SANDY BOUCHER

Das Schachspiel

Das Haus war grau und viktorianisch, die Fassade ein Durcheinander verschiedener Stilrichtungen, vom schwermütigen rythmand blues des Fundaments über die Countrymusik der Geranien vor den Fenstern, dem jazzigen Schmuck eines verschnörkelten Simses hier, eines bleigefaßten Fensters dort und gekrönt von einem Kuppeldach. Früher war es einmal ein Einfamilienhaus, jetzt war es umgebaut zu sechs kleinen Apartments. Unseres lag im Parterre und schaute auf einen kleinen grasbewachsenen Hinterhof hinaus. Das Apartment von Conrad und Bridget lag direkt über unserem und war eine düstere Höhle mit zwei Zimmern, rußigen Wänden und zerfetztem Linoleumboden. Dieser Boden war nicht dazu angetan, Geräusche zu dämpfen, so daß wir in unserem Schlafzimmer die intimsten Augenblicke ihres Lebens mitbekamen, ebenso wie sie (bei dem Gedanken werde ich ganz rot) vermutlich die unseren.

Ich sah Conrad zum erstenmal, als ich in die Divisaderostraße fuhr, um mir das Haus anzusehen und zu entscheiden, ob ich die Parterrewohnung für meinen Mann John und mich mieten sollte. Da ich vor dem Makler da war, trödelte ich im Eingang herum, sah mich wenig begeistert um und versuchte, an dem, was ich sah, Gefallen zu finden, denn John und ich brauchten zum Monatsende eine neue Bleibe.

Die Haustür ging auf, und ein junger Mann trat ein. Er trug Jeans und T-Shirt, sein dunkles Haar war dick und verwuschelt und reichte ihm bis auf die Schultern. Aber es waren die Augen, die ich niemals vergessen werde. Sie waren schwarz und blickten mich so eindringlich an, daß mir im wahrsten Sinne des Wortes der Mund offen stehen blieb. Etwas vibrierte tief in meinem Inneren, wie ein Jazz Riff, überraschend und doch vertraut in seiner Unvermeidlichkeit.

Einen kurzen Augenblick blickte er mich an, dann stürmte er mit einem schnellen interessierten »Hallo« an mir vorbei die Treppen hoch. Ich sah ihm nach, er drehte sich noch einmal nach mir um, seine Augen glänzten unnatürlich in der Dunkelheit. Das Abkommen zwischen uns war besiegelt.

John zu überzeugen, daß wir dieses Apartment mieten sollten, war nicht weiter schwer. Er brummte zwar, die Gegend sei gefährlich und wir würden bestimmt bald beklaut. (Tatsächlich wurden wir dort öfters ausgeraubt, und fantasievolle Gerechtigkeit sorgte dafür, daß die Einbrecher jedesmal nur meine Sachen mitgehen ließen und Johns nicht anrührten.) Nie werde ich den verzückten Ausdruck auf Conrads Gesicht vergessen, als er die Treppen herunterkam und sah, wie wir Kisten durch die Tür wuchteten.

Ich war gerührt von der Schüchternheit, mit der er sich als Conrad Klein vorstellte, John die Hand gab und mir nur einen kurzen vorsichtigen Blick zuwarf. Verlegen räusperte er sich und bot an, uns mit den Kisten zu helfen. Seine Stimme war rauh und dunkel.

Er war körperliche Arbeit gewöhnt und hob spielerisch Sachen hoch, mit denen John, der schlaksig und dünn war, zu kämpfen hatte. Und obwohl er sich in seiner Haut nicht wohl fühlte, genoß er es offensichtlich, Kiste um Kiste hereinzutragen. Sein großer üppiger Mund unter der schmalen Hakennase, flachen Wangen und einer hohen Stirn verzog sich zu einem sanften Lächeln. Während ich in den Kartons herumwühlte, spürte ich in meiner Brust eine ausgeprägte Wärme, ein Versprechen.

Seine Freundin Bridget hörte Bob Dylan, Conrad bevorzugte Jazzmusik. Wenn John und ich im Bett lagen, wurden wir von oben vom weichen, warmen Saxophon John Coltranes berieselt. Als dann die Platte zu Ende war, hörten wir es rumpeln und begriffen, daß ein Bett in schnellen, regelmäßigen Stößen gegen die Wand gedrückt wurde. John und ich lagen schweigend und horchten, während Conrads Stimme immer lauter werdende Ohs an unsere Ohren trug. Die Stöße wurden schneller. Das ging viele Minuten so, und ich fragte mich, wie er so lange durchhalten konnte, und dachte an seine schön geformten Oberschenkel und den festen runden Po.

