Die Rache der Alfâdenga
»Du musst dein Auto ummelden, sonst kommst du in Teufels Küche!« Das ist die Reaktion derer, die gesetzestreu sind. Die hier einen festen Job haben, vielleicht sogar zwei Fahrzeuge brauchen, weil zum einen die Kinder in die Schule gebracht werden müssen, zum anderen ein Auto für die Fahrt zur Arbeitsstelle gebraucht wird. Die vielleicht bei der Botschaft oder der NATO arbeiten, bei einer europäischen Behörde oder einem internationalen Konzern und es sich einfach nicht leisten können, »ein bisschen illegal« zu sein. Nicht, dass man mit einem Bein im Knast stünde. Aber: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Sie haben alle ihr(e) Auto(s) brav umgemeldet und fahren demzufolge mit portugiesischem Kennzeichen durch die Gegend.
»Du brauchst dein Auto nicht umzumelden. Tausende fahren hier mit ausländischem Nummernschild herum, lassen sogar die Maut elektronisch einziehen. Mach dir keine Sorgen – das klappt schon!« Das ist die Reaktion derer, die das Leben eher auf die leichte Schulter nehmen. Die glauben, sich durchmogeln zu können. Die damit erstaunlicherweise schon seit Jahren, manchmal seit Jahrzehnten gut fahren – im wahrsten Sinne des Wortes. Die das »lockere Leben im Süden« ziemlich wörtlich nehmen, die darauf vertrauen, dass man sie nicht erwischt. Und wenn man sie erwischen würde, hätten sie genügend cunhas, die sie aus dem Schlamassel herausholen könnten. Oder sie wüssten, wem sie auf die Schnelle einen Gefallen tun müssten, um ungeschoren davonzukommen. Glauben sie. Nein, falsch: Sie sind sich dessen sicher.
Ich stehe zwischen diesen beiden Fronten. Bin unsicher, was ich tun soll, was am besten wäre. Einerseits will ich in Portugal nicht »illegal« unterwegs sein. Es ist nämlich Steuerhinterziehung, wenn man seinen Wagen nicht ummeldet. Andererseits: Ich zahle meine Steuern noch in Deutschland, habe noch einen deutschen Wohnsitz.
Weiß ich, ob mein Leben hier in Portugal wirklich klappt? Vielleicht gehe ich nach ein paar Monaten doch wieder zurück nach Deutschland; dann darf ich die gleiche Prozedur noch einmal durchmachen. Abgesehen von der Umständlichkeit ist das ja auch eine Geldfrage. Möglicherweise verkaufe ich mein Auto und lege mir ein neues zu. Muss ich dann etwa beide ummelden?
Fragen über Fragen. Wenige Antworten – und ein bisschen auch der Schlendrian, der mich dieses Problem immer wieder hintanstellen lässt.
Ich fahre lustig weiterhin mit deutschem Kennzeichen durch Portugal. Werde niemals angehalten. Keiner fragt nach, und keiner will was von mir.
Kleine Notiz am Rande:
Mittlerweile habe ich mich ein wenig kundig gemacht: Was würde es denn eigentlich kosten, mein Auto zu »legalisieren«? Das Internetportal der Finanzbehörden bietet freundlicherweise einen Simulator an.
Ich hätte ihn nicht nutzen sollen. Denn mich trifft beinahe der Schlag: 4700 Euro würde es kosten, wenn ich mein Auto ganz legal und offiziell hier anmelde.
Der nächste Hammer ist die Auskunft, eine »Legalisierung« sei nur möglich, wenn der Wagen eine neue TÜV-Plakette habe. Die wiederum bekomme ich natürlich nur in Deutschland. Also müsste ich erst einmal nach Deutschland fahren, beim TÜV vorsprechen, dann wieder zurückfahren – um eben jene knapp 5000 Euro Einfuhrsteuer abzudrücken.
