15 Nicht alle Baseballschläge sind gleich
Der Rechtsmediziner knipst das Licht aus und beleuchtet die hinter einer Scheibe an der Wand befestigten Röntgenbilder. Mit dem Finger lenkt er Lifantes Blick.
»Das ist der Kopf der Frau. Der Schlag traf sie von oben, mithilfe des gesamten Körpergewichts des Mörders. Er hielt den Schläger mit beiden Händen, und die Wucht des Schlags und sein Gewicht haben sie getötet, auch wenn es kein sauberer, klug gesetzter Treffer war. Der Schlag war eher stümperhaft. Eine kriminelle Stümperei, aber letztlich Stümperei. Kommen wir zur Röntgenaufnahme von Rocco Cavalcanti. Dem wurde ein perfekter Schlag verpasst, direkt auf die Schädelbasis, oberhalb des Genicks, damit wir uns verstehen, mit großer Perfektion, als wäre sein Kopf ein Ball gewesen. Ein Schlag von jemandem, der es gewohnt ist, einen Schläger zu benutzen, und der die nötige Muskulatur besitzt, um einen derart heftigen Schlag von der Seite ausführen zu können. Glauben Sie ja nicht, das wäre leicht. Hier, nehmen Sie diesen Schläger, und versuchen Sie Inspektor Cifuentes, der etwa so groß ist wie Sie, von der Seite zu treffen. Los, versuchen Sie es.«
Cifuentes räusperte sich.
»Aber bitte nicht im Dunkeln. Können Sie Licht machen?«
Der düstere Gerichtsmediziner tat ihm den Gefallen. Lifante nahm den Baseballschläger fest in beide Hände, stellte sich in angemessener Entfernung von seinem Assistenten auf, hob den Schläger und holte aus. Obwohl er auf den Schädel des Magisters in Bettlerkunde gezielt hatte, geriet sein Schlag wegen des Gewichts des Holzes tiefer als beabsichtigt, und Cifuentes spürte ihn wie einen Kometen zwei Zentimeter an seinem Hals vorbeizischen.
»Sehen Sie? Sie wollten ihn auf Höhe des Kopfes treffen, aber so hätten Sie ihm höchstens auf stümperhafte Art den Hals zertrümmert. Nein, der Schlag, mit dem Rocco getötet wurde, stammt von einem erfahrenen Schläger.«
»Einem Baseballspieler?«
»Ich bezweifle, dass es unter den Baseballspielern Barcelonas Mörder gibt, aber irgendein Profi, der weiß, wie man zuschlägt. Schicken Sie Ihre Informanten los.«
»Ein Mörder reicht offensichtlich nicht, muss ich wirklich zwei suchen?«
»Das ist Ihr Problem.«
Lifantes Generalstab gehörten Spezialisten der unterschiedlichsten Disziplinen an, und so wie der Magister in Bettlerkunde auch ein Experte war, was Vergewaltigungen in den Außenbezirken betraf, so wusste Rodríguez, der Fahnder von Designerdrogen und ehemalige radikale Verfechter einer makrobiologischen Ernährung, fast alles über Auftragsmörder.
»Mord ist eher selten. Aber dass jemand verletzt oder verkrüppelt wird, kommt täglich vor. Hunderttausend Peseten, für alle Fälle einen Anwalt und ein Strohmann, der die Kaution bezahlt. Wenn es um Schläge mit Baseballschlägern geht, greift man normalerweise auf Skinheads zurück, echte oder vermeintliche. Ich kann dir auf der Stelle die Namen von drei Killern aufzählen, die als Skins rumlaufen, aber keine sind.«
Lifante notiert sich die Namen und teilt die Arbeit ein.
»Curro, du nennst dich weiter Curro und redest mal ein ernstes Wörtchen mit Cayetano. Wenn du es für nötig hältst, nimmst du ihn fest und bringst ihn mir her. Und du, Ecstasy, kommst mit mir und drei Beamten mit, um Killer zu suchen. Ich weiß auch schon, wo. Ich tappe nicht gern im Dunkeln.«
Sie verbrachten den halben Nachmittag mit der Suche nach den drei Individuen. Ihre spektakulärste Aktion war die Erstürmung mehrerer ausrangierter Boote in einer alten Werft im Puerto Viejo. Ein Nest voller Ratten und Faschisten, wie ihnen der Spitzel zugeflüstert hatte. Lifante und die Seinen gingen bei der Razzia mit großer Theatralik vor, die Ausbeute waren ein paar Gras rauchende Jugendliche und ein Hund, der ihnen Gesellschaft leistete. In einem Waggon auf einer stillgelegten Strecke am Rand von Poblenou stießen sie auf ein Obdachlosenbordell mit einer Schlange alter Männer davor, die darauf warteten, als Nächster das Erste-Klasse-Abteil zu betreten, wo zwei schwarze Mädchen die Beine breitmachten. Die letzte Chance war das La Raza, ein Fitnesscenter für Kampfsportler und Bodybuilder.
Pascualet war gerade dabei, seine Muskeln zu stählen, als er sich plötzlich von seltsamen Leuten und dem erwartungsvollen Schweigen der schwitzenden Sportler umringt sah.
»Pass auf, wenn du ihm Handschellen anlegst, diese Kerle haben sogar an den Handgelenken Muskeln.«
Kaum war Pascualet in Handschellen und ziemlich aufgebracht abgeführt worden – obwohl er nach wie vor ein arrogantes Gesicht machte, wie Celso Cifuentes, ganz hysterisch wegen der vielen Muskeln, nicht müde wurde zu wiederholen –, griff der Manager des Fitnesscenters zu seinem Handy.
