5.Kapitel

Maurice

Ich hatte den ganzen Tag über vor Sorge wie auf Nadeln gestanden, das Einzige was mich davon abgehalten hatte Eric anzurufen, um mich von Lillys Wohlergehen zu überzeugen, war die feste Überzeugung, dass er dann aus lauter Trotz aufhören würde sie zu bewachen. Und Lilly wollte ich nicht mit meiner Sorge anstecken, ich hoffe nur Eric hat ihr eine gute Ausrede geliefert, um an ihrer Seite bleiben zu können.

Als es endlich dunkel ist rufe ich Rose an, um herauszufinden wo Eric sich mit Lilly aufhält. „Hallo Maurice, wie geht es dir?“, meldet sie sich, Eric hat ihr natürlich von dem Attentat erzählt, was auch sonst. Ich wehre ab: „Ich bin in Ordnung, aber weißt du zufällig wo Eric sich mit Lilly aufhält?“ „Nicht nur zufällig, sie sind bei mir.“ „Du meinst in dem Haus, das ihr für den Unterricht nützt?“ „Nein, bei mir, wir sind in meiner Wohnung. Eric hat sie schon vor ein paar Stunden hergebracht. Stell dir vor, sie hatte eine Vision von Jacob. Wir versuchen gerade herauszufinden wo der Ort, den sie gesehen hat, sein könnte.“ „Wie schön für ihn, aber ist es nicht etwas unvorsichtig, eine Hexe in deine private Zuflucht zu lassen?“Ich lege einen besorgten Ton in meine Stimme, was ziemlich scheinheilig ist, denn wenn sie mich gelassen hätte, hätte ich Lilly höchstpersönlich in mein Haus geholt, um sie besser schützen zu können, aber meine Dummheit muss ja nicht auch noch Rose in Gefahr bringen.

Als ich etwas später bei Rose ankomme, finde ich die Drei in ihrem Wohnzimmer, zwischen mehreren aufgeschlagenen Büchern am Boden sitzend vor. Als Lilly mich sieht springt sie auf und fragt belegt: „Geht es dir wieder besser?“ Dabei sieht sie mich so besorgt an, dass ich dahinschmelze. Aber da Eric anwesend ist winke ich nur ab: „Vampire heilen schnell, keine Sorge.“ „Gut, ich möchte gerne mit dir sprechen, allein“, sagt sie leise. „Ihr könnt die Küche nehmen, ich verspreche wegzuhören“, enthebt Rose mich einer Antwort.

