27
Margot presste die Augen fest zusammen und ertrug den unsäglichen Lärm. Selbst wenn sie nicht von Davys Gewicht nach unten gedrückt worden wäre, hätte sie nicht atmen können. Als er auf sie gefallen war, hatte es ihr die Luft aus den Lungen gequetscht. Sie wurde zermalmt, erstickt, ihre dreidimensionale Wahrnehmung war nur mehr zweidimensional. Sie drohte das Bewusstsein zu verlieren und kämpfte dagegen an.
Endlich registrierten ihre klingelnden Ohren, dass der Lärm abgeklungen war. Sie fing gerade an, winzige Mengen Luft in ihre Lungen zu saugen, als es ihr dämmerte. Davy bewegte sich nicht.
Er lag vollkommen reglos auf ihr. Ein Totgewicht. Etwas Warmes, Nasses lief über ihren Rücken und ihren Arm und sammelte sich neben ihrem Gesicht auf dem Boden. Blut.
Panik und Entsetzen überwältigten sie. »Davy? Hey! Davy, antworte mir!« Sie versuchte, sich unter ihm herauszukämpfen, als ihr plötzlich bewusst wurde, dass sie langsamer und vorsichtiger vorgehen musste. Jede ihrer Bewegungen konnte ihn weiter verletzen.
Sanft und behutsam, um ihm nicht wehzutun, schob sie sich unter seinem leblosen Körper heraus. In seiner Schulter klaffte ein schartiges Loch, das stark blutete. Sein Gesicht war grau, seine Augen geschlossen. Er lag schrecklich still.
»Davy?« Verzweifelt schaute sie sich nach etwas um, das sie als Bandage benutzen konnte, als sie sah, wie Sean auf sie zustürzte.
Er fiel neben Davy auf die Knie. »Was zur Hölle hast du jetzt wieder angestellt?« Seine Stimme war panisch.
»Er wurde angeschossen«, flüsterte Margot.
»So eine Scheiße! Seth, ruf einen Krankenwagen! Jetzt gleich!« Sean legte sein Gewehr auf den Boden, nahm einen Rucksack von seiner Schulter und holte ein kleines Kästchen heraus. Mit den knappen, effizienten Bewegungen eines Mannes, der wusste, was er tat, förderte er eine Mullkompresse zutage. Dem Herrn sei Dank für kleine Gnaden!
Erst jetzt registrierte Margot das Schlachtfeld um sie herum. Die Lichter waren ausgeschossen worden. Marcus’ Männer lagen überall auf dem Boden verstreut, umgeben von Blutlachen unterschiedlichster Größe. Ein paar von ihnen stöhnten noch. Die meisten taten es nicht.
Marcus und Faris waren in einer grausigen, blutgetränkten brüderlichen Umarmung erstarrt. Zerbrochenes Glas, das wie Eissplitter glitzerte, bedeckte alles. Kalte, nach Regen riechende Windböen wehten ins Zimmer.
»Kommt er wieder in Ordnung?« Ihre Stimme klang wie das ängstliche Wispern eines Kindes.
»Das muss er«, sagte Sean grimmig und presste die Kompresse auf die Wunde. »Sonst kann er was erleben.«
Seth ging neben ihnen in die Hocke. »Die Kugel hat keine lebenswichtigen Organe verletzt«, beruhigte er sie. »Allerdings hat er viel Blut verloren.«
Margot nahm Davys unverletzte Hand und hielt sie fest. Faris’ blutunterlaufene aufgerissene Augen starrten sie durch das Zimmer anklagend an. Erschaudernd sah sie weg.
Davys Hand war klamm. Margot hielt sie so fest, als gäbe es keine Schwerkraft mehr und sie müsste ins Weltall davontrudeln, wenn sie sie losließe. Ohne Rettungsleine. Ohne Orientierungspunkt. Er durfte nicht sterben, denn dann würde nichts mehr einen Sinn haben. Sie wäre in einem kalten, leeren Nichts verloren.
