Der verflixte Heilige Gral?!

Ich höre auf zu jubeln, die Hände immer noch in der Luft, und starre Magnus an.

»Der Heilige Gral?«, wiederhole ich und stelle dabei fest, dass meine Stimme wie ein kreischendes Zischen klingt.

»Der verflixte HEILIGE GRAL?«

Magnus nickt kurz. »Ich habe dich gewarnt, dass es schlechte Nachrichten gibt.«

»Wie zum Teufel sollen wir einen Tropfen Blut aus dem Heiligen Gral kriegen? Gibt es den Heiligen Gral überhaupt? Ich dachte, das sei etwas, das sich die Kirche ausgedacht hat … oder Steven Spielberg.« Ich lasse den Kopf auf den Tisch krachen. »Ich bin geliefert. Geliefert, geliefert, geliefert. Verdammt, für alle Zeiten als Geschöpf der Nacht auf Erden zu wandeln. Verdammt, bis in alle Ewigkeit Spenderblut zu trinken.«

»Ruhig Blut, Sunny«, befiehlt Magnus, den mein zugegebenermaßen übertrieben dramatischer Ausbruch ein bisschen zu nerven scheint. »Es gibt den Gral. Ich habe ihn mit eigenen Augen gesehen.«

Ich blicke auf, plötzlich wieder voller Hoffnung. »Ja?«

»Allerdings.«

»Dann weißt du also, wo er ist?«

Magnus zögert. »Ähm, nicht direkt.«

Ich wusste es! Ich wusste einfach, dass er das sagen würde.

»VERDAMMT! ICH BIN VERDAMMT!«, rufe ich und haue weiter mit dem Kopf auf den Tisch.

»Würdest du bitte leise sprechen?«, zischt Magnus mich an.

»Du beunruhigst die anderen.«

Ich hebe den Kopf und sehe mich um. Und tatsächlich, so ziemlich der gesamte Club Fang mustert mich mit entschieden säuerlichen Blicken.

»Weißt du, nicht jeder betrachtet das Vampirsein als Katastrophe« schimpft ein Teenager mit schwarzem Cape und blond gebleichtem Haar, der erschreckende Ähnlichkeit mit Spike aus der Serie Buffy hat. »Tatsächlich finden einige von uns es ziemlich gut.«

Oh, Bruder.

»Ähm, Entschuldigung?«, frage ich zaghaft, nachdem ich beschlossen habe, einen auf demütig und unwissend zu machen. Schließlich werde ich ab nächstem Samstagabend für immer und alle Zeit ein Mitglied der bluttrinkenden Zunft sein und ich möchte nicht gleich alle auf dem falschen Fuß erwischen. »Nichts für ungut. Es ist bestimmt eine sehr angenehme Art und Weise, die Ewigkeit zu verbringen. Es ist nur, nun ja, es ist nicht direkt mein Ding, verstehst du.«

»Was auch immer«, antwortet der Spiketyp und wendet sich wieder seinen Begleitern zu. »Gott, ich hasse Vampirneulinge«, fügt er leise hinzu.

»Also, WIE DEM AUCH SEI«, unterbricht Magnus mich lau, bevor ich »Spike« den Finger zeigen kann, »ich hatte meine Ausführungen noch nicht beendet, als du in verfrühte Trauer ausgebrochen bist.«

»Oh. Tut mir leid«, murmele ich. »Sprich weiter.«

»Wie ich schon sagte, der Heilige Gral ist kein Mythos. Es ist ein reales Machtobjekt. Der Kelch wurde von Christus während des letzten Abendmahls benutzt. Dann hat Joseph von Arimathäa ihn an sich genommen und mit Jesu Blut gefüllt, nachdem dieser am Kreuz gestorben war.«

Ein Weinglas mit dem Blut eines Toten füllen. Ein netter, normaler Typ, dieser Joseph von Arimathäa. Andererseits geht mir auf, dass gerade ich die Klappe halten sollte, nachdem ich soeben einen Kelch Chäteau de Rachel et Charity runtergekippt habe.

»Der Gral war viele Jahre lang im Heiligen Land versteckt, bis die britischen Ritter während der Zeit der Kreuzzüge dort waren. Sie haben den Kelch gestohlen und nach England gebracht.«

Ich trommele mit den Fingern auf den Tisch und warte ungeduldig darauf, dass Mag endlich zur Sache kommt. Ehrlich, ich glaube nicht, dass ich an dieser Stelle die ganze Geschichte von Eva und Adam anhören muss.

