11

Borleias

 

Tarn wachte in einem Krankenhausbett auf.

Schon wieder.

Das gefiel ihm nicht. Es geschah in letzter Zeit zu oft.

Diesmal tat seine linke Schulter weh, und er erinnerte sich, wie das passiert war. Als der erste Pfleger am Fuß seines Bettes vorbeikam, winkte Tarn den Mann zu sich und sagte: »Kann ich jemandem eine Botschaft schicken?«

»Ich werde zuerst ein paar Leute zu Ihnen bringen«, sagte der Mann.

Minuten später erschienen Besucher hinter dem blauen Vorhang an einer Seite. Tarc kam direkt bis ans Bett gerannt. Wolam gab sich damit zufrieden, am Fußende stehen zu bleiben und zu lächeln. Und Iella Wessiri, die Leiterin des Nachrichtendienstes, stellte sich zwischen die beiden.

»Welcher Arm tut weh?«, fragte Tarc.

»Nein, nein, nein, Tarc. Protokoll.« Tarn warf ihm einen gespielt empörten Blick zu. »Der gesellschaftlich wichtigste Besucher oder die Person, deren Zeit am meisten beansprucht wird, darf als Erste mit mir reden. Wer ist das?«

»Ich«, stellte Tarc fest.

»Versuch’s noch mal.«

»Na ja, ich denke, sie.«

»Schon besser.«

Iella lächelte den Jungen an. »Ich hatte gerade ein paar Minuten, also dachte ich, ich komme persönlich vorbei und überbringe Ihnen ein paar Nachrichten. Sie haben gestern Abend etwas sehr Wichtiges getan. Sie haben verhindert, dass ein Yuuzhan-Vong-Spion sich ein paar, nun, sehr bedeutsame Informationen verschaffen konnte.«

»Informationen, von denen Sie nicht wollten, dass die Vong sie erhalten. Anders als das Zeug, das ich ihnen gegeben habe.«

Iella nickte und war kein bisschen zerknirscht.

»Welche Informationen?«

»Das sollte ich nicht sagen. Und Sie sollten nicht fragen.«

»Ich glaube, ich kann es mir denken.« Als er noch unter der Kontrolle der Yuuzhan Vong gestanden hatte, hatte er Aufzeichnungen über ein Projekt gestohlen, das in diesem Stützpunkt entwickelt wurde, etwas über eine Superwaffe, die mit Lasertechnik arbeitete, und mit einem riesigen Leuchtkristall von einer Art, wie ihn normalerweise nur die Yuuzhan Vong herstellen. Dass der Spion, als er den Bothan folterte, nach einem Kristall gefragt hatte, legte nahe, dass dieses Ding im Raum des Bothan aufbewahrt oder überwacht wurde. Aber es hatte dort keinen riesigen Leuchtkristall gegeben − nur die Trümmer von einer Art Laborkulisse.

Es gab keinen riesigen Kristall. Es war alles eine Finte. Das ganze Sternenlanze-Projekt musste eine Finte sein. In einem Augenblick der Klarheit verstand er, dass das Sternenlanze-Projekt nichts weiter war als ein Ring in der Nase des Yuuzhan-Vong-Kommandanten, etwas, um ihn damit in die eine oder andere Richtung zu ziehen.

»Und was erraten Sie?«, fragte Iella.

»Das sollte ich nicht sagen. Und Sie sollten nicht fragen.«

»Gut gemacht.«

»Wie geht es dem Bothan?«

»Er lebt. Und das wäre wahrscheinlich nicht der Fall, wenn Sie nichts unternommen hätten. Er liegt ein paar Betten weiter; Sie können mit ihm sprechen, wenn die Ärzte es erlauben. Ich wollte einfach nur vorbeikommen und mich bedanken.«

»Ich freue mich, dass ich helfen konnte. Wenn man von den Schmerzen mal absieht.«

Als sie weg war, sagte Tarc: »Sie reden über dich.«

»Was sagen sie?«

»Dass du so verrückt bist wie eine Affenechse, ganz allein einen Vong-Krieger anzugreifen.«

»Und was sagst du?«

»Na ja … ich hab noch nie eine Affenechse gesehen.«

Tarn nickte. »Gute Antwort.«

»Komm mit, Junge.« Wolam winkte Tarc zu sich. »Wir müssen dieser Affenechse hier ein bisschen mehr Zeit geben sich auszuruhen. Du kannst die Holocam für mich bedienen, bis er sich vom Bett losreißen kann.«

»Gut«, sagte Tarc. »Ich werde die Aufnahmen machen, die er sich nicht zu machen traut.«

»Solange du nicht mich aufnimmst.« Tarn zog das Laken über den Kopf.

Er hörte Tarc leise lachen, und dann schlief er wieder ein.

 

Coruscant

 

Luke erwachte im Dunkeln und war einen Augenblick von dem Mangel an vertrauten Anblicken und Gerüchen verwirrt, aber dann beruhigte es ihn, dass Mara bei ihm war. Tatsächlich hatte sie sich gerade zu ihm auf die breite Pritsche gelegt, und das erinnerte ihn daran, wo er war. »Kommst du von der Wache?«, murmelte er.

»Ja.« Sie lehnte das Kinn an seine Schulter und machte ihn zu ihrem Kissen. »Schlaf weiter.«

»Ich sollte aufstehen.«

»Das willst du nicht wirklich. Es gibt nur schlechte Nachrichten.«

»Welche Nachrichten?«

»Frag die Wissenschaftler.«

 

»Wir haben so viel Zeit hier unten in den Ruinen verbracht«, erklärte Danni, »dass wir nicht viel Gelegenheit hatten, alle Proben zu nehmen, die wir brauchten.« Bevor sie weitersprechen konnte, gähnte sie, dann schaute sie verlegen drein, weil ihre Erschöpfung sie derart überwältigt hatte.

Sie befanden sich im Kontrollraum des Komplexes, Luke, Danni und Baijos. Beide Wissenschaftler sahen müde aus, aber zumindest gab es hier genügend frisches Wasser, damit sie sich selbst und ihre Kleidung waschen konnten, sodass sie alle besser aussahen als in den letzten Tagen.