Es ist, glaube ich, verständlich, dass ich von dieser Idee Abstand nehme. Allein der Stress, mal eben gut 5000 Kilometer nach Deutschland hin und zurück zu fahren. Dazu die Sprit- und Übernachtungskosten plus Mautgebühren. Nein – das kann es nicht sein. Dann lieber noch ein bisschen Schlendrian …
So gehen Wochen und Monate ins Land. Wir haben mittlerweile Dezember. Davon merkt man – so rein wettermäßig – wenig: Die Sonne strahlt vom wolkenlosen Himmel, es ist angenehm warm. Man kann seine bica selbstverständlich auf der Terrasse des Cafés trinken, selbst die Abende sind beinahe noch spätsommerlich lau.
Nur Straßen und Geschäfte sind weihnachtlich geschmückt. Ich freue mich aufs Fest des Friedens und der Liebe. Denke an nichts Böses. Und genau dann passiert es natürlich: das Weihnachts-Horrormärchen für Residenten in Portugal.
Ich hole wie jeden Mittwochmorgen meine »Perle« mit dem Auto am Bahnhof ab, auf dass mein Haus sauber sei zum Weihnachtsfest. Auf dem Rückweg nach Azóia an der rotunda: Verkehrskontrolle. Ich denke an nichts Schlimmes. Kommt ja hier öfters vor.
Ein freundlicher Mann in Uniform winkt mich raus, kommt auf mich zu – und dann ahne ich Böses: Der übrigens sehr schicke Beamte trägt nämlich ein grellgelbes Warnwestchen, auf dem die Buchstaben »BF« zu sehen sind.
Ich lebe lange genug im »Gelobten Land«, um zu wissen: Das gibt Ärger. BF ist nämlich die Abkürzung für Brigada Fiscal, und diese Herren unterstützen den Zoll bei der Fahndung nach Leuten, die hier mit ihrem Auto herumfahren, ein ausländisches Kennzeichen haben und sich um die Kfz-Einfuhrsteuer drücken wollen. Wobei ich sowieso mit dem Auto im März nach Deutschland zurückfahren werde, weil der TÜV fällig ist. Bei der Gelegenheit will ich den Wagen gleich verkaufen und mir einen anderen in Portugal zulegen. Denn ich scheue mich davor, die imposto für die »Legalisierung« zu blechen. Die dafür fälligen 4700 Euro investiere ich doch lieber in einen portugiesischen Wagen. Mein Gewissen ist also nicht so furchtbar schlecht. Nur ein bisschen.
Der Uniformierte fragt höflich nach Fahrzeugpapieren und Ausweis und entdeckt dabei, weil ich ordentlich bin und alle Dokumente beieinander aufbewahre, dass ich den cartão de residência habe. Daraufhin ruft der Herr einen weiteren in Zivil herbei, der auch sehr freundlich ist und mir ein offizielles Papier ausstellt, mit dem ich mich innerhalb von quatro dias uteís bei der Alfândega Maritim in Lissabon melden soll.
»Wo ist das?«
»Kein Problem, Senhora, direkt unter der Brücke!«
Dies alles erfahre ich in einer Unterhaltung, die auf Portugiesisch (jawohl!), Englisch (okay okay), Deutsch (Hilfe!) und Ukrainisch/Russisch (Putzhilfe Ludmila steht unterstützend zur Seite) geführt wird.
Vier Werktage (wir haben zweimal rückgefragt!) – das heißt am darauffolgenden Dienstag. Heute ist Mittwoch.
Am Wochenende arbeitet der Zoll nicht. Jedenfalls nicht der für mich und andere Autofahrer zuständige. Sie stoppen nämlich an der rotunda noch etliche andere mit nichtportugiesischen Kennzeichen. Wenn ich’s genau bedenke: Sie winken ausschließlich solche mit ausländischen Kennzeichen heraus.
Bei der Weiterfahrt bricht im Auto bei mir leichte Panik aus. Die beifahrende Putzkraft sieht es eher gelassen und meint: »Na ja, heute ist ja auch Mittwoch der 13.!«
Sie fügt tröstend hinzu: Sie habe nachgefragt, es gäbe keine multa (was, wie ich später hysterisch nachschlage, so viel heißt wie Geldstrafe).
