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Blut

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Kälte legte sich über die stickige Küche, und Simon lief ein Schauder über den Rücken. Die Hexenmutter gab Daphne und Veronica ein Zeichen, worauf sich die beiden aus dem Sofa stemmten, Simon die Ellbogen in die Rippen bohrend, und sich zu ihr und Linda gesellten. Die vier Hexen stellten sich im Kreis um den Tisch und fassten einander an den Händen. Plötzlich scherte die Hexenmutter aus dem Kreis wieder aus und starrte Simon an.
»Was ist denn nun schon wieder?«, fragte DomDaniel ungehalten.
»Der da.« Die Hexenmutter nickte in Simons Richtung. »Dein Gehilfe. Ist er vertrauenswürdig?«
»Ach, Heap«, sagte DomDaniel abschätzig. »Mach dir seinetwegen keine Sorgen.«
Simon wusste nicht so recht, wie er das verstehen sollte, aber er sagte sich, dass es nicht schaden konnte, wenn er als »vertrauenswürdig« galt. Er sank zurück auf das schmuddelige Sofa und versuchte, die piekenden Sprungfedern zu ignorieren.
Die Hexen fassten einander wieder an den Händen und stimmten ein eindringliches, schmerzhaft schrilles Summen an, das bald den Weg mitten in Simons Kopf fand und bohrende Schmerzen in seinen Backenzähnen hervorrief. Wie gern hätte er sich wieder die Ohren zugehalten, aber er traute sich nicht.
Das Summen wurde lauter und noch eindringlicher, und gerade als Simon glaubte, er müsste schreien, weil er das Gefühl hatte, ihm würden Nadeln in die Ohren gestochen, hörte es mit einem Schlag auf. Tiefe Stille kehrte ein, und Simon spürte die Gegenwart von etwas Kaltem, das sich über die Küche senkte.
Dann vernahm er ein Fauchen, danach ein Rascheln im Müll und schließlich ein lautes Jaulen. Direkt vor ihm war ein Kampf zwischen einigen Katzen entbrannt.
Die Hexenmutter schielte zu Simon herüber, als wäre er daran schuld. »Pst!«, zischte sie.
Simon breitete die Arme aus, als wollte er sagen: Ich kann nichts dafür, doch die Hexenmutter funkelte ihn an. »Mach dem sofort ein Ende«, befahl sie.
Simon wagte es nicht, den Befehl der Hexenmutter zu ignorieren. Er nahm all seinen Mut zusammen, beugte sich vor und griff in das wirbelnde Katzenknäuel, zwischen altes Papier, Gemüseschalen und schmutzige Lumpen, in dem die Tiere mit zunehmender Heftigkeit rauften. Eine bekam er am Genick zu fassen. Ein markerschütterndes Kreischen ertönte, dann ein Schrei. Simon schnellte in die Höhe. An seiner Hand baumelte eine kleine gelbe Katze, die ihre Zähne fest unter seinem kleinen Finger in seine Hand geschlagen hatte.
»Autsch!«, schrie er und schlenkerte verzweifelt den Arm, um die Katze abzuschütteln. Die Katze schwang heftig hin und her und grub bei jeder Pendelbewegung ihre Zähne nur noch tiefer in sein Fleisch. Simon geriet in Panik.
»Tiddles!«, brüllte die Hexenmutter und kam, mit den Dornen an ihren Schuhen allerlei Tomatenschalen aufspießend, zu Simon herübergestapft. Sie blieb so dicht vor ihm stehen, dass er die Zornesröte unter ihrer dicken weißen Schminke sehen konnte.
»Hör … auf, … mit … meiner Katze zu spielen!«, zischte sie wutentbrannt.