Ich lag da, überschwemmt von Gefühlen, mit pochender Möse, war amüsiert und zugleich verärgert, das mit anhören zu müssen, und genoß dennoch jeden Augenblick. Ich empfand gegenüber Bridget Neugier und einen Hauch von Verachtung. Sie gab keinen Ton von sich, während Conrads Stimme sich zu einem Schrei steigerte. Dann war alles ruhig.

John und ich sprachen nie über dieses heimliche Belauschen. Was gab es da zu sagen... das zuzugeben hätte bedeutet, daß auch sie alles hörten, was wir taten. Das war für mich eigentümlich erregend, denn im Gegensatz zu Bridget war ich besonders im letzten intensiven Augenblick sehr lautstark, und ich wußte, daß Conrad mich hörte.

Er kannte die Geräusche, die ich in meinen verletzbarsten und intimsten Augenblicken von mir gab. Das lag unausgesprochen in der Luft, wenn er nach unten kam, um unser Telefon zu benutzen. (Ein armer Student, er konnte sich kein eigenes leisten.) Er kam ohne T-Shirt. Wollte er mich verrückt machen? John und ich spielten gerade Schach - ein Spiel, das er mir beigebracht hatte, während wir im Friedenskorps in Afrika waren - und nachdem er Conrad die Tür geöffnet hatte, kam er zurück zum Schachbrett, wo er am Zug war.

Ich tat so, als beobachtete ich John, sah aber Conrad an und fühlte buchstäblich, wie meine Brustwarzen unter der Bluse hart wurden und die ganze Vorderseite meines Körpers zu prickeln begann.

Er blickte mich nicht an, während er telefonierte, stand aber so, daß ich seinen Oberkörper von vorne betrachten konnte. Seine breiten, etwas abfallenden Schultern mündeten in einen muskulösen Hals, der Bizeps war hart unter erstaunlich weißer Haut. Sein Brustkorb waren zwei große Flächen mit dunkelbraunen Brustwarzen wie Schokoladentaler. Die Jeans saßen tief auf den Hüften und ließen einen zarten flachen Bauch und den Schwung des Hüftknochens sehen, darüber war sein Körper mit Muskelsträngen modelliert. Wie schüchtern du warst -und was für ein Geschenk: fünf Minuten deinen Körper bewundern zu dürfen. Ich würde jeden Zentimeter von dir ablecken.

»Du bist am Zug«, sagte John.

Bevor er wieder ging, interessierte sich Conrad für unser Schachspiel und sagte, daß er auch spiele. John fragte, ob er nicht mal Lust habe, mit einem von uns zu spielen, und Conrad sah so glücklich aus, daß seine Augen leuchteten.

So fing es an. An mindestens zwei Abenden pro Woche kam er zu uns. Das erste Spiel spielte er gegen John, aber währenddessen führten er und ich ein Gespräch, das John zwar einbezog (denn es war offensichtlich, daß Conrad John sehr mochte und ihn besser kennenlernen wollte), aber noch dazu eine Ebene der Kommunikation hatte, die nur für Conrad und mich bestimmt war. Ich erfuhr, daß er ein vom Jazz besessener Mathestudent war. Und es war schnell klar, daß seine Schweigsamkeit sich nur auf smalltalk und Höflichkeitsfloskeln erstreckte. Sobald es um Jazz ging, drückte er sich mit leidenschaftlicher Genauigkeit aus. Ich für meinen Teil habe immer schon viel Musik gehört und weiß, was mir gefällt.

Von oben kam der nasale Monolog Bob Dylans, während Conrad und ich verschiedener Meinung waren. Er bewunderte den kargen, modernen Ton von Albert Ayler, während ich Ayler zu abstrakt, zu kalt fand. Die leidenschaftliche, wütende Kraft von Charlie Mingus war mehr nach meinem Geschmack. Conrad fand ihn »zügellos«, mit »brillanten Zügen«, wie er sagte, »aber undiszipliniert«. Conrad erklärte mir feinfühlig und nicht von oben herab, daß die dichteste und experimentierfreudigste Musik, die von schwarzen Musikern gemacht wurde, kein Jazz, sondern »schwarze klassische Musik« sei, und ich erinnerte mich, daß er aus New York kam, wo solche Urteile üblich waren.