»Faszinierend. Wirklich«, sage ich, als der Vampir innehält, um Luft zu holen. »Wenn du mir jetzt einfach sagen

könntest, wie wir an das Ding rankommen?«

Er ignoriert mich natürlich und leiert weiter. Er würde einen großartigen Geschichtslehrer abgeben. Er ist fast so langweilig wie Miss Dawsen. »Irgendwie ist die uralte Reliquie in die Hände der Dame vom See gefallen, Nimue, die auf der Insel Avalon lebte. Und man vermutet, dass der Gral sich bis auf den heutigen Tag noch dort befindet. Tief in der Erde vergraben, in einer geheimen Höhle unter dem Hügeltor.«

Jetzt kommen wir langsam weiter. »Also ist Avalon tatsächlich ein realer Ort? Existiert es noch immer? Können wir dorthin fahren und den Gral holen?« Ich weiß, dass ich meine Fragen schneller stelle, als Magnus sie beantworten kann, aber ich bin viel zu verzweifelt, um aus meiner Haut zu können.

»Ja, nein vielleicht«, antwortet Magnus sachlich. »In dieser Reihenfolge.«

»Ähm ...«

»Ja, es war ein realer Ort«, erklärt er. »Aber die Priesterinnen der Vergangenheit gibt es schon lange nicht mehr. Es ist technisch gesehen nicht einmal mehr eine Insel.

Im Laufe der Jahre hat das Wasser Avalon in Sumpfland verwandelt und die Sümpfe sind inzwischen ausgetrocknet.

Was früher eine Insel war ist jetzt mit dem englischen Festland verbunden.«

»Kapiert.«

»Das gegenwärtige Avalon liegt an einem Ort namens Glastonbury. Einem kleinen, ruhigen Dorf im Südwesten Englands.«

»Glaubst du, dass der Gral immer noch dort in der Gegend ist?«

»Vielleicht.« Magnus streicht sich nachdenklich übers Kinn.

Ich liebe diesen Anflug eines gefährlichen Stoppelbarts, der auf seinem ansonsten so jungenhaften Gesicht lauert. Ich frage mich, ob Vampire sich rasieren müssen. »Ich habe Gerüchte über einen uralten Druidenorden gehört, der noch immer in dem Dorf beheimatet sein soll. Sie hüten ihre Geheimnisse sehr sorgfältig, aber wenn man die richtige Art von Überredungskunst anwendet, werden sie ihre Weisheit vielleicht teilen.«

»Und das ist gut für uns, ja?«, frage ich hoffnungsvoll. »Ich will dich nicht anlügen, Sunny. Es wird definitiv schwer sein, Erfolg zu haben.«

»Schwer, aber nicht unmöglich.«

»Korrekt.«

»Also«, sagte ich in dem Bedürfnis, das Ganze noch mal zusammenzufassen. »Ich brauche lediglich nach England zu fliegen, dort nach Glastonbury zu fahren, die Mitglieder eines alten versteckten Druidenordens zu finden und sie dazu zu überreden, mich zum Heiligen Gral zu führen, wo ich einen Tropfen reinigenden Blutes trinken und meine Verwandlung in einen Vampir aufhalten kann.«

»Und das alles vor Samstag um Mitternacht«, fügt Magnus mit einem Blick auf seine Armbanduhr hinzu. Ich seufze. Vielleicht ist das Glas doch nicht halb voll, sondern halb leer. Oder in diesem Fall eher so was von leer, dass »staubtrocken« eine angemessene Beschreibung wäre.

Zunächst mal, wie zum Kuckuck soll ich nach England kommen? Ich kann meiner Mom wohl kaum aus heiterem Himmel eine Reise vorschlagen. Sie würde lauter lächerliche Einwände erheben - ihren Job, meine Schule, niemanden, der sich um unsere Katze Missy kümmert, etc. etc. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass diese alte Hippie-Frau der aus der Mode gekommenen Auffassung anhängt, Flugzeuge seien benzinverschlingende Monster, die der Umwelt Schaden zufügen und nur in Notfällen benutzt werden sollten, wie bei Grandmas Beerdigung, als wir keine Zeit hatten, ihren Toyota Prius mit Hybridantrieb zu nehmen.

