14.Kapitel
Lilly
Als ich wach werde fühle ich seidene Laken unter und eine flauschige Decke über mir, aber vor allem bin ich furchtbar durstig, eigenartig, ich hatte mir die nächste Welt anders vorgestellt. Ich öffne die Augen und bekomme einen bestickten Baldachin zu sehen, der eigenartigerweise aussieht wie der in dem Maurice und ich unsere letzte gemeinsame Nacht verbracht hatten. Ich versuche zu überlegen warum das Jenseits so aussieht, aber der Durst wird immer quälender und lenkt mich ab. Ich lasse meinen Blick schweifen um etwas zu finden, dass ich trinken kann, aber was ich sehe ist ein Hexer, Lukas sitzt schlafend in einem Sessel neben dem Bett. „Oh nein du bist auch tot“, stoße ich entsetzt hervor. Er fährt erschrocken hoch, dann reißt er mich stürmisch in seine Arme und keucht: „Gott sei Dank, ich hatte schon befürchtet es hätte nicht funktioniert.“ Ich schiebe ihn verwirrt weg, was ihn verblüffenderweise fast vom Bett schubst. „Sachte Lilly, du bist jetzt etwas kräftiger“, lacht er auf. Ich kneife die Augen zusammen und mustere ihn intensiv, eigentlich sieht er nicht besonders tot aus, aber was weiß ich schon über das Totsein. „Gibt es im Jenseits wenigstens was zu trinken, ich bin am Verdursten“, krächze ich. Er lacht wieder auf: „Wir sind nicht tot, na ja, du vielleicht ein bisschen.“ Ich bin jetzt völlig verwirrt, aber das Glas mit der roten Flüssigkeit, das er mir reicht, interessiert mich im Moment einfach mehr. Als ich es an meinen Mund ziehe stocke ich, die Flüssigkeit ist zäh und sie riecht nach Kupfer, das ist Blut, und genau in dem Moment verspüre ich ein Ziehen in meinen Eckzähnen, gefolgt von einem kurzen Schmerz, als sie sich in meine Lippen bohren. Vor Schreck lasse ich das Glas fallen, zum Glück fängt Lukas es auf, und das Bett bekommt nur ein paar Spritzer ab. „Lilly du musst das trinken“, fordert er sanft. Ich schüttle hektisch den Kopf, und fasse mir an den Mund, und tatsächlich ich habe Fangzähne. „Ich bin ein Vampir“, flüstere ich ungläubig. Er sagt geduldig: „Ja Lilly du bist jetzt eine Vampirin also musst du das trinken.“ Wieder hält er mir das Glas hin, ich ergreife es zögernd. Allein bei dem kupfrigen Geruch verstärkt mein Durst sich so sehr, dass es wehtut. Es sollte mich ekeln, tut es aber nicht, im Gegenteil, es riecht lecker. Ich ziehe es vor nicht mehr darüber nachzudenken und kippe den Inhalt des Glases runter. Kaum dass ich geschluckt habe, vergeht das schmerzhafte Ziehen und ich fühle mich sofort besser. Lukas nimmt mir das Glas aus der Hand und erklärt: „Du warst zu schwer verletzt, dich zu verwandeln war die einzige Chance dich nicht zu verlieren. Maurice hat dich noch an Ort und Stelle sein Blut trinken lassen, aber wir waren nicht sicher, ob es ob es gereicht hat.“ „Dann geht es ihm gut“, schluchze ich erleichtert auf, vor meinem inneren Auge immer noch das Bild, wie er fast leblos in den Schatten gehangen hatte. „Er war recht schwach, aber inzwischen geht es ihm wieder gut. Es hat ja fast drei Tage gedauert, bis du aufgewacht bist, viel länger als gewöhnlich.“ Drei Tage und es ist Lukas, der an meinem Bett sitzt, obwohl es Maurice gut geht, ein Stich fährt durch mein totes Herz. Aber ich muss meine Ahnung von bestätigt hören, um es wirklich zu glauben, ich frage belegt: „Warum ist er nicht hier?“ Dabei spüre ich wie meine Augen feucht werden. „Weil der Idiot glaubt, dass du ihn jetzt hasst. Und fang bloß nicht zu weinen an, das Blut geht nie mehr aus der weißen Seide“, fügt er neckend hinzu. Aber ich starre ihn bloß verblüfft an, „warum sollte er das denken?“ „Das soll er dir am Besten selbst erklären, er lungert sowieso ständig vor der Tür herum.“ Damit steht er auf und geht zur Tür.