John, der lieber Joan Baez hörte, klinkte sich bald aus dem Gespräch aus und konzentrierte sich auf das Schachspiel. Ohne direkt danach zu fragen, erfuhr ich den Grund für Conrads Muskeln. Etwas widerstrebend erzählte er mir, daß er auf der Highschool in der Bronx Football gespielt hatte und nun ab und zu mit Gewichten trainierte.

»Schachmatt!«

Conrad schaute erst verblüfft, dann amüsiert, und seine Augen suchten die meinen.

John war zufrieden. Wir saßen zu dritt noch eine halbe Stunde zusammen, tranken Kaffee, rauchten Zigaretten und redeten über den Studentenstreik am San Francisco State College. Der Streik war ausgerufen worden, um von der Verwaltung eine Abteilung für Schwarze Studien zu erzwingen. Die Schwarzen Panther waren auch involviert. Es klang stürmisch und aufregend, und Conrad war mitten im Geschehen. Ich erzählte ihm, daß ich als Streikposten vor Denny’s aufgestellt war, wohin ich jeden Abend nach meinem Sekretärinnenjob bei einer Auto-Leasing-Firma in der Stadt ging.

John, der die Arbeit in der Volksschule auf gegeben hatte, um in einem Programm für sozial benachteiligte Kinder im Vorschulalter mitzuarbeiten, erzählte Conrad von seinen Erfolgen und Frustrationen. Wir drei waren in den meisten Dingen einer Meinung. Wir würden Freunde sein.

Bald spielten Conrad und ich miteinander Schach. Wir saßen uns am Schachbrett gegenüber, Conrad vor sich hinbrütend, mit krummem Rücken. Seine Augen huschten wie schwarze Kaninchen zwischen den Figuren hin und her. Wir rauchten pausenlos und griffen ab und zu neben das Brett zum Aschenbecher. Wir rauchten, um Zeit zu gewinnen, um in uns zu gehen, um unseren hungrigen Lippen etwas zu tun zu geben. Wie ich seinen Mund mit Blicken verschlang... Die Oberlippe mit einer kleinen Kerbe in der Mitte, die Unterlippe feucht und glänzend. Er wußte, daß ich ihn ansah. Und wenn er sich traute, mir in die Augen zu sehen, verschlug es uns beiden den Atem, und wir widmeten uns schnell wieder den Schachfiguren. Die Luft zwischen uns war so lustgeschwängert, daß ich bis heute nicht verstehe, wieso sie sich nicht entzündete, wenn wir uns eine neue Zigarette ansteckten.

Wenn wir beide zur gleichen Zeit nach unseren Zigaretten griffen, berührten sich manchmal unsere Fingerspitzen. Dieser kurze Kontakt war wie ein elektrischer Schlag, und für einige Augenblicke waren wir gelähmt, vor den Kopf geschlagen, und konnten nicht weiterspielen.

Wie gesagt, John hatte mir Schachspielen beigebracht, während wir in Afrika waren. Damals arbeiteten wir in einem entlegenen Dorf, wo es zu meinem Bedauern keine Steckdose für den Plattenspieler gab. Während der langen schwülen Abende saßen wir vor unserer Hütte und spielten Schach, vom halben Dorf beobachtet.

Im ersten Jahr gewann ich kein einziges Spiel gegen ihn. John sagte mir, das sei völlig normal. Nun, nach drei Jahren Ehe, gewann ich zumindest jedes zweite und manchmal sogar zwei hintereinander. Ich sah zu, wie Conrads Hand die Dame hochhob und über dem Brett schweben ließ. Seine Hand war kräftig, am Gelenk von schwarzen Haaren gesäumt, mit breitem Rücken und schmalen Fingern. Seine Fingernägel waren immer sauber und gerade geschnitten. Er räumte meinen Läufer seiner Königin aus dem Weg und setzte sie auf dessen Feld. Dann griff seine Hand nach der Zigarette im Aschenbecher und führte sie zum Mund. Ich beobachtete seine sich spitzenden Lippen, als er inhalierte; dann quoll der Rauch aus seinem offenen Mund, wo seine gleichmäßigen Zähne schimmerten und ich die Andeutung einer rosigen Zunge erblickte.

