Birmingham
1
Obwohl es erst knapp fünf Uhr nachmittags war, war es schon fast dunkel, als Seth und Alicia im Zug nach Birmingham saßen. Die Dämmerung brach jetzt immer früher herein und die Tage wurden kürzer.
Seth hatte sein Ticket mit den Ersparnissen bezahlt, die er von zu Hause mitgenommen hatte, Alicia hatte darauf bestanden, ihres von ihrem eigenen Taschengeld zu kaufen. Der Wagen, in den sie einstiegen, war nur zur Hälfte besetzt, sodass sie keine Probleme hatten, einen Platz zu finden.
Nachdem der Zug langsam aus dem Bahnhof gerollt war, saßen sie eine Weile schweigend nebeneinander und wussten beide nicht recht, worüber sie sich unterhalten sollten. Vor dem heutigen Nachmittag hatten sie sich praktisch nicht gekannt, und jetzt fuhren sie zusammen mit dem Zug in eine fremde Stadt, um sich im Dunkeln auf ein verlassenes Fabrikgelände zu schleichen. Die Aussicht darauf hätte selbst unter normalen Umständen jeden Menschen nervös gemacht, ganz abgesehen davon, dass sie damit rechnen mussten, dass dort etwas Entsetzliches auf sie lauerte.
Aus irgendeinem Grund hat das Schicksal uns zusammengeführt, dachte Seth, und jetzt werden wir die Sache gemeinsam durchstehen. So lief es immer, wenn man anfing, sich mit Malice zu beschäftigen. Bevor man sichs versah, steckte man mittendrin, ob man nun wollte oder nicht. Luke hatte ihn damals auch nicht mit hineinziehen wollen und er selbst hatte Kady davor bewahren wollen, aber dann war es doch passiert. Jetzt hatte er auch noch Alicia in die Sache verwickelt. Und alles nur, weil sie zufällig zur falschen Zeit mit ihrem Bruder eine Landstraße entlanggefahren war.
Indirekt waren sogar noch weit mehr Menschen betroffen. Seth dachte mit schlechtem Gewissen an seine Eltern, die mittlerweile wahrscheinlich schon die Polizei benachrichtigt hatten, auch wenn er erst seit ein paar Stunden verschwunden war. Es versetzte ihm einen Stich, als er an die Tränen seiner Mutter dachte. Und auch wenn sein Vater die emotionale Bandbreite eines Laibs Käse besaß, würde er sich doch Sorgen um ihn machen. Es tat ihm unendlich leid, dass er den beiden solchen Kummer bereiten musste. Auch Kadys Stiefvater war seit ihrem Verschwinden am Boden zerstört, ihre Mutter hatte sich sogar therapeutische Hilfe gesucht, um nicht völlig durchzudrehen. Und Lukes Mutter war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ihr Leben war zerstört, seit ihre Kinder verschwunden waren.
Seth presste entschlossen die Lippen aufeinander. Er musste diesem Albtraum unbedingt ein Ende setzen, er musste Tall Jake stoppen.
Natürlich wollte er um jeden Preis vermeiden, dass Alicia in Gefahr geriet und ihr womöglich etwas zustieß, aber insgeheim war er auch erleichtert darüber, nicht allein zur Fabrik fahren zu müssen.
»Ich kann das alles immer noch nicht glauben«, sagte Alicia nach einer Weile.
Seth sah sie nur schweigend an. Er erinnerte sich noch zu gut daran, dass er es am Anfang auch nicht hatte glauben können.
»Ich meine, das ist doch alles total verrückt, oder?« Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. »Wenn meine Eltern wüssten, dass ich sie angelogen habe und gar nicht bei meiner Freundin bin und lerne, sondern mit einem Jungen, den ich kaum kenne, nach Birmingham fahre, würden sie mich umbringen.«
Seth lachte. »Nach allem, was heute passiert ist, machst du dir Gedanken darüber, was deine Eltern dazu sagen würden, dass du gelogen hast? Falls du es vergessen hast: Ich wäre heute wirklich fast umgebracht worden.«
»Ich lüge nun mal nicht gern«, entgegnete Alicia spitz.
