Ein ganz böser Fall von Verwechslung

»Einen Vampir?«, rufe ich. »Soll das einer von deinen kranken Witzen sein?«

Rayne schüttelte den Kopf. »Kein Witz, Sun. Sondern ein ernsthaftes Problem.« Sie wendet sich an Magnus. »Wie konntest du nur so eine Scheiße bauen? Du solltest mein Pate sein. Und du raffst es nicht mal, wenn es jemand anderes ist als ich?«

Magnus stöhnt, dann beugt er sich vor und fängt an, auf den Gehsteig zu spucken. Sehr attraktiv. Ich kann nicht fassen, das ich vor fünf Minuten dachte, er sei irre sexy. Jemand, mit dem ich was anfangen wollte. An dieser Stelle hätte ich eher den Glöckner von Notre-Dame geküsst.

»Ihr seht genau gleich aus«, jammert er. »Woher sollte ich das denn wissen?« Er ballt die Hand zur Faust. »Lucifent wird mich umbringen.«

»Ähm, bist du nicht technisch gesehen bereits tot?«, frage ich mit honigsüßer Stimme. Ich habe dieses Spiel so was von satt. Er bedenkt mich mit einem böse funkelnden Blick.

»Du hast wohl in der Schule gefehlt, als ihr 'übertragene Bedeutung' durchgenommen habt?«

Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Zumindest bin ich aufgetaucht, als man uns beigebracht hat, die anderen Kinder im Kindergarten nicht zu beißen.«

»Leute, bitte!«, unterbricht Rayne uns. »Hört auf zu streiten. Das ist jetzt bitterer Ernst. Es spielt keine Rolle, warum das alles geschehen ist. Nur dass es geschehen ist.

Und dass wir es ungeschehen machen müssen. Sunny kann kein Vampir werden.

Sie hat nächste Woche Ausscheidungsspiele im Hockey.«

Nur der Vollständigkeit halber, Hockey wäre die geringste meiner Sorgen, sollte ich mich wirklich in einen Vampir verwandeln. Ich würde da eher in größeren Zusammenhängen denken: Da wäre zum Beispiel diese Nummer von wegen »Vampire schlafen den ganzen Tag und machen nachts Jagd auf Menschen«. Das würden wohl sämtliche Colleges, an denen ich mich zu bewerben plane, als echtes Hindernis ansehen.

Magnus rotzt abermals auf den Gehsteig. Igitt.

»Ähm, könntest du diese Spuckerei wohl bleiben lassen?«, frage ich und trete einen Schritt zurück, um ein wenig Abstand zwischen mich und seine Sprühzone zu legen.

»Das ekelt mich total an.«

Er blickt auf. »Ich versuche, alle Spuren deines Blutes aus meinem Mund zu entfernen. Du bist nicht getestet worden.

Wer weiß, was für Krankheiten du mit dir rumschleppst!«, sagt er und ein Ausdruck des Entsetzens huscht über seine Züge. »Du hast doch nicht etwa Aids, oder?«

Was für eine ... äh! Dieser Typ kotzt mich monstermäßig an. Ich hab ihn schließlich nicht gebeten, an meiner Halsschlagader zu nuckeln. Es würde ihm recht geschehen, wenn ich tatsächlich irgendeine unheimliche, leicht übertragbare Krankheit hätte.

Rayne verdreht die Augen. »Bitte. Sunny ist so rein wie frisch gefallener Schnee, Mag. Die totale Jungfrau. Also, wenn sie keine heimliche Heroinsucht hat, von der sie mir nichts erzählt hat, glaube ich, dass du aufatmen kannst.

Genau genommen«, fügt sie mit einem Grinsen hinzu, »bin ich mir ziemlich sicher, dass sie kein Junky ist. Schließlich sieht sie nicht gerade wie eine halb verhungerte Heroinbraut aus, oder?«

»Oh, herzlichen Dank, Rayne.« Müssen wir jetzt auch noch über den Umfang meiner Hüften sprechen? Dieser Abend wird ja immer schöner.

