Knoblauch, Sonnenschein und rohes Fleisch - oje!
Wir bleiben stundenlang in dem Titaniumraum. Ich schlafe sogar für eine Weile, und als ich aufwache, liegt mein Kopf auf Magnus' Schulter, was furchtbar peinlich ist, das kann ich dir sagen. Ich hoffe, ich habe ihn nicht irgendwann vollgesabbert.
Nachdem wir eine Ewigkeit gewartet haben, erklärt die weibliche Computerstimme: »Die Jägerin hat das Gebäude verlassen.«
Wir machen uns auf den Rückweg. Außer uns ist niemand mehr im Gebäude. Magnus erklärt, dass die meisten Vampire bereits zum Essen ausgegangen waren, als die Jägerin kam, und wahrscheinlich noch gar nicht wissen, dass ihnen ihr furchtloser Anführer entrissen wurde.
Er führt mich zum Ausgang und erklärt mir, dass er mich zuerst nach Hause bringen und dann zurückkommen werde, um in der Bibliothek Nachforschungen über meine Rückverwandlung in einen Menschen anzustellen. Zuerst schlage ich vor, ihm bei der Lektüre zu helfen, aber dann gesteht er, dass er die Absicht habe, zwischendurch zu speisen, und ich komme zu dem Schluss, dass ich noch nicht so weit bin, daran teilnehmen zu wollen. Ich meine, klar, ich kapiere durchaus, dass seine Spender das freiwillig tun und sorgfältig getestet werden, aber die Vorstellung, ihm dabei zuzusehen, wie er ihnen das Blut aussaugt, ist nicht besonders reizvoll für mich.
Außerdem hat Magnus versprochen, mit eine SMS zu schicken, sobald er etwas herausgefunden hat.
Also komme ich gegen fünf Uhr morgens nach Hause. (Die Fahrt in dem Jaguar-Cabrio ist himmlisch, BTW.) Eigentlich müsste ich völlig erschöpft sein, aber ich bin hellwach. Ich schleiche mich auf Zehenspitzen in mein Zimmer und versuche, meine Mom nicht zu wecken, da ich nicht glaube, dass sie es mir abkaufen würde, wenn ich erkläre, ich sei nur zu spät nach Hause gekommen, weil ich mich vor einer Vampirjägerin verstecken musste, die Haley Joel Osmond direkt vor meinen Augen getötet hat.
Glücklicherweise hat sie einen tiefen Schlaf.
In meinem Zimmer schalte ich das Licht ein. Mein Blick fällt auf jemanden, der in meinem Bett schläft. Rayne. Sie muss versucht haben, wach zu bleiben und auf mich zu warten. Ich krieche neben ihr ins Bett und schalte das Licht aus. Sie dreht sich mit einem leisen Stöhnen um.
»Oh«, murmelt sie. »Ich wusste gar nicht, dass du wieder zu Hause bist.«
»Bin gerade reingekommen«, sage ich und decke mich zu.
Nachdem ich die Nacht auf einem harten Titanfußboden verbracht habe, ist das weiche Bett meinem schmerzenden, müden Körper hochwillkommen.
»Also, was ist passiert? Hat Lucifent dich zurückverwandelt? Bist du wieder ein Mensch?«
Ich seufze. »Nein. Er wollte uns gerade erzählen, wie man den Prozess umkehrt. Er meinte, es sei ganz einfach und alles. Aber dann hat die Jägerin ihn in Staub verwandelt.«
Rayne richtet sich im Bett auf. In der Dunkelheit kann ich ihre weit aufgerissenen Augen sehen. »Die Jägerin?«
»Ja, anscheinend gibt es in jeder Generation ein Mädchen, dem es bestimmt ist, Vampire zu töten oder so. Wie bei Buffy.«
»Ich weiß, was die Jägerin ist«, erwidert Rayne ungeduldig.
»Ich kann nur nicht fassen, dass sie Lucifent erwischt hat!
Das ist schrecklich. So ein großer Verlust für die Vampire auf der ganzen Welt.«
»Ich weiß nicht.« Ich zucke die Achseln. »Mir kam er eher wie ein Arschloch vor.«
»Sunny, Lucifent hat so viel für den Zirkel getan. Du hast ja keine Ahnung. Wenn du meinen Blog gelesen hättest...«
»Könntest du endlich aufhören, mich mit diesem Blog vollzuquatschen?« Ich weiß, ich bin zickig, aber das wärest du auch, wenn du die Nacht so verbracht hättest wie ich.
