13

Ich wanderte die Straße entlang und trug Malachis Arm- und Beinschienen. Er ging neben mir mit seinem Lederpanzer in der Hand und in dem lächerlichsten Aufzug, den ich je gesehen hatte. Die gestreifte Hose, die er in der Wohnung gefunden hatte, wäre ihm über die schmalen Hüften gerutscht, wenn er seinen Gürtel nicht gehabt hätte, trotzdem reichte sie ihm nicht einmal bis zu den Knöcheln. Sein Hemd war an den Schultern zu eng und schlabberte um die Taille. Es war das einzige mit richtig langen Ärmeln gewesen und darauf schien es ihm anzukommen.

Ein junger Mann mit zotteligen Haaren kam uns entgegen. An die Brust gedrückt hielt er etwas, das aussah wie ein ganzes Kilo Koks. Seine Nase blutete.

»Heiliger Strohsack. Ist es das, was ich glaube, dass es ist?«

Malachi beobachtete, wie sich der Typ geistesabwesend die Nase mit dem fleckigen Ärmel abwischte und mit seiner Beute die Stufen zu einem Wohnhaus hinaufging. »Falls du glaubst, dass dies ein Mann ist, der ein Kilogramm Kokain zum persönlichen Gebrauch erworben hat, dann ja.«

»Seid ihr hier nicht die Bullen? Solltest du ihn nicht festnehmen?«

»Wozu? Er begeht kein Verbrechen. Oder genauer gesagt, das hat er schon und jetzt verbüßt er seine Strafe.«

»Mit dem Zeug bringt er sich um.«

Malachi bedachte mich mit einem Seitenblick. »Möglich. Aber damit kommt er hier nicht raus. Und ich würde mir auch keine Sorgen um ihn machen, weil diese Drogen vermutlich nicht besonders stark sind. Jedenfalls bringen sie ihm keine große Linderung. Die kriegt er nirgends.«

Ich dachte an Nadia und die Pillen, die sie so dringend schlucken musste. Ob es hier wohl auch »Drogenläden« gab, so wie »Lebensmittelläden«, wo man einfach reingehen und sich so viel holen konnte, wie man wollte? »Wieso ist dann alles frei erhältlich?«

»Hier können die Leute haben, was sie wollen. Essen. Pornografie – alles unbegrenzt«. Er nickte zu dem Gebäude hinüber, in dem der junge Mann gerade verschwunden war. »Unbegrenzt Drogen. Unbegrenzt Wohnungen. Was sie auch wollen oder sich vorstellen. Aber nichts hilft. Man kann nicht raus, bis man das alles loslässt. Bis man anfängt, das zu suchen, was man braucht, und nicht das, was man will.«

»Das ist alles, was man tun muss?«

Er lachte laut auf. »Das ist schwerer, als es sich anhört. Den Richter kann man nicht täuschen.«

»Ich kapiere nicht, wie das hier funktioniert. Der einzige Ausgang führt durch das Allerheiligste, aber was passiert, wenn du stirbst?«

»Wenn du stirbst, erscheinst du am Tor des Ortes, wo du hingehörst, und du wirst hineingeführt.« Er zog die Brauen hoch. »Diese Stadt ist für Selbstmörder, aber es gibt andere Orte, hab ich gehört. Für Leute mit anderen … Problemen.«

Eine Weile ließ ich mir durch den Kopf gehen, wie schrecklich der Ort wohl sein musste, an dem jemand wie Rick landen würde. Mir ging es besser, wenn ich mir vorstellte, dass er bekam, was er verdiente. »Das leuchtet irgendwie ein. Und das Land ist …«

»Auch ein Ort. Ein Ort, an den die meisten von uns gerne kommen würden.« Sein Blick wanderte in die Ferne, wo sich jenseits der Stadtmauer matt die schneebedeckten Gipfel abzeichneten, die sich über der schönen Landschaft erhoben. »Wenn wir nach dem Urteil dafür bereit sind.«

»Warum lässt du dann nicht einfach zu, dass dich einer von den Mazikin tötet? Warum hast du dich nicht entschieden zu sterben, als Juri dich gebissen hat? Nicht dass ich zu ihm halten würde, aber das wäre doch ein heroischer Tod gewesen. Hättest du dir damit nicht ein paar Pluspunkte verdient?«