Seth wurde ernst. »Ich auch nicht. Aber manchmal bleibt einem eben nichts anderes übrig, als zu lügen. Deine Eltern würden niemals verstehen, warum du das hier tun musst. Sie würden versuchen, dich zu beschützen, indem sie dir Hausarrest geben oder dich zu einem Jugendpsychologen schleppen, aber sie würden dir niemals glauben. Deswegen bleibt dir gar nichts anderes übrig, als sie anzulügen.«
Alicia sah aus dem Fenster auf die langsam dunkler werdende Landschaft. »Ich hab immer gemacht, was sie wollten«, sagte sie. »Lemar war das Problemkind und ich die perfekte Tochter. Ich bin diejenige, die gute Noten schreibt und später mal Ärztin oder Wissenschaftlerin wird.« Sie nahm ihre Brille ab und rieb die Gläser am Saum ihres Pullis sauber. »Das Problem ist nicht mal, dass sie sauer wären. Sie wären enttäuscht. Und das ist tausendmal schlimmer.«
Seth ließ den Kopf gegen das Polster sinken und starrte an die Wagendecke. »Tja, dann geht’s dir ja jetzt wie mir. Ich enttäusche meine Eltern ständig.«
Erst als Alicia ihm einen scharfen Blick zuwarf, wurde ihm klar, dass seine Bemerkung ziemlich hämisch geklungen haben musste. »Aber du hast mir doch erzählt, dass du sowieso nicht Ärztin werden willst, sondern Künstlerin.«
»Illustratorin.«
»Kannst du so gut zeichnen?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Jedenfalls hatte ich in Kunst bis jetzt immer eine Eins.«
»Und was hält dich davon ab, es einfach durchzuziehen? Ich meine, es ist deine Entscheidung, was du mit deiner Zukunft anfangen willst, schließlich musst du am Ende damit klarkommen und nicht deine Eltern. Und gute Noten sind nun mal nicht alles im Leben.«
»Ja. Das hab ich heute auch begriffen«, sagte Alicia mit finsterer Miene und blickte wieder aus dem Fenster.
2
Nachdem sie in Birmingham angekommen waren, besorgten sie sich bei der Touristeninformation als Erstes einen Stadtplan und kauften anschließend in einem Baumarkt zwei Taschenlampen. Dann machten sie sich mit dem Bus auf den Weg zur Mackenzie Street.
Die Gegend, in der sie ausstiegen, befand sich am Stadtrand und wirkte ziemlich einsam. Die Mackenzie Street führte durch eine Art Industriegebiet und wurde zu beiden Seiten von Mauern und Metallzäunen gesäumt. Nachdem sie eine Weile gelaufen waren, kamen sie an einer großen Baustelle vorbei. Bagger und Kräne standen regungslos im Licht der Straßenlaternen. Auf der gegenüberliegenden Seite entdeckten sie ein verlassenes, von Unkraut überwuchertes Fabrikgelände.
»Das muss es sein«, meinte Seth. »Kommst du mit rein oder willst du lieber hier auf mich warten?«
Alicia schien von keiner der beiden Möglichkeiten sonderlich begeistert zu sein. Es waren keine Wohnhäuser oder andere Gebäude in der Nähe, die Straße lag völlig verlassen da und machte einen ziemlich unheimlichen Eindruck.
Aber dann straffte sie die Schultern und sagte mit fester Stimme: »Ich komme mit.«
Die Mauer war so niedrig, dass sie problemlos darüberklettern konnten. Als sie auf der anderen Seite waren, blickten sie sich suchend um.
Die Fabrik stand offensichtlich schon seit langer Zeit leer. Das Dach war eingestürzt, die meisten Fensterscheiben zerbrochen und überall bröckelte der Putz von den Backsteinmauern. Anscheinend hatte sich nie ein Käufer für das Grundstück gefunden und so war es dem Verfall überlassen worden. Solche Gebäude, die in der Gegend herumstanden wie ein verfaulter Zahn, den man aus Geldmangel weder füllen noch ziehen lassen konnte, gab es in vielen Städten. Auch ein Grund, warum Seth lieber auf dem Land lebte.