Der Schmerz in seiner Hand trübte Simons Verstand, und er vergaß, wie wichtig es war, der Hexenmutter gegenüber höflich zu bleiben, und zwar zu jeder Zeit. Er gebrauchte einen sehr hässlichen Ausdruck, gefolgt von: »… Sie und Ihre blöde Katze.«
Alle in der Küche sogen scharf die Luft ein, und Simon stammelte: »Oh ... es tut mir leid.«
»Und wie dir das noch leidtun wird!« Die Hexenmutter funkelte ihn an, legte der Katze die Hände um die hervorstehenden Rippen und sagte in schneidendem Ton: »Zähne aus!«
Die Katze ließ los, und Simon zog die Hand zurück. Mit kreidebleichem Gesicht sah er, wie Blut auf seine Stiefel tropfte.
Die Hexenmutter lächelte. »Blut«, zischte sie. »Her damit!«
»Wie bitte?« Simon fühlte sich der Ohnmacht nahe. Er konnte kein Blut sehen.
»Her damit. Dann könnte ich vielleicht, nur vielleicht, darüber hinwegsehen, dass du dich an der armen kleinen Tiddles vergriffen hast.«
Simons Benommenheit wich, und er begriff, was die Hexenmutter wollte. Er hielt die Hand hoch und sah zu, wie das Blut aus der gezackten Bisswunde in die hohle Hand der Hexenmutter tropfte. Sobald sich eine kleine Lache gebildet hatte, rieb sie die Hände aneinander und kehrte zum Tisch zurück, beschwingt und sich fragend, warum sie nicht schon früher an Menschenblut gedacht hatte. Jetzt würde die Wirkung des Knochenumhüllungszaubers mit Sicherheit wenigstens so lange anhalten, bis DomDaniel das Ende der Straße erreicht haben würde und außer Sicht wäre. Sie wollte nicht jeden Tag beim Spazierengehen an einem grollenden Haufen Knochen vorbeilaufen müssen.
»Es kann losgehen«, sagte die Hexenmutter fröhlich. »Mit dem Blut eines Menschen wird es klappen.«
An seiner verletzten Hand saugend, sah Simon zu. Wieder senkte sich die Kälte herab, und diesmal störte keine Katze. Die Hexen stimmten erneut mit hohen Stimmen ihr Summen an und umkreisten langsam den Tisch. DomDaniels Kopf drehte sich mit, indem er auf die Art, die Simon so gruselig fand, um die eigene Achse rotierte. Die Augen fest auf die Hexenmutter gerichtet, vollführte der Kopf Drehung um Drehung. Das Summen der Hexen wurde höher und leiser, bis er wie ein fernes Vogeltrillern klang, und gleichzeitig beschleunigten sie ihre Schritte. Immer schneller und schneller rasten sie im Kreis, bis Simon die einzelnen Hexen nicht mehr unterscheiden konnte, sondern nur noch eine verschwommene Masse um DomDaniels Kopf herumwirbeln sah. Inzwischen hatte der Kopf – klugerweise, wie Simon fand – aufgehört, sich mit den Hexen mitzudrehen, und verharrte reglos auf dem schwarzen Mantel. Seine Augen waren geschlossen und seine Lippen zu einem selbstgefälligen Grinsen verzogen.
Und dann geschah es. Ein greller blutroter Blitz zuckte auf, ein lautes Krachen ertönte, und plötzlich stand, mit vollständig umhüllten Knochen, DomDaniel auf dem Tisch. Etwas wackelig zwar, und dicker, als Simon erwartet hatte – aber von menschlicher Gestalt wie alle anderen in der Küche.
Der Hexenkreisel wurde langsamer, bis wieder jede einzelne Hexe zu erkennen war, und die Kälte in der Küche wich der stickigen Wärme, die zuvor geherrscht hatte, nur dass es jetzt zusätzlich nach verbranntem Kürbis roch. Die Hexenmutter besah sich DomDaniel – der nun nervös überlegte, wie er vom Tisch herunterkäme, ohne seine frisch umhüllten Knochen allzu sehr durchzurütteln. Und die Hexenmutter war mit dem Ergebnis ihres Zaubers hochzufrieden. Die Dunkelkröte war ihr so gut wie sicher.