Kapitel 3

Endlich im »Gelobten Land«

Der erste Tag in Portugal.

Noch nicht direkt in meiner neuen Heimat, in São Domingos de Rana.

Noch nicht einmal in der Nähe von Lissabon. Sondern wir sind hoch oben im Norden: Am frühen Nachmittag haben wir die spanisch-portugiesische Grenze bei Vilar Formoso passiert.

Portugal heißt uns willkommen. Ganz offiziell. Mit einem riesigen Transparent quer über die Straße: »Welcome to the stadium of Europe«. Die EM wirft ihre Schatten voraus – und António begehrliche Blicke auf die Landkarte. »Wir können es leicht heute noch nach Lissabon schaffen«, meint er. »Dann würden wir schon in der neuen Wohnung schlafen … keine Lust, einfach durchzufahren?« Ich weigere mich. Ich möchte nicht spätabends im Dunkeln in eine völlig chaotische Wohnung kommen.

Wir legen stattdessen einen Abstecher zur Serra da Estrela ein, das »Sternengebirge«. Hier, auf dem höchsten Gebirge von Kontinental-Portugal, liegt im Winter sogar Schnee. Ich staune: Es gibt auch ein Skigebiet. Von der Serra da Estrela aus reicht der Blick – so bilde ich mir ein – bis an den Atlantik: Meine neue Heimat liegt mir sozusagen zu Füßen …

Erst am nächsten Abend erreichen wir São Domingos und kommen wirklich an. Trotz der langen Fahrt quer durch Europa, trotz Chaos, Kisten und bevorstehendem Stress in den folgenden Tagen: Ich fühle, dass es mir gut geht.

Das gute Gefühl bleibt. Selbst wenn mich beinahe der Schlag trifft, als ich unser neues Heim betrete. Die Wohnung war doch bei der österlichen Besichtigung viel größer? Wo sind die 120 Quadratmeter, die wir gemietet haben? Der einzige Raum, in dem man sich wenigstens noch umdrehen kann, ist die Küche. Alles andere steht pickepackevoll: mit Möbeln, Pflanzen, unzähligen Kartons, Koffern, Taschen. Ungeordnet. Alles in den kommenden Tagen auszupacken und einzuräumen. Ich darf gar nicht daran denken …

War es nicht außerdem viel heller in den Räumen? Wieso ist diese Wohnung plötzlich so dunkel? Es liegt nicht an der Tageszeit. Denn es ist heller Mittag; es herrscht keine Abenddämmerung. Auch ist die Nacht noch nicht hereingebrochen.

Es liegt vielmehr daran, dass António plötzlich dazu neigt, sämtliche Vorhänge – und die sind alle blickdicht – auch tagsüber zuzuziehen. Muss eine portugiesische Eigenart sein, die er bisher vor mir verborgen hat. Ich verstehe das ja für die Tage, an denen wir auf unserer großen Fahrt waren und die Wohnung unbewohnt war. Musste ja nicht jeder das Chaos sehen. Und meine Pflanzen sollten ja auch nicht im grellen Sonnenlicht verdorren.

Aber jetzt sind wir da! Ich liebe Licht und Sonne, und ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als wenn die Fenster weit offen stehen und frische Luft hereinkommt. Wenn die Gardinen sich in einer leicht säuselnden Brise bauschen.

Allerdings ist der sogenannte nortada alles andere als ein solch laues Lüftchen. Der Nordwind bläst mit voller Wucht – und nachdem unsere Wohnung in genau seiner Richtung nach beiden Seiten Fenster hat, knallen mir die blickdichten Vorhänge samt Aufhängung und Stange nicht nur einmal zu Boden. Nichts da mit sanft wehenden Gardinen im abendlichen oder morgendlichen Wind. Kalt ist der nortada außerdem. So kalt, dass man in Cascais sagt: »Wenn dieser Wind weht, kann man getrost auf der Schattenseite einer Straße im Pelzmantel spazieren gehen. Auf der Sonnenseite dagegen läuft es sich besser im Bikini.«

Der Nordwind tobt tagtäglich nachmittags so stark ums Haus, dass ich Fenster und Balkontüren schließen muss. Und das im Spätfrühling. Lebe ich nicht im warmen Süden? Haben wir nicht bald Sommer? Irgendwas scheint da nicht zu stimmen. Ich ahne so ganz langsam, dass es wohl in Portugal manchmal kalt wird. Aber noch mache ich mir keine Sorgen.

Dafür gibt es zu viele Highlights. Schon an unserem zweiten Abend. António hatte sich entschieden, seinen Job in Lissabon aufzugeben, er fand sofort eine neue Stelle in Cascais. Ich hole ihn dort ab, und wir beschließen, den Abend in Ruhe ausklingen zu lassen. Sitzen in einer kleinen Kneipe direkt am Meer. Schauen auf den Atlantik. Hören die Wellen gegen das Steilufer brechen. Der Kellner macht auch bald Schluss, lädt uns noch zu einer Flasche vinho tinto ein, stellt dazu Oliven und tremoços auf den Tisch.

