Die goldene Quelle
Es war 10.33 Uhr an diesem Dienstagmorgen, als Detektivin Carla Fuchs in Illnau aus dem Zug stieg und sich anhand ihrer Skizze zu orientieren versuchte, welche Strasse sie zuerst nehmen musste, um möglichst ohne Umwege zum Lokal des Vereins Mittelalter von Anton Ritler zu gelangen.
Zur selben Zeit war Kommissar Aemisegger auf dem Polizeiposten Zürich alles andere als untätig, wenn auch er seit Wochen, nein, seit Monaten, nicht den winzigsten Hinweis auf den Täter hatte. Doch hatte er seinen Schreibtisch endlich von den Bergen an Papierkram und Kaffeebechern befreit. Heute konnte er die gesamte Tischfläche wieder sehen. Wenigstens ein Fortschritt.
Aemisegger war gerade dabei, sich in sein frisch entstaubtes Büro einzuleben, als das Telefon läutete. Die Kollegin aus dem Erdgeschoss meldete den Besuch eines jüngeren Mannes, der den Kommissar dringend sprechen wollte. Als Aemisegger vernahm, dass es sich um Remo Iseli handelte, stieg Hoffnung in ihm auf.
«Grüezi Herr Iseli, kommen Sie bitte in mein Büro.»
Iseli war nicht der Typ, der sich in der Umgebung von Polizisten wohl fühlte. Als sogenannter Kampf-Kiffer mied er normalerweise den Kontakt zu den Beamten so gut er konnte. Dieser Aemisegger war ihm auch nicht sonderlich sympathisch. Nicht, dass er persönlich etwas gegen ihn hatte, sondern halt einfach, weil er ein Bulle war.
«Grüezi, Herr Aemisegger.»
«Ich bin überrascht über Ihren Besuch.»
«Ich wollte fragen, ob Sie den Mord an meinem Kumpel endlich aufgeklärt haben?»
«Deswegen kommen Sie vorbei?» Geschickt wich Aemisegger der Frage aus. Erstens lag es ihm fern, Remo Iseli in den Stand seiner Arbeit einzuweihen und zweitens gab es auch rein gar nichts, was er zu berichten hatte. Letzteres war ihm eher unangenehm.
«Nein. Ich hatte einfach gehofft, dass der Mörder bereits hinter Gittern sitzt. Mir ist etwas in die Hände gefallen und mein Gefühl sagte mir, dass es wichtig sein könnte. Ich tue das für Lukas, nicht, weil ich Ihnen helfen möchte. Bullen traue ich keinen Meter über den Weg.»
«So?» Aemisegger zog die Brauen hoch. Er war viel zu neugierig, als dass er sich von Remo Iseli hätte provozieren lassen.
«Eine Klassenliste.» Iseli streckte dem Kommissar ein vergilbtes A4-Blatt hin. Am Titel gemessen musste das Papier mindestens dreissig Jahre alt sein. Oben auf dem Papier stand mit Schreibmaschine geschrieben: 5. Klasse, 1982.
Kommissar Aemisegger wusste nicht, was ihm Iseli mit dieser Klassenliste sagen wollte. «Was soll ich damit! Sie erlauben sich doch nicht etwa einen Scherz?», fragte er ihn forsch.
«Sag ich doch: Ihr Bullen rafft es einfach nicht. Selbstverständlich nicht! Ich habe heute das Zimmer von Lukas betreten. Ich dachte, da er eh nicht mehr zurückkommen wird, könnte ich sein Zimmer wieder untervermieten. Als ich seinen Kleiderschrank öffnete, flog mir dieses Papier geradezu in die Hand. Warum dieses alte Blatt? Vielleicht hatten es die Schnüffler von der Spurensicherung dorthin gelegt. Wenn Sie mich aber fragen, hatte Lukas das rausgekramt, um mit seinen alten Kameraden Kontakt aufzunehmen. Ich meinte, er hatte mal etwas erwähnt. Finden Sie nicht, dass das verdächtig ist?»
«Eigentlich nicht, nein. Aber lassen Sie mich die Liste mal anschauen. Kennen Sie die Leute auf dieser Liste?»
