35 Morfyd hielt sich ihr neues rotes Kleid vor den Körper und überlegte hin und her, ob es zu viel war. Zu gewagt? Für sie jedenfalls? So langsam hasste sie diese spontanen Familienfeste. Andererseits war dies das erste Mal, dass sie hingehen konnte und ihre Gefühle für Brastias vor niemandem zu verstecken brauchte. Nicht einmal vor ihren Eltern.

Der Gedanke machte ihr Angst, aber sie war wild entschlossen, jetzt keinen Rückzieher zu machen. Er liebte sie, und sie liebte ihn; nichts sonst zählte. Und das würde sie sich immer wieder selbst sagen, bis dieser ganze Albtraum vorüber war!

»Ich brauche deine Hilfe«, sagte Dagmar, die ohne anzuklopfen in ihr Zimmer kam.

»Was ist los?«

»Abgesehen davon, dass ich in deinen idiotischen Bruder verliebt bin? Hundeschlabber-Ausschlag.«

»Hundeschlab …?« Nein. Sie fragte besser nicht. »Lass mal sehen.«

Dagmar stellte sich vor sie, und Morfyd sah, dass die Nordländerin die Wahrheit sagte. Sie liebte Gwenvael wirklich – sie sah es in diesen kalten, grauen Augen. Dagmar hätte Morfyd vielleicht sogar leidgetan, wenn sie nicht so eine berechnende kleine Zicke gewesen wäre. Sie waren perfekt füreinander, Dagmar und Gwenvael. Und was noch besser war: Dagmar war perfekt für Annwyl. Die Menschenkönigin brauchte eine gute Politikerin an ihrer Seite, und das war Dagmar.

Morfyd legte ihr Kleid beiseite und besah sich den Ausschlag aus der Nähe. Nachdem sie ihn ein paar Minuten angestarrt hatte, trat sie zurück. »Wo hast du das her?« Und sie war unfähig, die Anspannung aus ihrer Stimme herauszuhalten.

»Ein Hund …«

»Erzähl mir nichts«, schnauzte Morfyd. »Hast du das von meiner Mutter?« Oh, das würde sie ihr nicht geraten haben!

»Ob ich von deiner Mutter einen Ausschlag habe?«, fragte Dagmar trocken. »Nun ja … so nahe sind wir uns nie gekommen, sie und ich.«

»Das ist kein Ausschlag, und das wissen wir beide.«

Dagmar musterte sie einen Augenblick. »Tun wir das?«

»Es ist die Kette von Beathag.«

»Und was soll das sein?«

Morfyd trat noch einen Schritt zurück. »Weißt du das wirklich nicht?« Dagmar schüttelte den Kopf. »Und du hast sie nicht von meiner Mutter?« Noch ein Kopfschütteln. »Oh … du meine Güte.«

»Wie schlimm ist es?«, fragte Dagmar ruhig. »Muss ich sterben?«

»Was?«

»Wenn deine Mutter etwas damit zu tun hat, nehme ich an, ich liege im Sterben.«

»Du stirbst nicht.« Sie nahm Dagmars Arm und zog sie vor den Spiegel. »Das ist kein Ausschlag. Die roten Male kommen daher, dass du daran gekratzt hast, aber die braunen Male ähneln der Kette von Beathag. Ein Geschenk von großer Macht von den Drachengöttern. Es verlängert das natürliche Leben des Trägers um fünf- oder sechshundert Jahre.«

»Oh.« Dagmar schaute auf ihre Brust hinab. »Das war sehr nett von ihm.«

»Von wem?«

»Von Nannulf.«

Morfyd blinzelte. »Der Kriegsgott? Das war der Hund, von dem du geredet hast?«

Dagmar zuckte die Achseln und nickte.