Alter Bauschutt, zerdrückte Bierdosen, Plastiktüten und diverser anderer Müll lagen über das Gelände verstreut und vor einem der Eingänge flatterte ein Stück Polizeiabsperrband im Wind.
Seth spürte, wie die mittlerweile beinahe vertraute Angst wieder in ihm aufstieg, als sie sich dem Gebäude näherten. Es war genau dasselbe Gefühl, das er bei Philip Gormley zu Hause empfunden hatte, nur dass es hier sogar noch intensiver war.
»Irgendetwas ist da drin«, sagte er.
Alicia blieb abrupt stehen. »Was meinst du?«
»Spürst du es nicht?«
»Ich spüre nur, dass ich Angst habe.«
»Mir geht es genauso, aber da ist noch etwas anderes«, sagte er. »Als ich in Malice war, da… also ich habe dort Pfeil und Bogen von einer Frau benutzt, die so eine Art… na ja, ich schätze mal, dass sie eine Art Göttin war. Sie nannten sie ›Die Laq‹. Und seitdem… keine Ahnung… irgendetwas ist mit mir passiert… Ich weiß selbst nicht, was. Aber als wir bei Philip zu Hause waren, hab ich sofort gewusst, dass etwas nicht in Ordnung ist, und zwar lange, bevor er mir erzählt hat, dass er Tall Jake gerufen hat. Und hier ist es genau das Gleiche– irgendetwas stimmt nicht mit dieser Fabrik.«
»Gehst du trotzdem rein?«, fragte Alicia, deren Stimme leicht zitterte.
»Ja«, antwortete Seth. »Und du?«
Alicia holte tief Luft. »Ich auch.«
Sie schienen nicht die Ersten zu sein, die versuchten, in das verlassene Gebäude einzudringen. Leer stehende oder zum Abbruch freigegebene Häuser wurden früher oder später entweder von Obdachlosen als Schlafstätte oder von Jugendlichen als Abenteuerspielplatz benutzt. Deswegen war Seth auch nicht weiter überrascht, als sie feststellten, dass an einer Seite eine der Türen einen Spaltbreit offen stand und davor Bierdosen und Zigarettenkippen herumlagen.
Seth zog die Tür ganz auf und spähte in einen langen, dunklen Flur. Der Putz fiel von den Wänden und der Boden war mit Mörtel und Schutt bedeckt. Durch die Straßenlaternen hinter ihnen fiel etwas Licht hinein.
Kurz entschlossen trat Seth in das Gebäude, gefolgt von Alicia, die sich so dicht hinter ihm hielt, dass sie beinahe seinen Rücken berührte.
Von dem Flur aus gingen in regelmäßigen Abständen Türen ab, die in meist leere Räume führten. Einige von ihnen waren durch umgeworfene Schreibtische und Aktenschränke noch als ehemalige Büros erkennbar. Im hinteren Teil des Gebäudes kamen sie an großen Hallen mit schmalen, hohen Fenstern vorbei, deren Scheiben zum Teil eingeschlagen oder zerbrochen waren. Im Betonboden gähnten Löcher, die verrieten, dass hier früher einmal große Maschinen gestanden haben mussten.
»Und was jetzt? Sollen wir hier drin nach einem dieser Tickets suchen, nach denen du die Leute aus dem Chat gefragt hast?«, fragte Alicia.
»Das ist der Plan. Niemand wäre bereit, Tall Jakes Spiel mitzumachen, wenn er einem nicht auch die Chance geben würde, es zu gewinnen. Deswegen versteckt er an bestimmten Orten– an gefährlichen Orten– diese Zugtickets. Mit den schwarzen kann man innerhalb von Malice in eine andere Domäne fahren, um dort weiterzuspielen… wenn man das will. Mit den weißen kann man dagegen nach Hause zurückkehren.«
»Wir suchen nach einem weißen Ticket, oder?«
»Genau. Mit den weißen kann man nämlich in beide Richtungen fahren. Meine Freundin Kady ist so aus unserer Welt nach Malice zurückgekehrt.«
Seth spürte das Gewicht seines Rucksacks auf den Schultern. Der Shard schien mit jedem Schritt schwerer zu werden. Er wusste selbst nicht, ob es klug war, ihn hier mit sich herumzuschleppen, aber ihn draußen irgendwo zu verstecken, erschien ihm einfach zu riskant.