Vergiss es, meine Chancen, vor Samstag um Mitternacht in das gute alte England zu reisen, tendieren gegen null.

»Ich schätze, du kannst anfangen, mich Vampir Sunny zu nennen«, sage ich mit einem trostlosen Seufzer. Ich nehme noch einen Schluck von dem Blutwein. Wenn es schon mal so ist, kann ich mich auch gleich an das Zeug gewöhnen.

»Einen Moment mal«, sagt Magnus. »So leicht gibst du doch nicht auf, oder?«

Ich blicke von meinem Glas auf. »Ich lebe nicht in einer Fantasiewelt Mag. Ich klammere mich nicht an falsche Hoffnungen. Es gibt nicht die geringste Möglichkeit, wie ich vor Samstag nach Glastonbury kommen kann. Ich bin einfach realistisch.«

Magnus greift nach seinem eigenen Glas, lässt die Flüssigkeit kreisen und starrt es eine Sekunde lang an.

Dann sieht er mich an. »Ich bringe dich hin«, sagt er nach einer langen Pause.

Ich erwidere seinen Blick und versuche, das Saphirblau seiner Augen zu ignorieren. »Was?«, frage ich, obwohl ich ihn sehr gut verstanden habe. Ich kann nur einfach nicht glauben, was er gesagt hat.

»Ich bringe dich nach England. Nach Glastonbury. Nach Avalon. Um den Gral zu suchen.«

»Du würdest ... du würdest mich hinbringen?«, wiederhole ich, wohl wissend, dass ich im Augenblick nicht besonders intelligent klinge. Aber trotzdem ... Magnus zuckt die Achseln. »Klar. Der Zirkel hat einige Privatjets. Ich kann mir morgen Abend einen borgen und wir können rüberfliegen.« Er stellt sein Glas auf den Tisch.

»Ich weiß ehrlich nicht, ob wir den Gral dort finden werden, aber wir können es zumindest versuchen, stimmt's?«

Ich nicke langsam, vollkommen geplättet angesichts der Dinge, die er gerade vorgeschlagen hat. Ich meine, er hat doch sicher etwas Besseres zu tun, als sich für eine Woche auf die aussichtslose Suche nach dem Heiligen Gral zu machen. Und trotzdem ist er wirklich bereit, seine Pläne über den Haufen zu werfen, um mir zu helfen.

»Das ist so … nett von dir«, sage ich matt.

Er greift nach meiner Hand. Gah! Bei seiner Berührung kriecht mir ein Schauder über den Arm, durch meinen Körper und bis in meine Zehen hinab; es ist wie eine Art verrückter elektrischer Strom. Ich widerstehe dem Drang, mich zu winden.

»Sunny«, sagt er und zeichnet mit dem Finger meinen Handrücken nach. Okay, er muss unbedingt damit aufhören.

Sofort.»Ich hoffe, du weißt, dass ich mich ganz schrecklich fühle wegen all der Dinge, die ich dir angetan habe. Wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, wie ich das wiedergutmachen und den Fluch aufheben kann, den ich dir auferlegt habe, dann will ich das tun.«

Ich schmelze dahin wie ein Zitroneneis in der Sonne. »D ...danke«, murmele ich. »Ich ... weiß das wirklich zu schätzen.« Ich klinge total lahm, aber was kann ich sonst sagen?

Er sieht mich von der anderen Seite des Tisches her an. Ich möchte den Blick abwenden, aber aus irgendeinem Grund bin ich wie hypnotisiert. Er hat wirklich erstaunliche Augen. Ich frage mich, ob er damit geboren wurde oder ob es etwas ist, das man als Dreingabe bekommt, wenn man ein Vampir wird. Ich schätze, es wäre ein ziemlich guter Trostpreis. Verliere deine Seele, gewinne fesselnde, unwiderstehliche Augen. Ja, das wäre tatsächlich cool.

Vielleicht könnte man auch abnehmen und wie ein Supermodel aussehen. Blut hat bestimmt ziemlich wenig Kohlenhydrate, stimmt's? Viele Proteine, viel Eisen ...Wir starren einander immer noch an. Diese Geschichte wird langsam etwas unheimlich. Ich sollte etwas sagen.