»Wann hast du ihn gesehen?«

»Heute Morgen. Er und Eir sind mich besuchen gekommen.«

»Eir? Du meinst Eirianwen?« Die Barbarin konnte Eir, die Kriegsgöttin der Drachen anrufen? Worin lag da die Gerechtigkeit? »Du verehrst die Götter doch nicht einmal!«

»Ich weiß. Aber er ist eine Art Hund, und ich kann gut mit Hunden.«

Dagmar sah das Ganze so nüchtern. Mit Göttern reden, Hunderte von Jahren zusätzliches Leben geschenkt bekommen, sich verlieben … Gab es irgendetwas, was diese Menschliche aus der Fassung brachte? Gab es irgendetwas, das ihr Sorgen machte?

»Dein Gesicht wird ganz rot«, bemerkte Dagmar.

»Ja, das kann ich mir vorstellen.«

»Stimmt etwas nicht?«

»Ob etwas nicht stimmt?« Sie warf die Hände in die Luft. »Na ja … in den nächsten zehn oder zwanzig Minuten werde ich hinuntergehen müssen und vor meinem Drachen von Mutter katzbuckeln, in der Hoffnung, dass sie Brastias die Kette von Beathag schenkt, damit wir die nächsten Jahrhunderte glücklich zusammen leben können. Und du, du, die niemanden verehrt außer sich selbst, bekommst sie, weil ein Hund, der ein Gott ist, dich mag.«

»Er ist eher ein Wolf als ein Hund.«

»Halt die Klappe!« Morfyd hielt sich die Hand vor den Mund, entsetzt über sich selbst. »O Dagmar. Es tut mir leid. Das war grob. Und ungerechtfertigt. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist.«

»Ich schon. Das nennt sich Eltern.« Sie lächelte und zwinkerte, und jetzt fühlte sich Morfyd noch schlechter, weil Dagmar so nett mit allem umging. »Glaubst du wirklich nicht, dass Rhiannon Brastias diese …«

»Die Kette von Beathag. Sie wird sie ihm geben«, gab Morfyd zu. »Ich weiß es. Aber zuerst wird sie mich dafür kriechen lassen.«

»Morfyd, nachdem ich deine Mutter kennengelernt habe, muss ich dir recht geben.« Jetzt lachte Morfyd endlich. »Davon abgesehen würde ich mir nicht allzu viele Sorgen um deinen Stolz machen. Wir alle erdulden Dinge für die, die wir lieben. Und ich bin mir sicher, Brastias ist es wert.«

»Das ist er allerdings.«

»Dann wirst du es durchstehen. Denn wir stehen viel durch, wenn wir verliebt sind.« Jetzt sprach sie wohl von sich selbst. Wie sie Gwenvael würde »durchstehen« müssen. Und durchstehen würde sie einiges, da war sich Morfyd sicher. Armes Ding.

»Aber«, sprach Dagmar weiter, »bevor du losrennst, um irgendetwas davon zu tun, könntest du mir vielleicht etwas gegen die Schmerzen geben.«

»Schmerzen? Von dem Ausschlag?«

»Nein. Der juckt nur. Ich brauche etwas gegen diese Schmerzen …«

Morfdys Augen wurden groß bei dem Anblick, den Dagmar ihr bot. Die Nordländerin hatte ihr den Rücken zugewandt und das Kleid bis über die Hüften hochgeschoben, sodass Morfyd … alles sehen konnte.

»Ah … oh … Dagmar.« Sie musste sich zusammenreißen – und zwar richtig –, um nicht zu lachen. »Ähm … herzlichen Glückwunsch?«

»Statt mir Dreck zu essen zu geben und mir zu sagen, es sei Brot, warum besorgst du mir nicht eine Scheiß-Salbe, bevor ich anfange zu schreien?«

»Unbedingt. Ich bin sicher ich habe da …« – sie hielt sich den Mund zu und verkniff sich das Lachen, allerdings mehr schlecht als recht – »etwas.«

Gwenvael starrte hinunter auf den Wappenrock, den er über sein Kettenhemd gezogen hatte und versuchte einmal mehr, sich zu erinnern, wen er dafür vom Angesicht der Erde gewischt hatte.

Dann wurde ihm klar, dass heute Abend hauptsächlich Familienmitglieder da sein würden, und es also nicht so wichtig war, und schloss den Gürtel um seine Taille.