«Ich? Nein. Ich war nicht in dieser Klasse. Sowieso, ich komme aus dem Kanton Zug. Von dieser Klassenliste kenne ich nur Lukas. Die Adressen sind bestimmt längst überholt. Ich habe echt keine Ahnung, wozu diese Liste gut sein sollte. Vielleicht diente sie ihm auch nur als Erinnerungsstück an die guten alten Zeiten. Wie gesagt, das ist Ihr Job, ich muss mich jetzt um einen neuen Mitbewohner kümmern. Die Mieten in der Stadt Zürich sind echt zum Kotzen. Dass Lukas umgebracht wird, hätte ich echt nicht gebraucht. Aber das ist Ihnen ja scheissegal!»
Aemisegger bedankte sich pro forma bei Iseli, obwohl er noch immer nicht so genau wusste, was er mit dieser Liste anstellen sollte. Es standen dreiundzwanzig Namen darauf mit Adresse, Telefonnummer und Geburtsdatum. Das war alles: eine ganz normale Klassenliste. Wobei - Iseli hatte schon recht: es war verwunderlich, dass Brennwald diese bei sich zuvorderst im Kleiderschrank liegen gehabt hatte. Nach dreissig Jahren wählte kaum jemand die alten Telefonnummern von Kameraden, die auf einer Klassenliste standen. Irgendetwas musste diese auf sich haben.
Nach einer Weile des Betrachtens fiel Aemisegger auf, dass es in der Klasse einen Markus gab. Ob das ein Hinweis auf diesen Kusi sein könnte? Aemisegger klammerte sich an die Idee. Obwohl, wie er sich gleichzeitig eingestehen musste, war Markus kein seltener Name. Es wäre ein riesiger Zufall gewesen, wenn das ins Holzstück eingeritzte Wort «Kusi» der Name dieses Markus Frickers gewesen wäre. Wie sollte er das herausfinden, wie beweisen können? Doch ja, da er derzeit keinen anderen Hinweis oder Anhaltspunkt hatte, wollte er es nicht unversucht lassen, diesen Klassenkameraden Markus ausfindig zu machen.
«Das ist ein Fall für Köppel!» Aemisegger bemerkte noch nicht einmal, dass Köppel längstens imTürrahmen gestanden hatte und darauf wartete, dass sein Chef zu ihm hinsah.
«Sie reden mit sich selbst - über mich?»
«Ja, ähm - gut, dass Sie da sind, Köppel. Prüfen Sie diese Klassenliste. Finden Sie heraus, ob dieser Markus Fricker mit Lukas Brennwald Kontakt pflegte. Auch wenn ich an Kägis Interpretation grosse Zweifel hege, haben wir hier doch die Chance, dass „Kusi“ vom Namen Markus hergeleitet und mit „Kusi“ Markus Fricker gemeint ist. Sie wissen schon, das Auge und das Ohr von der Waldhütte.»
Eine klitzekleine Chance bestand, und der sollte Köppel nachgehen. Beide Kommissare befürchteten, die Hoffnung, auf eine Spur gestossen zu sein, könnte sich wieder einmal zerschlagen. Nur ging jeder damit anders um. Aemisegger wirkte niedergeschlagen, während Köppel sich an jedem Strohhalm hielt. Vom Ehrgeiz gepackt griff Köppel nach dem Papier und verschwand sofort in sein Büro.
Detektivin Fuchs stand in Illnau vor dem Lokal, in dem sie sich mit Anton Ritler verabredet hatte. Da sie keine Klingel finden konnte, klopfte sie an die verschlossene Tür. Ein bärtiger, schmächtiger Mann mit wildem Blick und buschigem Haar öffnete ihr die Tür. «Hereinspaziert!», begrüsste er sie. Es war der erste Moment, in dem Carla Fuchs sich fragte, ob es richtig gewesen war, ganz alleine herzukommen. Der Mann sah heruntergekommen aus. Ihr war es nicht wohl in seiner Gegenwart und schon gar nicht dabei, alleine mit ihm ins Haus zu gehen. Niemand wusste, dass sie hier war. Natürlich war sie sensibel geworden – wer wäre das nicht in derselben Situation? Sie konnte nicht ausschliessen, dass Herr Ritler der Mörder war. Was dann? Was, wenn der Topf bereits auf dem Herd stand und er nur darauf gewartet hatte, dass sie zu Besuch kam? Wie dumm es doch von ihr war, ihm in ihrem Eifer zu vertrauen! Doch umkehren wollte die Detektivin nicht und schliesslich war sie es, die sich um das Treffen bemüht hatte. Also betrat sie mutig das Lokal und begab sich sozusagen in seine Hände.