Kleine Notiz am Rande:

Was tremoços sind? Eingelegte Lupinensamen. Der berühmteste Fußballer Portugals, Eusébio, liebt die kleinen gelben Dinger. Auf die Frage, welche Meeresfrüchte, also mariscos, er am liebsten isst, antwortete er einmal: tremoços – die »Meeresfrüchte des Volkes«. Seitdem nennt man die leckere Knabberei nicht nur marisco do povo, sondern manchmal marisco de Eusébio. Jeder benfiquista weiß das – auch António natürlich. Er liebt tremoços, und mir schmecken sie ebenfalls.

Ein Wirt, der auf sich hält, serviert übrigens nicht lediglich gekaufte Lupinenkerne, sondern verfeinert die tremoços. Auf Madeira etwa, wo ich diese Knabberei zu Bier oder Wein in Antónios Bar lieben lernte, legt man sie nicht nur in Salzlake ein, sondern gibt ihnen mit Knoblauch, Petersilie, roten oder grünen Paprikastückchen, manchmal auch etwas Piri-Piri einen besonderen Kick.

Als ich António auf Madeira besuchte, hat er mir einmal einen ganzen Fünf-Liter-Eimer selbst eingelegter tremoços mitgegeben. Es war ein ziemlicher Akt, den am Ende tropfenden Eimer in Flugzeug, Bahn und Taxi heil nach Hause zu bekommen …

Der Abend am Meer ist wunderschön. Auch weil es noch richtig warm ist (in Deutschland frieren sie bestimmt schon wieder mal). Natürlich ist nicht nur das portugiesische Wetter eine ausgesprochen positive Erfahrung. Vom Nordwind mal abgesehen, selbstverständlich. Dabei hatte man mich mehr als einmal vorgewarnt.

Es ist ja ziemlich einfach, Informationen aller Art aus dem Internet zu fischen. Als bei António und mir feststand: »Wir gehen nach Portugal!«, habe ich mich als Erstes ins World Wide Web eingeloggt. Ich surfte aber nicht auf langweiligen Informationsseiten mit Statistiken und trockenen Länderdaten. Sondern ich wollte gleich mitten rein ins Leben. Ich suchte und fand schnell ein Länderforum, in dem man sich mit Urlaubern und in Portugal Residierenden über das Land austauschen konnte. Daraus entstanden, so merkwürdig das klingen mag, in dem knappen halben Jahr bis zu meinem Umzug bereits Freundschaften. Erst einmal natürlich virtuell. Es gab nicht nur reinen Informationsaustausch, sondern auch witzige Unterhaltungen im Chat, originelle Diskussionen über alles Mögliche. Schnell kam daher die Idee auf, nicht nur im Internet zu chatten, sondern den einen oder anderen persönlich kennenzulernen.

Fast alle deutschsprachigen Menschen, die ich hier in Portugal kenne, habe ich über dieses Portugal-Forum kennengelernt. Direkt, etwa bei einem »offiziellen« Forumstreffen. Oder weil der eine oder andere einfach eine E-Mail schickte oder zum Telefonhörer griff. Oder weil man jemanden persönlich kennenlernte, der wiederum mit einem anderen befreundet ist.

Da gab und gibt es Menschen, die mir wirklich geholfen haben: mit wichtigen Informationen, guten Tipps, mit fundierten Hinweisen und Auskünften. Manchmal einfach nur mit lustigem, ernsthaftem, geselligem Beisammensein. Mit aufmunternden Telefonaten, wenn ich mal einen Durchhänger oder mich das Heimweh befallen hatte. Mit dem Austausch von Rezepten, lokalen Geheimtipps, der preiswertesten Quelle für guten Wein oder für portugiesische Spezialitäten. Daraus sind – nicht mit allen, aber mit einigen – echte Freundschaften entstanden. Durch dick und dünn, mit Aufs und Abs.

Völlig neu ist für mich die Erfahrung, wie die Leute »im portugiesischen Ausland« zusammenhalten. Es soll zwar in manchen reinen estrangeiro-Kommunen und -Gettos, etwa an der Algarve, anders zugehen. Meine Erfahrungen hier in Lissabon und Umgebung, aber auch in anderen Regionen Portugals, sind anders: nämlich durchweg positiv. Selbst wenn man sich vorher kaum gekannt hat oder weit entfernt voneinander lebt: Wenn Not am Mann ist, wenn man jemanden wirklich braucht – dann ist der da. Ganz gleich, was vorher passiert ist. Diese Art von gegenseitiger Hilfe, von Zusammenhalt von im Grunde Unbekannten – das kenne ich von Deutschland nicht. Es mag daran liegen, dass man »in der Fremde« eher zusammensteht. Weil jeder eben – genauso wie ich – die Erfahrung gemacht hat, dass das Leben in einem anderen Land seine Sonnen-, aber durchaus auch seine Schattenseiten hat.