Ein kurzes Klopfen an der Tür, und er blickte auf. »Herein.«

Annwyl und Morfyd kamen ins Zimmer und starrten ihn an. Beide sahen wunderschön aus in ihren Kleidern – Annwyls war tannengrün und Morfyds von einem kräftig leuchtenden Rot.

Sie standen beide nur da und starrten ihn an. Vielleicht war es auch ein böser Blick. Jedenfalls war etwas.

»Was?«, fragte er, als sie viel zu lange nichts sagten.

Annwyl stemmte die Hände in die Hüften. »Du hast ihren Arsch markiert?«

Dagmar wich wieder einmal Fals aufdringlichen Händen aus und schob sich durch die Menge im Rittersaal. Nichtsdestotrotz konnte sie dem Drachen nicht allzu böse sein. So viel männliches Interesse hatte sie nie zuvor erfahren – das war ziemlich berauschend.

Genau wie Bercelaks Wein.

Also, das hätte ihr Vater als echten Wein bezeichnet. Nicht dieser schwache Südländerwein, sondern herzhaftes, schweres Zeug, das einem den Rost vom Schild holen konnte. Damit in Kombination mit Morfyds Salbe, spürte Dagmar sehr wenig Schmerzen.

Sie blieb stehen und starrte Königin Annwyl an. Mit Verzweiflung im Gesicht formte diese mit ihren Lippen die Worte: »Hilf. Mir.«

Dagmar verdrehte die Augen, ging zu ihr hinüber und tippte Éibhear auf die Schulter. »Du musst sie jetzt runterlassen«, erklärte sie noch einmal, als er sie ansah.

»Ich will nicht.« Er umarmte Annwyl fester, woraufhin die Königin nach Luft schnappte. »Wir hätten sie fast verloren. Ich war unglücklich darüber. Ich fand es schrecklich, unglücklich zu sein!«

»Ich weiß, ich weiß. Aber du zerquetschst sie noch.« Sie zeigte auf den Boden. »Runter. Du musst sie runterlassen.«

Mit einem hinreißenden Schmollgesicht schüttelte der blauhaarige Drache den Kopf. »Nein.«

»Na gut. Aber ich mache mir Gedanken. Es geht um Izzy.«

»Ich habe es meinen Brüdern schon gesagt, und jetzt sage ich es dir … Izzy ist mir egal, außer als Nichte. Sie ist eine sehr verzogene, nervtötende Nichte.«

»Ich verstehe das absolut und habe dasselbe auch Gwenvael gesagt. Aber wie du weißt, habe ich zwölf Brüder. Und wenn ich sehe, wie einer davon eines der Dienstmädchen hinter die Ställe zerrt, mache ich mir Sorgen. Und als ich gesehen habe, wie Celyn …«

»Was?« Sofort ließ er Annwyl fallen, die glücklicherweise wieder genug Gleichgewichtssinn besaß, um nicht auf dem Hintern zu landen. »Wo?«

»Ich habe sie da hinausgehen sehen.« Sie deutete ans andere Ende des Rittersaals. »Sie schien mir ein bisschen unsicher zu sein.«

»Dieser verdammte Kerl!« Éibhear rannte hinter Izzy her, und Dagmar bedeutete einer der Dienerinnen, noch einen Becher Wein zu bringen.

»Danke.« Annwyl zog ihr Kleid in Form, indem sie ihre Brüste packte und sie zurechtschob, dann nahm sie den Becher, den ihr die Dienerin hinhielt. »Ich liebe ihn wirklich, aber wenn er einen einmal erwischt hat, ist er wie ein wilder Affe.«

»Ich habe es gemerkt.«

Die Königin nahm einen Schluck Wein und fragte: »Und falls Izzy wirklich hinter den Ställen ist …«

»Sie ist irgendwo da drüben.« Sie winkte zu einer Gruppe von kichernden Mädchen hinüber. »Ich werde sagen, Celyn hätte es versucht, aber Izzy hätte ihn total abblitzen lassen.«

Lachend prosteten sich die beiden Frauen mit ihren Bechern zu und nahmen noch ein paar Schlucke.

