es gab hier keine Spur von den Yuuzhan Vong und auch keine von Lord Nyax.

Vom Ende des Metallträgers aus, der hin und wieder unter ihrem Gewicht oder aufgrund der Zugluft im Raum wackelte, konnte Mara direkt in den Raum hinabschauen. Der Boden hing in der Mitte durch, was vermuten ließ, dass sich darunter nur ein einziger Raum befand. Sie holte ihr Kom heraus. »Luke«, flüsterte sie.

»Ich bin hier.«

Das wusste sie; sie konnte ihn spüren, Dutzende von Metern hinter ihr, in der Nähe einer der vier oberen Ecken dieses Raums, an dem Loch, das Elassar gefunden hatte. Bei ihm waren Tahiri, Face und Kell. Jeder von ihnen hätte auf diesen Metallträger kriechen können, aber Mara war dran gewesen.

»Ich nehme an, es wäre einfach genug, sich einer dieser Gruppen von Arbeitern anzuschließen«, sagte Mara. »Ich glaube, sie würden nicht mal reagieren, wenn ein Wampa mit einem Helm und einem Ballettröckchen anfangen würde, mit ihnen zusammenzuarbeiten.«

Nun erklang Faces Stimme durch das Kom. »Gib mir eine Minute; ich glaube, diese Verkleidung lässt sich machen.«

»Wie wäre es, wenn du bei deiner derzeitigen Verkleidung bleibst und lieber nachsiehst, was sie da ausgraben?«

»Spielverderberin. Ich brauche etwa zehn Minuten, um nach unten zu kommen.«

»In Ordnung.« Sie erstarrte. »Wartet noch eine Sekunde. Etwas verändert sich.«

Die Arbeiter blieben an Ort und Stelle stehen und wandten sich alle einer Ecke zu. Mara strengte sich an, etwas zu erkennen, dann gab sie es auf und benutzte das Fernglas.

In dieser Ecke wurde eine Metallplatte von einem Mechanismus auf der anderen Seite weggezogen … und dann erschien Lord Nyax.

Mara zischte leise. Sie zwang sich, jedes weitere Geräusch zu vermeiden, eine unnötige Vorsichtsmaßnahme, denn kein Lebewesen hätte sie aus dieser Entfernung hören können. Aber der Kontrast zwischen der böswilligen Machtpräsenz, die sie von diesem Mann spüren konnte, und seiner vergnügten Miene war verblüffend.

Sie hätte beinahe das Fernglas fallen lassen. »Luke, hast du das gespürt?«

»Ja. Vielleicht solltest du hierher zurückkommen.«

»Vielleicht auch nicht.« Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Mann in der Ferne zu. »Aber sprich weiter mit mir.«

»In Ordnung. Was siehst du?«

»Lord Nyax. Er ist durch die Wand gekommen, und er geht auf die Arbeitsmannschaft zu. Er ist allein.«

»Wie sieht er aus?«

»Glücklich. Wie ein Kind.« Einen Augenblick konnte sie tiefer in Lord Nyax’ Gedanken schauen, als ein physischer Blick es erlaubt hätte. »Er ist zufrieden mit ihrem Fortschritt. Sie sind fertig damit.«

»Sie sind fertig womit

»Was immer er ihnen aufgetragen hat.« Mara schüttelte den Kopf, als versuche sie, die fremden Gedanken mithilfe der Zentrifugalkraft aus ihrem Kopf zu schütteln. »Ich kann mich offenbar nicht abschirmen, Luke. Ich kann es nicht blockieren.«

»Ich auch nicht. Und Tahiri geht es genauso. Ich komme zu dir.«

Mara schaute zurück. In der Ferne erschien eine dunkle Gestalt aus einem Loch in Deckenhöhe und bewegte sich über die noch erhaltenen Metallträger, geschickt wie ein Akrobat.

Dann spürte sie etwas anderes in der Macht, einen Hunger, der überhaupt nicht zu Lord Nyax zu passen schien. Sie wandte sich wieder der riesigen Gestalt zu.

Das Geschöpf mit dem Gesicht von Irek Ismaren blieb kurz vor der nächsten Gruppe von Arbeitern stehen und schaute nun zu der Ecke direkt unterhalb der Stelle, an der Luke hereingekommen war. Auf der Treppe erklang Kreischen.