Es gab selbstverständlich andere Begegnungen. Virtuell und manchmal leider »im richtigen Leben«. Etwa mit jenen, die lediglich ihren Urlaub im »Gelobten Land« verbracht haben – gerne einmalig und dies maximal vierzehn Tage – und meinen, mitreden zu können. Die der Überzeugung sind, sie würden Portugal und vor allem »die Portugiesen« kennen. Sie wissen, dass man »denen« zeigen muss, wie man es besser macht. Da kommt es dann zu Beschwörungen wie: »Du wirst schon sehen, wie dein António wirklich tickt. Die Portugiesen sind doch alle Machos.« Oder: »Sind doch alle gleich – arbeiten wollen sie nicht, aber Touristen ausnehmen.« So etwas hört man gern, vor allem wenn man einen Liebsten hat, der ständig mit Touristen zu tun hat.

Es gibt Begegnungen mit jenen, die Jahr für Jahr hierherkommen, immer an denselben Ort, immer zur selben Jahreszeit, immer exakt für drei Wochen. Sie glauben ebenfalls, sich auszukennen. Sie wissen, dass es in einem überlaufenen Touristenort im August an der Algarve genauso zugeht wie in Grande Lisboa, also im Großraum Lissabon, wo António und ich unsere neue Bleibe haben. Von denen höre ich, dass sowieso alles überteuert ist. Dass einheimische Produkte eh nichts taugen und welche gewohnten Markenwaren man in Portugal nicht kaufen kann. Und immer wieder: »Die haben doch keine Ahnung hier, die sollten mal nach Deutschland kommen!«

Es gibt jene, die vor Jahrzehnten als Kinder oder Jugendliche hier gelebt haben, vielleicht die deutsche Schule in Lissabon besucht haben, und deshalb genau wissen, dass es selbst fünfundzwanzig, dreißig, vierzig oder mehr Jahre später genauso zugeht wie in der guten alten Zeit. Wehe, man widerspricht ihnen. Wehe, man hat etwas anderes gelernt oder gar persönlich erlebt. Das kann nicht sein, weil es nicht sein darf.

Es gibt aber auch solche, die seit vielen Jahren nach Portugal reisen, sich überall im Land umgeschaut haben, die Sprache beherrschen und wie ich vom »Portugalvirus« befallen sind. Die sich in Land und Leute verliebt haben, die Menschen so akzeptieren, wie sie sind, mit allen liebenswerten und weniger angenehmen Seiten. Die neugierig auf Neues sind und die auch beim hundertsten Besuch in Lissabon noch Unbekanntes entdecken. Selbst in Vierteln oder Gassen, durch die sie schon so viele Male gestreift sind. Sie freuen sich darüber und lassen andere gern an ihren Kenntnissen teilhaben. Von denen stammt dann so mancher Geheimtipp, den nicht einmal António kennt.

Es gibt die »alten Hasen«, die eingesessenen Residenten, die schon Jahre, oft Jahrzehnte im Land leben, und deshalb natürlich ihre Erfahrungen gemacht haben: Sie wissen, wo es langgeht. Sie kennen alle Tricks, mit denen man dem portugiesischen Amtsschimmel aus dem Weg geht, mit denen man seine gewachsenen Beziehungen, die hier cunhas heißen, nutzt, um sich das Leben zu erleichtern. Sie sehen manchmal ein bisschen von oben herab auf die Neuankömmlinge, die (noch) von allem so begeistert sind. Sie sagen: »Erst wenn du einen Winter in Portugal erlebt und überlebt hast, kannst du mitreden! Erst dann bist du ein echter residente

Was sie nur immer mit ihrem Winter haben? Ich begreife es nicht.

Der Gegenpart der »alten Hasen« sind die »Träumerlis«: Sie glauben, das Leben in Portugal sei wie im Paradies. Sie weisen darauf hin, dass eine bica nur 50 Cent kostet, das Glas Wein für 70 Cent und ein imperial für unter einem Euro zu haben sind und das Tagesgericht in so manchem Restaurant schon für fünf Euro. Und erst die Zigaretten! Viel billiger als in Deutschland. Leider vergessen sie, dass man von Kaffee, Wein und Zigaretten nicht unbedingt leben kann. Dass man ein Dach überm Kopf braucht, für das man das ganze Jahr Miete bezahlen muss – nicht nur in den Sommermonaten, in denen man sich sein Geld möglicherweise leicht mit Touristen und am Strand verdienen kann. Dass man vielleicht ein Auto braucht, tanken muss. Überhaupt ein bisschen mehr als nur am Existenzminimum leben will.

Bin ich ein »Träumerli«?

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es in Cascais und Umgebung ganz normale Häuser zu mieten gibt, die wenig Besonderes zu bieten haben und dennoch mehr als 3000 Euro Miete kosten. Ohne Nebenkosten. Ich dachte, da hätte sich jemand verschrieben und vielleicht noch DM statt Euro gemeint. Und selbst das hätte ich ziemlich teuer gefunden für so manche eher heruntergekommene Behausung, die zur Miete angeboten wird.

Natürlich habe ich genauso wenig geglaubt, dass der Winter in Portugal kalt ist. Dass es in Wohnung oder Haus kälter sein wird als draußen. Ich hielt das für abschreckende Äußerungen von Leuten, die den »Träumerlis« eben ihre Träume austreiben wollten.

