15. KAPITEL
Renee kniete auf der kalten Wiese. Die Wolken am Morgenhimmel sahen völlig unterschiedlich aus, ein verwaschenes Grau rieb gegen speckknödelförmige Kumuluswolken. Die Wolken konnte sie nicht ordnen, ebenso wenig wie die knorrigen Bäume, die den Friedhof von Heavenly Meadows säumten. Die Sträucher entlang der niedrigen Steinmauer waren seit dem Herbst nicht mehr geschnitten worden, vorwitziger Maiwuchs sprießte aus ihnen heraus. Auf der Anhöhe stand ein zerbröckelndes Mausoleum. Säulen und Fassade waren im römischen Stil gehalten, so als ob man ruhig auch den heidnischen Göttern huldigen durfte, so lange die Insassen ihre Miete bezahlten. Die Welt war launenhaft und obszön, die Risse im Mausoleum waren viel zu tief, als dass Renee sie hätte kitten können. Selbst die Grabsteine standen in ungleichmäßigen Reihen. Die älteren am oberen Ende waren schief und verwittert. Auf einigen wehten kleine, zerfledderte Amerika-Fahnen. Sie rupfte die überflüssigen Grashalme aus Christines Grab.
»Sie liebt mich, sie liebt mich nicht«, hörte sich Renee sagen, und der Geruch des frisch gezupften Grases entführte sie in ihrer Fantasie auf einen Spielplatz, über den Mattie und Christine Hand in Hand rannten. Doch das Bild entbehrte jeglicher Realität, denn Christine hatte nie laufen gelernt, nicht einmal krabbeln.
»Sie liebt mich«, sagte Renee und verfiel dann in »Gegrüßest seist du Maria, voll der Gnade.« Anstelle eines Rosenkranzes umklammerte sie die schmutziggelbe Rassel, die sie im Wald hinter ihrem abgebrannten Haus gefunden hatte. Immer wieder hatten die Priester in ihren Predigten davor gewarnt, dass all die großen und wunderbaren Gaben Gottes in einem einzigen Augenblick zerstört werden können, und dass selbst der größte Kummer durch treuen Glauben gemildert werden könne. Sie hatte immer geglaubt, diese Predigten richteten sich an andere. An jene, deren sündiges, unordentliches Leben das Unheil auf den Plan rief. In einer Welt, die von einem barmherzigen Gott gelenkt wurde, widerfuhr guten Menschen kein furchtbares Leid.
Sie betete an Christines Grab, weil Mattie keine feste Ruhestätte hatte. Es gab keinen Ort, an dem man seine Trauer abladen konnte. Jacobs Glauben an eine alles vereinende, universelle Energie erschien ihr fürchterlich groß und leer. Ein solches Leben nach dem Tod war das spirituelle Gegenstück zum Verstreuen der Asche in alle vier Winde. Sie wollte nicht, dass Mattie die Ewigkeit an einem solchen Ort verbringen musste. Aus diesem Grund hatte sie Jacob damals überredet, die Kinder katholisch taufen zu lassen. Auch wenn es nichts genützt hatte.
Renee beendete ihre Reise durch den Kreislauf der schmerzhaften Geheimnisse und stand auf. Ihre Hose hatte Grasflecke an den Knien. Sie würde sie wohl wegwerfen müssen. In ihrer Wohnung gab es weder Waschmaschine noch Trockner, und den feuchtkalten, dunklen Wäscheraum neben dem Büro der Wohnungsverwaltung konnte sie nicht leiden. Außerdem war sie sich gar nicht sicher, wann sie wieder in ihre Wohnung zurückkehren würde.
In ihrer Jackentasche steckte das Geld in einer zerknüllten Papiertüte, wie in einem Krimi. Siebenundzwanzig Hundert-Dollar-Scheine. Alles, was noch übrig war von dem Gewinn, den sie aus Christines Tod geschlagen hatten.
Eine Million Versicherungssumme war gar nichts. Das Geld hatte gerade mal das Loch gestopft, das Jacob in die Konten vom M&W gerissen hatte, durch schlechte Immobiliengeschäfte und sinnlose Spenden, die durch seinen guten Namen zur Pflicht geworden waren. Jetzt bekamen sie bald wieder eine Million, und alles, was sie dafür hergeben mussten, war Mattie.
