Kapitel 18
Weil sie Graham unbedingt beweisen wollte, dass sie den Anforderungen der Wüste gewachsen war, machte Jillian sich am nächsten Morgen auf zur Kamelherde. Mit einer großen Holzschale bewehrt, wollte sie sich selbst beibringen, ein Kamel zu melken.
Inzwischen war sie daran gewöhnt, dass alle im Lager sie anstarrten und untereinander über sie redeten. Unbeeindruckt marschierte sie durch das Lager. Flammen knisterten in den Kochfeuern, und ein merkwürdiges Geräusch hallte durch die Luft. Jillian sah vor einem der Zelte einen Krieger, der etwas in einer Schale zerstieß. Zugleich wehte ihr der Duft frischgemahlenen Kaffees entgegen. Wie wundervoll!
Sie erreichte den Rand des Lagers und blieb unsicher stehen. Die großen Dromedare standen friedlich da und grasten. Was nun? Sollte sie sich einfach eines aussuchen und anfangen? Gab es bestimmte Beduinenregeln zu beachten?
Als sie ein Geräusch hinter sich hörte, drehte Jillian sich um und sah Ramses, der sie beobachtete. Nein, er beobachtete sie nicht, sondern schien regelrecht gebannt, so wie er auf ihr Haar starrte. Unsicher berührte Jillian ihren Hut.
»Welche Kamele sind die, die gemolken werden?«, fragte sie.
Er runzelte die Stirn, blickte zur Herde, die seelenruhig weitergraste, und wählte ein Tier aus. Nachdem er es eingehend betrachtet hatte, sagte er: »Versuch’s mit diesem.«
Unendlich dankbar lächelte Jillian ihn an. »Shukran.«
Er wirkte überrascht. »Gern geschehen«, erwiderte er und blickte wieder zu dem Kamel. Dabei umspielte ein Lächeln seine Lippen. Er ging davon, leise ein Lied vor sich hinsummend.
Bei dem strengen Geruch der Tiere rümpfte Jillian die Nase. Sie brauchten ein Bad, alle von ihnen. Als sie dem Kamel unter den Bauch sah, kamen ihr ernste Zweifel. Das hier hatte keinerlei Ähnlichkeit mit einer Kuh. Waren Kamele vielleicht eher wie Pferde? Jillian biss die Zähne zusammen und ging näher. Dann schaute sie genauer unter den Bauch, um sich mit der Anatomie vertraut zu machen. Irgendetwas schien nicht zu stimmen, auch wenn Ramses ihr gesagt hatte, das hier wäre ein Melkkamel. Mutig balancierte sie die Schale auf ihrem Bein und griff nach der Zitze.
Hinter sich vernahm sie arabisches Gemurmel, das spöttisch klang. Jillian hielt inne, ihre Hand nur Millimeter von der Zitze entfernt, und sah sich um.
Eine Gruppe Krieger stand in der Nähe und beobachtete sie grinsend. Verlegen mühte sie sich, die Haltung zu wahren. Sie fanden es gewiss nur seltsam, eine Engländerin zu sehen, die etwas tat, was sonst ausschließlich Beduinen machten.
Also wandte sie sich wieder dem Tier zu und biss die Zähne zusammen. Als sie gerade wieder nach der Zitze greifen wollte, packte sie eine sonnengebräunte Hand am Unterarm. Erschrocken sah sie auf und in das amüsierte Gesicht ihres Mannes.
»Jillian, was machst du da?«
»Du sagtest, ich müsse wissen, wie man in der Wüste überlebt. Also dachte ich mir, ich lerne allein, wie ich ein Kamel melke. Aber ich weiß nicht … nun, die Ausstattung dieses Tieres sieht irgendwie falsch aus.«
»Alles ist vollkommen richtig – für ein männliches Kamel.«
Entsetzt starrte Jillian auf das Tier und erkannte, dass Graham tatsächlich recht hatte. »Aber sein … äh, sein, ähm, Ding, ich meine, es ist …«
»Nach hinten gerichtet«, ergänzte Graham für sie. »Ja, eine Eigenart männlicher Kamele.«
Unglücklich sah sie zu den kichernden Männern, zu denen sich nun Ramses gesellte. Der Khamsin-Wächter heulte vor Lachen.