»Welche Proben?«, fragte Luke. »Jedes Mal, wenn ich einen von euch ansehe, nehmt ihr gerade Messungen vor.«

»Wir haben überwiegend biologische Messungen vorgenommen«, erwiderte Baljos. »Elektromagnetische Energieflussmessungen. Chemische Tests des Wassers und der Lebensmittelquellen. Solche Dinge. Aber erst ein paar Stunden zuvor, als Kell und Face nach oben gegangen sind und ein paar Holocams und andere Überwachungsgeräte aufgestellt haben, konnten wir ein paar astronomische Messungen vornehmen.«

Luke zuckte die Achseln. »Und was habt ihr rausgefunden?«

»Schwerkraftmessungen zeigen, dass wir uns nun näher an der Sonne von Coruscant befinden«, sagte Danni. »Die Umlaufbahn des Planeten hat sich verändert.«

»Die Temperatur in der Atmosphäre ist mehrere Grade höher, als sie um diese Jahreszeit sein sollte«, sagte Baljos. »Das war der Eindruck, den ich dank unserer Handeinheiten hatte, aber es gab zuvor keine Möglichkeit zu sagen, ob das nicht einfach ein Zufall war. Und es gibt erheblich mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre, als dort sein sollte. Die Spektralanalyse ermöglicht uns ähnliche Messungen auch aus beträchtlicher Entfernung. Meister Skywalker, ich glaube, das Polareis schmilzt.«

»Luke. Einfach nur Luke.« Luke lehne sich stirnrunzelnd zurück. »Ist das das Ergebnis der Planetenformung?«

Danni nickte. »Mehr einer ›Vong-Formung‹. Es geht erheblich schneller und ist wirkungsvoller als unsere entsprechenden Techniken.«

»Gibt es auch gute Nachrichten?«

»Ein paar.« Danni zeigte auf den ersten von drei Computerschirmen.

Der Schirm zeigte ein Holocambild, das von einem Gebäudedach aus aufgenommen war. Das Gebäude schien Bestandteile zu verlieren; Fragmente von blattähnlichem Material wurden vom Wind umhergeweht. »Wir sehen hier das Sterben einiger Vong-formender Pflanzen. Die Gräser und die explodierenden Pilze, die sie benutzt haben, um mit dem Einreißen der Gebäude zu beginnen, sterben langsam. Wir wissen nicht, ob das bedeutet, dass sie sich dieser Umgebung nicht so recht anpassen können, oder ob sie nur der erste Schritt des Vong-Formens waren und weitere Schritte folgen. Doktor Arnjak vermutet das Letztere.«

»Für dich immer noch Forscher-Boy«, sagte Baijos.

»Also könnte das eine gute Nachricht sein oder auch nicht«, stellte Luke fest.

Baljos nickte. »Stimmt. Und dann gibt es noch etwas, das ein bisschen weniger zweideutig ist.« Er zeigte auf die beiden anderen Schirme, einer voll mit Grafiken und Text, der andere in acht Holocam-Bilder aufgeteilt − allesamt Aufnahmen von Yuuzhan-Vong-Kriegern, die sich durch Trümmer gruben, trainierten oder sich in einer disziplinierten Reihe aufstellten.

Luke sah sich die Schirme an. Die Informationen auf dem ersten schienen etwas mit der Verteilung von Gasen in der Atmosphäre zu tun zu haben. »Was bedeutet das hier?«

»Die Verteilung von toxischen Gasen in der Atmosphäre hat sich einigermaßen stabilisiert. Oh, sie sind in bestimmten Höhen schlimmer als in anderen, aber sie nehmen nicht weiter zu. Ich glaube, das hängt mit dem Zustand der Vong-formenden Pflanzen zusammen, die den Durabeton und die Metalle aufbrechen. Was bedeutet, dass die Vong nicht versuchen, die Atmosphäre für uns giftig zu machen. Das erhöht die Überlebenschancen der Leute, die hier unten immer noch am Leben sind.«

»Das ist wirklich eine gute Nachricht.« Luke sah die Wissenschaftler an. »Und die andere?«

Danni sagte: »Erinnerst du dich, dass wir ein paar kleine Droiden mitgebracht haben? Sehen aus wie Pilze, Moose und so weiter. Wir haben sie in Gegenden ausgesetzt, durch die die Vong offenbar intensiv patrouillieren. Sie folgen diesen Wegen sehr langsam und senden Bilder in sehr kurzen, schwer zu verfolgenden Einheiten. Das hier sind unsere ersten Bilder. Sie sagen uns nicht besonders viel, aber wir hoffen, dass sich das eines Tages ändern wird.«

»Und was schließt ihr aus den Atmosphäredaten?«

Danni und Baljos wechselten einen Blick, dem Luke alles Mögliche entnehmen konnte. Sie waren bereits zu Schlüssen gekommen und versuchten nun zu entscheiden, welche sie ihm vorlegen würden, und in welcher Reihenfolge.

»Wir haben den Überlebenden irgendwie den Eindruck vermittelt, dass die Streitkräfte der Neuen Republik zurückkommen und Coruscant wieder einnehmen werden«, sagte Danni.

Luke nickte. »Das ist das Ziel.«

»Ich glaube nicht, dass es dann noch ein Coruscant geben wird, zu dem man zurückkehren kann. Wie lange wird es dauern? Ein Jahr? Fünf? Zehn? Bis unsere Leute hierher gelangen, ist das hier etwas anderes. Eine Yuuzhan-Vong-Welt.«

»Das wird den Überlebenden nicht viel Hoffnung geben.«

»Also«, sagte Baljos, »denken wir, wir sollten eine andere Herangehensweise versuchen. Wir bringen den Überlebenden bei, wie sie auf diesem Planeten überleben können − diesem fremden Planeten. Nicht unbedingt so, dass sie kämpfen können, wenn der große Schlag erfolgt. Einfach nur, damit sie überleben können.

Und vielleicht fliehen. Wir analysieren alle neuen Lebensformen, die wir finden, alle Pflanzen und Tiere, die die Yuuzhan Vong eingeführt haben, und bringen unseren Leuten bei, welche davon sie irgendwie verwenden können. Und wir zeigen ihnen, wie sie sich Trinkwasser verschaffen können.«

»Vielleicht können sie ganze Komplexe zumauern«, sagte Danni, »sodass die Vong nie dort hinunterkommen.«

»Wenn wir all das tun …« Luke dachte lange über die Sache nach. »Dann geben wir zu, dass wir verloren haben.«

»Zumindest, dass wir Coruscant verloren haben«, verbesserte Danni. »Nicht den Krieg.«

»Das kann ich nicht akzeptieren!« Luke war zornig geworden, aber er beruhigte sich wieder, schob diese Emotion mit reiner Willenskraft weg. »Nach allem, was ihr sagt, hat diese Mission bereits versagt!«

»Nicht versagt.« Danni wählte ihre Worte sehr sorgfältig. »Die Mission entsprach einfach nicht der Realität, die wir hier vorgefunden haben. Es ist wie bei aller wissenschaftlichen Forschung. Man beobachtet, man entwickelt eine Theorie, man prüft die Theorie … und in den meisten Fällen muss die Theorie dann revidiert werden. Wir erreichen die Wahrheit einen zögernden, unsicheren Schritt nach dem anderen.«

»Wie bei der Jedi-Ausbildung.«

»Genau.«

Luke seufzte. »Ich muss darüber nachdenken.«

 

Zwei Tage später dachte er immer noch darüber nach, als er sich mit Face und Bhindi auf eine weitere Fahrzeugsuche machte.