Nach einer Weile drangen hektische Geräusche an ihr Ohr. Stimmengewirr. Menschen, die umhereilten. Sie schnallten Davy auf eine Tragbahre und brachten ihn weg. Sie wollte ihm folgen, als sich ihr ein Mann in den Weg stellte und sie mit lauten Fragen bedrängte. Er sagte etwas über Blut. Sie versuchte, ihm zu erklären, dass es nicht ihr Blut sei, sondern Davys, weil er ihr das Leben gerettet habe, und dass sie ihn weggebracht hätten, dass sie ihn verlieren würde und sie ihn begleiten müsse.
Margot schaffte es nicht, ihren Worten einen Sinn zu geben. Sie konnte überhaupt nicht kommunizieren. Sie versuchte, sich davonzustehlen, doch der Sanitäter hielt sie zurück.
Aus purer Frustration begann sie zu weinen. Davy war weg, Seth und Sean mit ihm. Es war alles vorbei. Alles verloren, alles vorüber. Jemand gab ihr eine Spritze.
Sie trieb auf einem Fluss hoffnungsloser Tränen davon.
»Es tut mir wirklich leid, Miss.« Die Frau hinter dem Empfang beäugte Margots blutbesudeltes Unterkleid und ihr mit Wimperntusche verschmiertes Gesicht voll ängstlicher Faszination. »Es ist keine Besuchszeit, außerdem hat nur die Familie Zutritt. Geht es Ihnen gut? Wollen Sie nicht lieber die Notaufnahme …«
»Mit mir ist alles in Ordnung, danke«, sagte Margot. »Aber dies ist ein besonderer Fall. Er hat diese Kugel für mich abgefangen. Ich zähle zur Familie. Glauben Sie mir. Ich gehöre dazu.«
»Es tut mir wirklich leid, aber wir haben unsere Regeln …«
»Ach, vergessen Sie es!«, fauchte Margot. Sie kehrte der misstrauischen Ziege den Rücken zu und marschierte weiter in dem hell erleuchteten Flur auf und ab. Wenn sie sich doch nur als normale Besucherin ausgeben könnte, aber auch ihre verzweifelte Katzenwäsche auf der Krankenhaustoilette mit schlecht riechender antiseptischer Seife und einem Bündel kratziger Papierhandtücher hatte ihr erschreckendes Aussehen nicht groß verbessert. Jedes Mal wenn sie in einer spiegelnden Oberfläche einen Blick auf sich erhaschte, erschrak sie wieder neu. Sie sah aus wie eine verwilderte Psychopathin kurz vor einem Amoklauf. Kein Wunder, dass das Klinikpersonal sie nicht in die Nähe des armen Mannes lassen wollte. Wäre sie an der Stelle dieser Frau, würde sie es auch nicht tun.
Zumindest wusste sie, dass Davy lebte. Diese Ungewissheit hatte sie verfolgt, seit sie mutterseelenallein in ihrem Krankenhausbett aufgewacht war.
Bei ihrer vierten Runde über den Flur sprach der bullige Aufpasser, der auf der Station Wache hielt, am anderen Ende gerade mit einer Krankenschwester. Jede Hemmung, gegen Regeln zu verstoßen, war von ihr abgefallen. Sie schlich näher zur Tür. Jemand drückte den Knopf auf der anderen Seite und fixierte sie mit einem überraschten Blick, als sie, beflügelt von impulsivem Ungehorsam, durch die automatische Tür schlüpfte. Seth saß auf einem Plastikstuhl im Gang, aber trotz der entspannten Pose schien sein langer Körper noch immer in höchster Alarmbereitschaft zu sein.