Eines allerdings macht mich dann doch stutzig: Warum laufen die Portugiesen spätestens ab São Martinho, dem Martinstag, also dem 11. November, in Winterkleidung herum? Völlig unabhängig davon, wie das Wetter ist. Da kann die Sonne vom Himmel brennen und sich kein Wölkchen am blauschimmernden Horizont zeigen – die Damen zerren den edlen Pelzmantel aus dem Schrank, die Herren ziehen dicke Anoraks an, die Kinder tragen Winterstiefel, Schal und Mütze. Alles nur, weil jetzt »offiziell« Winter ist?

Richtig kalt wird es, zumindest tagsüber, doch fast nie. Es sollen wohl in den vergangenen Jahrzehnten mal ein paar Schneeflocken in der Stadt gefallen sein. Die Temperatur sinkt im Großraum Lissabon jedoch kaum unter zehn Grad (plus, wohlgemerkt!). Auch nachts nicht. Aber richtig Schnee gibt es doch wohl nur in der Serra da Estrela.

Es soll – so berichten António und der portugiesische Wetterdienst – allerdings Regionen in Portugal geben, die durchaus Null- oder sogar Minusgrade haben. Ich ahne langsam den Grund für die dicken Klamotten: Könnte es daran liegen, dass man innerhalb des Hauses friert? António bestätigt meine Theorie: »Meine Mutter hat wie die meisten Portugiesen keine Heizung. Also behilft sie sich auf andere Weise: Sie ist im Winter immer dick angezogen, natürlich auch im Haus. Teilweise schläft sie sogar in der Küche, weil das der einzig einigermaßen warme Raum ist.«

Touristen und Zugewanderte wie mich erkennt man übrigens daran, dass sie im Dezember im kurzärmeligen T-Shirt, ohne Jacke, dafür aber mit offenen Sandalen vor der (geschlossenen) Strandbar sitzen. Oder barfuß im Sand am Meer entlangbummeln …

Schon der Nordwind zeigt – und das im Sommer! –, dass es an der Atlantikküste ganz schön frisch werden kann. Als die ersten kalten Tage kommen – spät im Jahr, in Deutschland schneit es bereits –, merke allmählich auch ich, wie kalt unsere Wohnung seit ein paar Wochen ist. Und dass man sie einfach nicht richtig warm bekommt. Der Marmorkamin sieht zwar edel aus, ist jedoch eher nutzlos; er heizt, wenn überhaupt, nur einen einzigen Raum. Das Wohnzimmer. Und auch das überhaupt nicht ausreichend.

Draußen hat es nachts zwar immer noch gut zehn Grad. Und viel kälter wird es – behauptet António – auch tagsüber im schlimmsten Winter nicht. Aber die Luft ist feucht. Wir leben eben nah am Meer. Und die feuchte Kälte bringt mich dazu, bibbernd und in dicke Decken eingehüllt auf der Couch zu sitzen.

Nicht nur ich, alle alterfahrenen residentes sagen dasselbe: »Noch nie habe ich so gefroren wie in Portugal!« In Deutschland dreht man einfach die Heizung auf. Hier ist sie aber nur in Neubauten und luxuriösen Wohnungen vorhanden. Unser schönes Apartment kommt mir plötzlich gar nicht mehr so schick und edel vor.

António weiß, was zu tun ist: »Wir gehen jetzt erst mal Holz einkaufen.«

»Und wo bekommt man das?«

»In jedem Supermarkt!«

Glücklicherweise haben wir eine Filiale einer internationalen Supermarktkette in der Nähe. Tatsächlich: Es werden Säcke mit Holz und Säcke mit Pinienzapfen angeboten. Wir schlagen zu und nehmen beides.

Haben Sie schon einmal einen Kamin angeheizt? Vor Jahrzehnten habe ich als Kind meinem Großvater oft zugeschaut, wie er die Kohleöfen im Haus befeuerte. So ähnlich muss es doch auch mit dem Kamin gehen. Leider ist von Opas Anheiztechnik nichts in meinem Gedächtnis geblieben.

Kennen Sie Holz aus dem Supermarkt? Ich hatte in Erinnerung: Holz wird nicht in Plastiksäcken verkauft, sondern in größeren Mengen neben dem Haus gestapelt. Sieht man zumindest immer bei den Leuten, die einen Kamin ihr Eigen nennen. Holz zum Heizen muss außerdem trocken und abgelagert sein. Keinesfalls feucht. Wieso verkauft man dann in Portugal nasse Holzscheite?

Wo lagert man das Holz überhaupt? Keller und Speicher gibt es nicht; in der Garage stehen bekanntlich die Möbel des Vermieters. Auf dem Balkon würde Holz durch den Regen noch nässer. Es gibt nur eine Lösung: immer wieder aufs Neue Holz nachkaufen. Das ist nicht nur teuer, sondern auch unbequem.