Kurz darauf kam Morfyd herangestürmt. »Wir haben ein Problem. Und hör auf, diesen Wein zu trinken.« Sie riss Annwyl den Becher aus der Hand. »Du stillst noch!«

»Na und? Die Heilerin sagte, ich darf.«

»Die Heilerin ist menschlich, und Menschen sind Idioten. Nichts für ungut, Dagmar.«

Dagmar zuckte die Achseln und nahm noch einen Schluck.

»Ich werde nicht zulassen, dass du meine Nichten und Neffen in Gefahr bringst, bis sie abgestillt sind.«

»Viel wichtiger ist, dass es anscheinend ein Gerücht gibt, dass du untot und unheilig bist. Lord Craddock hat versucht, die anderen menschlichen Lords aufzustacheln.«

Ohne ein Wort machte sich die Monarchin auf den Weg, doch Morfyd hielt sie hinten am Kleid fest und riss sie zu sich zurück. »Wage es ja nicht, dort rüberzugehen und ihnen zu erzählen, du seist untot!«

»Bitte, lass mich gehen und es sagen! Bitte!«

»Nein! Sag es ihr, Dagmar. Sag ihr, es ist eine furchtbare Idee!«

»Na ja …«

»Na ja? Was soll das heißen, na ja?«

»Mein Vorschlag?« Sie bedeutete den beiden Frauen mit einer Kopfbewegung, näher zu kommen. »Sag nicht, dass du untot bist. Das ist zu offensichtlich und kann bei den anderen Monarchen gegen dich verwendet werden. Aber wenn er fürchtet, dass du untot bist, könnte dir das definitiv zum Vorteil gereichen.«

»Das ist genial!«

»Ich weiß.«

»Das ist wirklich genial«, stimmte Annwyl zu. »Aber ich habe keine Ahnung, wie ich das anstellen soll.«

»Überlass das mir.« Dagmar stürzte den Rest ihres Weins hinunter, schob die Schultern zurück und warf die Haare nach hinten. »Wenn ich mit ihm fertig bin, wird er viel zu viel Angst haben, um noch irgendwen gegen irgendwen aufzustacheln.«

Gwenvael schürzte die Lippen und dachte daran, den Druck etwas zu verringern, doch der auf ihn zukommende Fearghus lenkte ihn ab.

»Warum hat Dagmar diesen Idioten Craddock überzeugt, dass Annwyl vielleicht untot sein könnte oder vielleicht auch nicht?«, fragte Fearghus, während er Gwenvael ein Pint reichte.

Nachdem er einen Augenblick darüber nachgegrübelt hatte, antwortete Gwenvael schließlich: »Ich habe keine Ahnung. Aber ich bin mir absolut sicher, dass sie es aus einem guten Grund getan hat.«

»Das weiß ich. Ich war nur neugierig.« Fearghus atmete aus und sprach weiter. »Ich hatte noch keine Gelegenheit dazu, aber … als das alles mit Annwyl und den Babys war, hast du mir beigestanden. Ich wollte dir dafür danken.«

»Hat es je einen Moment gegeben, wo du dachtest, ich würde dir nicht beistehen?«

»Eigentlich … nein. Was mich noch mehr überrascht hat.« Sie grinsten, und Fearghus fügte hinzu: »Aber trotzdem danke, Bruder.«

»Nichts zu danken.« Als es unter seinem Fuß stöhnte, trat Gwenvael fester zu.

»Hast du vor, Fal heute noch mal loszulassen?«, fragte Fearghus.

Gwenvael starrte seinen Vetter finster an, verärgert, dass Fal Blut an seine Lieblingsstiefel schmierte. »Er hatte seine Flossen schon wieder an meiner Dagmar!« Gwenvael beugte sich vor und knurrte den Drachen unter seinem Fuß an: »Ich habe ihm wieder und wieder gesagt, dass das keine gute Idee ist.«

»Anscheinend hört er nicht zu.«

»Das wird er schon, wenn ich ihm das Genick breche.«

»Aber dann müssen wir uns ewig Vorwürfe von Mum dafür anhören.«

Briec fand Talaith draußen vor den Toren von Garbhán. Sie saß auf einem Felsbrocken und starrte in den Himmel hinauf. Der Mond war noch nicht voll, doch er umgab sie trotzdem mit einem sanften Glühen.