»Okay«, sagt Magnus. »Keine Krankheiten. Nun, das ist immerhin etwas. Aber trotzdem. Ein nicht autorisierter Biss! Weißt du, dass Lucifent mich dafür umbringen - ähm, mir in den Arsch treten wird? Ich meine, in diesem Zeitalter verwandelt sich niemand gegen seinen Willen in einen Vampir. Das ist einfach nicht koscher und schreit förmlich nach einem Gerichtsprozess.«

»Ich kann dich verklagen? Cool.« Ich stöbere in meiner Handtasche nach einem Kuli, weil ich mir das aufschreiben will. »Weswegen? Medizinischer Kunstfehler? Angriff mit einem tödlichen Reißzahn?« Ich blicke auf. »Was glaubst du, wie viel die Gerichte mir dafür zusprechen würden?«

Rayne runzelt die Stirn. »Sunny, hör auf, dich so zickig aufzuführen. Siehst du nicht, dass der arme Magnus förmlich ausflippt?«

» Ich soll aufhören, zickig zu sein? Wegen Magnus?« Ich starre sie fassungslos an. »Ähm, hallo? Er ist der Typ, der mich angequatscht und ohne den geringsten Grund gebissen hat.«

»Ich hatte einen Grund«, bemerkt Magnus schmollend. »Ich hab dich einfach für Rayne gehalten. Ein ganz böser Fall von Verwechslung,das.«

»Hört mal, Leute«, fahre ich fort. »Ich habe keinen Schimmer, was für kranke kleine Spielchen ihr Gothics spielt, und um die Wahrheit zu sagen, ich will es auch gar nicht wissen.Also hängt weiter auf Friedhöfen rum, wünscht euch, ihr wäret tot, tut alles, was euer Gothictick euch eingibt. Aber ich bin so was von weg hier.« Ich drehe mich zu meiner Schwester um. »Rayne, du kannst alleine nach Hause gehen. Ich bin nicht mehr in Stimmung.«

Ich wende mich ab und gehe schnurstracks auf den Wagen zu. Aber Rayne kommt hinter mir hergelaufen, packt mich an der Schulter und wirbelt mich herum. Ihre Augen sind riesig und angstvoll und ihr gepudertes Gesicht ist noch weißer als sonst.

(Und das will etwas heißen!)

»Sunny, hör mir zu«, ruft sie. »Das ist kein Spiel. Magnus ist ein Vampir. Und wenn er dich gebissen hat, dann wirst du ebenfalls ein Vampir werden. Du musst diese Sache ernst nehmen.«

Ich verdrehe die Augen. »Rayne, Süße. Meine ganz offenkundig geistig verwirrte Zwillingsschwester. Ich weiß, dass das vielleicht ein großer Schock für dich sein wird, aber so etwas, wie Vampire gibt es nicht.«

»Das habe ich früher auch gedacht. Aber es gibt sie. Und Magnus ist ganz eindeutig einer von ihnen«, beharrt Rayne.

»Mag, zeig es ihr.«

Ich schnaube und drehe mich widerwillig um. Ich hoffe,

diese Nummer wird gut. »Ja, Mag, zeig es mir.«

Magnus stößt einen tiefen, übertriebenen Seufzer aus. Als sei er es müde, dass die Welt von ihm verlangt zu beweisen, dass er ein Geschöpf der Nacht ist. Mit so was muss er sich bestimmt dauernd rumschlagen.

»Na schön« , brummt er und zieht ein Messer aus seinem Beutel. »Möchtest du dir die Ehre geben?«, fragte er und lässt die Klinge vorspringen, bevor er mit das Messer hinhält.

»Ich denke, mit ist für einen Tag genug Ehre erwiesen worden, Kumpel.«

»Ich mach's. Ich mach's«, mischt Rayne sich aufgeregt ein.