Sie waren nicht mehr die ganze Zeit in Yuuzhan-Vong-Rüstungen unterwegs; nun, da sie eine Operationsbasis hatten und seltener in einer großen Gruppe durch unbekanntes Territorium ziehen mussten, trugen Luke und die anderen oft Zivilkleidung. Sie war leichter und sehr viel bequemer als die Yuuzhan-Vong-Rüstungen, besonders in der immer feuchtheißer werdenden Atmosphäre der unteren Ebenen von Coruscant. Kell und Face bildeten die Ausnahmen − sie waren entzückt über ihr schauerlich-verwegenes Aussehen in der Rüstung, und sie bestanden darauf, sie beinahe ununterbrochen zu tragen; offensichtlich ein Wettbewerb, wer als Erster aufgeben und gestehen würde, dass diese Anzüge einfach unbequem waren.

Nachdem sie ihre ersten Ziele erreicht hatten − das Team hatte eine Operationsbasis eingerichtet, und seine Mitglieder hatten Kontakte zu überlebenden Coruscanti in der Umgebung aufgenommen −, konnten sie mit der Planung ihrer Flucht von dem besetzten Planeten beginnen.

Sie verfügten über kein Fluchtfahrzeug, denn sie waren davon ausgegangen, dass sie bei den Millionen Schiffen in unterschiedlichem Erhaltungszustand, die sich immer noch auf Coruscant befinden mussten, imstande sein würden, ein funktionierendes Schiff zu entdecken, falls notwendig Reparaturen durchzuführen oder ein funktionierendes Schiff zu stehlen − vielleicht mit Tahiris Hilfe sogar eins, das den Yuuzhan Vong gehörte.

Die Logik schrieb vor, dass es in den Trümmern von Coruscant Tausende, wenn nicht Millionen Schiffe geben musste. Das Problem bestand darin, sie zu finden, da alle Fahrzeuge, die aus der Luft sichtbar waren, von Korallenskippern beschossen und zerstört worden waren.

Nur solche, die versteckt waren, konnten noch intakt sein.

Bisher hatten sie bei ihrer Suche zwar Hunderte von Fahrzeugen gefunden, aber nicht ein einziges war für ihre Flucht brauchbar. Sie fanden Unmengen Lufttaxis, unzählige abgestürzte Sternjäger, die Überreste eines Hangars mit einem Truppentransporter − und Truppen −, zerschmettert unter Massen von Trümmern. Luke dachte, mit einem Monat Zeit würde er genügend Teile von diversen Sternjägern zusammenflicken können, um ein flugfähiges Modell zu schaffen … das dann einen von ihnen vom Planeten bringen konnte, wenn die Zeit gekommen war.

Seine Unfähigkeit, ein Fluchtschiff zu finden, war ein weiteres Versagen, das ihn belastete. Er saß an einem Sichtfenster im fünfzigsten Stock, in einem Raum, der wohl einmal ein Rekrutierungsbüro des Sternjäger-Kommandos gewesen war, und starrte in die schluchtartige Straße unten, während Face und Bhindi versuchten, den Computer des Büros wieder funktionsfähig zu machen. Und er fragte sich, wieso er sich überhaupt auf diese Mission begeben hatte.

Sein Sohn Ben war Lichtjahre entfernt, verborgen − vor den Yuuzhan Vong, aber auch vor ihm in einer geheimen Jedi-Basis im Schlund, einer Raumregion, die von Schwarzen Löchern umgeben war. Mara fragte sich zweifellos schon lange, ob das eine so gute Idee gewesen war. Die Jedi, die er mit dieser verwegenen Mission in das Territorium, das die Yuuzhan Vong am festesten im Griff hatten, zu inspirieren und zu vereinen gehofft hatte, würden vollends den Glauben an ihn verlieren.

Etwas erregte seine Aufmerksamkeit; es war nur ein schwaches Gefühl, dass jemand ihn anstarrte, und er blickte von der mit Trümmern übersäten Straße auf, die er betrachtet hatte.

Auf der anderen Seite der Straße, etwa auf gleicher Höhe, stand jemand in einem Fenster und beobachtete ihn. Auf diese Entfernung, etwa hundert Meter, konnte Luke nicht sicher sein, aber er glaubte, dass er einen Mann vor sich hatte. Einen sehr blassen Mann. Luke holte sein Fernglas heraus und richtete es auf diese Person.

Er starrte in ein Gesicht, das halb fremd, halb vertraut war.

Dieser Mann war bleich, mit lockigem, dunklem Haar, wasserblauen Augen und einer Hakennase wie auf alten Aristokratenportäts. Er war jung, höchstens zwanzig, wenn überhaupt so alt. Er trug ein helles, kiltähnliches Tuch um die Mitte und an diversen Stellen seines Körpers schimmernde Gegenstände fingerlose Handschuhe, Ellbogenschützer, Knieschützer; sie waren zwar aus dickem Metall, wirkten aber als Rüstung irgendwie unzulänglich. Er hielt den Kopf schief, während er Luke betrachtete, erst nach einer Seite, dann nach der anderen.

Luke kannte dieses Gesicht, aber er konnte sich einfach nicht erinnern, woher. Tatsächlich war es im Augenblick einfacher nicht nachzudenken.

Als Luke seinem Blick begegnete, lächelte der Mann. Es war das Lächeln eines Kindes, das plötzlich fasziniert entdeckt, dass man Insekten die Beine abreißen konnte.

Luke stellte fest, dass er den Mann in der Macht spüren konnte − sogar ohne sich bewusst darum zu bemühen. Dieser Mann war ein helles Licht in der Macht, ein Leuchtfeuer inmitten der Dunkelheit. Ein Leuchtfeuer der Dunkelheit … aber das zählte plötzlich nicht mehr sonderlich.