Wissen Sie denn, welche Rauchwolken sich im Wohnzimmer entwickeln können? Man hat allenfalls mal in einem englischen Krimi gelesen, dass der Kamin im Schloss eines Lords rauchte. Das fand man bei der Lektüre vielleicht ganz romantisch. Ich kann mit Fug und Recht behaupten: Es gibt wenig Unromantischeres, als sich dem Liebsten hustend und keuchend durch dunkle Rauchwolken zu nähern. Die Sache mit dem gemütlichen Zusammensein, auch mit Kuscheln und Schmusen auf dem dicken Teppich vor flackerndem Kaminfeuer, schminke ich mir sehr schnell ab. Und nicht nur, weil der Marmorboden trotz Teppich unangenehm hart – und vor allem kalt! – ist.

Ist Ihnen klar, wie wenig ein Kamin wärmt? Man ist nur auf einer Seite warm bzw. heiß. Nämlich der, die dem Feuer zugewandt ist. Die andere, also Rücken oder Bauch, ist kalt. Fühlt sich immer leicht frostig an. Bleibt einem also nur übrig, sich wie ein Grillhähnchen ständig zu wenden.

Ich merke außerdem: Es gibt fast nichts Schlimmeres, als abends in ein Bett zu kriechen, dessen Laken und Decken feucht-klamm sind. Trotz dicker Bettsocken und molligem Flanellschlafanzug wird man nicht richtig warm. Niemals. Die ganze Nacht nicht. Und António weigert sich, meine Eisfüße in seiner Nähe zu dulden. Ihn friert es nämlich selber. Auch wenn er als Portugiese das eigentlich gewohnt sein müsste.

Hilfe! Wo kriege ich eine Wärmflasche her? Sollen wir nicht doch lieber eine Zusatzheizung kaufen? Wenigstens einen kleinen Ölradiator fürs Schlafzimmer? Einen Mini-Heizlüfter fürs Bad? Bitte bitte …

Das Merkwürdige: Ich bin immer noch guter Dinge. In Deutschland wäre ich bestimmt schon ausgerastet. Okay – dort wird es natürlich viel kälter. Aber wenn da mal die Heizung ausfällt, sind Vermieter oder Hausverwaltung schnell mit der Reparatur zur Stelle.

Meine gute Stimmung liegt daran, dass es eben nicht nur kalte Abende und Nächte in Portugal gibt. Sondern auch viele sonnige Tage. Es macht einfach Laune, und zwar hervorragende, wenn man im Dezember oder Januar sein Mittagessen im Freien, unter strahlend blauem Himmel und einer lachenden Sonne, direkt am Meer genießen kann. Gar nicht mal als Ausnahme, sondern ziemlich häufig.

Und noch etwas kommt dazu: die Menschen in Portugal.

Mir kommen alle Leute, die mir begegnen, einfach freundlich vor. Aufgeschlossener als in Deutschland. Vor allem auch an grauen und regnerischen Tagen, denn die gibt es hier natürlich auch.

Mit meinen paar Brocken Portugiesisch wurstle ich mich durch, den Rest mache ich mit Englisch. Natürlich gehört zu meiner alltäglichen Standardausrüstung ein dicionário. In jeder Handtasche. Und im Auto. Nur sicherheitshalber.

Dazu kommen immer wieder, von Anfang an, positive Erfahrungen. Kleinigkeiten.

Etwa, als ich feststelle, dass die Glühbirne im Autoscheinwerfer ihren Geist aufgegeben hat. Ich fahre zum stationmarche. Das ist der Autozubehör-Supermarkt, und da gibt es auch eine Werkstatt und Mechaniker. Das Wort für Glühbirne schlage ich selbstverständlich vorher nach: lâmpada heißt es. Allerdings brauche ich es nicht, denn der nette junge Mann am Annahmetresen spricht hervorragend Englisch.

Selbstverständlich kann man mir helfen.

»Wie lange dauert das ungefähr?«, frage ich. Denn etliche Autos samt darin sitzenden Kunden stehen vor mir; ich könnte die Wartezeit ja im Café um die Ecke verbringen, mit einem meia de leite und dazu einem süßen Teilchen.

Der nette junge Mann sagt: »Zwanzig Minuten müssen Sie höchstens warten. Fehlt noch was anderes?«

»Ach, da ich schon mal hier bin – schauen Sie auch doch gleich mal nach dem Ölstand, bitte!«

Der nette junge Mann nickt, schreibt alles auf, nimmt die Autoschlüssel in Empfang. Ich gehe derweil meinen Kaffee trinken, setze mich in die Sonne und genieße das Leben. So schön und vor allem entspannt könnte ich in Deutschland niemals warten. Vor allem nicht bei den in meiner Heimat üblichen kühlen Regensommern.

Nach gut einer halben Stunde (Pünktlichkeit ist im Süden bekanntlich kein angesagtes Pflichtprogramm) schlendere ich gemütlich wieder zurück zur Werkstatt. Mein Auto ist immer noch in der Wartungshalle. Zwei Männer stehen daneben.

Ich nehme neben dem Kaffeeautomaten auf den bequemen Wartesesseln Platz. Nach weiteren zehn Minuten kommt der nette junge Mann und entschuldigt sich. Es würde noch etwas dauern.