»Vielleicht sollten wir lieber getrennt danach suchen, dann würden wir Zeit sparen«, schlug er vor.
»Vergiss es. Ohne mich!«, rief Alicia erschrocken. »Hast du noch nie einen Horrorfilm gesehen? Sobald sich die Leute trennen und allein auf den Weg machen, schlägt der Killer zu. Auch wenn wir doppelt so lange brauchen, bis wir ein Ticket finden– wir bleiben zusammen!«
Als sie das Zucken um Seths Mundwinkel sah, wurde ihr klar, dass er den Vorschlag nicht wirklich ernst gemeint hatte.
»Ha. Ha. Ich lach mich tot«, brummte sie.
»Tut mir leid«, entschuldigte er sich. Er hatte einfach nur versuchen wollen, die angespannte Stimmung durch einen Scherz aufzulockern, weil er Angst hatte, dass ihn sonst selbst die Panik übermannen würde. Diese verlassene Fabrik war so unheimlich, dass er seinen ganzen Mut zusammennehmen musste, um nicht umzudrehen und zu fliehen. Wer auch immer diese Mim aus dem Chat gewesen war– sie hatte mitbekommen, dass die anderen ihm den Tipp gegeben hatten hierherzukommen. Vielleicht war sie bereits unterwegs, um ihn abzufangen. Womöglich lauerte sie sogar schon im Dunkeln hinter der nächsten Ecke.
Sie durchsuchten einige der Räume, die vom Flur abgingen, konnten aber außer Schutt und Abfall nichts entdecken. So wie es aussah, waren sie tatsächlich allein im Gebäude. Außer ihren knirschenden Schritten auf dem Betonboden drang kein Laut an ihre Ohren. Nachdem sie dem Flur noch ein Stückchen weiter gefolgt waren, standen sie plötzlich vor einer schweren Stahltür. Sie sahen sich einen Moment lang an, dann drückte Seth die Klinke herunter und öffnete sie.
Dahinter befand sich eine Treppe, die in den Keller hinabführte. Modrige Luft wehte ihnen entgegen, vermischt mit einem widerwärtig süßlichen Verwesungsgeruch. Seth unterdrückte ein Würgen und Alicia fuhr herum und hielt sich die Nase zu.
»Oh Gott«, stöhnte sie. »Was ist da unten?«
Seth leuchtete mit seiner Taschenlampe die rohen Betonstufen ab, konnte aber nichts Auffälliges entdecken. Er wollte gerade die Treppe hinuntergehen, als Alicia ihn am Arm packte. »Du hast doch wohl nicht etwa vor, da runterzugehen, oder?«, flüsterte sie.
Seth sah sie nur schweigend an, aber die Entschlossenheit in seinem Blick war unmissverständlich.
»Du hast wirklich noch nie einen Horrorfilm gesehen, oder?«, sagte sie kopfschüttelnd. »Sonst wüsstest du nämlich, dass man nie– niemals– in den Keller gehen darf.«
»Ich steh nicht so auf Fernsehen«, sagte Seth, befreite sich aus ihrem Griff und ging langsam die Treppe hinunter.
Alicia schaltete ihre Taschenlampe ein und folgte ihm leise fluchend. Unten angekommen, fanden sie sich in einem weiteren Gang wieder, an dessen Wänden rostige Heizungsrohre entlangliefen. Hier unten drang kein Licht von außen mehr herein, sodass sie ganz auf ihre Taschenlampen angewiesen waren.
Nach ein paar Schritten blieb Seth zögernd stehen. Die alles umfassende Dunkelheit rief äußerst unangenehme Erinnerungen an die Oubliette in ihm wach und er spürte, wie ihm auf der Stirn der kalte Schweiß ausbrach.