»Problem X4.«
Der Dicke drehte die Lautstärke hoch, damit sie den gesamten Wagen ausfüllte.
»Problem X4, Problem X4. Verhaftung durch Polizei.«
»Polizei? Habt ihr das überprüft?«
»Positiv.«
»Lifante?«
»Positiv.«
»Säuberung Wohnung, ich wiederhole, Säuberung Wohnung. Ich seh mir die Sache mal an.«
Abrupt machte der Wagen eine halbe Drehung, was alle möglichen, nicht immer verständlichen Formen der Entrüstung bei den anderen Autofahrern hervorrief. Als der Dicke vor Pascualets Domizil hielt, war die Polizei bereits da. Alquiles beschränkte sich nicht darauf, die Position des Fensters auszumachen, hinter dem die Wohnung des Bodybuilders lag. Er öffnete das Handschuhfach, und eine winzige Abhöranlage kam zum Vorschein. Auf diese Weise konnte er sich ein Bild davon machen, was hinter der Scheibe auf Etage 6D geschah, und mithören, was die Polizeibeamten Pascualet zu sagen hatten. Lifante hielt ihm einen Baseballschläger vor die Nase.
»Habt ihr damit auf die Bettlerin und Rocco eingeschlagen?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
»Du weißt ganz genau, welche Bettlerin ich meine. Woher wusstet ihr, dass sie Rocco Cavalcanti geholfen hat?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Ihr könnt den Schläger gerne untersuchen, außer Kopfhaut von Schwulen werdet ihr nichts finden.«
»Wenn es nicht dieser Schläger war, dann irgendein anderer, den du dir von deinen Kumpels besorgt hast. Mal sehen, wie dir das gefällt, wenn wir dich in eine dunkle Zelle stecken, Muskelprotz. Da werden deine hübschen Muskeln schnell schrumpfen.«
Während er weiter das Gespräch abhörte, telefonierte der Dicke im Wagen.
»Osorio, ich brauche einen Anwalt, aber beeil dich. Der Typ macht schlapp, wenn er zwölf Stunden keine Eiweißpräparate kriegt. Ich werd denen da oben mal richtig den Kopf waschen.«
Lifante und der Dicke trafen fast im selben Moment vor dem Polizeipräsidium ein. Jorge Basualdo, ein vierundzwanzigstündiger Faschistenbefreier und Anwalt von Pascual Esteve Macanaz, alias Pascualet, war bereits da.
»Sieh an, Basualdo. Mal wieder schneller als der Verhaftete.«
»Man muss eben wissen, wer gerade festgenommen wird.«
Im selben Augenblick betrat der Dicke mit einem gequälten Zug um die Lippen das Büro des Polizeipräsidenten.
»Ich bin wirklich verzweifelt, Chef. Alles, was wir besprochen haben, war umsonst. Dieser Lifante schnüffelt mir zu viel herum. Offen gestanden, ich verstehe das, und ich weiß, das Gesetz steht über allem. Aber angesichts der Logik der historischen Entwicklung ist das Gesetz eine blinde Dame. Ihr Inspektor hat Pascualet verhaftet, eine Institution innerhalb der illegalen Gruppen, die Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre in Argentinien aktiv waren. Er wurde in Bolivien ausgebildet, zusammen mit den Italienern. Sie alle stehen in Kontakt mit spanischen Funktionären und anderen Personen in leitender Funktion, die das alte Regime überdauert haben. Wollen Sie, dass dieser ganze Abschaum wieder ans Licht kommt? Wie soll die aktuelle Regierung einen Vorteil aus der Offensive gegen die radikalen Gruppen der GAL ziehen, wenn jederzeit und überall ähnliche Gruppierungen auftauchen? Sie sind ein Profi, das weiß ich. Deshalb sollten Sie nicht vergessen, dass ich für die gesamte Polizei von Rosario verantwortlich war, der Heimat des Che, und das während des Prozesses der nationalen Reorganisation! Reden Sie mit Ihren Vorgesetzten. Wir brauchen dringend eine politische Entscheidung, werter Freund. Einen Schuldigen haben wir bereits, einen, der uns keine Probleme machen wird. Ich rede von diesem störrischen Bettler, Cayetano, so heißt er, glaube ich. So einfach lässt sich die Sache lösen.«
Im selben Moment hatte Inspektor Lifante einen Beschluss gefasst.
»Ich will, dass ihr den Fund von Rocco Cavalcantis Leiche publik macht. Deutet an, dass es sich um eine Abrechnung zwischen Drogenbanden handelt, aber es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Sache etwas mit dem Fall Helga Muchnik zu tun hat.«
Eine Viertelstunde später ging das Fax in den Redaktionen der wichtigsten Tageszeitungen, Radiosender und Fernsehkanäle der Stadt ein und rief kaum ein müdes Augenbrauenhochziehen bei irgendwelchen jungen Studenten der Informationswissenschaften hervor, die gerade ihr Praktikum absolvierten. Der eine oder andere versuchte seinen Vorgesetzten davon zu überzeugen, der Meldung nachzugehen, aber ein toter Dealer mehr oder weniger, was spielte das für eine Rolle? Der Polizeipräsident war da anderer Meinung.
»Lifante, sind Sie wahnsinnig geworden? Ein Streit zwischen Dealern, und Sie verhaften einen gefährlichen Gewalttäter, einen rechtsradikalen Schlägertypen? Wollen Sie einen Skandal? Hat dieser Fascho was gestanden?«
»Nein.«
»Dann raus mit Ihnen. Stellen Sie sich das einmal vor: Rechtsradikale, Bettler, Drogendealer – und die Rechte an der Macht. Das nützt nur den Sozis.«