Prolog
Rotes Haar verfolgte ihn in seinen Alpträumen. Wie immer.
Rot. Die Farbe des Blutes – seines Blutes. Das Haar … eine tiefrote Fahne, die warnend im Wind wehte. Eine dichte rotgoldene Mähne, flatternd im heißen Wüstensturm, der über den Sand heulte. Wie das rote Haar holte ihn auch die Wüste immer wieder in seinen Träumen ein. Das grelle Sonnenlicht, das auf seiner Haut brannte und so strahlend wirkte, dass es seine matten kindlichen Hilferufe regelrecht zu verhöhnen schien. Grüne Augen, leuchtend wie glänzende Smaragde, starrten ihn spöttisch herausfordernd an.
Er stöhnte, wand sich und wollte sich wehren. Hilflos fuchtelte er mit den Händen, um seinen Angreifer abzuhalten – jenen Angreifer, der die magische Wunschschatulle wollte, die tief im ägyptischen Sand vergraben gewesen war. Wie sehr mühte er sich, sie ihm zu entreißen, die ehrfurchtgebietende Kraft in ihrem Versteck zu bewahren, doch sein Peiniger packte die kleine Kiste. Dann erklangen die hämischen Worte:
»Der Wahrheit kann man nicht entfliehen. Du kannst nicht verbergen, wer du wirklich bist.«
Mit einem erstickten Schrei fuhr er aus dem Schlaf. Das weiche ägyptische Baumwolllaken unter seinem nackten Oberkörper war durchgeschwitzt. Seine Hand zitterte unkontrolliert, als er sich mit dem Zipfel seiner Bettdecke die Stirn abwischte. Eine unheimliche Vorahnung erfüllte ihn.
Diesmal war es weder das rote Haar, noch waren es die Worte, die ihn erbeben ließen. Es war das Gesicht, denn erstmals war ihm im Traum kein Mann erschienen, der ihn an jenem Tag in der Wüste missbrauchte. Er hatte das Gesicht einer Frau gesehen. Und sie brachte ihn dazu, zu schreien, bis nur noch heisere Laute aus seiner trockenen Kehle drangen. Zudem wurden seine Schreie dieses Mal nicht von einem schmutzigen Lumpen erstickt, mit dem man ihn knebelte.
Dieses Mal verstummten seine Schreie nicht …