Rayne legt sich wieder hin. »Ich kann nicht fassen, dass Lucifent tot ist«, murmelt sie und starrt zur Decke hinauf.
Als wir Kinder waren, haben wir in der Dunkelheit leuchtende Sterne dort aufgeklebt und einige von ihnen leuchten noch immer - winzige Nadelstiche grünen Lichts.
Was für unschuldige Zeiten das waren.
»Ich kann nicht fassen, dass ich vielleicht für immer ein Vampir bleiben muss«, gebe ich zurück. Herrje. Diese Mitleidsnummer für Lucifent hängt mir jetzt schon zum Hals raus. Sunny braucht auch Mitleid. »Ich meine, diese Geschichte wird meinem gesellschaftlichen Leben einen ganz schönen Dämpfer aufsetzen. Ganz zu schweigen von meiner Highschool-Karriere.«
Beim letzten Satz bricht meine Stimme. Verdammt, ich will nicht schon wieder losheulen. Aber ich bin müde und gestresst und habe Angst und irgendwie kann ich einfach nicht dagegen an. Sobald ich einmal eine Träne entwischen lassen, stürzen die restlichen mein Gesicht hinunter wie ein beschissener Wasserfall.
»Ich will kein … kein Vampir sein«, stoße ich hervor.
Rayne rollt sich auf die Seite, streicht mir eine Haarlocke aus der Stirn und betrachtet mich besorgt. »Es tut mir leid, Süße«, sagt sie. »Ich vergesse dauernd, wie hart das für dich sein muss.« Sie küsst mich auf die Wange, dann steigt sie aus dem Bett. »Ich werde dafür sorgen, dass du noch etwas Schlaf bekommst.«
»Kannst du nicht bleiben ?«, frage ich. Die Worte entschlüpfen mir, bevor ich es verhindern kann. Sie muss mich für ein solches Baby halten, aber plötzlich möchte ich nicht mehr allein sein. Allein mit meinen quälenden Gedanken.
Sie nickt und kommt wieder ins Bett, ohne Fragen zu stellen. »Klar«, sagt sie und zappelt sich in eine bequemere Lage. »Wozu hat man schließlich eine Zwillingsschwester?«
Der für die Musik, die aus meinem Radiowecker kommt, verantwortliche DJ sollte erschossen werden. Nein, das wäre nicht schmerzhaft genug. Er sollte kastriert und dann tollwütigen Hunden vorgeworfen werden. Oder so was.»The Monster Mash« ist mein morgendlicher Wecksong - bitte. Unmenschlich, sage ich dir.
Ich drücke auf die Schlummertaste und ziehe mir die Decke über den Kopf. Ich war noch nie im Leben so erschöpft. Ich fühle mich, als würde ich mich gleich übergeben müssen, so müde bin ich. Ich glaube nicht, dass ich überhaupt eingeschlafen bin, bevor die Sonne über den Horizont gelugt hat. Und dann bin ich in einen fast komatiefen Schlummer versunken, bis der DJ beschlossen hat, mich mit seiner grausamen und ungewöhnlichen musikalischen Strafe zu foltern.
Aber Rayne, plötzlich ganz die böse ältere Schwester, die wahrscheinlich mit dem DJ unter einer Decke steckt, gibt sich nicht damit zufrieden, mich schlafen zu lassen. Sie schüttelt mich an der Schulter. »Wach auf, Sun«, befiehlt sie mit einer übertrieben munteren Stimme. »Wir müssen in die Schule.«
»Ich bin krank«, murmele ich und lasse mich von ihrem Schütteln nicht beirren.
»Du bist nicht krank. Du bist nur ein Vampir«, erklärt sie, als wäre dadurch alles okay. »Es ergibt also durchaus Sinn, dass du tagsüber schlafen möchtest.«
Bei ihren Worten reißt es mich förmlich vom Kissen. OMG, sie hat recht! Ich benehme mich tatsächlich wie ein Vampir.
Ich bin die ganze Nacht aufgeblieben und jetzt hoffe ich, den ganzen Tag schlafen zu können. Uh. Ich möchte diesen ganzen Vampirtrieben auf keinen Fall nachgeben. Nach allem, was ich weiß, könnte es die Umkehr der Transformation erschweren, wenn ich das alles einfach akzeptiere.