»Hier bist du. Ich habe dich gesucht.«

»Alles in Ordnung?«, fragte sie, immer noch in den Himmel starrend.

»Na ja, mal sehen … Meine geniale und schöne Schwester ist plötzlich in einen einfachen Menschen verliebt. Keita spricht mit niemandem. Annwyl ist überzeugt, dass ihre Tochter sie hasst, während Fearghus überzeugt ist, dass sein Sohn ihn im Schlaf töten will. Ich habe meine Mutter und meinen Vater im Konferenzzimmer erwischt, wo sie sich aufgeführt haben wie die Tiere – wieder einmal. Aber das ist gar nichts im Vergleich dazu, dass ich meinen Vater – einen Drachen, der als einer der größten Krieger unserer Zeit gilt, wohlgemerkt – dabei erwischt habe, wie er ›Guckguck, dada‹ mit seinen Enkeln gemacht hat, als er glaubte, niemand könne es sehen. Und die Krönung des Abends ist, dass Gwenvael Dagmar auf ewig als die Seine in Besitz genommen hat, indem er ihren Hintern gebrandmarkt hat, den er nun schon den ganzen Abend lang in regelmäßigen Abständen klapst.«

Talaiths Kopf fiel nach vorn, als sie einen Lachanfall bekam.

»Sie ist, gelinde gesagt, ziemlich geladen. Und wenn ich er wäre, hätte ich heute Nacht Angst, schlafen zu gehen«, fuhr Briec fort.

»Deine Familie ist unglaublich.«

»Das ist nett ausgedrückt.«

Briec setzte sich hinter sie und zog sie zwischen seine Beine, damit sie sich an seine Brust lehnen konnte. Er schlang die Arme um sie; es gefiel ihm, dass gerade genug Platz für sie beide war.

»Willst du nicht reinkommen und ein bisschen mit mir tanzen?«

»Ich komme. Bald.«

Er lehnte sich eng an sie und drückte seine Lippen an ihren Hals. Wie sie es oft tat, neigte Talaith den Kopf zur Seite, damit er besser herankam. Er knabberte sanft an ihrer Haut, hinab zu ihrer Schulter, während seine Hände über ihre Arme glitten. Seine fast brutale Lust auf sie überraschte ihn immer wieder. Er hätte gedacht, es würde mit der Zeit weniger werden, aber es war stetig mehr geworden, während sie sich mit der Zeit verändert hatte, in ihr neues Leben hineingewachsen war und sich immer sicherer und wohler fühlte.

Er ließ die Hände ihre Arme hinab und auf ihre Schenkel gleiten. Sie hatte so herrlich muskulöse Schenkel, und er genoss es immer, mit den Händen an ihnen entlangzufahren und die Finger unter ihr Kleid zu schieben, damit er ihre weiche Haut fühlen konnte. Er strich über die Lederbänder, die das Futteral ihres Dolches hielten, und wurde noch härter, als er merkte, dass der Dolch da war und dass er immer noch in greifbarer Nähe sein würde, wenn er sie heute Nacht noch einmal nahm – was er übrigens auch schon den größten Teil des Nachmittags getan hatte. Das machte sie noch köstlicher und gefährlicher.

Briec setzte die Reise seiner Finger über ihre Schenkel fort, doch als ihre Hände nach seinen griffen, überließ er ihr die Führung. Er wollte sehen, was sie tun würde.

Talaith zog seine Hände weiter in ihren Schoß hinauf. Doch dort ließ sie sie nicht, sondern bewegte sie weiter, bis sie ihren Bauch erreichten. Sie drückte seine Hände gegen ihren Bauch und seufzte auf, als er mit den Fingern darüberstrich.

Er liebte ihre weiche Haut. Er liebte es, wie ihr Körper sich bei der leisesten Berührung von ihm zusammenzog. Wie … wie …

Ihr Götter.