»Aber Ramses sagte mir, ich solle dieses melken.«
Graham grinste. »Aha, deshalb kam er und sagte, ich solle meine Frau retten und ihr beibringen, ein Kamel zu melken. Er hat der Khawaaga, der Fremden, einen Streich gespielt.«
Er hatte sie also willentlich zum Narren gehalten – sie, die Außenseiterin mit dem merkwürdigen roten Haar und dem blassen Teint. Jillian merkte, dass sie den Tränen nahe war. Unter all diesen Leuten war sie gänzlich fehl am Platz. Und im Grunde hatte sie es von vornherein gewusst.
Aber sie hätte niemals gedacht, dass sie auch bei ihrem Ehemann fehl am Platz sein könnte oder dass Graham sie eine Fremde nennen würde. Er selbst fügte sich hier ein, als hätte er immer hergehört. Den englischen Aristokraten hatte er schlicht abgelegt.
Was bewies, dass sie nicht stark genug war, um die Wüste zu durchqueren. Sie war eben eine tolpatschige, schwache Frau, die alles durcheinanderbrachte, genau wie ihr Vater unzählige Male gesagt hatte.
Jillian gab ihrem Mann die Holzschale und biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu weinen. »Hier, mach du es! Ich hab’s mir anders überlegt. Ich möchte nicht mit dir kommen.«
Ramses starrte sie verwundert an, während Graham sie ruhig ansah und die Schale nahm.
Mit dem Rest Würde, der ihr geblieben war, machte sie auf dem Absatz kehrt und marschierte mit rauschenden Röcken davon. In ihrem Zelt riss sie sich den Hut herunter und vergrub das Gesicht in den Händen. Es war ein Fehler gewesen, hierherzukommen. Sie hatte ihn gezwungen, sie mitzunehmen, und das bereute sie nun. Zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte Jillian, sie wäre so unsichtbar, wie sie sich jahrelang gefühlt hatte. Die zarten weißen Baumwollröcke und die hübsche Spitzenbluse mit den smaragdgrünen Bändchen passten nicht zu ihr. Jillian riss ihre Bluse auf, streifte sie ab und rupfte sich den Rock herunter. Dann öffnete sie ihre Reisetruhe und holte daraus ihr graues Kleid hervor. Mit zitternder Hand strich sie über die dicke Baumwolle: eintönig, vertraut und langweilig.
Wollte sie wirklich im grauen Schatten bleiben? Nur in ihrem Hemdchen, hielt Jillian sich das Kleid an und sah in den Spiegel. Ihre Wangen hatten in der Sonne Farbe bekommen, und die roten Locken, die ihr Gesicht umkränzten, schienen hier noch mehr zu leuchten. Graham hatte sie aus ihrer dunklen Nische ins Licht geholt. Sich im Schatten zu verbergen kam nicht mehr in Frage. Sie konnte sich nicht vor sich selbst verstecken.
Jillian war so tief in Gedanken, dass sie Grahams Rückkehr erst bemerkte, als er ihr das graue Kleid wegnahm und es auf den Boden schleuderte. Erschrocken sah sie wieder in den Spiegel. Graham stand hinter ihr, ein großer dunkelblauer Schatten. Er hielt die Milchschale in der Hand.
»Der beste Platz für das hier ist ein Feuer. Ich werde nicht zulassen, dass du dich weiter darin versteckst, Jillian!«
Ihre Vergangenheit zu verbrennen, war keine Lösung. Jillian zog sich wieder die weiße Bluse und den Rock an, wobei sie sorgsam Grahams Blick mied. Dann sagte sie mit dem Rücken zu ihm:
»Ich kann das nicht, Graham. Ich kann kein Kamel melken, mich nicht in der Wüste orientieren, gar nichts. Es ist unmöglich, und ich war dumm, anzunehmen, ich könnte es. Ich werde hier bei dem Stamm bleiben, bis du zurückkommst. Dort draußen bei dir habe ich nichts zu suchen.«
Ein unglaublicher Schmerz erfüllte sie, während sie es sagte. Gehörte sie denn überhaupt irgendwohin?
»Die Khamsin-Krieger hatten recht. Ich bin eine Frau – dumm und ungeschickt.« Sie schluckte angestrengt, weil ihre Kehle sich wie zugeschnürt anfühlte.