Luke spürte, wie der Atem aus seiner Lunge entwich.

Es war, als wäre das Dach ganz langsam eingesunken und hätte zwei Tonnen Durabeton auf seinen Oberkörper geladen, während er abgelenkt gewesen war.

Er warf einen Blick zu Face und Bhindi. Es war ihnen gelungen, den Computer zum Laufen zu bringen; das Licht des Schirms färbte ihre Gesichter blau. Bhindi nahm eine Datenkarte aus dem Schlitz im Terminal und gab dabei ein zufriedenes leises Geräusch von sich. Keiner der beiden bemerkte, was Luke sah, empfand.

Luke wusste, wenn er seine Aufmerksamkeit wieder dem Fenster auf der anderen Seite zuwenden würde, würde der bleiche Mann weg sein; das war eines der ältesten Werkzeuge in der Trickkiste der Hersteller von Holodramen, die sich mit dem Übernatürlichen beschäftigten. Aber als er wieder durchs Fernglas schaute, war der Mann immer noch da und regte sich nicht.

Luke öffnete die Verriegelung des Fensters. Er brauchte jetzt nur noch auf den Laufgang hinauszutreten, der sich zwischen diesem Gebäude und dem anderen erstreckte. Er konnte direkt zu diesem Mann gehen und anfangen, ihm Fragen zu stellen. Aber eine schwache Unruhe − die Fähigkeit des Piloten, topographische Einzelheiten zu registrieren und sie sich einzuprägen − riss ihn aus dem Nebel, der sich über sein Denken gesenkt hatte.

Es gab keinen Laufgang. Ein Schritt durch das Sichtfenster, und er würde in den Tod stürzen.

Das Grinsen des Mannes wurde breiter. Dann trat er zur Seite und war nicht mehr zu sehen.

Luke spürte, wie eine gewaltige Last von ihm genommen wurde. Er konnte wieder atmen. »Seid ihr beiden hier fertig?«, fragte er.

Face blickte auf und sah ihn besorgt an. »Luke, ist alles in Ordnung?«

»Nein. Es gibt Ärger. Verschwinden wir.« Bhindi stand auf. »Wenn es Ärger gibt, dann sind wir hier fertig.«

 

Luke, Face und Bhindi hockten in einem Krater, der einmal eine Ecke eines Wolkenkratzers gewesen war des gleichen Wolkenkratzers, in dem noch Minuten zuvor der blasse Mann gestanden hatte. Sie befanden sich etwa zwanzig Stockwerke oberhalb des Fensters, an dem Luke die Gestalt gesehen hatte, und alle drei richteten ihre Ferngläser auf das Sichtfenster, das Luke Minuten zuvor versucht hatte zu öffnen.

Der Raum hinter diesem Fenster war nun voller Leute. Die meisten trugen Lumpen. Einige waren nur mit einer Schicht aus getrocknetem Schlamm und Blut bedeckt. In ihren Augen stand ein Leuchten, das vermuten ließ, dass sie Stimulanzien benutzten, und das schon seit Tagen oder Wochen. Sie tobten durch das Büro des Sternjäger-Kommandos, zerstörten jedes Möbelstück, rissen alle Wände ein, ein Aufstand, dessen Gewalttätigkeit gegen alles und nichts gerichtet war.

»Was sind das für Leute?«, fragte Bhindi. »Das sind nicht die üblichen Überlebenden.«

»Ich nehme an, es sind Yassats Kannibalen«, sagte Face. »Hast du gespürt, dass sie auf dem Weg waren, Luke?«

»Etwas Ähnliches«, sagte Luke. »Kommt, gehen wir weiter nach unten.«

 

Sie fanden den Raum, in dem Luke den blassen Mann gesehen hatte. Es war einmal der Hauptraum einer Hotelsuite gewesen und wahrscheinlich seit dem Fall von Coruscant nicht mehr bewohnt. Die Betten waren immer noch gemacht. Fenster vom Boden bis zur Decke boten einen guten Blick auf den Himmel von Coruscant − immer vorausgesetzt, man schaute hoch genug hinauf.

Luke konnte es hier spüren, ein Ziehen in der Macht, das gleiche, das er verfolgt hatte, seit er nach Coruscant gekommen war. Aber es war nicht das, was seine Aufmerksamkeit anzog.

Es waren die Fenster. Er war sicher, dass der bleiche Mann an einem dieser Fenster gestanden hatte.

Und er hatte es ausgefüllt, von oben bis unten. Den gesamten Rahmen. Diese Fenster waren drei Meter hoch.

 

»Du bist müde«, sagte Mara. »und das macht dich der Macht gegenüber empfindlicher. Er hat dich offensichtlich manipuliert … aber wenn du erst ein wenig geschlafen hast, wirst du ihm besser gegenübertreten können.«

Maras Kenntnisse darüber, wie man jemanden tröstete, der erschüttert war, stammten überwiegend aus der Beobachtung und aus ihren Studien der Psychologie. Was sie darüber hinaus wusste, hatte sie seit Bens Geburt gelernt. Luke musste nur selten getröstet werden − seine Weisheit und sein Humor hatten ihm stets eine feste Rüstung gegen die Schläge des Lebens geboten. Aber manchmal drangen Ereignisse auch durch diese Rüstung − Bens Entführung, Anakin Solos Tod. Und nun diese seltsame Heimsuchung durch jemanden, der ihn beinahe dazu gebracht hatte, sich in die tödliche Tiefe zu stürzen. In solchen Zeiten konnte Mara nicht viel mehr tun als in seiner Nähe zu bleiben, ein Anker zu sein, an dem er sich festhalten konnte.

»Das denke ich nicht«, sagte Luke. »Ich bin sicher, dass meine Müdigkeit es ihm leichter gemacht hat, all diese Verzweiflung und den geistigen Zwang durch die Macht zu mir zu senden. Aber ich denke auch, dass er sehr mächtig ist. Und ich weiß, dass ich sein Gesicht schon irgendwo gesehen habe. Ich …« Die nächsten Worte kamen nicht mehr heraus, weil er gähnte.

Mara sah ihn streng an.