Auf dem Polizeiposten fixierte ein enthusiastischer Köppel die Klassenliste. Die Erinnerung an den letzten makabren Fund steckte ihm noch tief in den Knochen. Sein Magen machte sich bemerkbar, wenn er nur schon daran dachte. Dass das Auge auf dem Fenstersims in den Raum geglotzt hatte, keinen Meter daneben das Ohr – das war schon eine harte Kost gewesen. Nun aber war die Vorstellung, dass der Mensch, dem diese Körperteile gehört hatten, auf dieser alten Klassenliste stand, kaum zu ertragen. Dazu hallten die Worte von Mediziner Kägi in seinen Ohren: «Der Täter hat hier seine Notdurft verrichtet.»
Wie abscheulich – was für ein widerwärtiger Mensch das doch war, der so etwas getan hatte. Abartig. Kägi hatte die Kotstücke mit ins Labor genommen genauso wie auch alle andern Fundstücke bei der Waldhütte.
Köppels Augen glitten über die Liste. Die damalige Klassensprecherin hatte Sandra Berchtold geheissen. Die Nummer von Markus Fricker hatte er als erstes eingetippt. Doch wie erwartet war der Akt erfolglos gewesen. Also überlegte er, ob es Sinn machen würde, mit der Klassensprecherin oder sonst jemandem von der Liste in Kontakt zu treten. Gesetzten Falles er könnte überhaupt jemanden erreichen – immerhin war diese Liste dreissig Jahre alt. Er begann, den Faden gedanklich weiterzuspinnen: Nehmen wir mal an, Markus war dieser „Kusi“; nehmen wir mal an, der DNA-Abgleich mit den Überresten aus der Waldhütte könnte dies eindeutig beweisen; dann würde das bedeuten, dass die Opfer zusammen in einer Klasse waren. Und somit wäre vorstellbar, dass der Täter ebenfalls aus diesem Umfeld kam.
Angetrieben von dieser Idee forschte Köppel im Internet nach Sandra Berchtold und hoffte, dass er für einmal spielend zum Ziel kommen werde. Bei aller Schwerfälligkeit, die die Ermittlungsarbeiten mit sich brachten, hoffte er diesmal Glück zu haben. Tatsächlich, er musste noch nicht einmal lange suchen, fand er eine Dame, die vom Alter her passen konnte. Sie arbeitete als Angestellte in einem Familienunternehmen und war auf der Website mit Foto und Telefonnummer aufgeführt. Er zögerte keine Sekunde und rief bei ihr im Büro an.
Sandra Berchtold zeigte sich überrascht über Köppels Anruf. Sie war es wirklich – Köppel konnte es kaum glauben: Er telefonierte gerade mit Sandra Berchtold, der Klassensprecherin der 5. Primarschule aus dem Jahr 1982. Seine Freude wurde schnell gedämpft: Sandra Berchtold konnte sich kaum an ihre Primarschulzeit erinnern. Sie gab Köppel Auskunft so gut sie konnte.
«Wir haben diese Klassenliste bei Lukas Brennwald gefunden. Hatten Sie zu Lukas Brennwald noch Kontakt?»
«Lukas? Nein. Wir haben uns ewig nicht mehr gesehen. Das letzte Mal war wohl vor einigen Jahren, als wir uns zufällig in Zürich über den Weg gelaufen sind.»
Köppel schrieb jedes Wort eifrig mit.
«Vor einigen Jahren, sagen Sie, und seither nicht mehr. Dann noch etwas anderes: auf der Klassenliste steht ein Mann namens Markus Fricker. Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?»
«Kusi meinen Sie? Er ist bis heute einer meiner besten Freunde geblieben! Wir sind zusammen aufgewachsen, er war mein Nachbar. In der Schule war er im Gegensatz zu mir auch gut befreundet mit Lukas Brennwald und Alexander Wahrenberger.»
«Interessant.» Köppel notierte sich die Namen. «Sagten Sie eben Kusi?»