In der Küche sieht Lilly mich ernst an und sagt leise: „Maurice Eric hat mir von deiner Theorie erzählt, aber ich denke du warst das Ziel.“ „Wie kannst du dir da so sicher sein? Es hätte genauso gut dir gelten können, das wissen wir nicht.“ Sie seufzt leise auf und fährt dann noch ernster fort: „Du erinnerst dich doch sicher an Lukas, oder?“ „Du meinst den blonden ungehobelten Gorilla, oh ja, der war nicht zu übersehen.“ „Er war in meiner Wohnung, als ich nach Hause gekommen bin, er ...“, eisiger Schreck fährt mir in die Glieder, ich unterbreche sie bestürzt: „Hat er dir etwas angetan? Denn dann werde ich ihn ...“ „Hat er nicht, und genau darum geht es. Er hat zugegeben vor Ort gewesen zu sein, und er war von Anfang an gegen unsere Zusammenarbeit. Ich denke er will dich beseitigen, um mich zurückzuholen.“ „Falls du recht haben solltest, ist er ein Idiot, er kann keinen Vampir mit einem Stein töten. Ich glaube immer noch, dass du das Ziel warst.“ Sie schüttelt vehement den Kopf, „dann sollte es vermutlich nur eine Warnung sein. Aber es gilt sicher dir, denn Lukas hätte doch nichts davon mich zu töten. Im Gegenteil er will mich zurück. Und wenn er auch unsere gemeinsame Nacht mitbekommen hat dann denkt er womöglich ...“ Ich keuche auf, als der Gedanke sich wie Säure in mein Gehirn frisst, „du meinst er will dich als seine Gefährtin zurück?“, knurre ich. „Nun er war nicht glücklich über unsere Trennung, also wäre es möglich.“ „Nein“, stoße ich hervor, „das lasse ich nicht zu.“ Ihre Augen weiten sich erschrocken, ich könnte mich selbst treten, natürlich sie geht ja noch immer von einer Affaire aus. Sie stammelt: „Wir sollten den privaten Teil beenden, dann kann ich ihm die ganze Sache vielleicht als politische Notwenigkeit verkaufen, und er gibt Ruhe bis Rose genug gelernt hat.“ Kaltes Entsetzten und heiße Wut durchfluten mich gleichzeitig, ich kann sie nicht aufgeben, noch nicht. „Niemals“, fauche ich und merke dass meine Fangzähne sich wieder mal selbstständig gemacht haben, was zum Teufel macht diese Frau bloß mit mir?“ „Maurice du ...“, flüstert sie ängstlich. Mein Verstand weiß dass ich die Fassade aufrechterhalten sollte, damit ich sie nicht restlos verschrecke, aber alles in mir schreit, dass sie mir gehört, mir, nur mir. „Ich ziehe nicht den Schwanz ein und verschwinde, bloß weil es ihm nicht gefällt dass wir zusammen sind“, stelle ich hart fest. „Aber Maurice, es wäre vernünftiger“, argumentiert sie. Ich gleite mir einer fließenden Bewegung zu ihr und streichle zärtlich über ihre Wangen, um die Hände dann in ihrer vollen roten Mähne zu vergraben und sie so ganz nah an mich zu ziehen. Unsere Gesichter sind jetzt nur noch Zentimeter voneinander entfernt, und ihr köstlicher Körper ist mir so nah, dass ich ihre Wärme spüren kann. Verlangen mischt sich zu meiner Wut. Ich beuge mich vor und hauche ihr ins Ohr: „Bei dir will ich aber nicht vernünftig sein, und du willst es auch nicht.“ „Aber ...“, versucht sie zu protestieren. Ich schneide ihr das Wort ab, indem ich meinen Mund auf ihren senke und sie besitzergreifend küsse. Meine Hände gleiten weiter nach unten, ihren schlanken Rücken entlang, bis ich sie mit dem ganzen Körper so nah an mich drücke dass sie meine Härte spüren kann. Meine Lippen bewegen sich auf ihren und meine Zunge nimmt ihren Mund in Besitz, während meine Hände zärtlich ihre Kehrseite liebkosen. Nach einem Moment der Gegenwehr kann ich spüren wie sie in meinen Armen weich wird und ihre Hände sich in meiner Jacke verkrallen. Erst jetzt beende ich den Kuss und flüstere ihr heiser zu: „Siehst du, du willst uns auch noch nicht aufgeben. Nicht weil dieser Idiot es will, oder willst du das leugnen?“ Ich kann ihr Verlangen riechen, und ihre Stimme bebt als sie leise antwortet: „Du hast recht, ich will dich mehr als ich sollte, aber es ist zu gefährlich für dich.“ Ich schenke ihr ein laszives Lächeln, „ich bin ein gefährliches Raubtier.“ Ich küsse sie wieder, nur ganz kurz diesmal, „schon vergessen?“ Ehe sie antworten kann, senke ich wieder den Mund auf ihren. Ihre Hände gleiten weiter nach unten, sie klammert sich jetzt an meine Hüften, ich löse meinen Mund wieder, und hauche ihr zu: „Und ich bin vierhundert Jahre alt, ich kann auf mich aufpassen.“ „Maurice ich ...“, „ich will dich Lilly, und du willst mich auch. Erlaube diesem Narren nicht uns das wegzunehmen. Nicht bevor wir es nicht selbst so entscheiden.“ Ein fast qualvolles Stöhnen kommt ihre Kehle hoch, aber die Art wie ihre Hüften sich enger an mich drängen lenkt mich davon ab. „Versprich mir, dass du ihm das nicht durchgehen lässt“, fordere ich. Ich kann in ihren Augen sehen wie sie aufgibt, ehe sie flüstert: „Also gut, aber wir müssen vorsichtig sein.“ Triumph steigt in mir auf, und ein Besitzanspruch, den ich besser unter Kontrolle bringen sollte, aber im Moment gehört sie mir, und ich werde dass genießen, zumindest solange ich kann. Ich küsse sie wieder und denke: „Sie ist mein“, während sie sich an mich schmiegt, um mich zu küssen.