»Ich bin schon auf«, sage ich und reibe mir die Augen. Das Sonnenlicht, das durch das Fenster fällt, fühlt sich wie Feuer auf meiner Haut an. Ich denke, ich werde heute Morgen die Faktor-30-Creme benutzen. Oder vielleicht das superstarke 50-plus-Zeug, das Mom in ihrem Badezimmer stehen hat.
Ich schnuppere. »Igitt. Was ist das für ein grässlicher Gestank?«, frage ich und ziehe die Nase kraus.
Rayne zuckt die Achseln. »Riecht so, als würde Mom Frühstück machen.«
»Das riecht eindeutig nicht nach einem Frühstück, das ich essen möchte« , erwidere ich, steige aus dem Bett und versuche, auf meinem Weg zum Badezimmer den sonnigen Stellen im Raum auszuweichen.
Ich wasche mit das Gesicht und stellte fest, dass ich heute Morgen besonders blass bin. Etwa so, wie Rayne aussieht, wenn sie sich das Gesicht mit weißer Schminke vollkleistert, um einen extremen Gothiclook zu erzielen.
Oh, na schön, so viel zu der Idee, braun zu werden. Ich schmiere mich mit Sonnencreme ein, wobei ich gut aufpasse, keine vorstehenden Teile auszulassen, dann gehe ich zurück in mein Zimmer. Rayne ist inzwischen nicht mehr da und ich fühle mich mehr als versucht, ins Bett zurückzukriechen. Aber nein, ich muss dem Verlangen widerstehen. Ich muss mich so normal wie möglich
benehmen. Außerdem, wenn ich in die Schule gehe, werde ich Jake Wilder sehen. Den Jake Wilder, der vollkommen verrückt nach mir ist. Wenn das keine Motivation ist!
Als ich angezogen bin, stapfe ich die Treppe hinunter, bereit, mich der Welt zu stellen. Oder zumindest meiner Mutter. Aber der faulige Gestank wird nur schlimmer, als ich mich der Küche nähere. Ih! Was zum Teufel kocht sie diesmal? Gebratene verweste Ratte?
Nur der Vollständigkeit halber, meine »Ja-ich-war-in-Woodstock«-Mom hat im Laufe der Jahre einige ziemlich eigenartige Rezepte entwickelt. (Möchte jemand Tofu-Manicotti?) Also kann ich nur ahnen, was sie diesmal zusammengekocht hat.
(Und BTW, die Woodstock-Geschichte? Sie vergisst immer zu erwähnen, dass sie damals fünf Jahre alt war und mehr Zeit damit verbracht hat, nackt im Schlamm rumzurennen, gejagt von meiner entnervten Oma, als mit Musikhören.
Andererseits schätze ich, dass eine Menge Erwachsene dasselbe getan haben, wer bin ich also, den kulturellen Einfluss dieses Ereignisses auf Moms Existenz beurteilen zu wollen?)
»Fackelst du die Küche ab, Mom?«, witzele ich, als ich den Raum betrete. Der Geruch ist jetzt fast überwältigend und ich muss einen Schritt zurücktreten, um mich zu fassen. Es ist ein angebrannter Fäulnisgestank, der mich in der Kehle würgt. Ich halte einen Moment lang inne und blinzele ein paarmal, da meine Augen plötzlich wie verrückt tränen.
»Was ist los, Schätzchen?«, fragt Mom und wendet sich von dem entsetzlichen Zeug, das sie da zusammenbraut, ab, einen besorgten Ausdruck im Gesicht. »Du siehst schrecklich aus.«
»Ich fühle mich auch schrecklich«, sage ich, lasse mich auf einen Küchenstuhl fallen und versuche, dem Drang zu widerstehen, mir beide Zeigefinger in die Nase zu stecken.
So schlimm, wie das stinkt, muss sie echt geschuftet haben, und ich darf nicht unhöflich sein. Hoffentlich erwartet sie nicht von mir, dass ich etwas davon esse.
Mom wischt sich die Hände an ihrer Schürze ab und kommt auf mich zu. Sie legt mir eine Hand auf die Stirn. »Du fühlst dich nicht krank an«, sagt sie und zieht die Brauen zusammen. »Nein, deine Stirn ist eiskalt.«
Ich weiche ein wenig zurück, bevor sie anfängt, über meine perfekt gekühlte Vampirtemperatur nachzugrübeln.