Ich nahm einen tiefen Lungenzug und beugte mich über das Brett, starrte auf die vordringende Dame und fühlte am ganzen Körper ein heißes Prickeln, das meine Haut zusammenzog. Ich ließ den Bauern seine Dame bedrohen, blickte auf und sah seinen Blick auf meinen Lippen.

Ein ganzes Jahr lang saßen wir - mindestens zwei Abende pro Woche - über dem Schachbrett, jedesmal in einem Zustand höchster Erregung, rauchten Zigaretten und mieden Augen und Finger des anderen. Wir hörten die Platten, die Conrad mitbrachte und manchmal zeigte ich ihm etwas anderes - wie zum Beispiel eine Folkways-LP mit frühem Jazz aus den Südstaaten, die ich in der Bücherei gefunden hatte. Ich betrachtete seinen Hintern in den engen Jeans, wenn er durch das Zimmer ging, und wenn er sich umdrehte, sah ich die Wölbung unter seinem Reißverschluß, und eine heiße kleine Hand öffnete meine Möse.

Manchmal trafen John und ich und Conrad und Bridget uns zum Essen in ihrer Wohnung oder in unserer. Wir tranken Bier oder Rotwein, aßen Spaghetti, rauchten vielleicht einen Joint und hörten Musik. Bridget, die aus dem Süden kam und extrem hübsch war, hatte in bezug auf Männer eine besondere Technik: Sie stellte ihnen Fragen und lauschte dann mit großen bewundernden Augen ihren Antworten. Diese Abende wurden schnell langweilig; die Männer hielten Vorträge über alles mögliche, von Weltpolitik bis zur Autoreparatur, und ich saß daneben, wie gefangen in meiner Irritation. Die ganze Zeit über waren Conrad und ich darauf bedacht, einander zu meiden und uns auf unseren jeweiligen Partner zu konzentrieren. Bridget schaute selten in meine Richtung und fragte niemals nach meiner Meinung zu einem Thema.

Conrad und ich lebten mit unserem Verlangen nacheinander. Es war etwas, das wir ständig mit uns herumtrugen. Manchmal wuchs es zu enormer, unhandlicher Größe heran, dann schrumpfte es wieder auf taktvolle Proportionen. Wir warteten. Ich erinnere mich an einen Nachmittag, als ich hinter dem Haus ein Sonnenbad nahm. Ich lag auf dem Bauch, atmete den frischen Geruch des Grases und genoß die Hitze auf meinen nackten Schultern. (Ich trug einen Badeanzug.) Von oben, aus Conrads Apartment, drang seine Musik. Diesmal Ornette Coleman, der mit Paul Bley spielte: kompliziert verwobene Klänge wie reflektierende Lichter auf dem Rasen. Allmählich spürte ich etwas, drehte mich um und blickte hoch. Dort stand Conrad, die kräftigen Arme auf der Fensterbank.

Sein Mund war geöffnet und seine dunklen Augen schauten fasziniert und verträumt. Er betrachtete meinen Körper und ich spürte meine geöffneten Schenkel, meinen Bauch und mein Dekolleté, das über dem Badeanzug von rosa Striemen überzogen war. Sein Körper hätte genauso gut direkt auf mir liegen können. Es war zuviel für mich. Ich drehte mich stöhnend wieder um und vergrub mein Gesicht im Gras.

Und Nacht für Nacht hörten John und ich die Geräusche von oben. Es begann mit kaum hörbarem Klopfen, Schütteln und Berühren der Wand - tock tock tock - und wurde dann lauter und stärker, bis die Decke über uns vibrierte. Ich stellte mir vor, wie er im Bett auf den Knien mit schweißglänzendem Körper sie nahm und stieß und bohrte. Nun kam seine Stimme, eine tiefe Begleitung der Bewegung -oh oh oh - immer lauter.

John lag vollkommen still, so wie ich. Wir hatten bereits miteinander geschlafen, und dies war der Kontrapunkt. Er schwoll an zu einer wilden Folge von Stößen, und Conrads Stimme führte ihn zum Gipfel. Dann das lange Stöhnen seiner Erfüllung. Und Ruhe.