Was als Taktik begonnen hatte, hat mich inzwischen selbst eingefangen, ich brenne vor Verlangen. Ich verdränge das Wissen, dass nebenan Rose und Eric sind, und etwas mitbekommen könnten. „Ich brauche dich“, flüstere ich heiser und Lilly reagiert, indem sie sich an mir reibt. Ein heiseres Schnurren kommt wie von selbst meine Kehle hoch, als mein Verlangen nach ihr mich davonträgt. Aber ich lande unvermittelt unsanft wieder in der Realität als Rose vor der Tür schreit: „Okay Leute das reicht, ich sagte ich höre weg, aber nicht bei einer Orgie, nicht in meiner Küche.“ Lilly zuckt zusammen und macht sich von mir los. Ihr hübsches Gesicht ist vor Verlegenheit rot geworden, sie reißt die Tür auf und huscht nach draußen, an der grinsenden Rose, die im Türrahmen lehnt, vorbei. Ich knurre: „War das nötig?“ Sie zwinkert mir zu und erwidert spöttisch: „Vielleicht erinnerst du dich ja, vor nicht allzu langer Zeit habe ich dich das auch gefragt. Nur war es da ein Badezimmer und du hast vor der Tür gestanden.“ Ich verbeiße mir eine Antwort, denn sie hat nur allzu recht, das war eines der Dinge, die ich getan hatte, um sie vor einer unmöglichen Beziehung zu bewahren, das Schicksal hat wirklich Humor allerdings einen Rabenschwarzen.

Ich entschließe mich lieber Schadensbegrenzung zu betreiben, mein Blick sucht Lilly, die sich inzwischen am Sofa platziert hat. Sie versucht ihre Verlegenheit zu überspielen, indem sie ein Lächeln aufsetzt und losplaudert: „Die Beiden haben inzwischen herausgefunden wo die Höhle ist, die ich in meiner Vision gesehen habe.“ „Wie schön, dann kann Eric sich ja auf den Weg machen.“ Na das war doch alles gar nicht so schlimm, Lilly hatte ich überzeugt mich nicht zu verlassen, Eric war bald weit weg, und zwar nicht nur von mir, sondern auch von Rose, die ja ihre Ausbildung fortsetzten muss. Abgesehen von dem Attentäter, den ich schleunigst finden muss, sieht die Zukunft gar nicht mehr so finster aus. Ich kann fühlen wie die Spannung aus meinen Schultern weicht. Wie von selbst verziehen meine Lippen sich zu einem sinnlichen Lächeln, als ich auf Lilly zugehe. „Nun aber wir werden alle gehen“, holt sie mich da aus meiner Seligkeit. Ich erstarre in der Bewegung und keuche: „Wie bitte?“ Sie setzt ein bezauberndes Lächeln auf, das mir im Normalfall den Atem geraubt hätte, und erklärt: „Nun ich werde ihn dorthin begleiten und vor Ort versuchen Jacobs Aufenthaltsort näher zu bestimmen.“ Wie von selbst erscheint das Bild des vor Blutdurst tobenden Vampirs in seiner Zelle vor mir und das seines völlig zerfetzten Opfers. „Das kommt gar nicht infrage“, brülle ich, und diesmal ist mir völlig egal dass sie mich entsetzt anstarrt. „Du kommst mit Sicherheit nicht mal in die Nähe dieses Verrückten.“ „Das ist ja wohl meine Entscheidung“, faucht sie, ihre grünen Augen leuchten vor Wut fast wie die einer Katze. Ich knurre zurück: „Nein ist es nicht.“ „Ach ja, wie war das eben noch von wegen ich solle mir nichts vorschreiben lassen?“ Ich beiße die Zähne zusammen, um einen Fluch zu unterdrücken, „aber da ging es um Lukas“, presse ich hervor. Sie steht inzwischen vor mir, die Hände in die Hüften gestemmt, „verstehe, dann soll ich mir also nur von dir etwas vorschreiben lassen. Das kannst du vergessen“, stößt sie anklagend hervor. „In diesem Fall musst du auf mich hören, schließlich bin ich für deine Sicherheit verantwortlich“, kommandiere ich. Ich begreife den Fehler in dem Moment als sie ausholt und mir eine schallende Ohrfeige verpasst. Ich starre sie fassungslos an, sie blinzelt und für einen Moment sieht es so aus als ob ihre Augen feucht wären, aber da setzt sie bereits nach: „Wenn es so ist solltest du besser die Koffer packen. Denn morgen Abend fahren wir, mit oder ohne dich.“ Ohne mir die Chance auf eine Reaktion zu geben, stürzt sie an mir vorbei in den Vorraum.

„Sie hat Temperament“, grinst Eric. Ich fahre zu ihm herum und knurre ihn an: „Halt du bloß den Mund, das ist alles nur deine Schuld. Wie kannst du sie nur so in Gefahr bringen, du hast doch gesehen wie irre und gefährlich dein Bruder ist.“ „Rede nicht so von ihm er ...“, beginnt Eric, aber Rose unterbricht uns ironisch: „Ich will euch ja nicht stören, aber das klang eben wie die Haustür, ich glaube Lilly ist gerade gegangen.“ Ohne Eric eines weiteren Blickes zu würdigen, stürze ich ihr nach.