Tour Efele
27

 

Wir unternahmen noch einen weiteren Ausflug auf die Belle Ile, gar nicht lange nach unserem ersten, wie ich mich erinnere, gleich nachdem Beattie Pierre kennengelernt hatte. Dieses Mal fuhren wir alle vier gemeinsam, Beattie und ich mit unseren neuen Liebsten. Um Mitternacht brachen wir in Paris auf, und im Morgengrauen erreichten wir in Quiberon die Fähre - während Pierre auf dem Rücksitz schnarchte und Beattie mir im Rückspiegel einen Blick zuwarf.

Wir zelteten an unserer Lieblingsstelle unten am Strand, wo wir allein waren. Dabei achteten wir darauf, unsere Zelte in gehörigem Abstand voneinander aufzuschlagen, damit wir alle ein bisschen Schlaf kriegen würden, wie Pierre scherzend anmerkte. So war Pierre: einfach ein großer, lieber Bär, ein netter Mann mit dröhnendem Lachen, das die Trommelfelle zum Platzen bringen konnte, wenn man dicht genug dran war. »Laut genug, um Tote aufzuwecken«, wie Beattie immer sagte. Er war ein Typ, den alle gern um sich hatten, und auf Partys sorgte er immer für Gelächter, insbesonders wenn er etwas getrunken hatte. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass Beattie sich so einen Mann aussuchen würde.

Wir liehen uns Fahrräder und radelten über die Insel. An den Lenkern hatten wir Picknickkörbe befestigt, aus denen die Baguettes gefährlich herausragten, während wir keuchend die Hügel hinaufstrampelten und auf der anderen Seite wieder hinuntersausten. Beattie und ich juchzten dabei laut und hoben die Füße von den Pedalen; der Wind wehte unsere Haare hoch, wenn wir waghalsig schnell um die Kurven rasten. Wenn die Sonne hinter den Felsen unterging, fuhren wir wieder nach Hause wie vier Kinder, sandig und sonnenverbrannt. Auf der heißen Asphaltstraße saßen fette Kröten und quakten uns an.

Ich erinnere mich an einen Abend, an dem ich vor den anderen herfuhr. Im hohen Gras zirpten die Grillen. Wir radelten an weiß getünchten Häuschen mit blauen Fensterläden vorbei, und im Zwielicht glühten die Farben intensiv, fast unheimlich. Obwohl ich vorausfuhr, wusste ich den Weg zu unserem Zeltplatz zurück nicht genau. Daher rief ich Marc hin und wieder zu: »Wo geht's lang?«

»Tout droit, geradeaus!«, rief er zurück. »wenn du dich verirrst, musst du einfach weiterfahren, bis du wieder da ankommst, wo du losgefahren bist. Ne t'inquiète pas! Auf einer Insel kann man sich nicht verfahren.«

Beattie lachte. »Annie schon!«

Und während es dämmerte und die Schatten meinen Augen Streiche spielten, hörte ich Marc leise hinter mir rufen.

»A droite, Annie! Rechts abbiegen!«

Ohne mich umzusehen, bog ich ab. Ich trat jetzt kräftiger in die Pedale, nahm anlauf, um den Hügel zu bewältigen, denn ich wollte vor den anderen zu Hause sein und als Erste duschen. Wer als Letzter unter die Dusche kam, kriegte nämlich nur noch kaltes Wasser ab, und normalerweise war ich das, wenn ich mich endlich das letzte Stück Straße hinaufgekämpft hatte. »Aber heute Abend nicht«, sagte ich laut keuchend zu mir und zwang mich, schneller zu treten.

Ich hatte noch etwa hundert Meter bis zum Hügelkamm zurückzulegen und freute mich schon auf das mühelose Hinabrollen, als ich etwas hörte. Ich betätigte die Bremshebel so plötzlich, dass ich fast kopfüber über die Lenkstange geflogen wäre.

Erst konnte ich das Geräusch nicht richtig deuten. Es klang, als würden Eulen rufen. Doch dann hörte ich Gelächter - Beattie. Ich wusste also, dass sie irgendwo hinter mir waren, im Dunkeln, offenbar noch auf der Straße, von der ich abgebogen war, aber ein Stück weiter.

»Kehr um, Annie!«, rief Beattie lachend. »Du bist verkehrt!«

Da wurde mir klar, warum sie lachten - mir stand wieder mal eine kalte Dusche bevor. So leicht konnte man mich austricksen.