Ich weiß nicht, ob John diese Vorführung erregt hat wie mich, aber selbst wenn - zwischen uns gab es die stillschweigende Übereinkunft, dies nicht für unsere eigene Stimulierung und weitere Vögelei auszunutzen. Wir lagen totenstill, und meine Möse pulsierte heftig.

Dann fuhr John ein Wochenende zu einer Pädagogenkonferenz nach Chicago. Er war begeistert, und es tat uns beiden leid, daß ich ihn nicht begleiten und seinen Vortrag hören konnte. Als ich ihn zum Flughafen gebracht hatte, kam ich rechtzeitig nach Hause, um das Telefon klingeln zu hören. Ich hob ab, und da war diese tiefe, kratzige Stimme.

»Kann ich mit Musik runterkommen?«

Ich atmete tief ein und hielt die Luft an. Dann fragte ich: »Und Bridget?«

»Die ist vor zwei Tagen nach Knoxville zu ihren Leuten gefahren.«

Ich atmete aus, und meine Stimme war hell und klar. »Ja, komm runter. Sofort.«

An jenem Nachmittag hörten wir eine Platte. Conrad hatte Miles Davis’ Round Midnight mitgebracht, und ich war ihm dankbar für diese Geste, denn bei Miles Davis trafen sich unsere sonst so konträren Geschmäcker. Wir saßen einander gegenüber und hörten den weichen, satten und intimen Klang der gedämpften Trompete, die entspannt und methodisch die Melodie führte, gefolgt von dem Piano. Diesmal konnten wir uns einfach nicht ansehen, nur einige schüchterne Seitenblicke, als Schlagzeug und ein leiser Baß sich der Trompete anschlossen. Dann nahm das Saxophon das Thema auf, sexy und einschmeichelnd, wie ein Gespräch an einer sonnenüberfluteten Straßenecke; Baß und Piano kommentierten leise, eine Zimbel folgte ihnen. Langsam wurde mir bewußt, daß wir ganz allein im Haus waren. Niemand wartete oben und lauschte. Wie ein warmer Hauch gesellte sich die Trompete zum Saxophon, und beide beendeten das Stück. Wir standen auf und gingen aufeinander zu. Noch bevor das nächste Stück anfing, sagte ich: »Komm ins Schlafzimmer. «

Ich sah zu, wie er aus seinen Jeans stieg; ein stämmiger beschnittener Schwanz erhob sich aus dichtem, gekräuseltem Haar, das nicht annähernd so dunkel war wie das Haar auf seinem Kopf. Während er mir aus den Kleidern half, berührte ich seine schokoladenbraunen Brustwarzen, und er erschauerte. Bis dahin war sein Blick glänzend und wie benommen gewesen. Nun blickte er mir in die Augen, und wir lächelten einander an.

Die nächste Stunde erinnere ich mich nur bruchstückhaft, klare Augenblicke wie kleine leuchtende Inseln einer Solotrompete in einem ruhigen Fluß aus Baß und Piano, sanft und zugleich unergründlich tief.

Der Kontrapunkt des nächsten Stücks, >Ah Leu Cha<, Saxophon und Trompete spielen miteinander, dann übernimmt die Trompete die Führung, stürzt sich in die Noten, sprudelt sie in Spiralen aus. Sein harter Schwanz an meinem Venushügel. Ich greife nach unten, streichle seine Seite und lasse dann seinen Penis zwischen meine Schenkel gleiten, bis er in seiner ganzen Länge gegen meine Vagina drückt. Unsere Lippen finden sich, und wir küssen uns, als wären unsere Körper ein einziger Mund. Gleichzeitig fühlt meine Haut jeden Zentimeter seiner Haut. Unsere Hitze entflammt mich. Ganz leicht bewege ich meine Hüften, sein Schwanz ist gefangen zwischen meinen Schenkeln.

Einmal starre ich an die Decke und frage mich, ist er tatsächlich hier bei mir? Nicht oben? Schlagzeug und Piano antworten, bilden ein starkes Netz, auf dem das Saxophon wie ein Tropfen Quecksilber tänzelt.