»Was ist das für ein .. . Geruch ?«, gelingt es mir hervorzustoßen. Ich muss unbedingt das Thema wechseln.
Sie legt verwirrt den Kopf schief. »Geruch?«, wiederholt sie und schnuppert. »Ich kann nur das Frühstück riechen, das ich in der Pfanne habe.« Sie zuckt die Achseln. »Tofu, Peperoni und viel Knoblauch, genauso, wie du es magst.«
Da! Die Erkenntnis trifft mich wie ein Hammer auf den Kopf. Das muss es sein. Ich habe plötzlich die stereotype Vampirabneigung gegen Knoblauch entwickelt. Ein Nahrungsmittel, das ich früher heiß und innig geliebt habe.
Na, so was.
»Komm, es ist fertig«, sagte sie, geht zum Herd zurück und häuft eine Mammutportion auf einen Teller. »Willst du Salz dazu?«
Ehrlich, ich will nur eins, nämlich dass das ganze Zeug in den Müll geworfen wird. Vorzugsweise in den Müll des
Nachbarn.Des Nachbarn, der auf dem Zwergplaneten Pluto lebt. Das könnte gerade weit genug weg sein, um den Gestank zu ertragen.
Aber was soll ich sagen?, überlege ich, während sie den dampfenden Ekelteller zu meinem Tisch rüberbringt. Mom weiß, dass es mein Lieblingsgericht ist, und sie hat es extra für mich gemacht. Vielleicht kann ich einen Bissen ...
Oh nein. Ich muss kotzen.
Ich springe von meinem Stuhl und stürze ins Bad. Ich schaffe es kaum bis zur Toilette, bevor mein Magen seinen gesamten Inhalt in die Porzellanschüssel ergießt.
Okay. Die Sache ist entschieden. Ich werde das Frühstück definitiv nicht essen. Zum Teufel mit Moms verletzten Gefühlen.
»Sunny, ist alles in Ordnung bei dir da drin?«, fragt Mom, klopft an die Tür und klingt dabei besorgter als je zuvor.
»Sie ist in Ordnung.« Ich kann Raynes Stimme hinter der Tür hören. Gott sei Dank. Sie kann mir Deckung geben, während ich mir die Kotze aus den Zähnen putze.
»Sie ist nicht in Ordnung, Schätzchen. Sie hat sich gerade übergeben.«
»Sie ist einfach nervös. Wir haben heute einen riesigen Geschichtstest.«
»Bist du dir sicher, Rayne?« Hmm, Mom klingt argwöhnisch. Ich schätze, das ist nicht unvernünftig. Ich meine, trotz all ihres Geredes über Frieden, Liebe und Blumenkinderideen ist sie auch nicht von einem Rübenlaster gefallen. Sie weiß, dass ich eiserne Prüfungsnerven habe. Es ist Rayne, die bei solchen Anlässen rätselhafte Krankheiten entwickelt, weil sie glaubt, auf diese Weise am Prüfungstag die Schule schwänzen zu können »Rayne hat recht«, sage ich und verlasse mit einem Lächeln das Badezimmer. »Es geht mir gut, Mom. Mir flattert bloß ein bisschen das Hemd. Schließlich macht dieser Test fünfundzwanzig Prozent unserer Zensur aus.«
»In Ordnung. Wenn du dir sicher bist...«, sagt Mom, die immer noch zweifelnd dreinblickt. »Aber, Sunny, du wärst wahrscheinlich weniger ängstlich, wenn du gestern Abend zu Hause geblieben wärst und gelernt hättest, statt auszugehen. Ich habe dich gar nicht zurückkommen gehört.«
Verflixt. Das hatte ich ganz vergessen.
»Ich habe bei einer Schulfreundin zu Hause gelernt«, sage ich und verkreuze die Finger hinterm Rücken. »Wir haben Geschichte gemacht und dabei die Zeit vergessen.«
Okay, bevor du denkst, ich sei ein grässlicher Mensch, weil ich Mom anlüge, bin ich technisch gesehen gar nicht so weit vom Schuss. Ich war gestern Abend bei Magnus »zu Hause« und wir haben über Geschichte geredet. Die Geschichte von König Artus, den Kreuzzügen und Vampiren, um genau zu sein. Aber da es gar keinen Test gibt, denke ich, mir steht eine gewisse kreative Freiheit zu, was genau ich gelernt habe, um ihn zu bestehen.