Er zuckte die Schultern. »Das weiß ich nicht und ich möchte es nicht riskieren. Wenn du stirbst, bevor du so weit bist, diese Stadt zu verlassen, musst du noch mal von vorn anfangen. Wenigstens hat man mir das so gesagt.« Auf seinem Gesicht spiegelte sich ein heimlicher Schmerz. »Und ich möchte so bald wie möglich hier weg.«

Mir wurde seltsam warm ums Herz. Er hatte gewusst, dass es schreckliche Folgen haben konnte, wenn er starb, aber das Risiko war er eingegangen, um mir zu helfen. Mein Blick fiel auf die wirbelförmige Narbe an seinem Hals und ich dachte daran, wie meine Finger über seine sonst so glatte Haut geglitten waren. Bei der Erinnerung wurde mir heiß – und bei dem Gedanken, dass ich es ohne seine Erlaubnis getan hatte. Und doch verrieten mir sein eigentümliches Lächeln und die Neugier in seinen Augen, dass er es mir vielleicht erlaubt hätte, wenn ich gefragt hätte.

Ich schlug eine schnellere Gangart an, um diese wirren Gedanken abzuschütteln. »Weihst du mich in deinen Plan ein, wie wir meine Freundin finden sollen?«

»Sicher«, erwiderte er, holte auf und zog sich zum fünfzigsten Mal die Hose hoch. »Wir gehen zurück zur Station und ziehen etwas Anständiges an. Dann sehen wir uns den Stadtplan an. Und wir besorgen dir eine Ausrüstung.«

»Kann ich nicht draußen warten, während du reingehst?«

Er blieb stehen und schaute finster drein. »Was haben sie dir getan, als du Raphael geholt hast?«

»Nichts. Jedenfalls nichts furchtbar Schlimmes. Ich bin nur … Ich glaube, dass mich die meisten von ihnen hassen.«

Er zog die Brauen hoch. »Hab ich die falsche Frage gestellt? Hätte ich fragen sollen, was du ihnen getan hast?«

»Pass auf«, verteidigte ich mich, »sie haben mir nicht zugehört. Du warst schwer verletzt und sie haben einfach herumgestanden. Kann sein, dass ich Hani … da getroffen habe, wo es besonders wehtut.«

Lachend schüttelte er den Kopf. »Du bist unglaublich.« Als er meine ratlose Miene sah, lächelte er gequält. »Das meine ich als höchstes Kompliment, Lela. Danke, dass du in die Station zurückgekehrt bist, nach allem, was dir dort passiert ist. Hättest du es nicht getan, würde ich nicht mehr leben.«

»Das war ich dir schuldig.«

»Du warst mir nichts schuldig.«

Ich wich seinem Blick aus und setzte mich wieder in Bewegung. »In dieser Frage werden wir uns wohl nicht einig. Aber wenn du mir deinen Dank beweisen willst, sorg einfach dafür, dass sie die Finger von mir lassen.«

»Abgemacht.«

Ich hielt mich hinter ihm, als wir in die Station gingen. Vier Wächter, darunter Hani, traten aus den dunkelsten Ecken des Raums und kamen rasch näher. Ihre glühenden Augen richteten sich auf mich. Fluchtbereit wich ich ein paar Schritte zurück.

»Wir eskortieren sie in eine Zelle, Captain«, erbot sich Hani. Er streckte schon die Hand nach meinem Arm aus, als Malachis Anweisung, kühl und knapp, ihn erstarren ließ.

»Sie kommt mit mir.«

Sofort wurde klar, dass sie es – ungeachtet ihrer monströsen Größe und Kraft – nicht wagten, ihm ins Gesicht zu sagen, was sie von ihm hielten. Sie zogen sich sofort zurück. Ohne ein weiteres Wort wies mir Malachi den Weg durch den Korridor. Er ließ mich vorangehen, sodass er zwischen mir und den Wächtern war. Langsam tapste ich den Korridor entlang, fragte mich, ob er mich ansah und warum mein Herz so unregelmäßig schlug.

Malachis Quartier hatte kein Fenster und war völlig schmucklos. Sein Zimmer war wie alles andere an ihm – nichts Unnötiges, nichts Überflüssiges. Sein schmales Feldbett stand in einer Ecke, direkt daneben ein Kleiderständer, auf den er seine blutige, fleckige Rüstung hängte. Außerdem gab es an der anderen Wand einen kleinen Schreibtisch. Darauf lagen nur ein Füllfederhalter und ein Buch, wohl eine Art Tagebuch. In einer Ecke ragte ein Stapel ähnlicher Bücher auf, der so hoch war wie ich. Eine ganze Menge Tagebücher. Zwei der Wände waren mit einem kleinen Arsenal von Klingen und Stäben unterschiedlicher Länge bedeckt. An der uns gegenüberliegenden Wand hing ein riesiger Stadtplan.