Sein dunkler Kopf dort zwischen meinen Schenkeln, seine forschende Zunge. Das Piano übernimmt, feiert mit Fächern und Armbändern aus Musik, während meine Lippen über seine Brust wandern, seine braunen Brustwarzen hart werden lassen. Ich küsse und streichle seine Brust mit der einen Hand und halte seinen Schwanz in der anderen. Groß, hart, beinahe pochend vor Gier. Aber er läßt zu, daß ich ihn erkunde, seinen Bauch mit den Lippen streife und sogar seine haarigen Eier in den Mund nehme. Sein Geruch! Schweiß und ein süßlich-scharfer Duft nach Sex.

Saxophon und Trompete verstricken sich in kraftvolle Klangschnörkel. Über mir biegt sich sein Körper, seine Schenkel umarmen mein Gesicht, sein Penis und die Eier sind nur wenige Zentimeter entfernt. Ich strecke die Hand aus, um seinen Schwanz zu streicheln, seine Eier zu liebkosen. Er stöhnt vor Lust, seine Zunge spielt in meiner offenen heißen Möse. Ich bewege mich stöhnend.

Und jetzt will ich seinen Schwanz in meinem Mund. Ich biege ihn mir zu und nehme ihn, sauge und fahre an seinem Schaft auf und ab. Er schmeckt wunderbar nach ihm. Ich bin so kurz vor dem Höhepunkt, daß ich fantasiere.

Miles ist jetzt weit weg, anmutig und elegant wie ein Tänzer mit breitkrempigem Hut, durch die leichten Wendungen von >A11 of You<. Er ist weit, weit entfernt, als Conrads Gesicht mit wilden verschleierten Augen über mir auftaucht. Und sein Schwanz dringt in mich ein. Wir schreien beide auf. Ich will ihn, ihn ganz, in mir. Dann fickt er mich, zuerst langsam, wie ich es geahnt hatte. Sein Blick bohrt sich in meinen, während ich seine Brust streichle, den Kopf zur Seite drehe, um sein Handgelenk neben meinem Hals zu küssen. Dann immer schneller, und mit jedem Stoß spüre ich, wie sein Becken mich hält, wie sein Penis tiefer in mich dringt.

Unsere Stimmen klingen zusammen, laut und jubilierend und erobert.

Wir hören die Trompete, entspannt, umschmeichelt von der Vertrautheit dieser alten Melodie, die die ganze Zeit im Hintergrund spielte, wie alltäglich, wie das Saxophon jetzt süß über sie streicht, sie berührt und mit ihr spielt, um sie schließlich an das Piano weiterzureichen. Conrads Stimme vibriert, als er sagt: »Oh, ich bin ja so froh.«

Das ist alles, was zwischen uns gesprochen wurde, bis die Nacht den Raum erfüllte, unsere Mägen knurrten und wir diese Platte bestimmt fünfzigmal gehört hatten. Dann standen wir auf und aßen. Ich erinnere mich, wie er nackt auf einem Küchenstuhl saß, einen Hamburger aß, sein Schwanz schlapp auf seinem behaarten Schenkel lag und sein Gesicht mich verträumt anlächelte.

Wir verbrachten das ganze Wochenende im Bett, liebten uns und ruhten aus, rauchten und liebten uns und sprachen wenig. Sonntag abend ging er wieder nach oben, und ich fuhr zum Flughafen, um John abzuholen.

Zwei Wochen später fuhr er an die Ostküste, sein Abschiedsbesuch wurde durch Johns Gegenwart beklemmend. Aber das Band zwischen uns ist niemals gerissen. Wir haben uns in den letzten zwanzig Jahren zweimal gesehen, jedesmal konnten wir uns nur über große Entfernung schreiend verständigen. Aber mindestens zweimal im Jahr kommt ein Brief von ihm, über seinen Beruf, seine Frau, seine Kinder und über die Musik, die er jetzt mag. Und ich schreibe ihm Dinge, die ich niemandem sonst erzählen würde, denn ich weiß, daß er meine Geständnisse mit Liebe aufnehmen wird und froh ist, mit mir zusammen auf dieser Welt zu sein.

Das Schachspielen habe ich übrigens aufgegeben.

Nach einiger Zeit hat es mich nicht mehr interessiert. Mein jetziger Ehemann würde erstaunt die Augenbrauen hochziehen, wenn ich ihm ein Spiel vorschlagen würde. Aber ich täte das sowieso nicht. Wer könnte schon Conrad als Partner das Wasser reichen? So unvergleichlich herausfordernd. Und befriedigend.