Gestalten stürzten aus dem Treppenhaus vier bewaffnete Yuuzhan-Vong-Krieger in Rüstungen, und der fünfte, der aus dem Treppenhaus kam, wurde von einem Voxyn an der Leine mitgezerrt. Von dort war also der Hunger ausgegangen, es war die verzweifelte Gier des Voxyn gewesen, alle, die sich der Macht bedienten, zu finden und zu vernichten.

Der Kopf des Voxyn bewegte sich, als es sich im Raum umschaute. Mara sah, wie seine Aufmerksamkeit Luke streifte, dann sie selbst − sie spürte die Wahrnehmung des Voxyn wie eine körperliche Berührung −, und wie sie dann auf Lord Nyax zu ruhen kam. Das Voxyn sprang auf den riesigen Mann zu, und sein Wärter konnte es trotz der Leine nicht zurückhalten. Ein zweiter Krieger griff nach der Leine, fügte seine Kraft der des ersten hinzu, und gemeinsam gelang es ihnen, das Voxyn zum Stehen zu bringen.

Lord Nyax lächelte die Krieger an, jetzt zwanzig von ihnen, die zu einem Halbkreis ausgeschwärmt waren. Sie kamen auf ihn zu, die Amphistäbe in der Hand, und einige griffen nach Knallkäfern oder Messerkäfern. Sie bewegten sich durch die Gruppen von Arbeitern, stießen sie verächtlich beiseite, rissen sie um.

Der Träger, auf dem Mara hockte, wackelte stärker, je näher Luke kam. Als er direkt hinter ihr war, streckte er sich aus und zog sein eigenes Fernglas heraus.

Mara spürte eine plötzliche Flut von Hass − nicht auf Luke, nicht auf Lord Nyax, sondern auf die Yuuzhan Vong. Sie wusste allerdings, dass dieses Gefühl von außerhalb ihrer selbst kam, und das machte es nicht ganz so mitreißend, wie es hätte sein können.

Und im gleichen Augenblick schrien die Arbeiter voller Hass auf und stürzten sich auf die Yuuzhan Vong.

Die Krieger schwangen ihre Stäbe und schlugen zu. Mara sah, wie Arbeiter schwer getroffen wurden. Wenn diese Angriffe nicht sofort tödlich waren, warfen sich die Arbeiter weiter auf die Yuuzhan Vong, rissen sie um, brachten sie durch ihre schiere Anzahl zu Boden.

Die beiden Krieger bei dem Voxyn fielen. Das Voxyn raste auf Lord Nyax zu, sein zorniges Knurren war deutlich über dem allgemeinen Lärm zu vernehmen.

Ein Lichtschwert, ein rotes, erschien in Lord Nyax’ Hand. Dann schaute Mara noch einmal hin. Das hier war kein normales Lichtschwert; die Energieklinge kam aus dem Rücken seines metallischen Handschuhs. Es drehte sich, als er die rechte Hand bewegte. Ein weiteres Schwert erschien aus seinem linken Handschuh.

Das Voxyn, alt und schlau, blieb in drei Metern Abstand von Lord Nyax stehen und krümmte den Rücken. Es machte ein Geräusch, als würde der gesamte Teppichboden eines Schlafzimmers plötzlich zerrissen, und ein Batzen dunkler, rauchender Flüssigkeit schoss aus seinem Maul.

Ein Teil des Bodens zwischen dem Voxyn und Lord Nyax löste sich, hob sich, blockierte den Weg der Flüssigkeit. Die Säure des Voxyn spritzte darauf und brannte sich beinahe sofort durch, aber danach flog sie nicht mehr mit demselben Schwung weiter. Säure und Bodenreste fielen herunter, und das Geräusch der chemischen Reaktion der Säure war selbst auf diese Entfernung zu hören.

Gestürzte Yuuzhan-Vong-Krieger erhoben sich jetzt, wieder frei von den Massen, die sich auf sie geworfen hatten. Mara sah, wie Glieder mit gekonnten Amphistabschlägen abgetrennt wurden, sah Blutströme, sah arterielles Blut hoch in die Luft spritzen, sah, wie die verzweifelt, aber wirkungslos kämpfenden Arbeiter niedergemetzelt wurden.

Weitere rote Lichtschwertklingen sprangen aus Lord Nyax’ Körper. Mara sah Klingen, die von seinen Ellbogen nach unten reichten, und andere ragten von seinen Knien aus nach oben.

»Wir müssen helfen«, sagte Luke.

Mara drehte sich um. Luke band das Seil seines Greifhakens, den er einige Zeit nicht benutzt hatte, der aber zweifellos ein nützliches Werkzeug für die Erforschung der unteren Bereiche von Coruscant gewesen war, um den Metallträger.