Briec löste den Mund von Talaiths Hals und sah auf sie hinab. Ihr Lächeln war sanft und zufrieden, der Blick verträumt.

Es war Jahre her, seit Briec die Künste der Drachenmagier studiert hatte, aber er hatte immer noch ein paar Fertigkeiten. Und deshalb hatte sie es ihm so gesagt: Sie wusste, dass er es verstehen würde, ohne dass sie ein Wort sagen musste.

Nie gekannte Gefühle schossen durch ihn hindurch, er fühlte sich leicht betrunken und extrem panisch. Er wusste, es gab alles Mögliche, was ein Drache einer Drachin in so einem Moment gesagt hätte, doch Talaith war keine Drachin. Und das macht ihm Sorgen.

»Ich will dich nicht verlieren«, sagte er schlicht.

Überrascht sahen ihn ihre braunen Augen an. »Wovon redest du?«

»Von dem, was Annwyl durchgemacht hat. Wenn Eirianwen nicht eingegriffen hätte, sie zurückgebracht hätte, hätte Fearghus sie verloren. Ich könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren. Du bedeutest mir alles, Talaith.«

»Schschsch.« Sie drehte sich in seinen Armen herum, erhob sich auf die Knie und legte ihm die Hände ums Gesicht. »Es wird alles gut.«

»Das weißt du nicht.«

»Doch. Ich weiß es. Hier geht es nicht darum, dass Rhydderch Hael meinen Körper für seine Experimente benutzt, wie er es mit Annwyl getan hat. Es ist anders. Ich bin anders. Ich habe Kraft, die Annwyl nicht hat. Mächte, die mich schützen werden und die sich schon jetzt versammeln, um das Kind zu beschützen. Unser Kind.«

»Bist du sicher? Ich werde nicht zulassen, dass ich unglücklich werde, Lady Schwierig.«

»Denn es geht wie immer nur um dich, Lord Arrogant.« Ihr Grinsen war breit und strahlend. Sie wollte dieses Kind. »Vertrau mir. Ich werde nicht sagen, dass ich nicht genauso glücklich oder unglücklich sein werde wie jede andere schwangere Frau, aber was Annwyl passiert ist, wird mir nicht passieren. Der schwierige Teil ist jetzt vorüber. Die Mauern sind gefallen, Götter aller Arten und Götterhimmel bewegen sich frei zwischen den Welten, und was einst undenkbar war … wird eines Tages ganz normal sein.«

»Eines Tages interessiert mich nicht. Du interessierst mich.«

»Ich weiß.« Sie küsste ihn sanft. »Deine Liebe und dein Glaube an mich sind der Grund, warum ich es schaffen werde. Warum wir es schaffen werden.«

»Und was ist mit Izzy?«

»Wir sagen ihr nichts.«

Verblüfft neigte er sich zurück. »Talaith.«

»Du weißt, was sie tun wird, wenn wir es ihr sagen.« Ja. Briec wusste es. Er wusste, dass seine Tochter ihre Pläne, mit der Achtzehnten Legion zu ziehen, ändern würde, weil sie Angst hätte, ihrer Mutter von der Seite zu weichen. Sie würde für Talaith da sein wollen, auch wenn das bedeutete, ihre Träume aufzugeben. »Ich will nicht schuld sein, Briec, oder dass sie es mir irgendwann übel nimmt. Sie wird noch früh genug davon erfahren, nur jetzt noch nicht.«

»Wenn du dir sicher bist.«

Sie seufzte frustriert und lehnte sich zurück. »Musst du an mir zweifeln?«, blaffte sie plötzlich, seiner Meinung nach irrational wütend.

»Ich zweifle an dir, wann ich will! Und wirst du ab jetzt bis du damit gesegnet bist, meinen Nachwuchs auf die Welt zu bringen, immer eine übellaunige Zicke sein?«

»Oh, du kannst mir glauben, Lord Arrogant, dass ich vorhabe, dir das Leben zur Hölle zu machen!«

»Wer sagt, dass du das nicht schon tust?«

»Ich habe noch nicht einmal angefangen!«

»Gefühlloses Weibsstück!«

»Schwieriger Mistkerl!«

Dann küssten sie sich, ihre Münder verschmolzen, ihre Zungen neckten und streichelten einander, während sie sich gegenseitig die Kleider vom Leib rissen.