Wegsehen. Jedenfalls nicht darüber nachdenken, was ich tun werde, wenn er sich über den Tisch beugt, mein Kinn umfasst und mich bis zur Besinnungslosigkeit küsst.

Das Erschreckende ist nämlich, dass ich es ihn vielleicht würde tun lassen. Tatsächlich denke ich, dass ich seinen Kuss vielleicht sogar erwidern würde.

Und das wäre ein sehr, sehr, sehr großer Fehler.

»Magnus!«, ertönt eine gequält klingende Stimme. »Da bist du ja.«

Magnus wendet sich von mir ab, der Stimme zu, und eliminiert damit alle Kussmöglichkeiten. Puh. Was für eine Erleichterung. Schließlich möchte ich mit einem Geschöpf der Nacht keine wie auch immer geartete Beziehung anfangen - sei sie körperlicher oder sonstiger Beschaffenheit. Und das gilt ganz besonders für jemanden wie Mag. Obwohl ich zugeben muss, dass er erheblich netter und nobler ist, als ich es zuerst angenommen habe.

Und er sieht wirklich ziemlich gut aus . ..

Ich schüttele den Kopf, um meine verrückten Gedanken loszuwerden, und richte meine Aufmerksamkeit auf den Typen, der auf unseren Tisch zukommt.

»Jareth«, begrüßt Magnus unseren Besucher mit schmalen

Lippen. Ist er ebenfalls enttäuscht darüber, dass unsere potenzielle Küsserei so rüde unterbrochen wurde? Nein, ich bilde mir etwas ein. »Wie geht es dir heute Abend?«

»Wie es mir geht?«, fragt Jareth mit unüberhörbarer Ungläubigkeit. Er ist hochgewachsen und gut aussehend auf eine britische Art und Weise, wie Jude Law etwa. Sieht aus wie achtzehn, ist wahrscheinlich aber eher um die achthundert. »Wie es mir geht?«, wiederholt er. Er zieht sich einen Stuhl heran und setzt sich. »Der mächtige Anführer unseres Zirkels ist auf tragische Weise niedergemetzelt worden und du fragst mich, wie es mir geht?«

»Wir sind alle bis ins Mark erschüttert über den Verlust des Meisters«, stimmt Magnus ihm vorsichtig zu.

»Seid ihr das wirklich? Ihr alle?«, fragt Jareth scharf und betrachtet den Raum mit unheimlichen phosphoreszierend grünen Augen. Ich glaube inzwischen wirklich, dass diese Augengeschichte etwas mit dem Vampirfluch zu tun hat.

Wer hat im echten Leben schon so coole Augen? »Für Leute, die trauern scheint ihr euch aber verdammt gut zu amüsieren.«

Er hat nicht ganz unrecht. Niemand hier im Club Fang wirkt besonders niedergeschmettert angesichts der Tatsache, dass sein furchtloser Anführer vor etwa vierundzwanzig Stunden pulverisiert worden ist. Klar, sie tragen alle Schwarz, aber ich habe das Gefühl, dass das eher ein alltägliches Modestatement ist und weniger mit ihrem Respekt vor Lucifent zu tun hat.

»Ich bin davon überzeugt, dass wir alle auf unsere eigene Art trauern«, antwortet Magnus gelassen. »Einige tun es augenfälliger als andere.«

»Bah! Ich selbst würde ihnen nicht gestatten, eine solche Respektlosigkeit an den Tag zu legen«, höhnt Jareth. »Aber ich nehme an, du hast deinen eigenen Stil zu herrschen. Wo wir gerade beim Thema sind, wann gedenkst du, offiziell die Führung des Zirkels zu übernehmen?«

Was zum...? Ich reiße den Kopf herum, um Magnus anzustarren. Wovon redet dieser Typ? Die Führung des Zirkels übernehmen? Magnus?

Magnus zuckt die Achseln. »Ich muss mich um eine wichtige Angelegenheit in Übersee kümmern«, erklärt er.

»Wenn ich in die Staaten zurückkomme, werde ich meine Herrschaft antreten.«

Heilige Scheiße. Sagt er, was ich glaube, dass er sagt?

Magnus übernimmt Lucifents Rolle als König der Vampire?

Ich hatte keine Ahnung, dass der Typ so hoch oben in der Hackordnung steht. Ich war davon ausgegangen, dass er einfach irgendein gewöhnlicher Vampir ist, aber nein! Er ist von königlichem Geblüt. Wie cool ist das?