»Wem helfen?«

»Den Vong. Ja, ich weiß, ich weiß, du hast sicher noch nie gehört, wie jemand einen solchen Vorschlag machte.« Luke rollte sich vom Träger und fiel, sein Abstieg gebremst von einer Hand an dem Seil; mehr Seil lief aus seinem Gürtel, als er sich weiter hinunterließ. »Ich mache mir nicht wirklich Sorgen um die Yuuzhan Vong«, sagte er. »Aber wir brauchen unbedingt alle Hilfe, die wir gegen Lord Nyax einsetzen können.«

Mara zischte verärgert. Sie steckte ihr Fernglas weg, packte Lukes Seil und schwang sich von dem Metallträger, um hinter ihrem Mann herzurutschen.

Aus dem Augenwinkel sah sie, wie das Voxyn Lord Nyax angriff. Er duckte sich unter dem Sprung des Tieres durch und beugte einen Arm. Seine Ellbogenklinge schnitt tief in die Eingeweide des Voxyn, trennte das Tier sauber in zwei Teile. Es fiel in Stücken hinter ihm herunter.

Und als Mara sich weiter an dem Seil nach unten schwang, entdeckte sie die Frau.

Die Frau war dunkelhaarig und attraktiv, und sie stand oben auf der Treppe, über die die Yuuzhan Vong hereingekommen waren. Anders als die Arbeiter war sie sehr aufmerksam und beobachtete den Kampf mit einer Miene kühlen Interesses.

Viqi Shesh!

Mara spürte, wie ihr kalt wurde. Die Frau, die geholfen hatte, Coruscant an die Yuuzhan Vong zu verraten, die Frau, die Maras Sohn Ben entführt hatte, war hier und trieb sich mit ihren Yuuzhan-Vong-Herren herum, während die Welt rings um sie her einstürzte.

Mara öffnete sich Luke in der Macht − etwas, was sie normalerweise nicht gerne tat, wenn kalte Mordgedanken sie erfüllten − und zeigte ihm Viqi durch ihre Augen. »Zuerst Viqi«, sagte sie.

»Zuerst Lord Nyax«, antwortete er. Zehn Meter oberhalb des Bodens löste er die Seilspule von seinem Gürtel und ließ das Seil los. Er landete in einer Rolle und kam im Laufschritt auf Lord Nyax zu.

Mara warf Viqi einen letzten Blick zu, einen Blick, der, wäre er eine körperliche Manifestation ihres Zorns gewesen, die Frau so sauber durchdrungen hätte wie die Spitze eines Amphistabs. Dann ließ Mara sich ebenfalls fallen, rollte sich ab und folgte ihrem Mann.

Vor ihnen hatten die beiden ersten Yuuzhan-Vong-Krieger Lord Nyax erreicht.

 

Viqi sah zu, wie der riesige bleiche Mann die Yuuzhan Vong niedermetzelte.

Die beiden ersten Krieger blieben ein Dutzend Schritte von dem Geschöpf entfernt stehen und warfen Knallkäfer. Der bleiche Mann zuckte, und die Lichtschwertklingen von einem Unterarm und einem Knie hoben sich und ließen die lebenden Insektenwaffen verglühen.

Zwei weitere Krieger rannten auf ihn zu, griffen in der Deckung von Knallkäfern an und schwangen ihre Amphistäbe; einer schlug mit dem Schwanz der Waffe zu und der andere mit den Reißzähnen.

Der bleiche Mann trat näher zu dem zweiten Krieger. Die Reißzahnattacke des ersten Kriegers ging einen Meter vorbei. Die linke Unterarmklinge des bleichen Mannes schoss auf den zweiten Krieger zu, der den Angriff abwehrte, indem er seinen Amphistab um die Waffe schlang. Dann zog der bleiche Mann die linke Ellbogenklinge über die Kehle des Kriegers und trennte ihm den Kopf vom Köper. In der gleichen Bewegung hatte er auch die rechte Handklinge, die rechte Ellbogen- und die rechte Knieklinge gehoben, und wohin sie auch zuckten, wurde es heller Knallkäfer glühten auf und verdampften.

Der bleiche Mann warf den Amphistab des toten Kriegers nach dem ersten Krieger. Der Krieger fegte ihn verächtlich aus dem Weg und überreagierte, als er seinen eigenen Stab benutzte, um einen Lichtschwertstoß abzufangen − er konnte das zweite Lichtschwert nicht mehr abwehren, als es ins Augenloch seines Helms fuhr. Er fiel zu Boden, und Rauch quoll aus seiner Maske, als er starb.

