KAPITEL 3
Jose kannte einen Ort, wo sie es tun konnten.
Es war nicht so weit, wenn sie in Kyles Auto den Großteil des Wegs bis in die Berge hinauf fuhren, aber er bezweifelte, dass Kyle so lange warten konnte. Kyle fuhr mit Amanda auf dem Beifahrersitz. Auf der Rückbank räkelte sich Jose, mit überkreuzten Beinen und den Händen im Nacken, so als ob er sich an einem Pool ausruhen würde.
Kyles Auto war ein alte Kiste, ein ausgedienter Camaro mit zerrissenen Ledersitzen, einer verrosteten Karosserie und einem Motor, der hustete anstatt zu surren. Sei es wie es sei, Kyle hatte zumindest ein Auto. Jose war fast neunzehn und hatte immer noch keinen fahrbaren Untersatz. Und nur mit einem Auto konnte man von hier wegkommen, um etwas Besseres zu finden.
Joses Vater war ein gefragter Handwerker gewesen. Er konnte einfach alles reparieren. Als Jose klein war, hatte sein Vater ständig Arbeit und sie wohnten in einem zweistöckigen Haus am Stadtrand. Sein Dad war so beliebt und hatte so viele Kunden, dass er es sich bald leisten konnte, die Familie jeden Samstag fein zum Essen auszuführen. Jose war noch zu jung dafür gewesen, um es wirklich schätzen zu können, wie gut es ihnen damals gegangen war, aber er erinnerte sich daran, wie glücklich sich seine Eltern angelächelt hatten und wie fröhlich sie gewesen waren. Wenn er sich wirklich konzentrierte, konnte er sogar noch ihr ungezwungenes und sorgloses Lachen hören.
Dann musste Joses Vater irgendeine Klempnerarbeit in einem stinkenden Mietshaus erledigen und ein Typ dort dachte, sein Dad wäre ein Drogendealer oder zumindest ein verdeckter Ermittler – deshalb jagte er ihm zwei Kugeln in den Kopf. Offensichtlich war der Typ gerade high gewesen: von Meth, Badesalz oder auch Freongas, das er möglicherweise aus einer Klimaanlage geschnupft hatte.
Jedenfalls zogen Jose und seine Mutter danach aus ihrem Vorstadthaus in eine von Ratten bevölkerte Mietwohnung und er hatte weder ein Auto noch irgendeine andere Möglichkeit von dort wieder wegzukommen.
»Wie weit noch?«, fragte Kyle vom Fahrersitz aus.
»Wir sind fast da«, antwortete Jose.
Offiziell waren sie hier, um sich mit Sven zu treffen und einen Beutel Marihuana zu kaufen, der Sex war eine Draufgabe. Jedes für sich alleine wäre für Kyle schon ein guter Beweggrund gewesen.
Amanda streckte die Hand aus und legte sie auf Kyles Oberschenkel. Ihre Hand wanderte seinem Bein entlang so weit nach oben, dass Jose sie nicht mehr sehen konnte.
»Komm´ schon, Mann«, sagte Kyle. »Zeit ist Geld.«
»Was zum Teufel soll das wieder heißen«, begehrte Jose auf. »Zeit ist alles, was wir haben!«
Kyle verrenkte sich unter Amandas Berührung. »Du vielleicht,« sagte er. »Ich hab´s eilig hier.«
Jose schaute aus dem Fenster. Nichts als hohe Bäume. Ein frischer Geruch, eine leichte Brise von angenehm süßlich-modrigem Waldduft drang durch das Fenster. Lustig, dass sogar Fäulnis hier draußen besser roch. In der Stadt stank alles nach Abfall und Auspuffgasen und der scheußliche Geruch verätzte einem die Nase.
Sie hatten die Hauptstraße schon vor einer Weile verlassen und auf den löchrigen und holprigen Feldwegen kamen sie nur langsam voran, aber sie waren fast schon da. Jose kannte den Ort. Sein Kumpel Sven war irgendwo hier draußen auf einem Besserungstrip für verdorbene Jugendliche. Er war in irgend so einem Öko-Camp ohne Strom oder fließendes Wasser. Es sollte so etwas wie die letzte Chance für diese Halbstarken sein, die an der Schwelle zum Gefängnis standen, etwas, um sie wieder zurecht zu biegen.
Kein Strom? Kein fließendes Wasser?
Da klang ja sogar Gefängnis um Einiges besser. Möglicherweise unterstand der Ort einem weltverbesserischen Tyrannen.
»Was tust du?«, fragte Kyle überrascht.
»Shh«, flüsterte Amanda und öffnete ihren Gurt.
Sie kletterte auf Kyle, begann an seinem Hals herumzusabbern und wand sich dabei auf ihm. Das Auto schlingerte.
»Oh Gott, Amanda, Jose ist doch da!«
»Jose macht das nichts aus«, betonte sie. »Nicht wahr?«
Jose drehte seinen Kopf zum Heckfenster. »Wir sind gleich da.«
»Wird auch Zeit, dass wir ankommen«, drängte sie. »Bevor hier etwas nicht mehr zu halten ist.«
Ihr Kichern traf ihn mitten ins Herz.
Sie machte sich absichtlich über ihn lustig und er hasste sie dafür. Noch mehr hasste er sich selbst. Sie hatten dieses Spielchen schon zu lange gespielt.
Kyle stöhnte und konnte sich kaum mehr unter Kontrolle halten, als ihn Amanda weiter befummelte.
»Fahr einfach rechts ran!«, kommandierte Jose. »Von hier aus können wir auch zu Fuß gehen.«
»Ich weiß ja nicht, ob wir´s überhaupt aus dem Auto ´raus schaffen«, schnurrte Amanda unschuldig. »Tut mir leid, wenn ich euch dermaßen ablenke.«
Das Auto war langsamer geworden und kroch nur mehr dahin, aber Kyle hatte seinen Fuß immer noch auf dem Gaspedal, sodass es auf der unebenen Straße immer wieder einen kleinen Sprung nach vorn machte.
»Magst du mich, Süßer?«, fragte Amanda absichtlich laut genug, dass es Jose hören konnte.
»Bleib stehen!« sagte Jose energisch.
»Ja, ja, ja«, gab Kyle nach und schon hüpfte das Auto wieder.
»Verdammt noch mal!«, stieß Jose aus. Er rüttelte an der Tür, drückte sie auf und stolperte auf die dreckige Straße. Fast hätte er sein Gleichgewicht halten können, stürzte dann aber dennoch zu Boden.
»Was für eine gute Idee«, war Amandas Antwort aus dem Inneren des Wagens.
Schließlich hielt das Auto an und Jose sah, wie sich Amanda und Kyle am Fahrersitz küssten. In dem Moment, als sich ihre und seine Blicke durch das Heckfenster hindurch trafen, wandte sich Jose ab.
Er ging ein paar Schritte bergauf, von seiner eigenen Erregung angewidert.