Er drehte sich um, als sie näher kam, und wirkte erleichtert, dass sie es war. »Oh, hallo! Ich hab mich schon gewundert, wo du abgeblieben bist. Du bist uns in dem Durcheinander abhandengekommen, als die Sanitäter auftauchten und sich an die Arbeit machten.«
»Jemand hat mir eine Spritze verpasst. Ich bin erst vor einer Weile aufgewacht, und seitdem suche ich nach euch.«
Seine dunklen Augen musterten sie, auf der Suche nach Verletzungen. »Bist du okay? Du siehst ziemlich fertig aus.«
»Mir geht es gut. Was ist mit Davy?«
»Er schläft. Aber er wird es schaffen. Die Wunde ist nicht so schlimm, allerdings hat er eine Menge Blut verloren. Sean ist deswegen komplett mit den Nerven runter. Er denkt, dass wir eine Nanosekunde zu lange mit unserem Überraschungsangriff gewartet haben, also ist es allein seine Schuld, dass Davy angeschossen wurde.« Er schüttelte den Kopf. »Diese McClouds sind einfach übersensibel. Ein falsches Wort, und sie flippen aus, reagieren völlig übertrieben emotional.«
Sie dachte an Davys heißblütigen Zorn, seinen Beschützerinstinkt, seine ungezügelte Erotik. »Ich weiß genau, was du meinst. Kann ich reingehen?«
Seth grunzte. »Ich bin nicht sein Aufpasser.«
Sie drückte die Tür auf und schaute Davy eine lange Weile an. Es tat ihr im Herzen weh, seinen kraftvollen Körper so geschwächt zu sehen. Ein Infusionsschlauch steckte in seinem Arm. Sein verprügeltes Gesicht war bleich, wo keine Blutergüsse prangten. Die goldene Tönung seiner Haut war graustichig.
Sean saß neben ihm, das Gesicht in den Händen. Er blickte auf.
Die Veränderung an ihm schockierte sie. Seine Grübchen waren verschwunden. Um seinen Mund lag ein harter Zug, die Augen blickten kalt. Jeder Humor hatte sich aus seinem Gesicht verflüchtigt. Er sah aus wie Davy. Die Ähnlichkeit zwischen ihnen war ihr nie zuvor aufgefallen.
Es war ein unbehaglicher Gedanke, dass Sean, wenn er angespannt und bedrückt war, aussah, wie Davy es fast immer tat.
Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich schuldig. Seit sie diesen Mann kennengelernt hatte, hatte sie ihm nur Schwierigkeiten gemacht, ihn angelogen, provoziert, genervt und unter Druck gesetzt.
Trotzdem hatte er ihr das Leben gerettet und war mehr als einmal ihr Held gewesen. Und das hatte er nun von seinem Einsatz. Reglos und mit grauem Gesicht lag er, an einen Beutel Flüssigkeit angeschlossen, in einem Krankenhausbett, mit blauen Flecken übersät und einer Schusswunde in der Schulter.
Sean hatte ihr nichts zu sagen. Er checkte sie mit einem Blick auf Verletzungen, genau wie Seth es getan hatte. Sobald er sich vergewissert hatte, dass sie noch in einem Stück war, verlor er das Interesse und wandte sich wieder seinem Bruder zu.
»Seth sagt, dass er wieder gesund wird«, begann sie zaghaft.
»Ja, das behaupten sie. Nur sieht er für mich wie Scheiße aus.«
Sie trat näher ans Bett und nahm Davys große Hand in ihre. So kalt, so still. Sie drückte seine langen, anmutigen, sehnigen Finger. »Er kommt wieder in Ordnung«, sagte sie leise. »Das muss er.«
Seans Lachen war kurz und voll Bitterkeit. »Glaubst du? Das Schlimmste kann immer eintreten.« Er streichelte Davys Arm. »Ich habe viel Zeit damit verbracht, meine bewusstlosen Brüder in Klinikbetten anzustarren. Das einzig Positive, was ich darüber sagen kann, ist, dass es immer noch besser ist, als einen Sarg anzustarren.«
»Es tut mir leid.« Margot fühlte sich hilflos.
Sean schüttelte den Kopf. »Immer hinke ich ein paar Schritte hinterher. Nie gelingt es mir, eine Situation zu bereinigen oder jemanden zu retten.«
Sie zermarterte sich das Gehirn nach ein paar tröstlichen Worten. »Aber du hast ihn gerettet. Du bist gekommen und hast ihn gerettet. Du solltest dir keine Schuld geben.«
»Ach, wirklich? Sollte ich nicht? Ich war derjenige, der ihn dazu getrieben hat, sich überhaupt mit dir einzulassen. Ich dachte, er müsste öfter mal rauskommen. Ich fand, er müsste relaxen, Sex haben, sich amüsieren. Ha! Wäre irgendetwas von dieser ganzen Scheiße passiert, wenn ich die Finger davon gelassen hätte? Das ist die Dramatik meines Lebens. Ich richte ein katastrophales Chaos nach dem anderen an.«
Der kalte Knoten in ihrem Magen verhärtete sich, bis der Schmerz fast unerträglich wurde. »Es tut mir leid«, wiederholte sie leise.