Mehr Krieger griffen an − zwei warfen immer noch Knallkäfer, vier weitere kamen rutschend neben ihren Kameraden zum Stehen und warteten nur eine Sekunde, um ihre Strategie zu überdenken.

Ein Stück Stahl von der Decke bewegte sich nach unten wie ein Sägeblatt. Es traf die Krieger auf Kniehöhe, und einen Sekundenbruchteil glaubte Viqi, es hätte sie verfehlt. Dann brachen die sechs Krieger zusammen, die Beine an den Knien abgetrennt, und Blut spritzte aus den Wunden.

Nur Sekunden waren vergangen. Acht Yuuzhan-Vong-Krieger und ihr Voxyn waren tot. Siebzehn Krieger lebten noch.

Sie näherten sich vorsichtiger als ihre Kameraden. Angeführt von Denua Ku, umkreisten sie den lächelnden, selbstsicheren bleichen Mann, der hoch über ihnen aufragte.

Die wirbelnde Stahlplatte kam ein zweites Mal herum, aber diesmal erhob sich eine Luftkühlereinheit, die ein paar Meter weiter an der Seite gestanden hatte, vom Boden, als wäre sie eine gelenkte Rakete, und warf sich in den Weg der Metallplatte. Die Platte wickelte sich mit dem wilden, beinahe tierhaften Schrei sich biegenden Metalls um das Gerät, und beides fiel auf den Boden.

Der bleiche Mann schaute zu einer Stelle links von Viqi. Sie folgte seinem Blick und sah Luke Skywalker und Mara Jade, die mit gezündeten Lichtschwertern auf den bleichen Mann zukamen.

Viqi riss die Augen auf. Was wollten diese Jedi hier?

Auch die Yuuzhan Vong schienen verwirrt. Denua Ku hatte für die Jeedai ebenso wenig übrig wie alle anderen Krieger, aber er war schlau; Viqi sah, wie er seine Leute zurückwinkte und wartete, bis er wusste, was die Jedi vorhatten.

Es war Zeit zu gehen. Ganz gleich, wer siegreich aus diesem Kampf hervorginge, Viqi würde entweder sterben oder wieder in den Dienst der Yuuzhan Vong gezwungen werden. Sie drehte sich um, wollte zur Treppe rennen.

Und fiel über ein ausgestrecktes Bein. Das Bein trug Vonduun-Krabben-Rüstung.

Sie blickte verwirrt auf. Alle Yuuzhan-Vong-Krieger waren vor ihr gewesen. Wo kam dieser hier her? Er war der größte, den sie je gesehen hatte, und trug eine ungewöhnliche schwarz-silberne Rüstung, ebenso wie der kleinere Krieger neben ihm, der diese seltsamen Brandnarben im Gesicht hatte.

Der kleine sagte nun: »Was haben wir denn hier, Sprengstoff-Boy?« Seine Stimme war kultiviert, sein Basic perfekt.

Der große sagte: »Keine Ahnung.« Auch er sprach Basic. Er griff nach unten, packte einen von Viqis Fußknöcheln und richtete sich auf. Viqi hing mit dem Kopf nach unten an einem Bein. »Ziemlich mickrig, würde ich sagen.«

Viqi wurde schwindlig, und sie konnte nur zusehen, wie eine schlanke Jedi-Frau mit blitzendem Lichtschwert an ihr und den beiden Kriegern vorbeirannte und nicht auf diese Yuuzhan Vong achtete.

Ein Scheppern über ihrem Kopf ließ sie zusammenzucken. Sie blickte auf − oder genauer gesagt hinunter zum Boden − und sah die Fernbedienung dort liegen.

Sie wollte danach greifen, aber der hoch gewachsene Krieger schwang sie zur Seite. »Würdest du das bitte aufheben, Poster-Boy?«

»Hab es.« Der, den der andere als Poster-Boy angesprochen hatte, griff nach dem kleinen Gerät und richtete sich wieder auf. »Ah, ein Lokalisator, militärische Ausfertigung. Uulshos hat diese Dinger hergestellt. Heh, es funktioniert.«

Viqi fand endlich ihre Stimme wieder. »Das da gehört mir.«

»Nicht mehr, Senatorin.«

 

Luke und Mara näherten sich Lord Nyax und seinen Yuuzhan-Vong-Angreifern. Sie waren auf der Hut, und ihre Sinne − sowohl die körperlichen als auch die der Macht − waren vollkommen aufmerksam.

