Wie sag ich’s meinem Mann
Entsinnst du dich noch, wie es war, als du – sagen wir mal – zwölf warst? Also, ich habe alle vier Wochen nicht an der Turnstunde teilgenommen und mit den Mädels, die „es“ schon hatten, auf dem Balken gesessen und zugeschaut. Ich fühlte mich dort wie in einem Zirkel der Auserwählten, obwohl ich „es“ natürlich noch gar nicht hatte. Aber lieber hätte ich mir drei Tadel und einmal Sitzenbleiben eingefangen, als das zuzugeben. Und ich schätze mal, dass von den sechs Mädels, die da saßen, mindestens vier „es“ auch noch nicht hatten.
Genauso war es mit dem Sex. Was haben wir uns mit fünfzehn erzählt, wie toll es war. Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass alles erstunken und erlogen war, nicht nur bei mir, sondern auch bei meinen mitpubertierenden Freundinnen. Da wurden sogar Schwangerschaften erfunden, obwohl ich heute schwören würde, dass damals keine von uns über ein verschämtes Petting hinausgekommen ist.
Und jetzt? Haben wir „es“ natürlich immer noch regelmäßig. Ich komme mir vor wie auf dem Balken damals in der Turnhalle, der Duft des Gummibodens weht durch meine Gespräche mit Freundinnen.
Als ich dieses Buch geschrieben habe, habe ich im Fernsehen eine Talkshow mit den Missfits gesehen, die wirklich zu dem Komischsten gehören, was das deutsche Fernsehen zu bieten hat. Die beiden sind eindeutig im kritischen Alter und haben Haare auf den Zähnen und Humor bis in die Fußspitzen. Auf die Frage des Moderators, ob sie denn und überhaupt, also Wechseljahre, verfinsterten sich die Mienen der beiden von mir sonst so geschätzten Komödiantinnen. Nein, so was hätten sie noch nicht, darüber könnten sie nun so gar nichts sagen, käme später.
Nun ja, man sieht immer den Splitter in den Augen der anderen, aber nicht den eigenen Balken, womit wir wieder bei der Turnstunde wären.
Wir haben unser ganzes Leben lang uns selbst und der Welt in Bezug auf unsere sexuellen Funktionen etwas vorgemacht. Von den Legionen von Liebhabern, denen wir stöhnend zwar nicht im Imbiss wie Sally ihrem Harry, aber immerhin bühnenreif Orgasmen vorgespielt haben, ganz zu schweigen.
Logo spielen wir das Spielchen weiter, denn was Gretel nicht lernt, lernt Greta nimmermehr. Wir rennen also durch die Welt, als ob nichts wäre und lassen den Rest der Welt im Glauben, dass mit uns alles in Ordnung sei. Der Rest der Welt, angefangen bei dem eigenen Mann, steht nun aber mehr als hilflos daneben. Denn was soll er machen, der Ärmste? Dass seine Frau nicht mehr genauso wie früher tickt, hat er bereits gemerkt. Woran das liegen könnte, darüber macht er sich seit einiger Zeit natürlich so seine Gedanken.
Am liebsten würde er mal ein Gespräch mit dir darüber führen. Aber davor hat er mehr Angst als du. Und das hat einen ganz einfachen Grund. Er entsinnt sich nämlich noch ziemlich genau an die schmerzlichen Diskussionen, die er regelmäßig alle vier Wochen mit dir führen durfte. Die klangen etwa so:
„Mhm, das riecht aber gut hier.“
„Es riecht angebrannt. Weil du schon wieder getrödelt hast, ist alles angebrannt.“
„Ich bin sofort gekommen, als du gerufen hast.“
„Ich habe nicht gerufen, ich habe geschrien, weil ich mir die Pfoten verbrannt habe.“
„Schätzchen, warum lässt du mich das nicht machen?“
„Hältst du mich für zu blöd, einen Auflauf aus dem Ofen zu holen?“
„Ich wollte dir doch nur helfen.“
„Wenn du mir helfen wolltest, dann hättest du früher kommen müssen.“
„Sag mal, kriegst du deine Tage?“
„Das glaube ich jetzt nicht. Du kommst zu spät, der Auflauf ist angebrannt, ich habe mir die Pfoten versengt und jetzt bin ich an allem schuld, weil ich meine Tage kriege oder was?“
„Du bist so gereizt heute.“
„Ich bin nicht gereizt, sondern das Abendessen ist verdorben und mein Finger tut weh. Das hat nix mit prämenstruellem Syndrom zu tun, verdammt.“
Mann setzt sich und mampft still und ergeben die äußerst leckeren Nudeln in sich hinein.
„Schmeckt super.“
„Lügner, es schmeckt verbrannt.“
„Mir schmeckt es aber.“
„Sag mal, willst du mich auf den Arm nehmen? Wenn dir das schmeckt, dann kann es nicht weit her sein mit deinem Geschmack.“
„Komm, Schatz, es hat heute wohl keinen Zweck, mit dir zu streiten.“
„Was soll das heißen, es hat keinen Zweck? Außerdem streite ich gar nicht. Ich will nur mal wissen, wieso dir ausgerechnet verbrannte Nudeln schmecken.“
„Du, es gibt jetzt einen tollen Spielfilm im Fernsehen.“
„Geh doch zu deinem blöden Film, kannst mich ja ruhig mit diesen verbrannten Nudeln alleine lassen.“
„Wenn du deine Tage kriegst, kann man nicht mit dir reden.“
„Typisch Mann, alles wird auf die Hormone geschoben. Dabei seid ihr so was von schwanzgesteuert.“
Mann geht wortlos fernsehen, Frau sitzt über den Nudeln und heult.
So oder ähnlich spielten sich die Tage vor den Tagen in den meisten Familien ab. Und das ist seine Erfahrung, wenn es darum geht, mit seinem Weib das Thema hormonelle Schwankungen zu erörtern. Frau geht bei dem Thema auf die Barrikaden. Und jetzt? Hilf ihm, damit er dir helfen kann.
Stier bei den Hörnern packen und offen sagen, was los ist? Man muss ihm ja nicht gleich sagen, dass das noch gut zehn Jahre so weitergehen kann. Männer lieben nun mal humorvolle Frauen. Frag ihn doch mal, ob er sich auch vorstellen kann, ohne prämenstruelles Syndrom mit dir zu leben. Und dann gib es ihm häppchenweise, damit er nicht die volle Panik kriegt.
Vor allem müssen wir natürlich lernen, zu sagen: Hör mal, es geht mir heute wirklich dreckig. Ich habe Komplexe, bin schlecht drauf und alles fällt mir aus der Hand. Das sind wohl Hormonstörungen. Ich will in den Arm.
Das hört sich so einfach an. Dabei hätten wir rund fünfunddreißig Jahre Zeit gehabt, es zu üben. Okay, lass uns anfangen, endlich erwachsen damit umzugehen. Eine andere Chance haben wir nämlich nicht.