Ob Ludmila das wirklich richtig verstanden hat?! So perfekt ist ihr Portugiesisch ja nun auch nicht …
Nach der Ankunft zu Hause trinke ich erst einmal eine extrem starke bica (aber ohne Schuss – besser kein Alkohol, ich muss einen klaren Kopf haben). Dann greife ich zum Telefon, um mir Rat bei alteingesessenen residentes und anderen Menschen zu holen, die da vielleicht mehr Ahnung haben könnten.
Ratschläge und Meinungen sind sehr unterschiedlich, bis auf die ersten paar Worte. Die lauten stets sinngemäß so: »Du Arme, so eine Scheiße!«
Der restliche Inhalt lässt sich so zusammenfassen:
Resident Nr. 1: »Am besten fährst du das Auto gleich nach Deutschland und sprichst bei denen gar nicht mehr vor.«
Resident Nr. 2: »Du musst dir eine glaubhafte Geschichte ausdenken, seit wann das Auto hier ist.«
Resident Nr. 3: »Da kannst du nichts machen, wahrscheinlich haben sie dich auf dem Kieker und wissen schon seit Monaten, dass du hier mit dem Auto rumfährst! Man weiß doch, dass sie immer vorm Lidl auf der Lauer liegen.«
Resident Nr. 4: »Fahr da bloß nicht mit deinem Auto hin, die können das beschlagnahmen!«
Mein Vermieter: »Sprich am besten bloß Deutsch oder Englisch! Sprich kein Wort Portugiesisch!«
Resident Nr. 5: »Sprich am besten Portugiesisch und erkläre ihnen, dass du noch nicht sehr gut sprichst! Dann hast du einen Mitleidsbonus!«
Mein Vermieter: »Ich gebe dir mein Auto, dann fährst du mit dem zum Zoll!«
Resident Nr. 6: »Ich würde mit dem Auto überhaupt nicht mehr fahren. Lass es bloß stehen!«
Mein Vermieter: »Wir stellen dein Auto in die Garage, und wenn jemand vorbeikommt und dich fragt – du hast keine Schlüssel und keine Ahnung!«
Meine Putzfrau: »Gehen Sie da gleich morgen am Donnerstag hin, am Montag ist bestimmt viel mehr los!«
Resident Nr. 7: »Geh da am Dienstag hin, so lange haben sie dir ja Frist eingeräumt.«
Resident Nr. 8: »Geh da am Freitag hin, sonst ärgern sie sich, wenn du länger wartest.«
Meine Putzfrau: »Oder es ist doch besser am Freitag, weil vor dem Wochenende sind sie vielleicht gnädiger!«
Resident Nr. 9: »Ich komme am Montag nach Lissabon, und dann gehen wir gemeinsam hin!«
Letztere Aussage war mir die allerliebste.
Es folgen ein paar Tage mit sehr wechselhaften Gefühlsbädern. Einerseits: Das klappt schon! Die können mir ja nichts beweisen! Andererseits: Und wenn ich noch vor Weihnachten – das ist in einer Woche! – mein Auto aus Portugal rausfahren muss?! Und wenn es in Deutschland schneit? Ich hab doch keine Winterreifen mehr! Oder wenn ich einen Haufen Kohle Strafe zahlen muss?
Und die Hauptsache: Ich brauch ein Auto – wo krieg ich ein Auto mit portugiesischem Kennzeichen her?
In Deutschland kenne ich immerhin zwei vertrauenswürdige Autohändler, was bekanntlich im Grunde ein Widerspruch in sich ist. Aber hier in Portugal?
Am Ende wird für Montag folgender Schlachtplan beschlossen:
Resident Nr. 9 – meine Freundin Doris – reist per Bus aus dem Alentejo an und nimmt sich ein Taxi vom Busbahnhof am Sete Rios zum Cais do Sodre in Lissabon. Dort treffen wir uns.