Hmm, überlege ich. Wenn ich für immer ein Vampir bleibe, bedeutet das dann, dass ich die Königin der Vampire sein werde? Denn das wäre irgendwie cool. Vor allem wenn da auch eine Tiara ins Spiel käme. Ich hatte schon immer eine Schwäche für Tiaras ...

»Bleib nicht zu lange weg«, rät Jareth ihm streng. Seine glühenden smaragdfarbenen Augen sind wirklich etwas beunruhigend »Es gibt andere, die deine Abwesenheit ausnutzen würden um ihre eigenen Rechte auf den Thron zu legitimieren.«

»Ich bin mir ihrer Ambitionen durchaus bewusst«, sagt Magnus sanft. »Und ich verspreche dir, ich nehme sie ernst.«

»Dann ist es ja gut«, erwidert Jareth, offensichtlich zufrieden mit Magnus' Antwort. »Während du fort bist, werden wir uns öffentlich auf deine Seite stellen. Es wird sie nicht aufhalten, aber vielleicht wird es ihrem Angriff die Spitze nehmen.«

»Ich danke dir, Bruder.« Magnus beugt sich vor, um den anderen Vampir zu umarmen. Mittendrin flüstert er ihm etwas ins Ohr, das ich nicht verstehen könnte, selbst wenn mein Leben davon abhinge. Nicht dass ich versuchen würde, sie zu belauschen oder so. Ich bin einfach neugierig.

Und he, wenn das Königinnenamt schon an mir hängen bleiben soll, finde ich, habe ich das Recht, über all diesen Kram Bescheid zu wissen.

»Du wirst einen guten Zirkelführer abgeben«, sagte Jareth, nachdem er sich aus der Umarmung gelöst hat. Er erhebt sich von seinem Stuhl und verneigt sich zum Abschied vor Magnus.

»Ich habe viel zu tun, also lebe wohl. Viel Glück bei deinem Abenteuer in Übersee und ich hoffe, dass ich mich, wenn du zurückkommst, über mehrere Angelegenheiten mit dir werde beraten können.«

»Ich freue mich darauf«, antwortet Magnus diplomatisch, erwidert den Salut des Vampirs und neigt den Kopf.

Sobald Jareth fort ist, drehe ich mich zu Magnus um, bereit ein paar klärende Worte zu dieser Königssache zu hören.

»Also, was geht da ab?«, frage ich eifrig. »Bist du jetzt so was wie der König der Vampire? Wie kommt es, dass du mir nichts davon erzählt hast? Man sollte doch meinen, dass du das gesprächsweise erwähnt hättest.«

Magnus zuckt die Achseln. »Ich dachte nicht, dass die Vampirpolitik dich interessieren würde.«

»Vampirpolitik, nein. Der Umstand, dass mein Blutsgefährte der König des Zirkels ist, Teufel, ja.« Magnus zieht eine Augenbraue hoch. » Dein Blutsgefährte?«

Ich spüre, wie mir eine ziemlich heftige Röte ins Gesicht schießt. Warum habe ich ihn gerade so genannt? Das war nicht meine Absicht. Es ist mir irgendwie rausgerutscht.

»Ähm, ja. Hm, jedenfalls mein vorübergehender Blutsgefährte, stimmt's? Bis wir den Gral gefunden haben und alles.«

»Ah.« Magnus nickt. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass er fast enttäuscht wirkt. Was total komisch ist, da ich weiß, dass er mich ebenso wenig als Blutsgefährten haben will wie ich ihn. »Natürlich.«

»Also, was geht ab?«, frage ich und kehre wieder zu dem eigentlichen Gesprächsthema zurück. »Bist du jetzt König, oder was?«

»Technisch gesehen, ja. Ich bin der erste Anwärter auf die Führerschaft unseres Zirkels«, antwortet Magnus. »Ich war Lucifents erster Zögling und daher sein direktester Blutsverwandter. Nach dem Recht der Vampire macht mich das zum Anführer.«

»Wow. Wie cool ist das?«, rufe ich. »König der Vampire.