Mittlerweile habe ich den Preisaushang entdeckt und studiere die Liste: Die Handwerkerstunde kostet 19,90 Euro.

Eine weitere halbe Stunde vergeht.

Vielleicht sollte ich mal nach draußen gehen. Nachschauen, was denn eigentlich los ist. Mein Auto ist mittlerweile auf der Hebebühne.

Ich halte Ausschau nach dem netten jungen Mann, finde ihn auch.

»Wissen Sie«, sagt er, »wir haben da ein kleines Problem. Anscheinend ist nicht nur die Glühbirne kaputt, sondern irgendetwas in der Lichtanlage. Wir reparieren es aber notdürftig, damit Sie wenigstens heute Nacht einen intakten Scheinwerfer haben. Aber Sie müssen leider zum Kundendienst des Autoherstellers.«

Ich schlucke – das wird bestimmt wieder teuer.

Eine weitere halbe Stunde geht ins Land.

Ich rechne sicherheitshalber schon mal aus, wie viele Stunden vergangen sind. Zwei sind es in jedem Fall. Macht also mindestens etwa 45 Euro. Plus Material.

Aber es gibt einen Kaffeeautomaten, und es gibt bequeme Sitzgelegenheiten. Was zu lesen könnte man vielleicht noch anbieten …

Der nette junge Mann taucht immer wieder auf, lächelt kurz zu mir herüber. Verschwindet wieder.

Nach insgesamt zweieinhalb Stunden kommt er wieder, strahlend: »Wir haben alles reparieren können!«

Dann kommt die Rechnung: 14,67 Euro. Alles zusammen. Inklusive IVA (das ist die hiesige Mehrwertsteuer). Öl nachfüllen war übrigens nicht nötig.

Ich fasse es nicht. Aber der nette junge Mann klärt mich auf:

»Sie können ja nichts dafür, dass wir den Fehler nicht gefunden haben. Deshalb zahlen Sie nur die Glühbirnen und einen Unterbrecher!«

Letzteres entnehme ich später der Rechnung, denn das Wort für Unterbrecher kenne ich nicht mal auf Englisch. Mein portugiesisches Wörterbuch hilft mir glücklicherweise weiter.

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass so etwas in Deutschland möglich wäre. Dort kostet es ja schon manchmal Geld, wenn man nur auf den Hof einer Werkstatt fährt.

Eines Tages kann ich mich selbst im Spiegel nicht mehr anschauen. In den Wochen vor der großen Tour nach Portugal bin ich nämlich nicht mehr zum Friseur gekommen. Nach vier weiteren Wochen mit Strand und Sonne, Meer und Wind sehen meine Haare einfach furchtbar aus. Da helfen weder Kuren noch Spülungen, und kleidsame Tücher beim Sonnenbaden sind nicht mein Ding. Noch habe ich ein bisschen Angst, zum Friseur zu gehen. Aber irgendwas muss mit meinen Haaren passieren.

Erster Versuch: selbst färben. Das machen ja viele. Außerdem, so rede ich mir das Ganze schön, ist es viel preiswerter als ein Friseurbesuch. Zudem sind Friseure bekanntlich Vertrauenspersonen, zu denen frau eine ganz besondere Beziehung hat, und da lässt frau ungern irgendeinen Unbekannten an sich ran. Man weiß ja nicht, was da passiert. Selbst ohne Sprachprobleme. Eine coloração aus der Packung dagegen kann man überall kaufen. Glücklicherweise auch in Portugal von all den weltweit agierenden Firmen, die ich aus Deutschland kenne. Bei meinem Friseur in Deutschland hatte ich mich schon sicherheitshalber erkundigt, was er mir empfehlen würde.

Trotzdem muss António mit. In jedem größeren Supermarkt gibt es die Abteilung beleza, was Schönheit bedeutet. Und genau da stehen wir nun. Das Angebot ist riesig, allerdings sind keinerlei englische oder gar deutsche Packungsaufschriften zu finden. Portugiesisch: Ja. Spanisch: ebenfalls. Und außerdem: Russisch. In kyrillischer Schrift. Keine Ahnung, was das soll.

António steht sich die Beine in den Bauch und liest langsam ungeduldiger werdend, aber spontan übersetzend Gebrauchsanleitungen vor. Er hat es gut. Er braucht so etwas nicht. Bei Männern sind graue Schläfen ja schick. Sogar ausgesprochen attraktiv. Nach wenigen Minuten kommt eine Angestellte auf uns zu: »Darf ich Ihnen helfen?« António erklärt, ich deute und zücke mein Wörterbuch. Alles kein Problem: Die junge Frau weiß genau, worum es geht, und berät mich bestens.

Ich entscheide mich für sehr helles Blond, weil das – so meint António – am besten aussähe. Außerdem findet er es toll, eine große Blonde an seiner Seite zu haben.

Das Resultat meines Selbstversuchs allerdings ist enttäuschend: Ich bin weißblond. In etwa so wie Brigitte Nielsen. Allerdings fehlt mir deren schönheitsoperierte Figur.

Zweiter Versuch: zum Friseur.