»Was genau machen wir eigentlich?«, frage ich, während Magnus meiner übereifrigen Zwillingsschwester das Messer überreicht.

»Ihn erstechen natürlich«, erwidert Rayne sachlich.

Natürlich.

Als Magnus sein Hemd hochhebt, um seinen Bauch zu entblößen (und seine Waschbrettmuskeln, die ich einfach bemerken musste), frage ich mich, wie sie diesen Trick zuwege bringen wollen. Eine einziehbare Klinge? Mit einem versteckten Blutpäckchen an der Spitze?

»Weißt du, was? Ich glaube, ich werd's doch machen«,

verkünde ich. Auf diese Weise komme ich ihnen besser auf die Schliche. Dann kann ich ihnen die Maske vom Gesicht reißen und mir einen schönen Abend machen.

Rayne zuckt die Achseln und reicht mir das Messer. Ich streiche mit den Fingerspitzen sachte über die Klinge.

Autsch! Aus dem Schnitt quillt ein kleines Rinnsal Blut.

Das Messer ist wirklich scharf. Hmm.

Ich höre ein leises Stöhnen und blicke auf. Magnus starrt meinen Finger an, als sei er ein Gourmetdessert. Ich habe noch nie so viel Begierde in den Augen eines anderen Menschen gesehen und es ist irgendwie ziemlich entnervend.

»Hast du was dagegen, ähm, deinen Finger abzuwischen?«, fragt er mit einer rauchigen, panikerfüllten Stimme.

»Warum, macht es dich an?«, frage ich und wedele mit besagtem Finger herum. »Möchtest du daran lutschen oder was?«

»Sunny, du darfst den Vampir nicht reizen«, tadelt Rayne mich.

Also, eins muss ich Magnus lassen, er hat seine Vampirnummer auf Scheibe. Ich glaube, ich kann sogar einen kleinen Sabberfaden in seinem Mundwinkel sehen.

»Okay, tut mir leid«, sage ich hochtrabend. Ich führe den Finger langsam an die Lippen und lecke mit großem Getue das Blut ab.

Magnus ächzt und sieht einen Moment lang so aus, als würde er ohnmächtig werden.

»Also, das war absolut gemein«, ruft Rayne mich zur Ordnung. »Wirklich, Sunny.«

Ich lache. Die beiden nehmen diese Geschichte so was von ernst. »Okay, okay«, sage ich. »Der große, böse, blutige Finger ist weg. Kommen wir zu dem Teil mit dem Messer.«

Magnus, der sich anscheinend etwas erholt hat, hebt abermals sein Hemd hoch. Wow, ich frage mich, wie viele Sit-ups er machen muss, um sich so einen Körper zu bewahren. Wirklich schade, dass er so ein Loser ist. Wenn er sich einer Persönlichkeitstransplantation oder etwas in der Art unterziehen könnte, wäre er das gefundene Fressen.

Ich untersuche das Messer noch einmal. Wie zieht sich die Klinge zurück? Ich kann keine Federn fühlen ...

»Beeil dich«, sagt er. »Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.«

»In Ordnung. Wir wollen doch nicht, dass dich die Morgensonne erwischt und du uns zu Staub zerfällst«, antworte ich mit einem Schnauben. »Schön. Los geht's.«

Ich hole mit dem Messer aus und ramme es ihm dann, so fest ich kann, in den Bauch.

»Arghh!« Er schreit vor Schmerz auf und krümmt sich. Das Messer ragt immer noch aus seinem Leib und dunkles Blut sickert aus der Wunde.

»Äh, hm ...« Wow. Das sieht echt echt aus. Wie machen sie das bloß, dass all dieses Blut aus dem Messer kommt? Und wie bleibt die Klinge in seinem Bauch stecken, wenn sie einziehbar ist?

Und, ähm, warum benimmt er sich so, als würde es wirklich verdammt wehtun?