Sean winkte ab. »Vergiss es! Du bist es nicht, die ihn angeschossen hat. Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt voll ist von abartigen Monstern.«
Trotzdem hatte er recht. Nichts von alledem wäre passiert, hätte Sean sie nicht dazu überredet, Davys Rat zu suchen. Gleichzeitig wäre sie natürlich tot, wenn nicht gar Schlimmeres, hätte er es nicht getan.
Diese Überlegung war nicht gerade aufbauend.
»Ich hätte wissen müssen, dass er so auf dich reagieren würde«, fuhr Sean fort. »Genau wie bei der Stripperin, mit der er vor Jahren angebändelt hatte … Wie war noch mal ihr Name?«
»Fleur«, sagte sie. »Seine Exfrau.«
Sean wirkte überrascht. »Er hat dir von ihr erzählt? Er hat nie zuvor mit jemandem über Fleur gesprochen. Sogar Connor und ich mussten ihn erst betrunken machen, um es aus ihm herauszuquetschen. Und es ist nicht gerade leicht, diesen disziplinierten Mistkerl abzufüllen.«
»Das glaube ich gern«, murmelte sie. »Ich weiß, wie er ist.«
»Er lässt sich nicht aus der Reserve locken, auch von Connor und mir nicht. Er glaubt, dass er für uns immer stark sein muss. Weißt du, was mit unserem Vater passiert ist?«
Sie nickte.
Sean bedachte sie mit einem langen verwunderten Blick. »Hm. Also hat er dir seine ganzen düsteren Geheimnisse verraten. Er muss verrückt nach dir sein.«
»Zumindest mache ich ihn verrückt. So viel ist sicher.«
Sean berührte Davys Stirn. »Er hat sich die Beine ausgerissen, um für uns Vater, Mutter und befehlshabender Offizier zu sein. Und das, seitdem er vierzehn war. Er hat sich keine einzige Verschnaufpause gegönnt. Er hat vergessen, wie das geht.«
Ihre Kehle war wie zugeschnürt, darum nickte sie wortlos.
»Und je mehr man ihn bedrängt loszulassen, desto schlimmer wird es«, setzte Sean hinzu. »Dieser unverbesserliche Dickschädel!« Er legte seine verschränkten Arme auf das Bett und vergrub das Gesicht dazwischen. Seine breiten Schultern bebten.
Margot berührte ihn sanft. Er zuckte zusammen, und sie zog ihre Hand schnell wieder weg. »Bitte nicht«, sagte er dumpf. »Es ist nichts Persönliches. Ich mag das einfach nicht.«
»Entschuldigung«, wisperte sie. »Ich werde euch beide jetzt allein lassen.«
Sie wich zurück, bis ihre Schultern gegen die Tür stießen, dann wischte sie sich die Tränen aus den Augen, damit sie klar genug sehen konnte, um einen letzten Blick auf Davy zu erhaschen.
Anschließend trat sie hinaus in den Flur. Besser gesagt, sie trieb in den luftleeren Raum davon. Seth saß nicht mehr auf dem Stuhl vor der Tür. Margot setzte sich in Bewegung, ohne zu wissen, wohin sie gehen sollte. Sie folgte den reflektierenden Lichtstreifen in der Mitte der glänzenden weißen Bodenfliesen, um sich zu orientieren. Als sie an eine kahle Wand gelangte, drehte sie sich im Kreis, bis sie einen weiteren Lichtstreifen, einen weiteren weißen Flur fand.
Sie konnte nicht hierbleiben – ein hilfloser Parasit, der sich an Davy McCloud und seiner Familie festsaugte. Sie fühlte sich leer und verloren. Sie hatte ihm ihre Bürde auferlegt, und das war nun das Resultat. Um ein Haar hätte sie seinen Tod verschuldet. Sie wollte ihn umsorgen, aber sie war nur noch ein Stück Ballast, das im Weltraum umhertrieb. Ohne Ziel. Ohne Identität.
Margot wusste noch nicht mal, was aus ihrer Handtasche geworden war. Sie hatte weder ein Taschentuch, um sich die Nase zu putzen, noch zwei Vierteldollar, um einen Anruf zu machen.