Es ist Samstagnachmittag, wir sitzen in Cascais auf dem Largo de Camões, rundherum Trubel. Geschirr- und Besteckgeklapper, fröhliches Geschnatter. Ich ärgere mich ein wenig, weil meine Sprachkenntnisse nicht so weit ausreichen, dass ich bei locker-fröhlichem portugiesischem Geplauder in einer Kneipe mithalten kann. Draußen an einem Tisch entdeckt mein gelangweilt durch die Gegend schweifender Blick vier Mädels vom gegenüber befindlichen Friseursalon. Die machen da gerade Mittag und außerdem den Eindruck, sie seien international und folglich der englischen Sprache mächtig.

Ich setze mich um, um ein wenig zu lauschen. Vielleicht kriege ich ja etwas mit. Das mag nicht die feine Art sein, aber es geht um Wichtiges: meine Frisur.

Die Friseurdamen sprechen Englisch etwa so gut wie ich Portugiesisch. Aber sie haben mitbekommen, dass ich neugierig bin. Dass ich mich für »ihren« Salon interessiere und eventuell eine Kundin sein könnte. Nach zehn Minuten müssen sie wieder zurück zur Arbeit. Beim Aufbrechen winken sie heftig in meine Richtung: Ich soll nachkommen. Ich bin wagemutig – schlimmer als nach meinem Selbstversuch werde ich nachher bestimmt nicht aussehen.

Der Salon gehört Marco Aldany, einem spanischen und ganz berühmten Haarkünstler, von dem ich persönlich noch nie gehört habe. Was sicher daran liegt, dass die spanische Vogue nicht zu den Zeitschriften gehört, die ich normalerweise lese. In der Ausgabe, die mir dort angeboten wird, entdecke ich Herrn Aldany allerdings in voller Pracht auf einem Foto bei der Arbeit.

Mit den Händen wild gestikulierend, mit ein paar Wörtern in der Landessprache zu den zwei Friseurinnen und einem mestre (einem Meister, der etwas besser Englisch spricht) erkläre ich, was ich will und wie ich es will. Dazu weise ich dezent auf mein ergrauendes Haar hin, das ich überdeckt wünsche. Alle nicken verständig und fangen an. Kaffee wird mir angeboten, ein Glas Wasser. Pediküre, Maniküre. Immer wieder versucht eines der Mädchen, ein Gespräch anzufangen, und wir stolpern kichernd durch einen mehr als rudimentären Smalltalk. Fünfundzwanzig Minuten muss die Farbe einwirken und dann das Ergebnis: strahlendes, verjüngendes Goldblond. Genau so, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich bin happy!

Fazit: Friseurbesuch ist gar nicht so schwer. Nicht mal in Portugal. Aber ich habe begriffen, dass mir der alltägliche Umgang mit der Sprache ganz schön schwerfällt. Manches hab ich denn auch verstanden – einiges als Spätzünder ein paar Minuten später. So in etwa »Aha – das war damit gemeint!«

Was ich wirklich toll finde: Alle Angestellten, selbst der mestre, haben sich unheimlich bemüht, ganz langsam gesprochen, lachend im Wörterbuch nachgeschlagen. Ich will zwar nicht dauernd vergleichen, aber hin und wieder bleibt’s nicht aus: In Deutschland kann ich mir eine solche Situation nicht vorstellen. Da wäre eine »Ausländerin« eher vor der Tür stehen gelassen worden.

Selbst nach vielen Jahren passiert mir immer wieder etwas Erfreuliches: Ich treffe tagtäglich auf Menschen, die mich mit ihrer entgegenkommenden Art überraschen, bei denen ich mich willkommen fühle. Etwa als ich feststelle, dass mein deutscher Reisepass demnächst abläuft. So lange wohne ich schon hier? Kein Problem: Nachdem ich Wohnsitz und Lebensmittelpunkt in Portugal habe, stellt mir die deutsche Botschaft problemlos einen neuen Pass aus. Vorsichtshalber schreibe ich per Mail an die Botschaft, Abteilung Passangelegenheiten.

Was brauche ich alles? Eine Abmeldebestätigung des (deutschen) Heimatortes. Meinen Cartão de Residência. Zwei biometrische Passfotos. Den alten Pass. Eine Geburtsurkunde. Das sollte zu schaffen sein.

Es soll allerdings – behaupten alteingesessene Residenten – in ganz Lissabon nur einen einzigen Fotografen geben, der genau die biometrischen Fotos anfertigen kann, die von der Passabteilung akzeptiert werden. Die Antwort von der deutschen Botschaft trifft prompt ein. Sogar mit angehängtem Lageplan, der den Weg zum Fotografen ausweist. In ganz Portugal gibt es übrigens nicht nur einen, sondern immerhin vier »zugelassene« Fotografen. Ich habe Glück, ein Fotostudio ist ganz in meiner Nähe.

Meine Freundin Bille muss mit. Sie ist gerade zu Besuch, und ich mache ihr den Termin beim Fotografen mit einem kleinen Stadtbummel und einer sangria branca in der Strandbar schmackhaft. Da lässt sie sich gern überzeugen.