Und da wusste Briec, dass Talaith die Wahrheit gesagt hatte – alles würde gut werden.

Dagmar knallte ein kleines Glas Salbe auf den Tisch und beugte sich vornüber, damit Gwenvael gut an ihren Hintern herankam.

»Mach dich an die Arbeit!«, befahl sie.

»Ich brauche eine Schüssel und ein Stofftuch. Vergiss meinen Vortrag über Hygiene nicht.«

»Dafür ist es nicht, du ekelhafter Mistkerl. Es tut immer noch weh.«

»Tut mir leid.«

»Nein, tut es nicht!«

»Nein. Stimmt. Vor allem, weil ich gesehen habe, wie Fal schon wieder um dich herumgeschnüffelt ist.«

»Fal ist ein kleiner Junge. Ich hätte nie Interesse an ihm.«

»Also hätten Briec, Fearghus und ich ihn nicht vom Dach werfen müssen?«

Dagmar richtete sich auf. »Was habt ihr gemacht?«

»Er kennt keine Grenzen. Und schau mich nicht so an. Er lebt noch.«

Das alles mit der Hand fortwedelnd, ging sie zum Bett hinüber und zog sich aus. Sie legte sich auf die Decke, mit dem Gesicht nach unten. Und, königlich wie sie war, wartete Dagmar, dass er tat, worum sie ihn gebeten hatte.

Gwenvael nahm ihren Fuß und drehte sie langsam auf den Rücken. Sie verzog das Gesicht und schaute ihn finster an. »Was tust du da?«

Er bog vorsichtig ihre Beine zurück, bis sie ihre Brust berührten. »Ich wette, wenn du dich nicht bewegst, tut es nicht weh.«

»Na und?«

Gwenvael drückte ihre geknickten Beine auseinander und machte es sich dazwischen bequem, mit dem Gesicht in ihrem Schoß. »Dann bewegst du dich wohl besser nicht.«

Keuchend schüttelte sie den Kopf. »Nicht.«

»Zu spät. Ich muss dich haben. Muss dich schmecken. Aber du musst stillhalten. Kein Winden, kein Zappeln oder sonst etwas.«

Er leckte sich die Lippen. »Egal, was ich jetzt mit dir mache – beweg dich nicht.«

Ihre Hände umklammerten das Bettzeug. »Du bist ein Mistkerl.«

»Und du liebst mich dafür, oder nicht?«

»Die Vernunft helfe mir, aber ich tu’s.«

Gwenvael lächelte, glücklicher als er je gewesen war. »Und ich liebe dich, Bestie. Und jetzt denk daran«, neckte er sie und genoss es, wie sie trotzdem nicht anders konnte als sich zu winden, »nicht bewegen!«

Keita die Schlange ging an Reihen von kämpfenden, übenden Drachen vorbei in das Herz des Berges Anubail, der Untergrundfestung der Kriegerdrachen. Hier wurden die größten Drachenkrieger der Südländer geboren. Königlich oder von niederer Geburt war nicht wichtig, wenn man erst einmal die Schwelle überschritten hatte und es wagte, einzutreten.

Als sie vorüberging hielten alle inne, um ihr nachzusehen. Sie erkannte ein paar der Männer, doch keiner hatte einen unauslöschlichen Eindruck in ihrem Leben hinterlassen. Keiner war unvergesslich gewesen.

Sie ging in die Haupthöhle. Der Drache, wegen dem sie gekommen war, stand in der Mitte eines runenbedeckten Rings aus veredeltem Stahl und trainierte hart mit einem langen Stab. Alle ignorierend, die sie anstarrten, betrat Keita diesen Trainingsring und machte mit geneigtem Kopf einen Kniefall.

Der Stab schwang über ihren Kopf hinweg, verfehlte sie um Haaresbreite. Auch als sie seinen Luftzug spürte, rührte sie sich nicht, zuckte nicht zusammen – sie wartete nur.