Maurice
Die drei vergangenen Tage waren die Hölle gewesen, ich hatte nicht gewusst ob Lilly wieder aufwachen würde. Und falls sie wieder aufwachen sollte, wie sehr würde sie mich hassen? Würde ich noch eine Chance haben, sie zurückzugewinnen. Sie zu verlieren würde mich umbringen, aber besser das als sie würde tot bleiben. Jede Faser von mir schreit danach an ihrem Bett zu sitzen, aber ich will sie nicht noch mehr quälen, indem ausgerechnet ich der Erste bin, den sie sieht, also hatte ich es dem Hexer überlassen über sie zu wachen.
Als nun die Tür aufgeht und er mit einem Lächeln herauskommt fällt zumindest ein Stein von meinem Herzen, vorsichtshalber frage ich: „Sie ist wach?“ Er grinst: „Wach, und sie will dich sehen.“ Natürlich will sie das, es sieht ihr ähnlich mir persönlich ins Gesicht schleudern zu wollen, dass sie mich nun hasst, aber ich werde kämpfen. Ich straffe mich und gehe hinein.
Lilly ist noch im Bett, aber sie hat sich aufgesetzt und mustert mich gespannt. Ich komme einer Attacke ihrerseits zuvor und beginne hektisch zu sprechen: „Lilly es tut mir leid, aber ich konnte dich nicht sterben lassen. Auch wenn du mich jetzt hasst, das ist mir lieber, als wenn du tot wärst.“ Sie öffnet den Mund, wohl um etwas zu erwidern, aber ich lasse sie nicht zu Wort kommen, rasch fahre ich fort: „Du wirst sehen, die Existenz als Vampir ist nicht so übel. Natürlich musst du die ersten zehn Jahre bei mir bleiben, das ist eine Regel, damit Neulinge alles Nötige lernen, aber dann kannst du gehen, wohin du willst. Ich werde ...“, „Würdest du jetzt endlich mal den Mund halten“, fährt sie energisch dazwischen. Ich zucke zusammen, so wie sie mich anfunkelt, ist sie noch wütender als ich dachte. „Du ziehst also nur deine zehn Pflichtjahre durch und dann willst du mich loswerden?“, fragt sie angriffslustig. Mein Kinn klappt vor Überraschung nach unten, „Nein“, keuche ich auf, „wie kommst du denn darauf? Ich würde meinen rechten Arm geben, damit du für immer bei mir bleibst.“ „Das hat sich eben aber anders angehört“, faucht sie. Ich flüstere brüchig: „Das habe ich doch nur angeboten um es dir leichter zu machen, weil du mich jetzt hasst.“ „Wie kommst du denn auf diesen Unsinn?“, fragt sie streng. „Weil ich dir dein Hexenleben weggenommen habe“, antworte ich niedergeschlagen. Sie seufzt leise auf und sagt dann sanft: „Ich bin froh, dass du es getan hast.“ Tausend Fragen schießen mir durch den Kopf, aber ich kann sie nur erstaunt anstarren. Sie fährt leise fort: „Du hast recht, ich hätte mich sehr schwer getan mich für eine Verwandlung zu entscheiden, weil die anderen Hexen es wohl nicht akzeptieren werden, und ich als letzte der Herrscherlinie eine Verpflichtung habe. Aber dich zu verlieren hätte einen Teil von mir zerstört. Es ist vermutlich sehr egoistisch, aber ich bin froh, dass du mir die Entscheidung abgenommen hast. Denn ich will viel lieber bei dir als bei ihnen sein.“ Mit einer einzigen fließenden Bewegung bin ich bei ihr und reiße sie in meine Arme, „oh Lilly, du wirst mich nie wieder loswerden, das schwöre ich dir.“ In diesem Moment fühlt die ganze Welt sich so perfekt an, dass ich meine auf Wolken zu schweben, aber meine kleine Realistin holt mich natürlich schnell wieder auf den Boden zurück. Sie fragt leise: „Haben wir es geschafft die Beschwörung meiner Tante rückgängig zu machen?“ „Nicht ganz“, Sie drückt mich ein Stück weg, sodass sie mir ins Gesicht sehen kann, und fragt verwirrt: „Wie darf ich das verstehen?“ Hilflos erwidere ich: „Ich weiß auch nicht so genau, aber Lukas hat gemeint er wäre zwar in unserer Welt verblieben, aber ein Teil seiner Macht wäre noch drüben. Aber das soll besser er dir erklären.“ Sie stöhnt gequält auf und sagt dann deprimiert: „Das wäre ja auch zu schön gewesen. Besser wir kümmern uns schnell darum. Könntest du mir irgendetwas zum Anziehen besorgen? Ich schätze meine Klamotten waren nicht mehr zu retten, oder?“