Sie wischte sich die Augen und drehte sich um. Am anderen Ende des Friedhofs stand jemand, eingehüllt in die Schatten des Morgens. Zuerst dachte sie, es ist der Hausmeister, einer dieser gebückten Eigenbrötler, die gern auf Friedhöfen arbeiteten. Dann erinnerte sie sich an die höhnisch geflüsterten Worte, die sie in der Nacht zuvor im Wald gehört hatte.
Renee steckte ihre Hand in die Tasche und kramte nach ihrem Schlüssel. Ihr Auto stand am Tor, fünfzig Meter entfernt. Aber sie brauchte nicht wegzurennen. Sie war nicht in Gefahr. Wenn ihr Verfolger ihr etwas antun wollte, dann hätte er letzte Nacht die perfekte Gelegenheit dazu gehabt.
Sie lief zu einer Baumgruppe im älteren Teil des Friedhofs. Das geheimnisvolle Wesen schlüpfte wieder in das Unterholz aus Lorbeerbüschen. Es gab nur einen Eingang, also musste der Unbekannte über die Mauer geklettert sein, damit er von niemandem gesehen wurde. Renee zwang sich, langsam zu laufen. Sie ging auf eine Wand zu, die gleichzeitig die Rückseite eines Einkaufszentrums war. Der Mörtel quoll aus den Fugen des Backsteingebäudes, als wäre ein chaotischer Kindergärtner für den Bau verantwortlich gewesen. Kopoubohnen, Efeu und andere Kletterpflanzen schlängelten sich die Mauer empor, und auf dem steilen Abhang hinter dem Einkaufszentrum wuchsen dornige Johannisbrotbäume. Keiner, der im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war, würde über diese Mauer klettern und sich dann diese stachelige, gefährliche Böschung hinabstürzen.
Sie war fast bei den Büschen angekommen, da hörte sie die Stimme. Dünn und kindlich war sie, doch sie war anders als die Stimme von den Aufnahmen aus der vorigen Nacht.
»Wünsch mir«, sagte die Stimme.
Die Worte trafen sie wie Schläge, eins, zwei. Einer mitten in die Magengrube und der zweite voll gegen die Stirn.
Jacob hatte Mattie dieses Spiel beigebracht. Meist spielten sie es auf langen Autofahrten, wenn die Stopps bei Fast-Food-Restaurants und die gelegentlichen Pinkelpausen nicht ausreichten, die kindliche Langeweile zu vertreiben. »Wünsch mir« war eigentlich ein lustiges Spiel und glitt oft ins Komische ab, mit Wünschen wie: »Ich wünsch mir ein Zebra und male die Streifen an wie einen Regenbogen«. Oder: »Ich wünsch mir eine Million Dollar und dann gehen wir in den Schokoladenladen.«
»Komm raus, Jacob«, sagte Renee und wunderte sich, dass sie trotz der Last auf ihrer Brust noch atmen konnte.
Da war die Stimme wieder. »Wünsch mir.«
»Ich will mir nichts wünschen«, sagte Renee. Dabei griff sie auf Rheinsfeldts Erkenntnisse zu dissoziativen Verhaltensmustern zurück. Es konnte sein, dass es Jacob gar nicht bewusst war, dass er sie verfolgte. »Ich will wissen, warum du dich versteckst.«
»Komm mit«, sagte die Stimme. Ein Zweig knackte.
»Das Spiel haben wir schon gespielt.«
»Nenn mir deinen größten Wunsch.«
»Ich habe keine Wünsche mehr.«
»Außer den, endlich zu wissen, wie es wirklich passiert ist.«
Das Lorbeergestrüpp war dicht und struppig. Die Unordnung der Zweige und Äste erfüllte Renee mit Abscheu. Sie brauchte Ordnung. Dieses organische Chaos entbehrte jeglicher Kontrolle. Das Waldstück lebte für sich selbst, griff nach dem Himmel und dem Regen, reckte sich aus dem Boden wie eine Leiche, die nach Rache verlangt. Letzte Nacht, als sie versucht hatte, ihrem geheimnisvollen Peiniger zu folgen, hatte die Dunkelheit ihren Schatten über das Chaos gelegt. Aber hier, im warmen Licht dieses perfekten Frühlingstages, konnte sie nicht darüber hinwegsehen.