»Ich weiß, ich weiß. Ich brauche Schlaf. Ich bin müde.« Er streckte sich auf der Pritsche aus. »Ich bin müde, und ich gebe zu, ich habe Angst vor etwas, das sich an mich anschleichen und mir mithilfe der Macht einen Gedanken in den Kopf setzen kann. Als wäre ich ein Gewürzsüchtiger ohne jeden Widerstand, ohne Ausbildung.«

»Du bist müde, und dein Stolz wurde verletzt.«

Er grinste. »Mag sein.«

»Schlaf ein bisschen, Farm-Boy. Du wirst dich danach besser fühlen − und besser denken können −, wenn deine Energiezellen wieder aufgeladen sind.«

»Das stimmt.«

Innerhalb von Minuten schlief Luke tatsächlich und atmete regelmäßig. Aber Mara lag noch lange wach, ihre eigenen Sinne in der Macht ausgedehnt wie einen wachsamen Schirm, darauf abgestimmt, jedes noch so geringe Flackern von Hass oder Verzweiflung zu spüren, das von diesem Ding ausging, das ihren Mann töten wollte.

 

Borleias

 

Die Sonne namens Pyria war nur ein strahlend heller Punkt im vorderen Sichtfenster des Falken und zog das bloße Auge nicht mehr an, als es ein gut beleuchteter Planet normalerweise von der Oberfläche eines anderen aus tat. Es war keinesfalls genug, um Han und Leia von ihren Aufgaben abzulenken.

»Verstanden, danke.« Leia lehnte sich vom Kom-Bord zurück. »Die Kontrolle auf Borleias hat uns eine Landkarte bekannter Dovin-Basal-Minen geschickt. Sie sind allerdings nicht sonderlich sicher, was das Ausmaß ihrer Kenntnisse angeht.«

Han sah sie an und ließ die Knöchel knacken. »Sie glauben also, es ist durchaus möglich, dass wir schon aus dem Hyperraum gezogen werden, bevor wir den Masseschatten von Borleias erreichen. Nun, sag ihnen, dass das nicht passieren wird.«

»Und es wird nicht passieren, weil …«

»Weil ich um sie herumfliegen werde. Was dachtest du denn?«

»Ich dachte, wir sollten lieber die Waffen aktivieren.« Leia machte sich auf in den oberen Laserturm, während Han den Aufschlaggeschosswerfer aktivierte. Sobald sie ihr Kom eingeschaltet hatte, hörte Leia, wie ihr Mann sich beschwerte. »Du glaubst einfach nicht an meine Fähigkeiten.«

»Selbstverständlich glaube ich an deine Fähigkeiten.« Sie drehte den Turm einmal zur Übung und begann mit dem Selbsttest des computerisierten Zielsystems. »Aber ich habe auch Erfahrung mit ihren Fähigkeiten.«

Der Raum verzerrte sich vor ihnen und wurde beinahe sofort wieder normal. Aber nun befand sich Borleias nicht mehr im Mittelpunkt des Sichtfensters, wie es sein sollte. Die Sonne Pyria war ein wenig größer, eine helle Kugel.

Dann riss Han das Schiff auch schon in einen Looping, und die Zentrifugalkraft drückte Leia fest in den Schützensitz, bevor sie Han etwas über die Korallenskipper zurufen konnte, die sich dem Falken von hinten näherten. Leia sah, wie das Universum auf beiden Seiten herumwirbelte, als der Falke sich umgekehrt zu der Ausrichtung, die er bei seiner Ankunft gehabt hatte, drehte, und über dem Kopf konnte sie das deutliche Glitzern der auf sie zukommenden Schiffe erkennen.

Leia schoss mit den oberen Lasern, und die Skips schleuderten Plasmaströme auf den Falken. Die feindlichen Jäger stiegen ein wenig auf, wahrscheinlich in dem Versuch, dem Looping des Falken zu folgen, aber am Ende brachte sie dieses Manöver auf Kollisionskurs mit dem größeren Schiff.

Leia hörte Hans Stimme über das Kom, gedämpft, als hätte er die Zähne zusammengebissen: »Ziele nach steuerbord.«

Leia wählte sich ein Ziel an steuerbord und konzentrierte ihr gesamtes Laserfeuer darauf. Die Schwerkraftanomalien halfen den Feinden gegen den Beschuss und fingen jeden Laserblitz auf, aber als Leia das Feuer auf den Bereich mit der Pilotenkuppel konzentrierte, war das der Untergang dieses Skips − Hans Aufschlaggeschoss, einen Augenblick später abgefeuert, traf den Rumpf des Korallenskippers und ließ ihn verdampfen.

Han führte den Falken in eine verrückte Drehung entlang seiner Längsachse. Ein Schauer von Plasmageschossen zuckte harmlos vorbei − überwiegend harmlos; ein Scheppern und das plötzliche Gellen des Schadensalarms bewiesen, dass zumindest eins der feindlichen Geschosse sie gestreift haben musste.

Dann war der zweite Korallenskipper an ihnen vorbei und hinter ihnen und begann einen lang gezogenen Bogen.

Han folgte dem Skip nicht; er richtete den Falken wieder auf Borleias aus und beschleunigte.

Leia spürte, wie sie überrascht den Mund aufriss. Sie aktivierte das Kom. »Heh, Sie da«, sagte sie. »Was haben Sie mit meinem Mann gemacht? Dem, der angesichts des Todes nur lacht und ihn dann auf ein paar Gläser in die Bar einlädt?«

Han klang gequält. »Dieser Pilot versucht nur, uns zu seinen Kumpeln zurückzubringen. Sehe ich so dumm aus?«

Sie runzelte nachdenklich die Stirn.

»Bin ich so dumm?«, fragte er.

»Nein, sicherlich nicht.«

Grinsend wandte Leia sich wieder den Sensoren zu. Die Anzeige zeigte, dass der Korallenskipper seine Wende nun enger nahm, denn der Pilot hatte offenbar begriffen, dass der Falke ihn nicht verfolgte; das Skip würde bald wieder hinter ihnen sein. Verzerrungen im Rasterbild zeigten, wo sich Dovin-Basal-Minen befanden − diese Schwerkraft erzeugenden Organismen, die Schiffe aus dem Hyperraum reißen konnten.

Die Darstellung auf dem Schirm erneuerte sich ständig und verzerrte sich entsprechend, und Leia betrachtete sie angespannt und versuchte zu begreifen, was sie sah. »Geradeaus und abwärts«, rief sie, »Relativ zu unserer derzeitigen Ausrichtung. Mach schon, Pilot!«

Er zog die Nase des Falken »nach unten«. Das ruckartige Manöver riss Leia beinahe aus dem Sitz, und sie konnte hören, wie die Gurte sogar angesichts ihrer geringen Masse knarrten.