Von hier aus fährt man gemeinsam mit dem Taxi zur Alfândega Maritim, die sich, wie angeblich jeder weiß, direkt unter der Ponte 25 de Abril befindet. Der Taxifahrer muss allerdings trotzdem ganz schön suchen und mehrmals fragen, unter anderem auch bei der GNR, also der Polizei, die hier in der Gegend natürlich ein Revier hat (klar, bei so vielen Zollverbrechern wie beispielsweise mir!).
Selbstverständlich lässt es sich der Taxifahrer nicht nehmen, in den allgemeinem Chor der Ratgebenden einzustimmen und vertritt die Ansicht: »Gut, dass Sie nicht mit dem eigenen Auto da sind – von wegen Beschlagnahme …«
Beim Zollgebäude handelt es sich um eine riesige leere Halle in der Mitte, mit vielen einzelnen Bürozellen drum herum. Der Taxifahrer fragt, ob er warten soll.
Wir wissen es nicht. Ich neige gerade eben zu einem leicht hysterischen Anfall, Doris jiepert nach einer Zigarette. Also schicken wir den Taxifahrer weg. Unter anderem auch, weil die Gerüchteküche behauptet: Das kann Stunden dauern. Man kennt das ja: Wartezeiten und Anstehen bei Behörden. Da muss man dann nicht auch noch horrende Taxikosten zahlen!
Der erste Lichtblick: Wir sehen eine junge Frau, die eben auch eine schmökt. Ihr Gesichtsausdruck ist eher gelassen, und so schließen wir messerscharf: »Aha, das ist wohl keine Delinquentin, die arbeitet hier.«
Sie sagt uns, wo wir hinmüssen. Rauchen darf man aber nur in der Halle, nicht in den Büros.
Doris raucht erst mal eine. Die junge Frau läuft mit uns gefühlt meilenweit quer durch die Halle in ein Bürochen, in dem drei Damen sitzen und ein nervöser Herr im Anzug, der gerade »behandelt« wird. Die für uns zuständige Dame hat noch keine Zeit, aber bald, erfahren wir.
Nun sind wir dran. Ich fange schon mal an herumzustottern: »Falo muito mal portuguese, mas esta senhora é a minha amiga – ääähhh …«
Ich gebe also zu Kund und Wissen, dass mein Portugiesisch eher nicht vorhanden ist, dass ich aber eine Freundin dabeihabe, die der Sprache mächtig ist.
»Não faz mal« – »Macht nichts!«, meint die Dame. Dann wühlt sie in einem Papierstapel nach meinem Vorgang. Findet ihn auch.
»Aha, Sie wollen also Ihr Fahrzeug ›legalisieren‹?«
»Nein, nein«, greift Doris in perfektem Portugiesisch ein. »Das Auto geht Mitte Januar nach Deutschland zurück.«
»Ach so«, meint die Dame. »Kein Problem. Kommen Sie bitte mit!«
Wir wandern wieder durch die Halle zurück, diesmal allerdings nicht durch die leere riesige Raucherzone, sondern durch zahlreiche Minibüros am Rand. Dann finden wir eine weitere Sachbearbeiterin. Doris erklärt noch mal, dass mein Auto im Januar wieder das Land verlässt.
Okay.
Ich bekomme einen gelben Post-it-Zettel in die Hand gedrückt, darauf steht handschriftlich vermerkt eine Telefonnummer. Die soll ich zwei oder drei Tage vor der Ausfahrt aus dem »Gelobten Land« anrufen und mitteilen, über welchen Grenzübergang ich ausreisen werde. Dort habe ich mich bitteschön beim Zoll zu melden.
»Das war es?«
Das war es. Keine Strafe. Keine Beschlagnahme.
Der einzige kleine Wermutstropfen: Ich bekomme vom Zoll kein Papierchen mit, auf dem steht, dass ich hier war und alles geklärt habe. Rein theoretisch also können sie mich an der nächsten rotunda wieder stoppen und nochmals herschicken.
Achselzucken bei den anwesenden Zolldamen: »Das ist eben so. Vielleicht haben Sie Glück. Boa sorte e felíz natal!«
Der erste Teil des Weihnachtsmärchens geht also glimpflich aus.
Und der zweite? Der ist mindestens genauso märchenhaft.