Unordnung. Überall herrschte Unordnung.
Sie schaute zurück zu ihrem Wagen, den sie am Eingangstor geparkt hatte, auf der Schnellstraße vor dem Supermarkt, wo LKWs gefrorene Truthähne und Coca-Cola anlieferten und dabei schwarze Dieselwolken ausstießen. Eigentlich musste sie nur zu ihrem Wagen gehen und davonfahren. Dann könnte sie den ganzen Wahnsinn hier hinter sich lassen.
»Ich kann nicht mit dir mitkommen, Jacob«, sagte sie.
»Wünsch mir.« Die Worte klangen monoton, wie von einer Sprechpuppe, deren Mikrochip die Seele der Menschen stahl. Eine Rockstar-Barbie, die zu Fleisch und Blut geworden war und nun den Namen Wells trug.
Zögernd machte sie einen Schritt auf das Lorbeergebüsch zu. Die Zweige wackelten wild hin und her wie die Arme verkrüppelter Hexen. Ein Sabbat rasender, habgieriger Wesen, die nach ihr griffen. »Wohin gehen wir?«
»Zu der Tür, die sich nach beiden Seiten öffnen lässt.«
Dasselbe Rätsel wie letzte Nacht. Also musste es Jacob gewesen sein, der sie von den verkohlten Überresten ihres Hauses weggelockt hatte.
»Was willst du?«, fragte Renee noch einmal und erwartete eigentlich ein neues höhnisches Rätsel.
»Mattie schickt mich.«
Hilflose Wut stieg in Renee auf. »Sie ist tot, Jacob.«
Über dem Friedhof kreisten drei Raben mit ausgebreiteten Flügeln. Fast gleichzeitig landeten sie, jeder auf einem anderen Grabmal. Einer setzte sich auf Christines Grabstein aus blaugrauem Marmor, vom Steinmetz behauen und graviert, keine Massenfertigung. Am liebsten wäre sie hingerannt und hätte den Vogel mit wedelnden Armen und lauten Rufen vertrieben, bevor er mit seinem Kot den glänzenden Marmor beschmutzte. Doch sie widerstand diesem Verlangen. Jacob hatte den Grabstein in Auftrag gegeben. Obendrauf saß ein Lamm. Er hatte zwar nie über den Preis gesprochen, doch sie schätzte, dass er mindestens 10.000 Dollar gekostet haben musste.
»Hast du den Spiegel?«
»Ich hab doch gestern Nacht schon gesagt, dass ich nicht weiß, wovon du sprichst.«
»Wer ist die Schönste im ganzen Land?«
»Mattie.«
»Mattie. Nicht Christine.«
Der versilberte Spiegel lastete schwer in ihrer Jackentasche, darauf lag die braune Papiertüte.
Sie drehte sich noch einmal um und schaute auf Christines Grab. Die Raben hüpften über den Boden und suchten im Gras nach Würmern und Insekten. Blöde Vögel. Wenigstens waren sie nicht mehr auf dem Grab ihres Babys.
Vor dem Tor hielt ein kleiner Laster mit Anhänger. Auf dem Hänger standen ein Rasenmäher und ein paar Gasbrenner zur Unkrautvernichtung. Ein Mann sprang aus dem Laster und stieß das Tor auf. Er winkte Renee zu.
»Er sieht dich«, sagte Renee.
»Der denkt, du führst Selbstgespräche.«
»Also dann«, sagte die Stimme. »Wünsch mir. Ich wünsch mir das Geld.«
»Warum kannst du mir nicht in die Augen schauen?« Sie drehte sich um zu dem Mann mit dem Rasenmäher, aber er kümmerte sich nicht um sie. Er war voll damit beschäftigt nachzusehen, wie viel Benzin noch in seinen Geräten war.