Luke betrachtete das Gesicht, das er vor sich hatte. Er suchte nach einer Spur von Menschlichkeit, aber er sah nur lächelnden Hohn, und er konnte das Geschöpf durch die Macht spüren, seine Freude darüber, die Krieger getötet zu haben, seine Vorfreude darauf, bald auch Mara und Luke niederzumetzeln.

Es gab kein Erkennen in seinen Gefühlen, keine Anerkennung von Verwandtschaft irgendeiner Art.

»Ich weiß nicht, ob du mich verstehen kannst«, sagte Luke, »aber was immer du tust, was immer deine Pläne sein mögen, ich muss dich aufhalten.«

Lord Nyax’ Grinsen wurde breiter. Er schien Lukes, Absicht zu erkennen, auch wenn er seine Worte wahrscheinlich nicht verstand.

Dann antwortete er − nicht in Worten, sondern in Bildern. Luke sah die Kraft seines Willens, ausgedrückt durch die Macht, über die verbliebene Bevölkerung von Coruscant tosen wie Wasser, das nach einem Dammbruch durch eine Schlucht rauscht. Er sah, wie die von Nyax Gelenkten über Coruscant herfielen, und alles, was sich ihnen in den Weg stellte, töteten und fraßen − die Yuuzhan Vong, die Ungehorsamen, die Machtblinden. Er sah die Arbeiter in die Maschine in dem Raum unter ihren Füßen steigen und mit ihr durch Kilometer von Gebäuden brechen, bis sie ihr Ziel erreichten, eine Quelle für weitere Macht, um diesen wunderbaren, freudigen, zerstörerischen Impuls weiterhin anzutreiben.

In diesem Augenblick schloss Luke sich dem Plan an. Er sehnte sich danach, die Außenseiter zu töten, alle, die nichts verstanden oder sich nicht anschlossen. Er sehnte sich danach, ihr Fleisch zu schmecken.

Er wandte sich Mara zu, wollte sie auffordern mitzumachen. Sie stand den Yuuzhan-Vong-Kriegern gegenüber und hielt sie davon ab, Luke mit einem Angriff zu überraschen, aber dann wurde ihr Blick von Luke angezogen. Ihre Augen wurden größer, und er konnte spüren, wie sie sich ihm geistig näherte − ihm und einem Akzeptieren dieser wichtigen Pflicht.

Aber ihr Anblick brachte auch Erinnerungen. Luke sah wunderschöne Planeten. Er sah seinen Sohn, entstanden aus ihrer Verbindung, sah all die Jahre, die vor diesem kleinen Jungen lagen. Am Rand von Lord Nyax’ Befehl spürte er die Macht, die Möglichkeiten, die sie bot, das Leben, das ihre Quelle war.

Er wandte sich wieder Lord Nyax zu und rang darum, Worte zu finden, die seine Gedanken ausdrückten. »Ich … stelle … mich … dir … in den … Weg.«

Das war die Art der Jedi. Jedi griffen nicht an. Aber sich in den Weg eines gewalttätigen Aggressors zu stellen, der nicht aufgeben wollte, führte zu dem gleichen Ergebnis.

Als Anführer der Jedi in Kriegszeiten konnte er nichts anderes tun, als sie in den Weg des Feindes zu führen. Das war, wie Luke erkannte, vielleicht seine größte Einschränkung, und bei seinem Ringen mit dieser Einschränkung, ohne sie wirklich zu verstehen, hatte er möglicherweise die Wirksamkeit der Jedi gegenüber dem Feind begrenzt.

Aber nachdem er das nun erkannt und akzeptiert hatte, war es vielleicht seine größte Stärke. Ob zufällig oder aufgrund eines Entschlusses, ob durch seinen eigenen Willen oder durch die Macht, er hatte sich stets im Weg der größten Feinde aller lebenden Wesen befunden.

Und nun geschah es wieder einmal. »Ich stelle mich dir in den Weg«, wiederholte Luke und freute sich, dass er seine Stimme wieder beherrschte. »Was du wünschst, wirst du nicht erreichen.«

Auf Lord Nyax’ Zügen wich die spöttische Heiterkeit dem Ernst … sogar einer gewissen Traurigkeit, als hätte er für einen kurzen Augenblick doch so etwas wie Verwandtschaft erkannt und entdeckt, dass er die Kluft zwischen ihnen nicht überbrücken konnte.