»Also gut, abwärts«, sagte Han. »Du bist wirklich eine miserabel gelaunte Ehefrau. Was soll das alles? Warum fliegen wir nicht direkt auf Borleias zu?«

»In dieser Richtung gibt es mehr Minen. Und eine von ihnen folgt uns.«

»Wir werden von einer Mine verfolgt?« Han warf einen Blick auf die Sensoranzeige, um sich die Verzerrung anzusehen, von der Leia gesprochen hatte, die Verzerrung, die sich dem Falken nun immer mehr näherte. »Das ist unfair. Leia, was macht unser anderer Verfolger?«

»Dreh das Schiff bitte, er greift von unten an.«

Han drehte den Falken gehorsam wieder entlang seiner Längsachse, und Leia begann, auf den zweiten Korallenskipper zu schießen.

Nun, da der Falke bis auf die Ausweichmanöver, die Han vollführte, um feindlichen Geschossen zu entgehen, nicht manövrierte, konnte der Frachter schnell der Dovin-Basal-Mine, die ihn verfolgte, davonfliegen. Doch sie näherten sich den äußeren Rändern des Schwerkraftbereichs der nächsten Dovin-Basal-Minen.

Leia überzog den Korallenskipper mit Feuer und bemerkte, dass seine schützende Schwerkraftanomalie dazu neigte, sich jedes Mal, wenn der Jäger manövrierte, um eine Ausweichbewegung des Falken nachzuvollziehen, wieder über die Pilotenkuppel zu schieben. Sie konzentrierte ihr Feuer dorthin, wartete, bis der Falke eine weitere Seitwärtsbewegung machte, dann schoss sie plötzlich auf den Bug des Skips. Die Audioübersetzung, die in das Sensorsystem des Falken eingebaut war, produzierte ein leises Explosionsgeräusch, und der Leuchtpunkt, der für den Korallenskipper gestanden hatte, verschwand vom Schirm.

»Guter Schuss«, sagte Han übers Kom. »Wie wär’s, wenn du hierher zurückkommen und uns einen Kurs nach Borleias berechnen würdest?«

»Gib mir eine Sekunde. Du bist wirklich ein miserabel gelaunter Ehemann.«

 

Wedge runzelte ununterbrochen missbilligend die Stirn, als Han und Leia über ihre Rückkehr nach Borleias berichteten. »Das mit den Dovin-Basal-Minen, die euch verfolgten, gefällt mir überhaupt nicht.«

»Mir hat es auch nicht gefallen«, sagte Han. »Ich werde dem Oberkommando der Yuuzhan Vong einen Protestbrief schicken, indem ich mit allem Nachdruck darauf bestehe, dass sie diese Dinger nicht mehr verwenden.«

Tycho, auf der andern Seite des Konferenztischs, verzog die Lippen zu einem seltenen Lächeln. Leia sah ihren Mann einfach nur schalkhaft an.

»Tatsächlich kennen wir nun den Namen dessen, mit dem wir es zu tun haben«, sagte Wedge. »Ihr hiesiger Kommandant heißt Czulkang Lah. Diese Information haben wir von einem der Reptoiden erhalten, die an ihrem großen Angriff hier beteiligt waren, nachdem wir sie befreit hatten.«

»Lah«, sagte Leia. »Aus der gleichen Domäne wie Tsavong Lah?«

Tycho nickte. »Noch besser. Er ist Tsavong Lahs Vater. Ein alter, leidenschaftlicher, Furcht erregender Krieger und Lehrer der Kriegskunst. Er ist der Garm Bel Iblis der Yuuzhan Vong.«

»Und wenn wir ihn schlagen können«, sagte Wedge, »wirklich schlagen können, dann könnte das den Vong demonstrieren, dass ihre Götter nicht so versessen auf ihren Sieg sind, wie sie angenommen haben.«

»Zurück zu dem mobilen Minen«, sagte Tycho. »Das wirft die Frage auf, wie lange sie sie schon hatten, und warum wir so etwas hier zum ersten Mal sehen.«

»Stimmt.« Wedge dachte nach. »Han, Leia, als ihr vor ein paar Wochen nach Hapes geflogen seid, wart ihr überzeugt, dass die Dovin-Basal-Minen nicht nur Schiffe aus dem Hyperraum ziehen. Ihr sagtet, ihr hättet das Gefühl, dass sie die einzigartigen Massencharakteristiken jedes Schiffs registrierten und diese Informationen an die Vong-Anführer weitergaben, sodass sie eine Datei unserer Schiffsbewegungen aufstellen können.«

Leia nickte. »Das stimmt. Und Jaina hat die Tatsache, dass sich die Yuuzhan Vong auf diese Masseneigenschaften verlassen, gegen sie eingesetzt, als sie dort war.«

»Ich nehme an«, sagte Wedge, »dass diese mobile Dovin-Basal-Mine euch verfolgt hat, weil sie euch erkannte, weil sie wusste, dass dieses Schiff der Millennium Falke war. Bei einem anderen Schiff hätten sie vielleicht weniger Ressourcen eingesetzt, aber wenn sie den Falken und die Solos abschießen könnten, wäre das ein großer moralischer Sieg für ihre Seite.«

Han und Leia wechselten einen Blick. Hans Miene war trotzig, aber Leia sah ihm dennoch an, dass er erkannte, worin die Gefahr bestand, wenn Wedges Theorie tatsächlich stimmen sollte.

»Was also bedeutet«, sagte Leia, »dass bei jedem unserer Schiffe, äh, Berühmtheiten als solche erkannt werden können.«

»Darüber sollten wir nachdenken.« Wedge wandte sich Tycho zu. »Sag Cilghal, dass wir uns später oder morgen früh zu einer Besprechung zusammensetzen werden. Und richte es auch Jaina und ihren Beratern für psychologische Kriegsführung aus. Vielleicht können wir das zu unserem Vorteil nutzen.«

»Sind wir hier fertig?«, fragte Han. »Wir haben ein paar wichtige Dinge zu tun. Wie zum Beispiel Jaina finden, bevor du sie überhaupt nicht mehr zur Ruhe kommen lässt. Wir würden gern ein bisschen Zeit mit ihr verbringen. Deshalb kamen wir hierher zurück, nicht, weil wir dein Gesicht sehen wollten.«

Wedge bedachte ihn mit einem breiten Grinsen. »Wenn Sie sich diese Aufsässigkeit nicht verkneifen, General Solo, werde ich Ihre Rückkehr in den aktiven Dienst befehlen.«

 

Leia lag in ihrem Bett. Ja, es war hart, zu klumpig und Lichtjahre entfernt von den Quartieren, die seit Jahren ihr Zuhause gewesen waren, aber das hier war ihr Bett, und zu wissen, dass sie wieder und wieder an diesen Ort zurückkehren konnte, erfreute sie auf eine Weise, die nichts mit den Eigenschaften des Dings an sich zu tun hatten. Sie ließ sich vollständig bekleidet darauf fallen und genoss, wenn schon nicht die Bequemlichkeit, so doch diese Tatsache, sobald sie und Han ihr Quartier betreten hatten.