«Warum fragen Sie mich das eigentlich, Herr Kommissar? Ist was mit Lukas, oder etwa mit Kusi?»
«Die Lage ist ernst, Frau Berchtold, Herr Brennwald und Herr Fricker wurden ermordet. Es stand in der Zeitung.»
«Wie bitte? Ermordet! Das ist ja furchtbar! Nein, Sie verarschen mich, das kann ich nicht glauben.»
Nachdem ihr Kommissar Köppel versichert hatte, dass er von der Polizei sei und sie gerne bei ihm auf dem Polizeiposten vorbeikommen könne, fragte sie ihn mit wackliger Stimme: «Was ist passiert? Wer hat das getan?»
«Das wissen wir leider noch nicht. Ich habe eine weitere Frage: Sie erzählten soeben von einem dritten Kumpel, wie hiess er nochmal: Alexander Wahrenberger?»
«Richtig. Die drei waren echt gute Kumpels. Meiner Meinung nach war Alexander ein komischer Kauz und Lukas ein kleiner Angeber. Ich hab nie verstanden, was Kusi mit den beiden verbunden hatte. Um Lukas tut es mir natürlich auch leid. Das hat er nicht verdient. Aber sagen Sie, bin ich etwa auch in Gefahr?»
«Seien Sie vorsichtig. Immerhin haben wir zwei Tote aus derselben Schulklasse.»
«Ich verstehe nicht? Sie machen mir Angst …!»
«Wir werden alles Erdenkliche unternehmen, den Mörder Ihrer beiden Kollegen rasch möglichst zu finden, das versichere ich Ihnen. Wissen Sie vielleicht, wo Alexander Wahrenberger heute lebt?», hakte Köppel nach.
«Nein, ich habe echt keine Idee, was Alexander heute macht. Ich hatte schon früher kaum Kontakt zu ihm. Er war ein Bauernbub. Die Familie lebte etwas abgelegen auf einem Hof. Er war in der Klasse nicht der Beliebteste, wenn Sie mich fragen.»
Sandra Berchtold überlegte und fügte an: «Das letzte, was ich durch Kusi von ihm gehört habe, war, dass er ins Ausland gezogen sei.»
«Danke, Frau Berchtold, für die Auskunft. Sollte ich noch Fragen haben, werde ich Sie wieder kontaktieren.»
Köppel war sich bombensicher, dass dieser Markus «Kusi» Fricker das dritte Opfer war, das von der Waldhütte mit dem glotzenden Auge. Zufrieden lief er hinüber zu Kommissar Aemiseggers Büro. Neben den neusten Erkenntnissen über Kusi Fricker wollte er ihm von Alexander Wahrenberger erzählen.
Carla Fuchs war inzwischen mit Anton Ritler ins Gespräch gekommen. Sie wahrte noch immer einen gewissen Sicherheitsabstand zu ihm. Seit er die Türe hinter sich geschlossen hatte und in einem überfreundlichen Ton mit ihr sprach, vertraute sie ihm kein bisschen mehr. Obwohl, eigentlich hatte er nichts getan oder gesagt, was zu Misstrauen Anlass gegeben hätte. Für Carla Fuchs, die sich in einem leicht panischen Zustand befand, war aber alles an ihm verdächtig. Sie schätzte den wild ausschauenden Mann um die 50 Jahre. Auf den Fotos, die im Kneipenlokal die Wand tapezierten, sah Fuchs verschiedene Leute in altertümlicher Bekleidung. Darüber hing ein Schriftzug: Spectaculum. Die meisten Frauen trugen lange Kleider mit geschnürtem Mieder, teilweise Schürzen und pharaonenähnliche Kopfbedeckung aus flattrigem Tuch. Die Männer hatten fast alle ein Schwert in der Hand und traten ebenfalls mit Kopfbedeckung und teilweise in Ritterrüstungen und Kutten auf. Ein Mann mittleren Alters war mit einer Gitarre zu sehen, zwei andere hatten grosse Trommeln vor dem Bauch. Es war ganz amüsant für die Detektivin, die geselligen, verkleideten Menschen zu betrachten.
Ritler, der ein Schmunzeln über ihre Lippen huschen sah, meinte schleimig: «Sie sind an unserem nächsten Fest herzlich willkommen. Die Abwechslung würde Ihnen bestimmt gut tun.» Dabei grinste er.