Kleine Notiz am Rande:

Weiße Sangria ist eine ausgesprochen leckere Angelegenheit. Billes und mein Lieblingsdrink an heißen Sommertagen. Man nehme 1 Liter Weißwein, je 0,3 Liter Orangensaft und kohlensäurehaltiges Mineralwasser (oder weiße Limonade), eine in Scheiben geschnittene Zitrone, zwei halbierte und dann in Scheiben geschnittene Orangen, zwei grüne Äpfel (in kleinen mundgerechten Stücken), eine Zimtstange, eine Handvoll frischer Pfefferminzblätter und Eiswürfel. Nach Belieben etwas Zucker. Gegen Abend darf durchaus auch ein Schuss Rum oder Macieira dazugegeben werden. Alles vermischen und genießen!

Das Fotostudio nennt sich Tó – also die Abkürzung von António –, und im Laden stehen, wie wir schnell herausfinden, zwei Antónios. Ein sehr alter Herr, elegant, im Anzug, selbstverständlich mit Krawatte. Und sein Sohn, etwas legerer gekleidet. Wir werden nach hinten ins Studio gebeten. Die Fotos macht der Junior, Papa schaut zu und gibt gute Ratschläge. Alles ganz liebenswürdig, charmant, locker und freundlich. Bille zupft noch ein bisschen an mir herum, auf dass ich schön sei auf den Fotos und natürlich nachher im Pass.

Sohn António lugt durch den Sucher seiner Kamera und stellt fest: »Noch mache ich nichts. Noch passt nicht alles.«

Er fragt, ob auch er ein bisschen an mir herumzupfen dürfe. Das T-Shirt schlage an der Schulter noch ein paar Fältchen, die Bille trotz ihres scharfen Blicks übersehen hat. (Wenn ich da an meinen letzten Besuch beim Passfotografen in Deutschland zurückdenke! Dem war das völlig egal!)

Sohn António macht etliche Aufnahmen. Es ist nämlich gar nicht so einfach, »biometrisch korrekt« auszusehen, vor allem weil ich nicht lächeln darf, ernst schauen soll, aber leider dauernd grinsen muss. Endlich ist es vollbracht, Bille und ich suchen die schönsten Aufnahmen aus.

António junior zieht sich zurück, um unsere Auswahl auszudrucken. António senior leistet uns derweil Gesellschaft. Er erzählt aus seinem Leben, und so erfahren wir, dass er schon seit über fünfzig Jahren seinen Beruf ausübt. Dass er einmal in seinem Leben in der Spielbank war, dass er erst gewonnen und dann alles verloren hat. Wie er sagt: »Der Gewinn gehörte mir eigentlich gar nicht, er ist mir ja nur zugefallen. Also habe ich ihn wieder verzockt!«

Sohn António kommt wieder, zeigt uns die Fotos und fragt, ob er von uns sympathischen senhoras ein Freundschaftsfoto machen dürfe, er finde das einfach nett. Vater António hält das ebenfalls für eine gute Idee.

Bille und ich tauschen uns kurz per Blick aus: »Ja, gern!« So teuer kann das ja nicht sein, und es ist eine hübsche Erinnerung an ihren Besuch. Wir dürfen sogar den langweiligen, weißen Passfoto-Hintergrund tauschen, und zwar gegen einen blauen.

»So blau wie der Himmel in Portugal«, meint Vater António verschmitzt. »So blau wie die Augen der senhoras«, fügt er charmant hinzu.

Nach vielem Gekicher ist die Aufnahme endlich im Kasten.

Als ich bezahlen will, stellt sich heraus: Die Passfotos kosten sechs Euro.

Das Freundschaftsfoto ist ein Geschenk. Zwei Abzüge. Einen für jede von uns. Weil wir so nett sind. Einzige Bedingung: Wir sollen die beiden Antónios weiterempfehlen. Klar, dass wir dem Wunsch von Vater und Sohn nachkommen. Am selben Abend noch, da treffen wir nämlich ein paar residentes, deren Pässe demnächst ebenfalls erneuert werden müssen …

Ein paar Tage später ist mein Termin in der deutschen Botschaft in Lissabon. Alle Unterlagen habe ich beisammen, auch die Fotos sind auf den ersten Blick kein Problem. Allerdings fragt die Dame in der Passabteilung eindringlich nach: »Wo haben Sie die denn machen lassen? Die sind ja echt schön geworden. Gar nicht so typische Passfotos.«

»In Estoril bei Foto Tó. Warum?«

»Oh Gott, wer hat denn fotografiert? Der Alte oder der Junge?«

»Der junge António – warum?«

»Na, dann haben Sie Glück. Dann passt alles von den Abmessungen her. Wenn es Fotos vom alten Senhor António sind, stimmt oft was nicht!«

»Mag ja sein, aber dafür ist er sehr sympathisch«, sage ich und erzähle ihr die Story vom dem Foto-Geschenk.

Wir sind uns beide einig: Das gibt es nur in Portugal! Und ich bin froh, dass meine Weiterempfehlung jetzt sozusagen amtlich abgesegnet ist.