Es klopfte an der Tür. Leia hob den Kopf und sah Han an, der auf der anderen Seite lag. Er starrte erwartungsvoll zurück.

»Du bist dran«, sagte sie.

»Warum ich?«

»Weil ich es zuerst gesagt habe.«

»Gegen solche Logik kann ich nicht ankommen.« Han stand auf und drückte den Zugangsknopf neben der Tür. Die Tür glitt auf, und davor stand ein hoch gewachsener, verlegen aussehender Mann, der den linken Arm in der Schlinge trug.

»Äh, hallo«, sagte ihr Besucher. »Ich bin Tarn Elgrin.«

»Ich weiß, wer Sie sind.« Han schüttelte seine Hand. »Sie haben sich eine Weile als Spion betätigt und dann beschlossen zu kündigen. Und seitdem haben Sie Kopfschmerzen.«

»Das trifft es einigermaßen.«

»Kommen Sie rein.«

Leia stand auf. Ihr Quartier war nicht groß oder gut möbliert, aber sie konnten zumindest einen Versuch machen, der Form genüge zu tun. »Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Tarn?«

»Nein danke. Ich, äh, bin hier, weil ich mit Ihnen über Tarc sprechen möchte.«

»Wir haben ihn erst vor ein paar Minuten gesehen«, sagte Leia. »Er hat vor allem über Sie gesprochen.«

Han deutete auf einen Stuhl. »Also reden wir.«

 

Kyp wachte von einem Klopfen an der Tür auf. Der Jedi-Meister war immer noch angezogen − er hatte sich nur ein wenig ausruhen wollen und war überrascht, dass er eingeschlafen war −, also stand er einfach auf und aktivierte die Tür. Sie glitt zur Seite, und Kyp sah, dass Piggy davorstand. Der gamorreanische Pilot lehnte sich gegen den Türrahmen, die Arme verschränkt.

»Es geht um die Göttliche«, sagte Piggy.

Kyp rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Was ist mit ihr?«

»Sie möchte Sie sehen.«

»Jetzt?«

»Jetzt.«

»Wo?«

»Auf dem Dach.«

Kyp sah den Gamorreaner genauer an. Piggy war normalerweise nicht so wortkarg. Tatsächlich hatte er gerade mehr wie ein Rausschmeißer in einer Bar geklungen als wie er selbst. Kyp berührte ihn mit einer Spur der Macht und überzeugte sich, dass er tatsächlich Piggy vor sich hatte und keinen Yuuzhan-Vong-Krieger in einer ausgesprochen gelungenen Ooglith-Maske. »Bin schon auf dem Weg.«

Kyp betrat das Dach des Biotikgebäudes, eine unregelmäßige Oberfläche voll mit Maschinengehäusen. Es war jetzt dunkel; nur ein Glühen im Westen erinnerte noch daran, dass die Sonne vor Kurzem untergegangen war.

»Hier drüben.« Das war Jainas Stimme, und als Kyp sich umdrehte, konnte er sie und Jag Fel auf einem Klimaanlagengehäuse sitzen sehen. Er hätte sie nicht leicht erkennen können; sie waren nur Silhouetten. Es gab noch andere, kleinere Silhouetten, wo sie saßen − etwas, das aussah wie ein Korb, etwas, das aussah wie eine Flasche.

Kyp schnaubte. »Macht ihr ein Picknick?«

»Genau.« Jaina klang amüsiert. »Und die Göttin befiehlt, dass du teilnimmst.«

»Du fängst an, dich sehr merkwürdig zu benehmen, Göttin.« Kyp sprang auf das Gehäuse und landete direkt im Schneidersitz, in einer Kopie von Jags Position. Jaina hatte sich auf die Seite gelegt, den beiden gegenüber.

»Es ist kein Picknick.« Jaina nahm die Flasche und goss etwas von dem Inhalt in eins der drei Gläser im Korb. Sie reichte es Kyp. »Wir müssen reden.« Sie goss zwei weitere Gläser ein und reichte Jag eins davon.

Kyp schnupperte zweifelnd an dem Getränk. »Farbverdünner?«

»So viel Glück hatten wir nicht«, sagte Jag. »Während wir auf Sie gewartet haben, habe ich die Auswirkung dieser Flüssigkeit auf die hiesigen Insekten erforscht. Hundert Prozent tödlich.«

»Still«, sagte Jaina. »Das hier ist das feinste Beispiel der einheimischen Destillierkunst. Es ist ein Pflichtversäumnis, hier zu sitzen und zu trinken, wenn jeden Augenblick ein neuer Vong-Angriff beginnen könnte. Das bedeutet, dass es wunderbar schmecken wird.« Sie nahm einen vorsichtigen Schluck.

Man musste es ihr hoch anrechnen − sie verbarg ihre Reaktion auf das Zeug gut. Aber durch die Macht konnte Kyp spüren, wie die Nervenenden in ihrem Hals gegen das Eindringen des hausgemachten Gebräus protestierten.

Jag war zwar machtblind, aber er kannte Jaina offenbar gut genug, um zu bemerken, wie sie sich fühlte. Seine Schultern bebten vor lautlosem Lachen.