Das muss eine verdammt gute Nummer sein. Du bist bestimmt total aus dem Häuschen.«

Magnus schüttelt den Kopf. »Nicht besonders, nein«, sagt er. »Mit der Position sind eine Menge Pflichten und große Gefahr verbunden. Sowohl in der Außenwelt als auch direkt in unserem Zirkel trachtet mancher danach, den Anführer zu vernichten, um seine eigenen politischen Pläne durchzusetzen.«

»Ja, das habe ich Jareth sagen hören. Also wird es Leute geben, die es auf dich abgesehen haben? Nicht nur die Jägerin, sondern auch andere Vampire?« Hmm, vielleicht ist es doch keine so gute Nummer, König der Vampire zu sein.

»Ja. Es wird Leute geben, die es auf mich abgesehen haben, wie du es so elegant ausgedrückt hast«, erwidert Magnus mit einem kläglichen Lächeln. »Aber ich mache mir keine Sorgen. Mit Jareths Männern an meiner Seite bin ich gut geschützt.«

»Sind sie so was wie Bodyguards?«

»Soldaten. Jareth ist der Anführer unserer königlichen Armee.«

»Ah, verstehe.« Wow. Diese Vampirgeschichte ist wirklich bis ins Letzte durchorganisiert. Es ist wie eine Untergrundgesellschaft, mit Königen und Soldaten und Schurken, die nichts Gutes im Schilde führen . . .Magnus erhebt sich von seinem Stuhl. »Wir haben lange genug herumgetrödelt. Ich muss Vorkehrungen für unsere morgige Reise nach England treffen.«

»Okay«, stimme ich zu, stehe auf und hebe meine Handtasche vom Boden auf. Ich blicke auf die Uhr. »Ich muss sowieso los, sonst komme ich nicht zur vorgeschriebenen Zeit nach Hause. Ich kann wohl kaum nach England jetten, wenn ich Hausarrest habe.«

Wir verlassen den Club und treten in die Nacht hinaus. Ich muss an das erste Mal denken, als wir über den Parkplatz geschlendert sind. Zu der Zeit dachte ich nur daran, dass ich mich mit einem scharfen Typen einlassen würde. Ha! Wenn ich gewusst hätte, was mir blüht, wäre ich kreischend in die Nacht davongelaufen.

Zumindest glaube ich, dass ich das getan hätte.

»Also, wenn du wirklich den Thron besteigen wirst und es böse, machthungrige Vampire gibt, die dich nur allzu gern stürzen und selbst Könige werden würden, hast du dann ehrlich Zeit, mit mir nach England zu düsen, um mir bei der Suche nach dem Heiligen Gral zu helfen?«, frage ich. Mags ohnehin bleiche Haut wirkt im Mondlicht fast durchscheinend. Ich weiß nicht, wie ein einzelner Vampir so zum Anbeißen gut aussehen kann. Es ist einfach unfair.

»Versteh mich nicht falsch«, füge ich hinzu. »Ich bin total froh, dass du mir helfen willst, da ich es unmöglich allein schaffen kann. Es ist nur so, dass ich gerade versuche, die Selbstlose zu geben und alles; es sieht nämlich so aus, als hättest du eine Menge am Hals.«

Magnus lächelt - dieses sanfte, beruhigende Lächeln, das er nur gelegentlich benutzt, bei dem ich aber jedes Mal ein klein wenig dahinschmelze. Ich kann nicht glauben, dass ich ihn bei unserer ersten Begegnung für ein Arschloch gehalten habe.

»Du bist meine Blutsgefährtin«, antwortet er schlicht, tastet nach meiner Hand und drückt sie. »Ich würde für dich sterben.»

Gah! Eine kleine Vorwarnung, bevor er mich anfasst, wäre er nett. Im Wesentlichen, damit ich dem überwältigenden Drang widerstehen kann, mich in ein Häufchen Wackelpudding zu verwandeln, herzlichen Dank.

»Du würdest … für mich ... sterben?«, gelingt es mir, hervorzustoßen. Ich muss unbedingt die Stimmung ein wenig aufhellen.»Bist du nicht technisch gesehen bereits tot?«

Er kichert über meine Bemerkung und zieht an meiner Hand, sodass ich ihm direkt gegenüberstehe. Wir sind einander viel zu nah. Ich spüre seinen Atem auf meinem Gesicht. Seine Hände bewegen sich zu meiner Taille hinab.

Ich hole heiser Atem und versuche, einen Hauch von Beherrschung zu wahren.