»Das haben die Khamsin-Krieger nie gesagt, Jilly«, erwiderte Graham sanft. »Dein Vater hat es behauptet. Die Männer hier ehren ihre Frauen.«
Jillian schüttelte den Kopf. »Du denkst doch auch nicht, dass ich es kann.«
Er sagte nichts, sondern betrachtete sie ruhig im Spiegel. Dann nahm er ihre Hand und führte sie aus dem Zelt. Sie stolperte protestierend hinter ihm her, als er sie an den schwarzen Zelten vorbeizerrte. Die Khamsin schauten neugierig von ihren alltäglichen Verrichtungen auf. Die Frauen backten Brot in kleinen Lehmöfen oder kümmerten sich um ihre Kinder.
Zielstrebig marschierte Graham an allen vorbei und blieb erst stehen, als sie die Kamelherde erreicht hatten. Dort steuerte er eines der Tiere an und ließ Jillians Hand los, um dem Tier den Hals zu streicheln.
»Das ist Sheba. Sie gibt Milch.« Er zeigte auf den Bauch des Kamels. »Vier Zitzen.«
Die Kameldame mit den großen braunen Augen schnaubte leise, als Graham die Holzschüssel unter sie hielt.
»So melkst du ein Kamel.« Geübt stellte er die Schale auf seinen linken Oberschenkel und nahm eine von Shebas vier Zitzen in die rechte Hand. »Genau wie eine Kuh. Drücken und ziehen und dabei auf die Schale zielen.«
Er machte es ihr vor und reichte ihr dann die Schale.
Jillian schüttelte den Kopf. »Ich kann das nicht. Das ist unmöglich.«
»Nichts ist unmöglich. Mach schon!« Er streckte ihr die Schale noch weiter entgegen.
Jillian blinzelte angestrengt und sah erst die Schale, dann Graham an. Er nickte ihr aufmunternd zu. Schließlich streckte Jillian die Schultern durch und schlich sich näher an das Tier heran. Sie hob ihr linkes Bein mit einer Hand und balancierte die Schale auf ihrem Schenkel. Graham stand hinter ihr, seine starken Finger um ihre gelegt, und führte ihre Hand.
Zusammen umfassten sie die Zitze, die sich warm und weich anfühlte. Mit Grahams Hilfe zog Jillian daran. Ein Strahl weißer Milch spritzte in die Holzschale.
»Und jetzt versuch es allein!« Er trat zurück und wartete.
Sogleich kamen Jillian Zweifel. Doch im Grunde war sie immer noch entschlossen, sich zu beweisen. Sie griff nach dem Euter und zog sanft. Wieder strömte warme Milch in die Schale. Begeistert drehte Jillian sich um, wobei sie darauf achtete, nichts zu verschütten.
»Ich wusste, dass du es kannst«, sagte Graham anerkennend.
Sie teilten sich die Milch, die sie direkt aus der Schale tranken. Sie schmeckte sahnig, warm und sättigend. Graham grinste Jillian an.
»Du hast einen Bart.« Sie wollte sich schon die Oberlippe abwischen, doch er kam ihr zuvor, beugte sich zu ihr und leckte ihr die Milch ab. Prompt überkam Jillian ein tiefes Verlangen. »Milch ist gut für den Körper«, murmelte Graham, dessen heisere Stimme zu dem sinnlichen Ausdruck in seinen Augen passte.
Ein Kamel, dessen Fell die Farbe von frischer Sahne hatte, stupste Graham mit dem Kopf an die Schulter. Er lachte und klopfte dem Tier an den Hals.
»Ist ja gut, Salomon. Dachtest du, ich habe dich vergessen?«, beruhigte er das Kamel. Salomon senkte den Kopf, und Graham kraulte ihn hinter den runden felligen Ohren. »Ich habe Salomon auf die Welt geholfen.«
Plötzlich fiel ihr etwas ein. »Die Geburt! Deshalb wusstest du, wie du Badras Baby entbindest!«
Er schmunzelte. »Meine Kenntnisse sind recht beschränkt. Ich fürchte, ich gebe keine besonders gute Hebamme ab.«
»Ich fand, dass du es ganz wunderbar gemacht hast«, entgegnete Jillian leise.
