Bertha, die Vampirjägerin

»Dann gibt es also eine Möglichkeit?«, frage ich und versuche, meine Aufregung im Zaum zu halten. »Die Transformation! lässt sich rückgängig machen?«

Lucifent nickt. »In der Tat«, sagt er. »Es ist eigentlich ganz simpel. Ihr braucht lediglich . ..«

Plötzlich, Millisekunden, bevor er das Wissen ausspucken kann, das mich vor der ewigen Verdammnis bewahren könnte, gehen Warnsirenen los. Sie klingen wie etwas aus einer Star-Trek-Episode, wenige Sekunden bevor die Enterprise den Selbstzerstörungsmechanismus auslöst. Oder nachdem Homer Simpson im Atomkraftwerk von Springfield wieder einmal etwas Idiotisches angestellt hat.

»Die Grenze ist verletzt worden«, verkündet eine weibliche Roboterstimme, wobei ihr Tonfall seltsam gelassen und computerisiert ist. »Die Jägerin hat das Gebäude betreten.«

Lucifent gibt einen Fluch von sich, den kein Haley-Joel-Double jemals von sich geben sollte, da es für jeden in der Nähe ziemlich beunruhigend ist. Dann springt er von seinem Schreibtisch, die Augen weit aufgerissen vor Angst.

»Wir müssen es in den sicheren Raum schaffen!«, ruft er und läuft auf die Tür zu.

»Warte«, rufe ich und habe Mühe, mir in dem Chaos Gehör zu verschaffen. »Was ist mit meiner Rückverwandlung in einen Menschen?«

»Später!«, sagt Magnus panisch, während er mich am Arm packt und zur Tür schiebt. »Wir müssen uns vor Bertha verstecken.«

»Bertha?«

»Ja, Bertha« , wiederholt er ungeduldig und schleift mich aus dem Büro. »Vor Bertha, der Vampirjägerin.«

Hmm. Das klingt ganz anders als ihre Fernsehschwester.

Aber okay, wie auch immer.

Ich folge Magnus den reich geschmückten Flur hinunter.

Wir holen Lucifent, dessen kleine Beine keine großen Schritte wie unsere machen können, schnell ein und laufen an ihm vorbei, »Beeilen Sie sich, Master«, fleht Magnus.

»Die Jägerin ist in das Sanktuarium eingedrungen«, erklärt der weibliche Computer hilfreicherweise.

»Puh.« Magnus hört auf zu rennen und lässt Lucifent zu uns aufschließen. »Sie ist auf der anderen Seite des Geländes.

Sie wird mindestens zehn Minuten brauchen, um hierher zu kommen.«

Lucifent nickt. »Wir sollten trotzdem versuchen . . .«

»Die Jägerin hat den östlichen Flur betreten.«

Hmm. Entweder die Jägerin ist superschnell oder irgendwas stimmt nicht mit der Matrix. Denn plötzlich lässt sich eine Frau von dem Gitter in der Decke fallen und versperrt uns den Weg.

Sie ist in schwarzes Leder gekleidet, aber komm jetzt nicht auf den irrigen Gedanken, sie sei total attraktiv und sexy.

Nur so viel sei gesagt, Bertha, die Vampirjägerin, ist offensichtlich in ihrer Mittagspause ein paar Mal zu oft im Drive-in gewesen. Und Leder ist nicht sehr nachsichtig, wenn es darum geht, deine Pommes frites zu kaschieren.

Das gilt ganz besonders für eng anliegende Lederhosen, die ihrem Bauchfett gestatten, über den Gürtel zu quellen. Füge ein pickliges Gesicht und strähniges blondes Haar hinzu und du kriegst eine ziemlich gute Vorstellung davon, wie diese »Jägerin« aussieht.

Ich glaube, ich ziehe Sarah Michelle Gellar vor.

»Lucifent«, faucht sie und hebt ihren Holzpflock. Wow, sie trägt auch noch eine Zahnspange. Ich kann nicht fassen, das der sterbliche Feind aller Vampire zu einem Kieferorthopäden geht. »Bereite dich darauf vor, zu sterben.«

Dann springt Bertha ohne weiteres Getue und schneller, als dass ich ihr mit Blicken folgen könnte, den Flur hinunter und das Schwabbelfleisch zappelt herum wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Dann rammt sie Lucifent den Pflock ins Herz.

Es gibt keine dramatische Kampfszene. Keinen Austausch von cleverem Geplänkel. Es wird nur gepfählt. Und in Staub zerfallen. Und schwups, kein Lucifent mehr.

Ich sehe entsetzt zu, wie der einzige Typ, der weiß, wie man meine Verwandlung in einen Vampir rückgängig machen kann, in Rauch aufgeht.

Aber bevor ich diese Tatsache entsprechend betrauern kann, dreht Big Bertha sich mit einem bösen, zahnspangenglitternden Grinsen zu uns um und mir wird bewusst, dass wir möglicherweise im Augenblick größere Probleme haben.

Scheiße.

»Lauf!«, ruft Magnus.

Ich brauche keine zweite Aufforderung.

Wir rennen den Flur hinunter, Bertha dicht auf den Fersen.

Magnus zerrt mich in einen Nebenraum und knallt die Tür zu, bevor er einen Stuhl unter den Griff rammt. Mein Herz hämmert wie verrückt, während ich zusehe, wie er zu dem Bücherregal auf der anderen Seite des Raums läuft und es mit Blicken absucht.

Was macht er da?

Ich kann Bertha an die Tür hämmern hören.

»Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für den

Literaturclub!«, schreie ich.

Magnus ignoriert mich und zieht einen großen, staubigen Band vom Regal. Plötzlich schwingt das Bücherregal auf und enthüllt einen Geheimgang, der in die Dunkelheit führt.

Oh. Hey, nicht übel.

»Beeil dich«, zischt er.

Hinter uns schlägt Bertha jetzt die Tür mit etwas ein, das stark nach einer Axt klingt. Was komisch ist, weil sie keine Axt bei sich hatte, nur einen Pflock. Aber ich werde keine Fragen stellen.

Ich folge Magnus in den dunklen Tunnel hinab und das

Bücherregal schwingt zurück, sodass wir in vollkommener Dunkelheit stehen. Der Vampir packt mich an der Hand und schleift mich die Treppe hinunter.

Ich kann die Hand nicht vor Augen sehen und mein Herz hämmert mir noch immer in der Brust. Ich kann nicht fassen, dass diese Jägerbraut soeben den dreitausend Jahre alten Anführer der Vampire mit einem einzigen Streich in Staub verwandelt hat. Und das wenige Sekunden, bevor er mir sagen konnte, wie ich verhindern kann, dass ich selbst ein dreitausend Jahre alter Vampir werde.

Und jetzt ist sie hinter uns her. Was bedeutet, dass ich über die Umkehr der Transformation nichts mehr zu wissen brauche, im Wesentlichen deshalb, weil ich zu einem Häufchen grauen Staubes geworden war, bevor es dazu kommt. Einäscherung.

Wird mein Leben je wieder normal sein?