Ich beobachtete, wie er sich lautlos durch sein Zimmer bewegte. Seit er wieder auf den Beinen war, hatte er sich rasch von seiner Verletzung erholt. Er ging zu einer Truhe am Fußende des Betts und holte Kleider heraus. Es kostete mich einige Anstrengung, den Blick von ihm zu lösen und auf den Stadtplan zu richten.

Die Stadt war hier bis ins kleinste Detail abgebildet und überall mit winzigen Beschriftungen in einem fremdartigen Alphabet versehen. Ich kniete mich hin, als ich am südlichen Ende der Karte eine Skizze des Selbstmordtors entdeckte. Mit dem Finger fuhr ich sachte über das abgegriffene Papier und versuchte, dem Weg zu folgen, den ich eingeschlagen hatte, aber bald verlor ich mich in dem Labyrinth. Auf dem Plan war diese Stadt ebenso unmöglich wie in Wirklichkeit. Ich war so vertieft, dass ich unwillkürlich wegzuckte, als sich Malachis Hand um meinen Ellbogen schloss.

»Entschuldige.« Er hob die Hand, um zu zeigen, dass er nichts Böses im Sinn hatte. Er trug jetzt eine Militärhose und ein eng anliegendes dunkles Hemd, das mich veranlasste, ein paar Sekunden länger als nötig auf seine Brust zu starren. Unterdessen richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Karte und deutete auf ein kleines Rechteck auf Höhe meiner Taille. »Das ist die Station.« Dann wanderte sein Finger weiter nach unten und nach rechts. »Hier warst du, als Amid dich gefunden hat.« Er wies auf eine Stelle rechts vom Stadtzentrum. »Und da hatte dich Sil hingebracht, als Ana und ich euch einholten.«

»Wohin wollten sie mich führen?«

»Vermutlich in ihr Nest.«

»Wo ist das?«

»Das weiß ich nicht genau. Ich sollte es aber rausfinden.« Mit finsterer Miene blickte er zu Boden.

Rasch wandte ich mich wieder dem Stadtplan zu. »Hast du den gezeichnet?«

»Ja. Aber die Stadt ändert sich. Sie wächst. Trotz ihrer Mauern dehnt sie sich aus wie etwas Lebendiges. Ich versuche, auf dem Laufenden zu bleiben.«

»Wo werden wir nach Nadia suchen?«

»Das hängt von dir ab«, sagte er, während sein Blick über den Plan schweifte. »Kannst du mir deine Träume beschreiben? Die Träume nach ihrem Tod, meine ich.«

»Da kommt wohl nur einer infrage. Du hast sie nämlich gesehen, Malachi. Du hast mit ihr gesprochen.«

Er machte große Augen. Schon wollte er nach meinem Arm greifen, ließ es aber dann doch bleiben. »Könntest du mir deinen Arm zeigen?«

Ich tat ihm den Gefallen. Während er Nadias Bild betrachtete, erklärte ich: »Ich habe dich durch ihre Augen gesehen. Du hast gegen einen gewissen Ibram gekämpft.«

Automatisch griff Malachi an seine linke Schulter. »Du hast mich gesehen?«, fragte er verwundert. Dann schloss er die Augen. »Deshalb wolltest du mir nicht sagen, warum du hier bist. Deshalb hast du geglaubt, ich würde dich töten wollen. Und gedacht, ich könnte Nadia nachstellen. Du hast gesehen, was passiert ist, es aber nicht begriffen. Du dachtest, ich töte Unschuldige, aber sie waren alle Mazikin.«

Ich machte ein skeptisches Gesicht. »Es ist ja nicht so, als wärst du die Freundlichkeit in Person gewesen, als wir uns dann kennenlernten. Du hast gedroht, ein Stück von meinem Arm abzuhacken.«

Wieder senkte er den Blick. »Das hätte ich nie getan, aber ich musste bluffen, weil du nicht so leicht einzuschüchtern warst. Ich war erstaunt, dass du mir das gleich abgenommen hast, aber jetzt leuchtet es mir ein.«