Er sah sie eine Weile schweigend an, dann strich er ihr sanft über die Wange. Ein Hüsteln hinter ihnen riss sie jäh in die Gegenwart zurück. Sie drehten sich um und entdeckten Ramses, der in der Nähe stand.
»Es tut mir leid, dass ich dir einen Streich gespielt und dich in Verlegenheit gebracht habe, Jillian. Es war nur ein, nun ja, ein kleiner Scherz.« Er schien wirklich verlegen, was nicht recht zu seiner an sich sehr imposanten Erscheinung passen wollte.
Sie sah den Krieger an und fragte sich, warum er es getan hatte. »Ist schon gut. Ich wollte bloß lernen, wie man ein Kamel melkt.«
»Und das hast du nun. Dein Ehemann hat es dir gezeigt. Es ist sinnvoll, das zu können … in der Wüste. Auf einer Reise.« Ramses sah ernst aus, aber seine Augen funkelten.
Allmählich begriff Jillian. »Ja, ist es. Ich bin froh, dass er es mir beigebracht hat. Aber es war ein überaus ungezogener Streich, Ramses. Setzt du alle Khawaaga deinen kleinen Scherzen aus?«
Ein charmantes, beinahe verführerisches Lächeln erhellte seine Züge. »Aber nein! Ich necke nur gern wunderschöne Engländerinnen.«
Graham kniff die Augen zusammen, und Jillian musste lachen. Jetzt verstand sie, was hier vor sich ging. Katherine hatte mit Ramses gesprochen. Und der Krieger kam dem Wunsch seiner Frau bereitwillig nach, indem er Graham nicht nur eifersüchtig machte, sondern ihn auch noch dazu brachte, Jillian das Kamelmelken zu lehren.
»Dann möchte ich nicht wissen, was du mit hässlichen Frauen anstellst«, murmelte sie.
»Ach, mit denen!« Er winkte fröhlich lächelnd ab. »Die werden in Öl geröstet. Sehr lecker mit Kamelmilch. Mmmm! Aber keine Angst! Du bist viel zu liebreizend.«
Graham stieß einen Laut aus, als hätte er sich verschluckt, und wandte das Gesicht ab. Jillian bemerkte noch, dass er rot wurde. Ramses zwinkerte ihr zu, und Jillian zwinkerte zurück.
»Beachte ihn nicht, Jillian! Er ist ein Rüpel und ein Tunichtgut, auch wenn seine Frau es geschafft hat, ihn an die Leine zu legen«, raunte Graham.
»An eine sehr angenehme Leine«, ergänzte Ramses munter.
Er starrte Jillian fasziniert an. Bei Gott, das machte richtig Spaß! Jillian spielte ihre Rolle und berührte ihr Haar. »Ich hoffe, mein unbedecktes Haar stört dich nicht, Ramses.«
»Nein, verzeih mir, dass ich es anstarre. Ich habe noch nie Haar von solcher Farbe gesehen – wie ein flammender ägyptischer Sonnenuntergang. Verbrenne ich mich, wenn ich es anfasse?«
Graham wurde unruhig. »Ramses …«, begann er.
»Ist schon gut. Du darfst es ruhig anfassen«, fuhr Jillian dazwischen.
Ein Leuchten ging über Ramses’ Gesicht. Vorsichtig strich er über eine herabhängende Locke und streichelte sie, wie man eine schnurrende Katze streichelt. »Lebendige Flamme«, murmelte er, »Al-Hariia. Wie die Röte einer Frau, wenn ein Mann ihre Leidenschaft weckt …«
Ein erstickter Laut entfuhr Graham, der einen Schritt vortrat. »Das reicht!«, sagte er schroff und zog Jillian so ruckartig zurück, dass sie gegen seine Brust fiel.
Sie drehte sich unsicher zu ihm um. Sein feuriger Blick war eindeutig der eines besitzergreifenden Mannes. Sie gehört mir!, bedeutete er.
Ramses grinste. »Es ist schön, dich wiederzusehen, Graham, vor allem mit deiner liebreizenden Frau. Ich denke, Jillian wird sich als die verführerische Gazelle erweisen, die den scheuen Panther aus seinem Versteck locken kann.«
Ihr Mann sah ihn eisig an, doch der Krieger ignorierte es geflissentlich. Er verbeugte sich elegant vor Jillian und ging. Jillian war zum Lachen, aber stattdessen tat sie verwundert.