»Ähm« sage ich, plötzlich nicht mehr so beredt wie sonst.

Mein Herz hämmert unkontrolliert und ich habe das Gefühl, dass ich gleich umkippen werde. Wie kann ein einziger Typ nur so viel Sexappeal haben?

Dann fällt es mir wieder ein. Der Vampirduft. Ich fühle mich in Wirklichkeit überhaupt nicht zu ihm hingezogen.

Es sind bloß diese Pheromone, die mich in Wallung bringen. Ha!

Ich ziehe mich zurück. »Gibt es eigentlich eine Möglichkeit, wie du den Vampirduft abstellen kannst?«, frage ich. »Weil er mich nämlich irgendwie umhaut.«

Er lacht und zieht mich näher an sich, sodass meine Kurven mit seinem harten, flachen Bauch verschmelzen. Er fühlt sich so gut an, dass ich kaum aufrecht stehen bleiben kann.

»Als meine Blutsgefährtin bist du immun gegen meinen Vampirduft«, flüstert er mir zu und kitzelt mit seinem Atem mein Ohrläppchen. »Wenn du dich zu mir hingezogen fühlst, hat das nur mit dir selbst zu tun.«

Siehst du? Ich bin wirklich geliefert.

»Ähm, bitte. Du hast das total falsch verstanden. Ich, ähm, fühle mich nicht zu dir hingezogen«, bringe ich mit Mühe heraus und löse mich widerstrebend aus seiner Umarmung.

»Ich meine … ähm ...«

Er lässt mich mit einem Grinsen los. »Klar. Du fühlst dich nicht zu mir hingezogen. Kein bisschen. Gut zu wissen.« Er sieht so aus, als würde er mir keine Sekunde glauben. Was verständlich ist, da ich mir nicht einmal selbst glaube.

»Ich, ähm, muss jetzt gehen«, sage ich und mache einige Schritte rückwärts. Tatsächlich muss ich diesen Schauplatz verlassen, und zwar pronto - bevor ich mich ihm an den Hals werfe und den Leidenschaften der Nacht erliege.

(Wow, kling ich jetzt wie ein Liebesroman oder was?) »Ich möchte nicht, dass meine Mum sauer wird und ich Hausarrest kriege, weil ich den dritten Abend hintereinander zu spät nach Hause komme.«

Magnus nickt. »Natürlich. Ich verstehe.« Ich gebe mir alle Mühe festzustellen, ob er enttäuscht wirkt, aber er zeigt ein komplettes Pokerface. »Es ist wahrscheinlich das Beste so. Ich hab viel zu tun.«

»Klasse. Okay.« Warum bin ich dann plötzlich so furchtbar enttäuscht? Was wollte ich, dass er tut - mich packen und in seine Höhle schleifen und mir seinen Willen aufzwingen?

Er ist ein Gentleman. Ein ehemaliger edler Ritter, der die Regeln der Ritterlichkeit noch voll draufhat. Kein barbarischer Höhlenmensch, der keinen Respekt vor Frauen hat.

»Also, wann brechen wir nach England auf?«, frage ich und wende mich meinem geparkten Wagen zu. Magnus folgt mir mit einigen Schritten Abstand.

»So bald wie möglich«, sagt er. »Ich werde mich heute Nacht um einen Privatjet kümmern. Wir treffen uns morgen Nachmittag um vier am Manchester Airport und dann werden wir weitersehen.«

»Okay«, sage ich und angele meine Schlüssel aus meiner Handtasche. Ich öffne die Fahrertür. »Also dann, bis morgen, schätze ich.«

»Bis morgen«, wiederholt Magnus.

Wir stehen einen Moment lang da, als wolle keiner von uns als Erster weggehen. Warum muss das so peinlich sein?

Schließlich wendet Magnus sich ab. »Mag?«, rufe ich ihm nach.

Er bleibt stehen und dreht sich wieder zu mir um. »Ja?«, fragt er mit einer leisen, kehligen Stimme, die mich schon wieder total anturnt.

»Danke.«

Er nickt langsam und setzt sich wieder in Bewegung. Ich höre ihn etwas vor sich hin murmeln. Etwas, das ich nicht ganz verstehen kann. Aber es klingt verdammt nach: »Für dich tue ich doch alles, meine Liebste.«

Aber ich bilde mir das sicher nur ein, klar?