Einen Moment lang sieht Mom so aus, als würde sie mir meine Erklärung nicht abkaufen. Aber dann zuckt sie die Achseln.
»Okay, Schätzchen. Ich bin froh, dass du gelernt hast. Ich muss jetzt zur Arbeit.« Sie beugt sich vor, küsst mich auf die Stirn und tut dann dasselbe bei Rayne. »Einen schönen Tag, Mädchen. Und viel Glück bei dem Test.«
Ich sehe zu, wie sie zum Schrank geht, um ihre Handtasche herauszuholen. Ich fühle mich mies, weil ich sie angelogen habe. Für eine Mom ist sie ziemlich cool. Ganz anders als die Moms meiner Freundinnen, die sich eher wie Gefängniswärter aufführen und weniger wie Eltern. Sie war immer die »Freundinnen-Mom«. Diejenige, die verspricht, dass sie uns nie verurteilen wird, wenn wir ihr irgendetwas erzählen.
Der Typ Mom, dem es lieber wäre, wir würden nach Kondomen oder der Pille fragen, als dass wir loszögen und Sex hätten, ohne es ihr zu erzählen. Sie ist offen und tolerant und liebevoll.
Aber ich glaube trotzdem nicht, dass sie diese ganze Vampirgeschichte verstehen würde. Schließlich heißt Mom-die-Freundin nicht das Gleiche wie Mom-die-versteht-dass-ihre-Tochter-sich-in-eine-Untote-verwandelt-und-dabei-cool-bleibt.
»Wiedersehen, Mädchen«, sagt sie und winkt zum Abschied noch einmal.
»Wiedersehen, Mom«, antworten wir im Chor.
Als wir allein sind, brechen Rayne und ich in nervöses Gelächter aus.
»Das war knapp«, sage ich mit einem Seufzer der Erleichterung.
»Im Ernst«, stimmt Rayne mir zu. »Obwohl ich glaube, dass sie immer noch ein bisschen argwöhnisch ist.«
»Sie denkt wahrscheinlich, ich sei schwanger und hätte morgendliche Übelkeit oder so was. Dass ich mich beim Anblick von Essen übergeben muss.«
»Nee. Sie kennt dich besser«, sagt Rayne mit einem Lachen. »Meine kleine Sunny-das-Unschuldslamm«, gurrt sie und zerzaust mir das Haar.
»E-GAL«, sage ich.
Rayne feixt. »Also, wenn ich es wäre, die sich übergeben muss, säßen wir bereits im Wagen auf dem Weg zum Krankenhaus.«
«Ja, wahrhaftig, weil du nämlich ein kleine Schlampe bist«, sage ich hämisch. Rayne boxt mich spielerisch in den Arm.
Sie hält das für witzig, na, so was.
«Tatsächlich bist diesmal du die kleine Schlampe. Das Miststück, das mir meinen Blutsgefährten ausgespannt hat«, antwortet sie kichernd. »Und wo wir gerade beim Thema sind, wie ist es dem ach so traumhaften Magnus gestern Abend eigentlich gegangen?«
Aus irgendeinem Grund treibt mir ihre Frage die Röte ins Gesicht. Andererseits, wenn ich bedenke, wie hell meine Haut jetzt ist, dürfte dabei wohl kaum mehr als ein rosiger Schimmer rauskommen.
»Es ging ihm gut«, sage ich. »Er ist natürlich aufgeregt wegen Lucifent. Ich meine, der Typ war sein Vampirvater und alles.«
«Lucifent war Magnus Erzeuger?«, fragt Rayne und zieht eine Augenbraue hoch.
Ich lächle, überglücklich, endlich einmal etwas zu wissen, das sie nicht weiß. »Yup«, sage ich und erzähle ihr eine Kurzfassung der Geschichte.