»Nadia dachte auch, du wolltest sie umbringen. Wir beide dachten es.«

Er nickte. »Das Mädchen in der Gasse. Tut mir leid, dass ich sie nicht gleich erkannt habe. Das Mädchen hatte Ähnlichkeit mit dem Gesicht auf deinem Arm … und doch war sie … anders.« Als er meine Miene sah, schüttelte er den Kopf. »Nicht drastisch, aber sie war … Tja, sie sah aus wie alle anderen. Die Leute hier achten nicht besonders auf sich. Aber als ich ihr zum ersten Mal begegnete, hielt ich sie für eine Mazikin, weil sie so nah bei dem Kampf war.«

»Und was hat dich vom Gegenteil überzeugt?«

»Mazikin haben einen speziellen Geruch«, erklärte er und wandte sich wieder meinem Arm zu. »Nach Weihrauch. Und Verwesung.« Schaudernd erinnerte mich an Sils Gesicht ganz nah an meinem Hals.

Malachi nickte, als er sah, wie es mich schüttelte. »Es tut mir leid, dass sie so nah an dich herangekommen sind.« Nun deutete er auf eine Notiz im oberen linken Quadranten des Plans. »Es war hier. In der Harag-Zone. Ich fürchte, deine Freundin ist in einen besonders üblen Stadtteil geraten. In letzter Zeit sind die Mazikin dort gehäuft aufgetreten. Wir glauben, dass sich ihr neuestes Nest in der Gegend befindet.«

Als er meine weit aufgerissenen Augen sah, sagte er: »Wenn sie in einem Wohngebäude ist, kann ihr nichts passieren, solange sie dort bleibt.«

»Ich habe sie gesehen – sie ist in eine Wohnung gegangen. Aber jemand ist ihr gefolgt. Ich glaube, es war ein Mazikin.« Mein Herz pochte bis zum Hals, als ich an das gackernde Lachen hinter ihr dachte.

»Wahrscheinlich war es einer. Manchmal treiben sie sich im Eingangsbereich der Häuser herum und suchen nach Rekruten. Aber sobald Nadia die Türschwelle überschritten hat, können sie ihr nicht folgen.«

»Und wenn sie rausgeht?«

Sein Gesichtsausdruck sagte alles. Es gab mir einen Stich durch die Brust. »Das Haus war orange gestrichen, die Türen altrosa. Hilft uns das weiter?«

Er schüttelte den Kopf. »Alle Gebäude in der Zone sehen so aus. Das bestätigt nur, dass sie in Harag war.« Er trat an seinen Schreibtisch, schlug das Buch auf und blätterte, bis er die gesuchte Seite fand. Er überflog die seltsame Schrift, dann deutete er auf einen Eintrag. »Ich habe vor sieben Tagen gegen Ibram gekämpft«, sagte er. »Du musst das beobachtet haben, unmittelbar bevor du …«

»Es geschah in der Nacht, in der ich starb.« Ich schluckte hart. War das wirklich schon so lange her? Diese verrückten Albträume und Visionen waren meine einzige Verbindung zu Nadia gewesen, aber die war nun schon eine ganze Woche abgerissen. So beängstigend und irre das gewesen war, ich hätte jetzt viel dafür gegeben, sie wiederherzustellen. Es dauerte eine Weile, bis ich meine Tränen weggeblinzelt hatte. Als ich wieder etwas sah, bemerkte ich, dass Malachi mich voller Zärtlichkeit betrachtete, fast als wollte er die Hand ausstrecken und mich berühren. Verblüfft registrierte ich, dass ich enttäuscht war, als ich sah, dass er nur die Fäuste ballte.

»Wir brechen bald auf. Wir werden sie finden.« Seine Stimme war leise, aber entschlossen. Dann ging er zur Tür und rief auf den Flur hinaus: »Rais, bitte hole Ana. Sag ihr, sie soll in mein Quartier kommen.«

»Du bist dir anscheinend sicher, dass sie es geschafft hat.«

»Das tut sie immer. Aber ich bezweifle, dass sie Sil gefasst hat. Er ist unerfreulich schnell.«

»Kommt sie mit?«

Malachi schnallte sich nun einen Gürtel um. »Ja, wir brauchen sie. Und sie hat bestimmt auch Sachen, die dir passen.« Er trat wieder zu mir an den Schreibtisch. »Lela, ich weiß, du kannst es nicht abwarten, und ich meine auch, dass wir rasch handeln müssen, aber wir müssen noch ein paar Vorbereitungen treffen, wenn wir nicht scheitern wollen. Wir wissen, wo wir suchen müssen, das ist schon ein guter Anfang. Besser als ich gehofft habe. Aber die Gegend ist gefährlich, schlimmer könnte es kaum sein. Wenn es dir recht ist, würde ich gern dafür sorgen, dass wir eine Chance haben, lebend da wieder rauszukommen. Kannst du dich gedulden, wenn wir erst morgen aufbrechen?«