Dann griff er an.

 

Kell hatte Viqis Hände hinter ihrem Rücken gefesselt und blickte gerade noch rechtzeitig auf, um Lord Nyax angreifen zu sehen.

Luke hob sein Lichtschwert und fing damit den Abwärtsschlag von Lord Nyax’ rechter Unterarmwaffe auf. Er drehte sich im Uhrzeigersinn und machte die Angriffsfläche für seinen Gegner schmaler, als Lord Nyax’ linke Unterarmwaffe zustieß, und blieb wachsam genug, um die rechte Ellbogenklinge abfangen zu können. Mara sprang vor und schlug zweimal zu, was Lord Nyax mit der linken Ellbogenklinge abfing, dann beugte sie sich tief nach vorn, als sie vor einem Schlag mit dem linken Knie zurücksprang.

Die Yuuzhan-Vong-Krieger warfen Hände voller Knallkäfer und Messerkäfer und kümmerten sich nicht sonderlich darum, was sie trafen, aber die beiden Jedi und Lord Nyax schlugen die Käfer problemlos aus der Luft oder wichen ihnen vollkommen aus.

Zwei Jedi? Drei. Plötzlich war Tahiri in ihrer Mitte, näherte sich ihrem Gegner links von Luke und wehrte einen weiteren Schlag von der Ellbogenklinge auf dieser Seite ab.

»Schlimm«, sagte Kell.

Face nickte. »Sehr schlimm.« Er nahm das Blastergewehr aus der Hülle auf seinem Rücken. »Aber wen sollen wir zuerst abschießen?«

»Hier oben sind wir zu nichts gut.« Kell zeigte auf die Treppe. »Sehen wir mal, was sie da unten machen. Wenn es wichtig ist, kann ich es in die Luft jagen.«

»Das ist unser Kell.«

Kell stellte Viqi auf die Füße, dann warf er sie sich über die Schulter. Face ging die Treppe hinunter, und Kell folgte.

 

Denua Ku beobachtete den bleichen Jeedai, und einen Augenblick setzte sich seine Bewunderung beinahe über den Ekel hinweg, den er bei dem Gedanken daran empfand, dass abscheuliche Maschinen wie diese Lichtschwerter sein Fleisch berühren würden.

Dieses bleiche Wesen kämpfte mit einer Wildheit und einem Tempo, wie er dies noch bei keinem anderen Krieger gesehen hatte. Und es war eindeutig nicht ausgebildet. Mit seinem erfahrenen Kriegerauge erkannte er, dass die Bewegungen des Geschöpfs instinktiv waren, was sich auch darin zeigte, dass es ihm nicht gelang, wirkungsvolle Kombinationen von Schlägen durchzuführen, und dass es nicht abschätzen konnte, in welche Richtung seine Feinde springen würden, wenn es sie angriff.

Wäre dieses Wesen als Yuuzhan Vong zur Welt gekommen, hätte Denua Ku Gelegenheit gehabt, es auch nur für ein Jahr, selbst für ein halbes Jahr auszubilden, dann hätte er es zu dem größten Krieger machen können. Aber nun musste er es töten.

Selbst wenn auch die Jeedai wollten, dass dieses Geschöpf starb, war es dennoch eine Abscheulichkeit. Und es stellte bei Weitem die größere Gefahr dar. Es musste als Erstes sterben. Er warf seinen letzten Messerkäfer, dann sprang er vor, begab sich in Zweikampfentfernung und stieß mit der Schwanzspitze seines Amphistabs gegen den Rücken des bleichen Dings.

Das bleiche Ding fuhr herum und bewegte seine Knieklinge auf Denua Kus Eingeweide zu. Er blockierte den Schlag mit seinem Amphistab, aber die Wucht war gewaltig; sie warf den Yuuzhan Vong nach hinten und riss ihn zu Boden. Er rollte sich ab und kam wieder auf die Beine, sah, wie einer seiner Krieger einen ähnlichen prüfenden Angriff vornahm … und diesem Krieger fuhr eine Unterarmklinge durch die Kehle.

Neun Yuuzhan-Vong-Krieger tot. Noch sechzehn waren übrig. Das Zahlenverhältnis wurde schlechter.

Ein gewaltiges mechanisches Röhren ließ den Raum erbeben. Dann wurde es ein wenig leiser, blieb aber stetig und ließ die Luft vibrieren.