Alicia leuchtete noch einmal die Treppe zu der Stahltür hinauf. »Und wenn wir einfach wieder umkehren und oben nach einem Ticket suchen?«, schlug sie vor.
Seth schüttelte den Kopf. »Mein Gefühl sagt mir, dass wir hier richtig sind«, sagte er und schluckte seine Angst hinunter. »Und wir haben nicht viel Zeit. Meine Freunde sind in Malice. Ich muss so schnell wie möglich zurück und sie dort suchen.«
Also gingen sie weiter, bis sie schließlich an eine Abzweigung kamen, von der zwei absolut identisch aussehende Gänge abgingen. Seth entschied sich kurzerhand für den rechten. Nach ein paar Metern gelangten sie zu einer offen stehenden Tür, die in einen Raum führte. Seth leuchtete ihn mit seiner Taschenlampe ab, aber außer einer riesigen verrosteten Heizungsanlage, die teilweise demontiert worden war, war darin nichts zu sehen.
Kurz darauf standen sie vor der nächsten Abzweigung und ein paar Minuten später vor der dritten. Und jedes Mal blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich willkürlich für einen der beiden dunklen Gänge zu entscheiden. Seth hörte, wie Alicia sich flüsternd die Route merkte, die sie auf dem Rückweg nehmen mussten. Links, rechts, rechts. Ihre leise Stimme hatte etwas ungemein Tröstliches und half ihm, den Gedanken zu verdrängen, jemand könnte von außen die Kellertür verriegeln und sie hier unten einsperren. Sobald die Batterien ihrer Taschenlampen leer wären, wären sie in diesem dunklen Labyrinth gefangen und würden langsam und qualvoll verhungern und verdursten.
Je weiter sie vordrangen, desto stärker wurde der Verwesungsgeruch. Seth hörte Mäuse über den Boden trippeln und einmal streifte der Strahl seiner Taschenlampe eine fette Ratte, die gerade an einem Käfer knabberte. Vom Licht aufgeschreckt, setzte sie sich auf die Hinterpfoten und starrte ihn mit zuckendem Näschen an. Alicia stieß einen erschrockenen Schrei aus, der gespenstisch von den Wänden widerhallte.
»Tut mir leid«, flüsterte sie.
Einen Moment lang lauschten sie mit angehaltenem Atem, ob jemand– oder etwas– sie gehört hatte. Aber da war nichts als Stille.
Erleichtert schlichen sie weiter, vorbei an leeren Kellerräumen und an den Wänden angebrachten Sicherungskästen– rechts, links, rechts, links, links, rechts, links, rechts, rechts– bis plötzlich ein schwacher Lichtschein vor ihnen auftauchte. Seth knipste sofort seine Taschenlampe aus und bedeutete Alicia das Gleiche zu tun.
»Was ist da?«, wisperte sie.
Statt zu antworten, ging Seth vorsichtig auf das Licht zu. In der Ferne war ein gleichmäßig mechanisches Hämmern zu hören. Der süßliche Verwesungsgeruch wurde immer unerträglicher und vor Ekel und Angst schnürte es ihm die Kehle zu.
Was es auch ist… es lauert hinter der Ecke.
Plötzlich griff Alicia nach seinem Arm. »Die Wände!«, flüsterte sie. »Schau dir mal die Wände an.«
Er sah sofort, was sie meinte. Wo vorher nackter Beton gewesen war, an dem verrostete Rohre entlangliefen, befand sich nun eine Art kupferfarbene Metallverschalung, mit der der komplette Gang ausgekleidet war.
»Mir ist gar nicht aufgefallen, dass es hier plötzlich ganz anders aussieht. Dir?«, fragte er sie.
Alicia schüttelte den Kopf.
Ein schrilles Kreischen, das aus nächster Nähe zu kommen schien, ließ sie zusammenzucken. Es war das Geräusch von Metall, das sich an Metall reibt, so als würde sich ein schweres Eisentor öffnen.
Alicias Augen weiteten sich vor Entsetzen. »Da hinten ist irgendwas!«