Den Rest des Tages verbringen Doris und ich nach einem ausgiebigen Freudenmahl direkt am Strand in Carcavelos mit Stöbern im Internet: Auto suchen.
Ein paar Vorstellungen habe ich ja schon: Ein kleiner Jeep wäre nett. Gebraucht. Nicht zu teuer. Perfekt für die Fahrten in den Bergen der Serra da Sintra und auf anderen unbefestigten Straßen auf dem Land. Und für die Hunde wäre so etwas ebenfalls optimal.
Doris hat sich mit ihrem Mann Ingolf am Wochenende schon ein bisschen in ihrem Heimatort Sto André, im Alentejo, umgeschaut. Leider bis jetzt ohne konkretes Ergebnis.
Am nächsten Tag fahre ich Doris nach Hause. Ist ja Ehrensache. Denn ihre Busfahrt war weniger als suboptimal. Aber das ist eine ganz andere Geschichte. Ich sage nur: Rauchen im Bus ist natürlich nicht erlaubt, und Doris war genauso nervös wie ich, und nervöse Raucher ohne ihren blauen Dunst – das geht gar nicht. Da ist jede Minute in einem Nichtraucherbus eine Qual.
Besuch beim ersten Autohändler: Na ja. Nicht so ganz das, was ich mir vorstelle. Eine Notlösung allerdings hätte er im Angebot seines durchaus ansehnlich großen Gebrauchtwagenparks, und wenn gar nichts anderes zu haben ist, würde ich diesen Wagen nehmen. Ich möchte allerdings vorher Probe fahren. Das geht aber nicht, weil – desculpa (»Entschuldigung«) – leider kein Benzin im Tank ist. Wir sollen dann gegen 15 Uhr wiederkommen. Dann hätte man aufgetankt.
Auf dem Heimweg zum Mittagessen (leckere bifanas bei José sind geplant) fahren wir einen winzig kleinen Umweg. Eigentlich ist es gar kein richtiger Umweg. Aber Doris sagt, ihr fällt gerade ein, da könnte vielleicht was sein.
Wir kommen bei einem guten Bekannten von Doris und Ingolf vorbei. Autohändler, Mechaniker und Tankstellenbesitzer. Da fragen wir mal nach. Er hat aber leider kein einziges Auto in der Preisklasse, die ich mir momentan leisten kann. Er hätte jedoch, sagt er, einen schicken Suzuki Vitara gasóleo auf dem Hof stehen, seinen eigenen, den würde er …
Ist aber viel zu teuer für mich. Leider. Denn der wär’s natürlich. Also werde ich wohl auf das Auto zurückgreifen, das eben erst aufgetankt werden muss.
Wir fahren zum Essen an die Lagune von Sto André. Ich bestelle im Lokal für uns alle (das kann ich auf Portugiesisch, klar!). Als ich wieder rauskomme, schaut Doris mich strahlend an.
»Du glaubst nicht, was gerade passiert ist!«
Eben hat der gute Bekannte (der übrigens Armindo heißt) mit dem Suzuki Vitara bei ihr angerufen. Ob ich wirklich eine gute Freundin von Doris sei. Weil dann würde er mir den Vitara auf Handschlag geben. Ich soll ihm jetzt erst mal das zahlen, was ich kann, und dann – wenn mein Auto in Deutschland verkauft ist – den Rest.
Ein zinsloses Darlehen sozusagen. Ich hüpfe in die Luft vor Freude. Ich küsse Doris und Ingolf und sicherheitshalber auch den Wirt José. Ist das nicht irre??! Das ist wieder mal eine richtig gute cunha. Dank Doris und Ingolf, die seit Jahrzehnten hier sind und alles und jeden kennen und die von allen gekannt werden. Von denen alle wissen: Denen kann man vertrauen. Und deren Freunden, wenn sie das sagen, auch.
Danach fahren wir zurück zu Armindo und setzen einen Vertrag auf. Er bekommt einen Scheck, und ich schließe auch gleich die Kfz-Versicherung ab.