Im Gestrüpp raschelten die Blätter. Das Geräusch entfernte sich von Renee, hin zu der überwucherten Mauer. Renee bückte sich und betrachtete den Boden unter den Ästen. Ein ausgetretener Pfad schien direkt auf die Mauer zuzulaufen. In dem Unkraut lagen Kippen und zwei dreckige, verbeulte Bierdosen. Sie atmete tief ein und überlegte, ob sie sich überwinden konnte, durch die enge Öffnung zu kriechen, wo sie von Käfern und Spinnweben, Schmutz und Dornen empfangen werden würde.
Der Mann warf den Rasenmäher an. Das Gurgeln des Viertaktmotors verschluckte alle Worte, die der Fremde eventuell gesagt hatte. Die drei Raben erhoben sich in die Lüfte. Mit lautem Flügelschlag rauschten sie über das Gebüsch und ließen sich auf dem Dach des Einkaufszentrums nieder. Auf der welligen Dachpappe stand eine Pfütze. In der Wasseroberfläche spiegelte sich der Himmel, kleine Silberwölkchen schwebten vor der Sonne. Zwei scheinbar endlose Welten, die im Spiegelbild des Wassers aufeinandertrafen.
Sie zog den Spiegel aus der Tasche, schaute hinein und sah Mattie. Ihr rasendes Herz begann zu flattern, stand einen Augenblick still und donnerte dann weiter bis zur Ziellinie.
»Wer ist die Schönste im ganzen Land?«, schrie Jacob.
Sie umklammerte den Griff des Spiegels und zwang sich, noch einmal hineinzuschauen. Doch sie sah nur ihre wilden, leuchtenden Augen und ihre Haare, total zerzaust wie bei einer Halloween-Maske aus Gummi. In ihren Mundwinkeln zuckte die Angst. Sie versuchte ihre Haare glatt zu streichen, gab aber auf und steckte den Spiegel wieder in die Tasche.
»Wünsch mir«, schrie sie ins Gebüsch. Der Rasenmäher kam auf seiner ersten Runde über den Friedhof immer näher. Seine Messer stutzen die Grashalme auf Golfplatzlänge. Bald würde er über Christine hinwegrollen und ihren Schlaf stören. Sie würde aufwachen und weinen. Dann musste man sie wieder zudecken, mit ihr kuscheln, sie an die Brust legen und sagen: »Psst, meine Kleine.«
Renee trat ein paar Meter zurück. Der Mann mit dem Rasenmäher fuhr um sie herum. Er hob seine behandschuhte Hand und nickte ihr zu. Der Rasenmäher schleuderte Grasreste in das Gebüsch. Der Mann hatte Kopfhörer auf, seine Schuhe und der Saum seiner Jeans waren grün vom Gras. Der Duft von frisch gemähtem Gras stieg in Renees Nase und entfesselte ihre Allergie. Der Rasenmäher dröhnte weiter, und schon bald war der Mann hinter dem Mausoleum verschwunden. Jetzt war es wieder verhältnismäßig ruhig. Renee rief wieder in das Dickicht. »Wünsch mir, Jacob.«
»Wünsch mir, es hätte nie gebrannt.«
Bei ihren Füßen wand sich ein schleimiger Regenwurm dem Schatten entgegen. Mit sich trug er winzige Stückchen der Begrabenen. Renee schloss die Augen und zog die braune Papiertüte aus ihrer Jackentasche.
»Ich hab das Geld dabei.«
Der Rasenmäher brummte über den Hügel und folgte der Biegung der fernen Mauer. Der Mann beugte sich über den Griff. Er kriegte nichts mit außer dem, was in seinen Kopfhörern dröhnte.
»Wirf es rüber«, sagte Jacob.
Renee blinzelte in das Gestrüpp, vielleicht entdeckte sie ja eine Bewegung. Sie knüllte die Tüte noch fester zu und warf sie mit all ihrer Kraft ins Gebüsch. Sie flog gegen einen Baum, verfing sich kurz in den Ästen und verschwand dann im Schatten. Renee wusste, dass dies der beste Weg gewesen war, doch ihre Knie schlackerten trotzdem. Sie klapperte wie ein Halloween-Skelett im Oktoberwind.