Der Stab knallte auf den Boden, und eine lange Kralle tippte geduldig daneben. Immer noch bewegte Keita sich nicht.

»Sieh an, sieh an. Wenn das nicht Ihre mächtige Ladyschaft ist. Prinzessin Keita höchstpersönlich. Und was tust du hier, kleine Prinzessin?«

Keita setzte sich wieder auf die Hinterbeine, die vorderen Klauen fest auf den Boden gestemmt. »Ich brauche deine Hilfe, Elestren.«

»Meine Hilfe?«, fragte die Drachin von niederer Geburt. »Wofür?«

»Um mir zu zeigen, wie man kämpft. Wie man tötet.«

»Wir alle wissen, wie man tötet, kleine Prinzessin. Das liegt uns im Blut.«

»Ich will lernen zu kämpfen wie du. Fähig sein, es mit jedem Drachen aufzunehmen, der mich herausfordert, ob in dieser Gestalt oder in meiner menschlichen.«

Elestren begann zu lachen. »Du?« Sie lachte noch lauter. »Die hübsche kleine Prinzessin will lernen zu kämpfen wie ich?« Sie trat näher. »Willst du auch Narben wie meine? Sie gehen nicht wieder weg, weißt du? Wenn der Schnitt durch die Schuppen geht, bleiben sie für immer. Selbst in deiner menschlichen Gestalt. Sicher, dass du das willst? Du mit deinen männlichen Spielzeugen und hübschen Kleidern? Sicher, dass du das willst?«

Was sie wollte, war, sich nie wieder schwach und hilflos zu fühlen, wie es ihr mit diesem Barbaren Ragnar gegangen war. Er hatte sie für seine Spielchen benutzt, und das würde sie ihm nie verzeihen und würde es sich weder von ihm noch von sonst jemandem je wieder gefallen lassen. Sie war nicht nur eine Trophäe, die man gewann oder verlor, kein Druckmittel, das man gegen ihre Schlampe von Mutter einsetzte. Sie war Keita die Schlange – und sie würde tun, was immer nötig war, um sicherzugehen, dass sie diesen Namen auch wirklich verdiente.

Keita schaute der Kriegerin in die Augen. »Das will ich.«

Elestren musterte sie prüfend und nickte. »Ich glaube dir.« Die dunkelgrüne Drachin ging zu dem Altar an der gegenüberliegenden Wand hinüber. »Wenn wir in die Schlacht fliegen, rufen wir die Kriegsgöttin Eirianwen an. Wenn du hierbleiben und mit mir trainieren willst, ob du mit unserer Armee kämpfst oder nicht, wirst du ihr dein Leben weihen, genau wie ich es getan habe.«

Keita schritt ohne Zögern zu dem Altar hinüber und nahm den Dolch, der ihr gereicht wurde. Sie hielt ihn in der Klaue über den dicken Marmor und zog die Klinge über ihre Handfläche. Ihr Blut vermischte sich mit dem der Tausenden von Drachenkrieger, die vor ihr gekommen waren, dem ihres Vaters eingeschlossen.

»Ich weihe mein Leben und das derer, die ich töte, der mächtigen Eirianwen«, intonierte sie feierlich.

Elestren nahm ihr den Dolch wieder ab. »Ich zeige dir, wo du schlafen wirst – und zwar allein, wenn du Verstand hast –, und morgen fangen wir an.«

Keita wandte sich der Drachin zu. »Danke, Cousine.«

»Danke mir noch nicht.« Elestren beäugte sie kühl. »Ich werde es genießen, dich bluten zu lassen, kleine Prinzessin.«

Als ihre Cousine ging, rief ihr Keita nach: »Geht es immer noch darum, dass ich dich damals Fettsack genannt habe? Wird es nicht langsam Zeit, dass du darüber hinwegkommst?«

Und als Keita sich unter dem langen Stab wegduckte, der über ihren Kopf hinwegflog, wusste sie, dass sie zumindest bewiesen hatte, dass ihre Reflexe gut waren.