Nicht, dass es jemanden gegeben hätte, den sie anrufen könnte. Ihr Blick fiel auf eine Uhr, die oben an der Wand hing und anzeigte, dass es 3:45 Uhr morgens war. Noch vor neun Monaten hätte sie nicht gezögert, eine ihrer Freundinnen anzurufen, um sich abholen zu lassen, aber es war so viel Zeit vergangen. Unfassbare Ereignisse hatten sie von Grund auf verändert. Jenny oder Pia oder Christine würden sie vielleicht gar nicht wiedererkennen. Sie könnte ihnen Angst einjagen, als wäre sie eine Kriminelle oder Drogenabhängige. Ein menschliches Wrack, das man nicht mit dem Silberbesteck allein lassen durfte.
Doch irgendwo musste sie anfangen. Sie musste jemanden finden, der sie seine Dusche benutzen und auf seiner Couch schlafen ließ. Gott, wie sie ihre Mutter vermisste! Sie schniefte, Tränen verschleierten ihre Sicht, und sie schlug sich das Bein schmerzhaft an einem der Plastikstühle an. Sie ließ sich darauf sinken und ihn ihr Gewicht tragen.
In diesem Zustand konnte sie Davy McCloud nicht gegenübertreten. Er verdiente Besseres. Sie hatte keine Mitte mehr, kein Ich. Sie war kaum mehr ein Mensch, nur noch Ballast. Sie hätte geweint, um den Schmerz zu lindern, aber ihr fehlte die Kraft.
Der Minutenzeiger schlich über das Zifferblatt. Sie war in einer Zeitschleife gefangen. Das Licht flackerte und mischte sich mit den Tränen in ihren Augen, bis sich bizarre Muster formten. Ihre Lider waren so schwer – wie ihre Beine, ihr Herz. So höllisch schwer.
»Mag Callahan?«
Ihr Kinn, das auf ihrer Brust geruht hatte, ruckte nach oben. Ihr Nacken schmerzte von der vornübergebeugten Haltung. Sie war eingeschlafen.
Sie rieb sich die Augen und fokussierte sie auf einen großen, akkurat gekleideten dunkelhäutigen Mann. Er hielt einen Kaffeebecher in der Hand. »Sind Sie Mag Callahan?«
Margot nickte. Es gab nichts hinzuzufügen. Keine Neugier, keine Angst, keine Hoffnung. Sie schaute ihn mit stumpfem Blick an.
»Ich bin Detective Sam Garrett vom San Cataldo Police Department. Wir hatten gestern Nachmittag telefoniert. Erinnern Sie sich?«
»Vage«, murmelte sie. »Sie müssen entschuldigen, aber ich stehe ein wenig neben mir.«
»Das kann ich mir gut vorstellen.« Er reichte ihr den Kaffeebecher. »Ist Zucker und Milch okay für Sie?«
Margot nahm ihn entgegen. Der heiße Becher verbrannte ihr fast die Hand. Sie hieß den Schmerz willkommen. Er war eine Leine, an der sie sich festhalten konnte, ein sensorischer Anker.
»Miss Callahan, Sie versprachen, dass Sie mir erzählen würden, was es mit dieser Geschichte auf sich hat, sollten Sie diese Nacht überleben«, sagte Garrett.
»Oh, stimmt, das habe ich. Und ich bin noch am Leben, oder? Irgendwie zumindest.« Sie versuchte, die Augen auf sein Gesicht zu fixieren, aber es hörte nicht auf zu verschwimmen.
»Fühlen Sie sich gut genug, um eine Aussage zu machen?«
Sie dachte darüber nach. »Werden Sie mich verhaften?«, fragte sie ohne wirkliches Interesse.
Garrett setzte sich neben sie. »Im Augenblick nicht.«
»Hm.« Sie dachte kurz nach. Eine Aussage machen. Das gäbe ihr etwas zu tun. Es wäre ein Anfang.
Sie blinzelte, schüttelte den Kopf, um ihn klar zu bekommen, und trank einen Schluck Kaffee. Ihre Kehle war darauf nicht vorbereitet, sodass sie sich verschluckte und husten musste. Als sie sich wieder unter Kontrolle hatte, nickte sie.
»Sicher«, stimmte sie gleichgültig zu. »Warum nicht?«