»Was für eine seltsame Bemerkung«, sagte sie und sah dem Krieger nach, der sich einen Weg zwischen den Kamelen hindurchbahnte. »Und was heißt al-Hariia?«
Graham blickte Ramses wütend nach. »Das Feuer.«
Später lud Jabari sie zu einem besonderen Gastmahl ein, das er zu ihren Ehren abhielt. Graham sollte am nächsten Morgen in die Wüste aufbrechen. Im Zelt des Scheichs saßen sie auf weichen Kissen um einen niedrigen runden Tisch herum, der mit gebratenem Lamm, Reis, Fladenbrot und sonstigen Köstlichkeiten beladen war. Während Ramses und Jabari Jillian interessiert beäugten, lächelten Katherine und Elizabeth ihr wissend zu, denn die beiden Frauen hatten die traditionelle Khamsin-Kleidung zusammengestellt, die sie heute Abend trug. Der knöchellange dunkelblaue Kaftan war ausgesprochen bequem und fühlte sich deutlich kühler an als die enge englische Kleidung. Unter dem Kaftan hatte sie eine weite Pluderhose und ein loses Hemd an. Ihr flammend rotes Haar war offen wie das ihrer neugewonnenen Freundinnen.
Ramses tunkte ein Stück flaches Brot in eine der Saucen und aß, ohne den Blick von Jillians Haar abzuwenden.
»Starren ist unhöflich, Ramses!«, bemerkte Graham hörbar gereizt.
Die Augen des Kriegers blitzten amüsiert. »Ich wundere mich lediglich, welches Vertrauen Euer Hochwohlgeboren in unser Volk hat, dass du deine wunderschöne Frau bei uns zurücklässt, während du wochenlang durch die Wüste ziehst.«
Ein kaum hörbares Knurren entwand sich Grahams Kehle.
»Aber hab keine Angst! Ich werde persönlich über ihr Wohlergehen wachen. Sie wird in unserem Zelt wohnen.«
»Das ist sehr großzügig von dir«, sagte Jillian.
Der muskulöse, gutaussehende Krieger winkte ab. »Nicht der Rede wert. Genaugenommen betrachte ich dich inzwischen als ein enges Familienmitglied. Mein Cousin, du erinnerst dich an ihn, Graham, der, von dem du immer sagtest, er wäre ein … wie war das Wort noch gleich, Katherine?«
»Filou«, half Katherine ihm prompt.
»Richtig. Jedenfalls hat er angeboten, Jillian das Reiten beizubringen.«
»Jillian kann reiten«, erwiderte Graham verärgert.
»Wie du meinst, aber Kamal wird ihr zeigen, nach Beduinenart zu reiten. Man reitet nicht richtig, solange man keinen Beduinenkrieger geritten hat.«
»Wie ein Beduinenkrieger«, korrigierte Katherine.
»Selbstverständlich, mein geliebtes Weib.« Ramses zuckte lächelnd mit den Schultern. »Ach, mein Englisch ist recht fehlerhaft.«
Graham war feuerrot im Gesicht, und die Ader an seiner Schläfe pochte wild. Er sah gefährlich wütend aus, als er sich von Ramses ab- und Jabari zuwandte, um mit ihm über eine Verdopplung der Vorräte zu sprechen, die er für die Reise brauchte. Ramses tauschte einen vielsagenden Blick mit seiner Frau.
»Du wirst passende Kleidung für die Reise benötigen, Jillian, und ein gutes, verlässliches Kamel. Vor allem aber musst du immer auf mich hören. Die Wüste ist ein gefährlicher Ort«, warnte Graham sie.
»Reise ich mit?« Sie versuchte, ihre Begeisterung im Zaum zu halten.
Graham sah zornig zu Ramses. »Das ist sicherer für dich, als hierzubleiben.«
Jillian senkte den Kopf, um ihr Lächeln zu verbergen, und nahm etwas Reis mit ihrem flachen Brot auf.