Ziemlich frech, wie Carla Fuchs im Stillen fand. Statt darauf einzugehen, antwortete sie mit einer Frage.
«War bei Ihnen zufällig ein Journalist mit Namen Ambauen zu Besuch?»
Die Frage verblüffte den Mittelalter-Fan. Tatsächlich hatte er Besuch von einem Journalisten gehabt.
«Woher wissen Sie, dass der Mann von der Zeitung hier war?»
«Ich bin Detektivin.»
«Er stand vor einigen Wochen vor meiner Tür, besser gesagt, er rammte mir mit seinen Fäusten beinahe die Tür ein. Ich dachte, er wolle einen Bericht über unseren Verein schreiben. Dem war dann aber nicht so.»
«Interessant. Was wollte er denn von Ihnen, wenn es nicht um einen Artikel ging?»
«Er wollte Informationen von mir über das Mittelalter.»
«Hätte er diese Informationen nicht auch im Internet oder in Geschichtsbüchern finden können?»
«Aha. Das habe ich mir gar nicht überlegt. Es war mir eine Ehre und Freude, ihm aus meinem Fundus zu erzählen.»
«War das alles? Ich meine, nicht, dass es nicht interessant wäre, was Sie zu erzählen haben. Aber das hätte er einfacher telefonisch erledigen können.»
«Mich hat es nicht gestört, immerhin hat er am Ende versprochen, dass er beim Chefredaktor ein Wort einlegen werde und dann eventuell ein Portrait über unseren Verein in der Zeitung erscheinen würde. Da fällt mir ein: er hatte sich zudem erkundigt, ob im letzten Jahr neue Mitglieder eingetreten waren. Er war auf der Suche nach einem Bekannten, der seit einigen Monaten wieder in der Gegend leben sollte. Die Frage fand ich seltsam. Aber nun gut, ein Journalist wird schon wissen, seine Fragen zu stellen. Spontan ist mir dazu einer eingefallen, der an einem unserer Treffen zum Schnuppern gekommen war.»
«Haben Sie dem Journalisten seinen Namen genannt?»
«Ich konnte mich nicht mehr an seinen vollen Namen erinnern. Er hatte sich mir als Lex vorgestellt.»
«Lex, das war sein Vorname?»
«Vermutlich. Ein schräger Vogel, ganz eindeutig. Der tickt nicht ganz sauber. Am Anfang war er auffallend freundlich gewesen. Je länger dann das Gespräch dauerte, desto fanatischer, geradezu fixiert, sprach er von mittelalterlichen Ritualen. Und er schwärmte von einer goldenen Quelle.»
«Von einer goldenen Quelle? Und Sie wissen nicht zufällig, was er damit gemeint hat?»
«Keine Ahnung. Er erwähnte, dass diese goldene Quelle ihn eines Tages stinkreich machen würde. Seine Augen haben gefunkelt, als er das sagte.»
«Meine Güte, aber natürlich! Wie konnte ich nur so blind sein!» Energisch zog sich Carla Fuchs den Sommermantel über, um sofort zurück nach Ravensbühl zu fahren. Sie musste mit Kollege Aemisegger telefonieren.
Beim Hinausgehen drehte sie sich zu Ritler um: «Eine Bitte habe ich an Sie: würden Sie mich sofort anrufen, sollten Sie von diesem Lex hören? Oder rufen Sie Kommissar Aemisegger an!» Sie reichte ihm die beiden Visitenkarten. «Und seien Sie vorsichtig, treffen Sie sich nicht mehr alleine mit diesem Lex!»
«In Ordnung. War’s das schon? Ich dachte …»
Eilig rauschte die Detektivin durch die Tür ins Freie und nahm die nächste Zugverbindung zurück nach Pfäffikon. Sie verspürte wieder dieses Frösteln, eine unterschwellige Angst vor dem Unbekannten. Dieser Lex war für sie strengstens verdächtig, und es ärgerte sie, dass sie keine Telefonnummer oder Adresse von ihm hatte in Erfahrung bringen können. Journalist Ambauen war ihm offensichtlich hinterher gewesen. Nur, wie hatte er seine Adresse herausbekommen?