Als ich fertig bin, stößt Rayne einen langen, dramatischen Seufzer aus. »Wow!«, sagt sie verträumt. »Mein Blutsgefährte war ein edler Ritter. Wie cool ist das?«
Ich zucke die Achseln. »Ja, er ist tatsächlich ein interessanter Typ, wenn er nicht gerade total arrogant und grob ist.« Ich halte inne, dann füge ich hinzu: »Was neunundneunzig Prozent der Zeit der Fall ist.«
Schließ soll Rayne nicht auf den Gedanken kommen, ich würde eine Art Zuneigung zu Magnus entwickeln, das ist nämlich echt Quatsch. Tatsächlich denke ich, dass hier ein Themenwechsel angebracht wäre. »Und jetzt schmeiß dieses ekelhafte Knoblauchgebräu raus, bevor ich wieder würgen muss.«
»Okay. Ich bringe es nach draußen.« Rayne verschwindet in die Küche und wenige Sekunden später verlassen sie und der Geruch das Haus und die Luft wird wieder relativ rein.
Als der Geruch verebbt, wird mir plötzlich klar, dass ich mörderischen Hunger habe. Ich gehe in die Küche und mache mich auf die Suche nach einem knoblauchfreien Imbiss. Ich spähe in den Kühlschrank. Nicht viel drin. Dann fällt mein Blick auf ein Päckchen Hackfleisch ganz hinten im Kühlschrank.
Meine Mom ist eine strenge Vegetarierin und hat mich im gleichen Sinne großgezogen. Aber meine Schwester konnte ihre Vorliebe für rotes Fleisch nie abschütteln. Also gibt sie ihren Raubtiergelüsten ab und zu nach und gönnt sich einen guten Hamburger.
Ich starre das Fleisch an und stelle plötzlich fest, dass mir das Wasser im Mund zusammenläuft. Tatsächlich habe ich einen solchen Schmacht darauf, dass ich es für möglich halte, sogar ein wenig zu sabbern.
Mit einem Mal streckt sich meine Hand unwillkürlich nach dem rohen Fleisch aus, als hätte sie einen eigenen Willen.
Mein Magen knurrt erwartungsvoll. Es sieht so saftig aus.
So rot. So köstlich.
Ich schaue mich um, um festzustellen, ob Rayne zurück ist.
Sie ist wahrscheinlich damit beschäftigt, die Knoblauchschweinerei zu vergraben. Ich habe Zeit. Ich schnappe mir das Päckchen und reiße es auf, bevor ich gierig händeweise rohes Fleisch grabsche und mir in den Mund schiebe, wobei ich die blutigen Säfte, die mir die Kehle hinunterrinnen, absolut genieße.
Ich schwöre, ein Schokoladen-Erdnussbutter-Eisbecher mit einer Extraportion Schlagsahne und Schokoladensoße könnte nicht mal halb so gut schmecken.
«Du weißt, dass das eine gute Möglichkeit ist, sich E. coli zu fangen?«
Ich wirbele herum, den Mund voller rohem Fleisch, und sehe Rayne feixend vor mir stehen. Plötzlich wird mir bewusst, was ich tue. Entsetzt spucke ich das Fleisch in die Spüle und zwinge mich, den Rest auszuwürgen.
«Oh mein Gott. Ich kann nicht glauben, dass ich das gerade getan habe«, rufe ich, absolut entsetzt. »Das ist ja widerlich.«
»Es ist okay. Ich bin davon überzeugt, dass Vampire immun sind gegen von Nahrungsmitteln übertragene Krankheiten«, sagt Rayne.
»Aber es ist... ekelhaft!« Ich starre den Rest des Rindfleischs an und kämpfe gegen den fast überwältigenden Drang an, es mir wieder einzuverleiben.
»Ich kann nicht fassen, dass ich gerade rohes Hackfleisch gegessen habe. Es ist ganz blutig und schleimig und ...«
«Mach dich deswegen nicht fertig, Sun. Du gibst lediglich deinen Vampirgelüsten nach, das ist alles.» Rayne zuckt die Achseln. «Aber schon bald wirst du dazu übergehen müssen, von Blut zu leben.»
Ich kneife die Augen zusammen. »Das werde ich nicht tun, aber so was von gar nicht.«
»Du wirst, wenn du nur genug Hunger hast.»
»Nein, werde ich definitiv nicht. Heiliges
Indianerehrenwort. Ich schwöre es bei meinem Schulball-Date mit Jake Wilder«, verspreche ich. »Ich werde nie, nie so hungrig sein.»
Zur Antwort knurrt mein Magen. Uh-oh.