»Also gut«, sagte Jaina. Ihre Stimme klang, als hätte sie sich plötzlich in eine ältere Mechanikerin verwandelt. »Wir haben ein Problem, Kyp. Du, Jag und ich.«

»Ich war mir keiner Probleme bewusst.«

»Warum reißt du dann unsere Machtverbindung ab, sobald sie für die anstehenden Aufgaben nicht mehr unbedingt notwenig ist? Es ist, als tanze man mit einem Partner, der am Ende jedes Tanzes zurückspringt und sich den Staub abwischt.«

»Das ist … ein interessanter Vergleich.« Kyp warf Jag einen Blick zu, aber der jüngere Mann hatte auf Jainas Worte nicht reagiert, und Kyp konnte sein Gesicht nicht sehen. »Vielleicht sollten wir tatsächlich einmal darüber sprechen. Unter vier Augen.«

»Vielleicht auch nicht. Jag hat Anteil an dieser Situation. Er war es, der dieses Gespräch vorgeschlagen hat.«

Kyp spürte, wie er ärgerlich wurde; und er wurde noch ärgerlicher, weil er so vorhersehbar reagierte. »Ach ja? Direkte Konfrontation. Das liegt bei Ihnen in der Familie, nicht wahr?«

Jag trank einen Schluck des Selbstgebrauten und gab ein Geräusch von sich, als hätte man ihm einen Faustschlag in den Magen versetzt. Einen Augenblick später sagte er: »Ich stamme von mehr als einer Familie ab, Kyp. Einige von ihnen sind tückischer als andere.«

»Und das bedeutet?«

»Das bedeutet … was immer Sie von dieser Besprechung erwarten, wird wahrscheinlich nicht passieren.«

»Eine nette rätselhafte Antwort.« Kyp trank einen Schluck. Was immer das Zeug sein mochte, es schmeckte nach einem Teil Alkohol, einem Teil Pfeffer und einem Teil verfaulendem Obst. Tränen traten ihm in die Augen. »Moment mal. Ihr beiden habt das Gegengift genommen, bevor ich raufkam, oder?«

Jaina schnaubte. »Würde es dich stören, wenn ich direkt das Energiekabel anfasse?«

»Mach schon.«

»Vor einer Weile hast du mich manipuliert. Das hat mir nicht gefallen. Auf Hapes habe ich dich in ein paar Situationen gedrängt, die du nicht mochtest. Ich habe dir viel Ärger gemacht. Wir haben einander beide darüber angelogen, was wir vorhatten und was wir meinten. Als du dich meiner Staffel angeschlossen hast, dachte ich, du hättest mir verziehen. Als ich akzeptierte, bedeutete das, dass ich dir verziehen hatte. Hat es das nun bedeutet oder nicht?«

»Ich habe dir verziehen.«

»Wir sind also Partner, oder nicht?«

»Das sind wir. Zumindest solange die Zwillingssonnen-Staffel besteht.«

»Nein, tu das nicht.« Jaina ließ ein wenig Gereiztheit in ihre Stimme einfließen. »Jedes Mal, wenn wir uns durch die Macht miteinander verbinden, kann ich spüren, wie du dich auf den Tag vorbereitest, an dem du dich absetzen wirst. Glaub mir, ich verstehe das. Ich habe bis vor ein paar Wochen das Gleiche getan. Aus ähnlich dummen Gründen. Und du brichst die Verbindung so schnell ab, damit ich nicht weiß, was du tust. Nicht, dass es dir etwas helfen würde. Ich will, dass du damit aufhörst. Ich will, dass du nicht mehr daran denkst, dich abzusetzen und allein zu sein. Ich weiß, dein Bruder ist tot, deine Familie ist tot, deine letzte Staffel ist tot, und das tut mir Leid. Aber du brauchst nicht zu gehen, und du brauchst nicht allein zu sein.«

»Äh …« Kyp musste sich anstrengen zu antworten − richtig zu antworten. »Ich will auch nicht im Weg sein. In deinem Weg. Zwischen dir und … du weißt schon.«

Jag streckte die Hand aus. »Colonel Jagged Fel. Erfreut, Sie kennen zu lernen.«

»Seien Sie doch still. Jaina, es ist unangenehm.«

»Ja, das weiß ich. Jag und ich sind ebenfalls Partner, und noch etwas mehr darüber hinaus, und du bist hier, und du warst eine Weile hinter mir her, und das muss für dich verwirrend sein. Für mich ist es jedenfalls so. Wird es dazu führen, dass du gehst?«

»Das sollte es.«

»Dann solltest du gleich gehen und aufhören zu schwanken.«

Kyp stand auf. »Du hast recht. Es tut mir Leid, dass ich …«

»Setz dich!«

Überrascht über die Kraft in ihrer Stimme, setzte sich Kyp, bevor er es selbst merkte. Er starrte sie verdutzt an.

»Schon besser«, sagte Jaina. »Jag, warum sind Männer so dumm?«

»Biologische Prädisposition. Hier ist ein Beispiel.« Jag trank noch einen Schluck. Selbst im Dunkeln war das gequälte Zucken, das von seinem Hals bis zu seinen Füßen ging, deutlich zu sehen.

Jaina setzte sich auf, ihre Haltung ein Spiegelbild von Jags. »Kyp, es ist unangenehm, weil Partnerschaften unbequem sind. Familien sind unbequem. Ich weiß, dass meine es ist. Man muss diese Unbequemlichkeit ertragen, weil die einzige Alternative darin besteht, alles zu verlieren.

Vor langer Zeit einmal warst du wie ein jüngerer Bruder meines Vaters. Das interessiert mich nicht. Diese Beziehung macht dich nicht zu meinem Onkel. Du hast eine Beziehung zu mir. Es ist keine Liebesbeziehung. Es ist auch keine Meister-Schülerin-Beziehung mehr. Ich glaube, wir wissen beide, dass beide Beziehungen nicht richtig wären. Wir sind Partner, was immer das bedeuten mag. Es hängt von uns ab, welche Bedeutung wir dieser Beziehung geben wollen. Wenn wir Partner sind, ist das etwas, das andauert, bis einer von uns stirbt. Und ob es Jag wehtut oder nicht, wird er für sich behalten, denn er ist intelligent genug, um zu wissen, dass er meine Beziehungen nicht kontrollieren kann.

Also noch einmal: Sind wir Partner, oder machst du dich davon, um alleine zu sterben?«

Kyp seufzte. »Ich sehe, du hast das beträchtliche Verhandlungsgeschick deines Vaters geerbt.«

Sie ignorierte die boshafte Bemerkung über Hans Stil, der sich so sehr von dem ihrer berühmten Mutter unterschied.

»Stimmt. Also?«

»Also sind wir Partner.«

»Gut.« Sie hob ihr Glas. »Darauf trinken wir.«

»Müssen wir?«

»Wir müssen.«

Jag lachte leise. »Verglichen mit diesem Zeug sind Duelle mit Vong-Piloten eine Kleinigkeit.«