Als sie ihren Freunden gute Nacht sagten und in ihr Zelt gingen, konnte Jillian das überwältigende Verlangen ihres Ehemanns fühlen. Er zog sich aus, und auch sie legte ihre Kleidung ab. Dann hob er sie aufs Bett und küsste sie leidenschaftlich. Seine Zunge lud ihre zu einem Tanz, der offenbar erst der Beginn einer höchst sinnlichen Begegnung sein sollte.
Nach einer Weile hob er den Kopf und fing dann an, ihren Körper zu küssen. Er murmelte zärtliche Worte, während er sie mit heißen Küssen bedeckte, zärtlich an ihr knabberte und damit eine Hitze in ihr auslöste, die Jillians Haut von oben bis unten kribbeln ließ.
»Was … was machst du da?«, rief sie leise.
»Die Khamsin nennen es das Geheimnis der tausend Küsse«, antwortete er mit heiserer Stimme.
Mit jeder Berührung seiner weichen Lippen wurde die Hitze größer. Jillian räkelte sich unter ihm, doch er hielt sie fest, während er jeden Millimeter ihres Körpers liebkoste, an den besonders empfindlichen Stellen sachte knabberte und sie anschließend mit seiner Zunge streichelte. Und dann spreizte er ihre Schenkel und senkte den Kopf zwischen sie.
Jillian schrie vor Schreck und Wonne auf.
So köstlich! So weiblich!
Er neigte den Kopf zu ihrer weiblichsten Stelle, atmete genüsslich ihren wunderbaren Duft ein – würzig, feminin und betörend. Allein sie anzusehen steigerte sein Verlangen ins Unermessliche. Als sie sich verlegen vor ihm wand, hielt er ihre Schenkel fest. Voller Ehrfurcht bestaunte er, wie unsagbar raffiniert der weibliche Körper gebaut war. Diese weichen Falten und geheimen Öffnungen waren wie ein kompliziertes Mysterium, das er unbedingt ergründen wollte. Verborgenes faszinierte ihn, das hatte es immer schon getan – wie damals die Höhlengänge, die er in der Nähe des al-Hajid-Lagers entdeckt hatte.
Als er acht Jahre alt gewesen war, war es ihm gelungen, für einen einzigen kostbaren Tag aus dem Lager zu entkommen und sich in den Höhlen zu verstecken. Die Hitze der Wüste hatte beständig abgenommen, je tiefer er in die Gänge vordrang, und das Felsinnere hatte ihn in seinen schützenden Bauch aufgenommen. Zum ersten Mal seit seiner Gefangennahme hatte er sich sicher gefühlt. Er hatte sich an die Wände geschmiegt, dankbar für ihren Schutz und ihre abgeschiedene Ruhe.
Graham beugte sich vor und strich vorsichtig mit der Zunge über Jillians bezaubernde Schamlippen. Seine Frau strampelte hilflos. »Schhh«, machte er leise. Dies hier war das größte Mysterium von allen, die er noch ergründen könnte. Er beugte wieder den Kopf und begann, sie langsam zu liebkosen. Mit der Zungenspitze malte er die Konturen und Rundungen nach, kostete alles und konzentrierte sich dann ganz und gar auf die kleine, besonders empfindliche Knospe. Dabei sog er ihren Nektar ein und mit ihm ihre Geheimnisse. Er sehnte sich danach, ganz in sie einzutauchen und für einen kurzen Moment die Dämonen zu vergessen, die ihn verfolgten. Wie gern wollte er in die feuchte Höhle ihrer Wärme eindringen und sich sicher fühlen, während er ihren erregten Schreien lauschte und ihre Verzückung genoss.
Das süße, unbeschreibliche Wohlgefühl zwischen ihren Schenkeln steigerte sich immer mehr, je länger ihr Ehemann sie mit seinem Mund liebte. Jillian wand sich und stieß unwillkürlich mit jedem Atemzug einen Wonneseufzer aus. Sie klammerte sich mit beiden Händen an seinem Haar fest, doch er kannte kein Erbarmen. Auf dem Höhepunkt explodierte sie innerlich und schrie seinen Namen in die Nacht hinaus.
Erst da, als sie heftig erbebte, ließ er nach und küsste ihre erschaudernde Scham ein letztes Mal voller Leidenschaft. Dann legte er sich auf sie und sah ihr in die Augen.