Ich schlage vor, dass ich meinen kleinen Suzuki im Januar nach der Rückkehr aus Deutschland abhole. Armindo jedoch findet: Es ist besser, wenn ich den Wagen früher habe.
»Weil man ja nie weiß«, meint er, »ob die Brigada Fiscal nicht an der nächsten Ecke lauert.«
Genau einen Tag vor Heiligabend ist mein neues Auto einsatzbereit. Ich fahre schon mit dem Suzuki zum Fest in den Alentejo, mein altes Auto bleibt bis zur Überführung in seine deutsche Heimat bei Armindo stehen.
Natürlich ist die Geschichte hier nicht zu Ende.
Ich hatte ja dieses Zettelchen in die Hand gedrückt bekommen, auf dem handschriftlich eine Telefonnummer geschrieben stand, bei der man zwei, drei Tage vor der »Kfz-Ausfuhr« anrufen und mitteilen sollte, über welchen Grenzübergang man auszureisen gedächte.
Ich schwöre: Ich habe da drei- oder viermal angerufen. Es ging aber nie jemand dran, und dann dachte ich: Wenn sie nicht mit mir reden wollen – ich bin heilfroh, wenn ich nicht am Telefon auf Portugiesisch erklären muss, was ich eigentlich will. Haben wir nun offene Grenzen in Europa oder nicht?!
Kurz vor dem Grenzübertritt hatte ich noch die feste Absicht, einfach so beim Zoll in Elvas vorbeizufahren. Aber dann: Es war schon dunkel, und das Zöllnergebäude nicht erleuchtet, und es fuhr sich gerade so gut. Und ich hatte ja noch so etwa 2400 Kilometer vor mir …
Ziemlich genau sechs Monate nach dem Besuch bei der Alfândega Maritim in Lissabon kommt eines sonnigen Junivormittags offizieller Besuch nach Azóia und steht am Gartentor. Eine Dame und ein Herr, sehr freundlich, sehr nett. Zuerst fragen sie auf Portugiesisch nach mir, dann steigen wir auf Englisch um. Suchender Blick bei beiden Herrschaften. Sie hätten da mal eine Frage: Wo denn das Fahrzeug mit dem deutschen Kennzeichen wäre?
»Das ist in Deutschland.«
»Hm – und wann haben Sie das Auto denn ausgeführt?«
»Mitte Januar. Ich hab mehrmals angerufen und nie ging jemand dran.«
»Und über welchen Grenzübergang?«
»Elvas – Badajoz.«
»Aha.« (verständnisvoller Blickwechsel)
»Hm – dann schließen wir die Akte jetzt.«
»Ich kann Ihnen gern ein Fax schicken lassen aus Deutschland, wer das Auto gekauft hat, beziehungsweise die Abmeldung …«
»Nein, danke. Nicht nötig.«
»Vielleicht wollen Sie reinkommen und in die Garage schauen?«
»Nein, danke. Nicht nötig. Wir glauben Ihnen auch so.«
Nachbarshund Max wuselt wieder mal bellend, Haus und Hof verteidigend, durch die Latten des Gartentors.
»Süßen Hund haben Sie da. Ist das ein Podengo?«
Max verhält sich ausnahmsweise freundlich, hört zu kläffen auf, kommt wunderbarerweise und besänftigend auf Zuruf und lässt sich sogar streicheln.
Sehnsuchtsvoller Blick des weiblichen Teils des Zöllnerpärchens. Der männliche Teil ist bereits zum Auto gegangen.
»Max ist eher eine Mischung … aber …«
»Die sind so lieb. Ich hatte auch mal einen … na ja. Auf jeden Fall, Dona Cristina: Alles erledigt. Und noch einen schönen Tag!«
Mir fällt ein Stein vom Herzen. Und ich bin froh, dass ich nicht auf den Rat von Resident Nr. 10 gehört habe. Der meinte nämlich: »Alles halb so wild. Du bewegst das Auto ein paar Wochen nicht, und dann fährst du wieder. So rein statistisch kommt keine Kontrolle mehr und nachchecken – das tun sie eh nicht!«
Tun sie aber doch.