Jetzt war es so weit, eine Entscheidung war fällig. Er bat mich, ihm zu vertrauen, auch wenn er es nicht aussprach. Ich schaute in sein Gesicht, deutete die Botschaft, suchte nach einer Lüge oder Falle. Wieder sah ich nichts außer Entschlossenheit und Aufrichtigkeit. »Ja«, erwiderte ich.

Er lächelte und ich konnte den Blick nicht abwenden, staunte, wie es sein schroffes Gesicht verwandelte, es eigentümlich und schön machte.

»Malachi«, unterbrach uns eine weiche, gefährliche Stimme.

Malachi grinste noch breiter, wandte den Blick aber nicht von mir ab. »Ana. Schön, dich wiederzusehen.«

»Das kann ich nur erwidern. Raphael hat mir gesagt, dass es dich schwer erwischt hat.« Ana trat ein, als wäre sie hier zu Hause. Nach allem, was ich wusste, war sie das auch. Bei diesem Gedanken gab es mir einen Stich. Ich unterdrückte den Schmerz und wandte mich ihr zu.

Ohne den unförmigen Mantel, der ihre Kurven verhüllte, war Anas Körper sehr feminin, strahlte aber eine solche animalische Kraft und ein Selbstvertrauen aus, dass ich mich unwillkürlich auf einen Angriff gefasst machte. Ihr bernsteinbraunes Gesicht wurde von pechschwarzem Haar eingerahmt, dessen dicke Rastalocken am Hinterkopf zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren. Ihre tiefschwarzen Augen, schräg wie die einer Katze, fixierten mich.

»Du musst Lela sein.« Sie wandte sich an Malachi. »War sie es wert?«

Aus Malachis Kehle drang ein Laut, der sich wie ein Knurren anhörte. Ana lächelte, sah aber nicht gerade glücklich aus.

»Offensichtlich«, murmelte sie.

»Lela braucht Kleider«, sagte er. »Wir haben eine Mission und ich möchte, dass du dich um ihre Ausstattung kümmerst. Morgen früh geht’s los, nordwestlicher Quadrant, Harag-Zone.«

Ana machte große Augen. »Du willst sie in die Harag-Zone mitnehmen? Haben wir uns nicht gerade alle Mühe gegeben, sie aus der Zone rauszuhalten?«

»Ana.« Das war eine Warnung.

Sie presste die Lippen aufeinander, sah aber Malachi voller Abscheu an.

Ratlos schaute ich bald zu ihr, bald zu ihm und versuchte, mir einen Reim auf seinen Ton und ihre Miene zu machen.

Malachi gab mit strenger Stimme seine Anweisungen. »Sie wird heute Nacht bei dir einquartiert. Heute Abend trainieren wir. Nur Distanzwaffen. Bitte sorg für ihre Unterbringung und kleide sie ein, während ich mit Michael spreche.«

Als er sich mir zuwandte, entspannte sich seine Miene sichtlich, als gäbe er sich Mühe, mir keine Angst einzujagen. »Michael ist unser Waffenschmied. Nach dem Abendessen komme ich wieder, dann ist das Training angesetzt. Mit der kleinen Mazikin bist du allein fertig geworden, aber ich möchte dir noch ein paar Dinge zeigen, bevor wir gehen, falls wir es mit etwas Anspruchsvollerem zu tun haben. Bleibst du bei Ana, bis ich wieder da bin?«

Tatsächlich schien er mir die Wahl zu lassen. Wieder eine Entscheidung, eine Bitte um Vertrauen. »Wird gemacht«, sagte ich und warf Ana einen Blick zu. Sie hatte die Arme verschränkt und sah Malachi aus schmalen Augen an. Vorausgesetzt, sie lässt mich so lange leben.

Aber auch Ana entspannte sich, als sich unsere Blicke trafen. »Komm mit, Süße, wir finden was Besseres als dieses scheußliche grüne Hemd.«

Sie marschierte hinaus. Als ich ihr folgte, zwinkerte mir Malachi zu. Ich gab mir alle Mühe, auf dem Weg zur Tür nicht über meine eigenen Füße zu fallen.