»Du bist mein, Jilly, mein! Niemand sonst wird dich jemals besitzen.« Seine tiefe, rauchige Stimme umfing sie wie ein warmer Umhang, und er küsste sie mit einer Inbrunst, die sie nie zuvor an ihm erlebt hatte. Jillian klammerte sich an ihn, geschwächt von den unglaublichen Wonnen, die er ihr eben bereitet hatte, und voller Ungeduld der Vereinigung mit ihm entgegenfiebernd.
Er bewegte sich ein wenig auf ihr, um ihr eine Reaktion zu entlocken. Und kaum dass sie ihm die Hüften entgegenhob, drang er auch schon tief in sie ein. Während sie sich an seinen Schultern festhielt, nahm er sie mit einer glühenden Leidenschaft, die sie dahinschmelzen ließ. Pures Verlangen sprach aus seinem Blick wie aus den heftigen Stößen, mit denen er wieder und wieder dort in sie hineinglitt, wo sie ihn bereits sehnsüchtig erwartet hatte. Schließlich beugte er sich vor und küsste zärtlich die kleine Vertiefung zwischen ihrem Hals und ihrer Schulter. Als er sanft hineinbiss, schrie sie auf, woraufhin er dieselbe Stelle mit seiner samtigen Zunge streichelte.
Sie wusste, warum er ihr diese Schreie entlockte. Es war seine Art, alle Welt wissen zu lassen, dass sie ihm und ihm allein gehörte. Er liebte sie mit einer unglaublichen Intensität, liebkoste ihren Körper und sagte ihr mit jedem Kuss und jeder zärtlichen Geste, was er empfand. Unterdessen bewegte sie sich mit ihm, begegnete ihm jedes Mal, wenn er in sie eindrang, um ihn noch tiefer in sich aufzunehmen. So hielten sie einander fest in den Armen, bis sie beide unter der Wucht ihrer Orgasmen aufschrien.
Hinterher behielt er sie noch lange in seinen Armen. Eine Öllampe tauchte das Zeltinnere in gedämpftes Licht, in dem sie die Verzweiflung in seinen Augen erkannte. Jillian strich ihm eine Locke aus der Stirn, und Graham küsste sie.
»Meine Jillian. Meine Frau. Bleib bei mir, wenn die drei Monate verstrichen sind! Lass mich nicht allein!« Seine Stimme war leise und ein wenig flehend.
»Graham«, flüsterte sie, »warum bist du so traurig?«
Tiefes Schweigen. Er zog sie an seine Seite und schmiegte sich an sie. Jillian lag ganz still da, bis er sich wieder regte und sie ein weiteres Mal liebte. Diesmal tat er es ganz ruhig, langsam und konzentriert. Er überschüttete sie mit Küssen, bis sie ungeduldig wurde und darum bettelte, dass er in sie eindrang. Dann vereinte er sich mit ihr, wobei er ihr tief in die Augen sah.
»Bleib bei mir!«, wiederholte er heiser. »Verlass mich nicht!«
Unmittelbar vor ihrem Höhepunkt klammerte sie sich an ihn. Doch er neckte sie immer noch, indem er sich wieder und wieder aus ihr herauszog, bis sie schluchzte und ihn anflehte.
»Bleib bei mir!«, sagte er noch einmal.
»Hilf mir, Graham!«, schluchzte sie.
Dann drang er in sie ein und entlockte ihr einen Freudenschrei, während sie unter der Intensität ihres Orgasmus erbebte. Graham verspannte sich auf ihr, die starken Arme fest vor Anstrengung, und erschauderte auf seinem Höhepunkt.
Sie nahm ihn in die Arme, als er auf sie sank und seine feuchte Stirn auf das Kissen neben ihr stützte. Ein weiteres Mal sprach er die Worte, diesmal in einem verführerischen Murmeln. »Bleib bei mir!«
Sie strich ihm übers Haar und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich denke darüber nach.«
Er hob den Kopf und sah sie an. »Ich behalte dich hier unter mir, für immer, falls du versuchen solltest, mich zu verlassen.«
Ein wohliger Schauer durchfuhr sie. »Versprochen?«
Graham küsste sie sanft auf die Stirn. »Versprochen.«