Sie hatte Angst davor, ihrem Mann zu begegnen. Sie hatte Angst, was aus ihm geworden war.
»Ist das alles?«, fragte er.
»Alles, was noch davon übrig ist.«
»Ich brauch mehr.«
»Jacob, du musst nicht …«
»Ich bin nicht Jacob, verdammt noch mal!«
»Ach komm, Schatz …«
»Wünsch mir.«
»Komm, ich hol dir Hilfe. Das war für uns beide nicht leicht. Dr. Rheinsfeldt …«
»Wünsch mir, verdammt noch mal!«
Tränen brannten in Renees Augen. Vor Trauer zu weinen war etwas völlig Anderes als vor Wut. Und vor Hoffnungslosigkeit zu weinen war wieder anders. Wie eine schwefelige Ausdünstung, die sich eher anfühlte, als ob man blutet.
»Wünsch mir was?«, flüsterte sie gegen das Summen des Rasenmähers in der Ferne.
»Wünsch mir eine Million Dollar, damit wir glücklich sein können bis ans Lebensende.«
»Jacob, ich bitte dich.«
Sie zog den Spiegel wieder aus der Tasche. Sie hatte Angst hineinzuschauen. Der Spiegel hatte gelogen. Mattie und Christine waren beide die Schönsten im ganzen Land. Es gab zwei Siegerinnen bei diesem Schönheitswettbewerb. Sie hätten beide im Spiegel erscheinen müssen. Und beide hätten es verdient, bis an ihr Lebensende glücklich zu sein.
»Jacob«, rief sie. »Komm in meine Wohnung. Dann gebe ich dir den Rest des Geldes.«
Der Rasenmäher hatte seine Runde beendet und kam wieder auf Renee zugeknattert. Sie hatte keinen Grund, noch länger hier stehen zu bleiben. Jacob würde doch nicht herauskommen. Er versteckte sich, weil er sich schämte. Er hatte sein Gesicht verloren – in jeder Hinsicht.
Das Feuer, die neue rosa Haut an seinen Wangen und auf seiner Stirn, seine verbrannte Nase, die versengten Wimpern. Auch Jacob war in diesem Feuer gestorben, genau wie Mattie. Sie musste ihn aus der Asche wiederauferstehen lassen, wie einen Phönix, den man zu seinem Glück zwingen muss. Das war das Einzige, was sie tun konnte, ihre einzige Chance der Erlösung.
Am Ende lief es doch immer auf das selbstsüchtige Bedürfnis hinaus, seine eigene trostlose Seele zu verpfänden.
»Wünsch mir, Jacob«, rief sie mit brechender Stimme.
Der Rasenmäher ratterte näher, er summte wie ein Schwarm menschenfressender Bienen. Seine blauen Abgase verpesteten die Luft. Der Mann schaute sie an und verlangsamte seinen Schritt, als er näher kam. »Alles okay?«
Sie nickte. Trauer. Sie spielte ihre Rolle passend zur Kulisse.
Wir alle tragen eine Maske, die ganze Zeit, glücklich bis ans Lebensende. Ich wünschte, ich stände nicht am Grab meiner Tochter.
Der Mann rückte seine Kopfhörer zurecht, zog am Gashebel und knatterte weiter übers Gras. Qualm stieg in die Luft, grau und bitter. Der Rasenmäher wand sich seinen Weg zum Mausoleum und mähte jetzt zwischen den ältesten Grabsteinen. Der Rauch sank auf den Boden, dick wie auf dem Schlachtfeld.
Rauch. Ganz grau war er jetzt. Überall um sie herum. Er kam aus dem Gebüsch.
Der Wald brannte.
»Jacob!«
Da schlugen bereits die ersten Flammen aus den immergrünen Büschen, die Blätter prasselten. Der Wind trug den Rauch über die Gräber. Renee glaubte, ein letztes »Wünsch mir« zu hören. Vielleicht war es aber auch nur das Echo eines anderen Feuers, dessen Glut noch immer tiefrot in ihrem Herzen glimmte.