»Ähm ...«

Ich blicke zu Rayne hinüber, die das Ganze mit kühlem Blick beobachtet. Was zur Hölle ist hier los?

Ich drehe mich wieder zu Magnus um. Er ist auf die Knie gefallen und umklammert seinen Bauch, einen Ausdruck der Qual auf dem Gesicht. Seine Hände sind fast purpurn von Blut und er stöhnt immer noch vor Schmerz.

Angst umfasst mein Herz mit eisernem Griff. Habe ich es vermasselt? Ist die Klinge nicht eingefahren, als sie es eigentlich hätte tun sollen?

Habe ich soeben tatsächlich einem Typen ein Messer in den Bauch gerammt?

»Bist du okay?«, frage ich besorgt. Blöde Frage, wirklich.

Die Blutlache nimmt die Antwort irgendwie vorweg.

Magnus krümmt sich zusammen und fällt aufs Pflaster.

In meiner Panik lasse ich mich neben ihm auf die Knie nieder und versuche, ihn umzudrehen, damit ich die Wunde betrachten kann. Das Blut spritzt nur so heraus. Wenn ich nicht solche Angst gehabt hätte, wäre es total eklig gewesen.

»Oh, mein Gott, ich glaube, er ist wirklich verletzt«, kreische ich und halte Ausschau nach meiner Zwillingsschwester. »Rayne! Ruf den Notruf. Er braucht einen Krankenwagen!« Ich drehe mich wieder zu Magnus um und suche nach einer Möglichkeit, die Blutung zu stillen. Soll ich das Messer herausziehen oder stecken lassen? Mein Atem geht stoßweise, während mein ganzes Leben blitzartig an mir vorüberzieht.

Ich, Sunshine McDonald, habe soeben jemandem ein Messer in den Bauch gerammt. Und jetzt könnte er sterben.

Und ich werde dafür verantwortlich sein. Man wird mich des Mordes anklagen. Mich ins Gefängnis stecken und den Schlüssel wegwerfen. Gibt es in New Hampshire noch die Todesstrafe? Oh, mein Gott. Warum habe ich mich erboten, das Messer zu nehmen? Was ist nur in mich gefahren, einen irregeleiteten Teenager niederzustechen, der sich für einen Vampir hält? Dämlich, Sunny. Saudämlich.

Tränen strömen mir über die Wangen, während ich neben Magnus hocke. »Bist du okay?«, frage ich schluchzend.

»Kannst du mich hören?« Ich beuge mich tiefer über ihn.

»Siehst du irgendein weißes Licht? Wenn ja, dann flehe ich dich an, geh nicht darauf zu. Ich habe noch so viel, wofür es sich - ich meine … du hast noch so viel, wofür es sich zu leben lohnt.«

»Habe ich es dir nicht erklärt?« Plötzlich öffnet Magnus die Augen, setzt sich aufrecht hin und fängt an, hysterisch zu lachen. »Ich bin schon tot!«

Ich sehe voller Entsetzen zu, wie er das Messer packt und es mühelos aus der Wunde zieht. Dann schrumpft der Schnitt unglaublicherweise vor meinen Augen zusammen.

Ich beobachte wie gebannt, wie ein unsichtbarer Faden die Haut wieder zusammenzunähen scheint, bis nichts als eine winzige Narbe übrig bleibt.

»Oh, mein Gott! Du bist wirklich ein ...« Ich mache einen erschrockenen Satz rückwärts. »Oh, mein Gott!«

»Tut mir leid«, sagt er kichernd. »Ich musste mich wegen dieser Geschichte mit dem blutigen Finger an dir rächen.«

Ich wirbele zu Rayne herum. Auch sie gackert so heftig, dass ihr praktisch die Tränen übers Gesicht laufen. Als wäre das das Komischste, was sie seit Shrek 2 gesehen hat.

»Oh Mann!« Sie lacht. »Du hättest mal dein Gesicht sehen sollen, Sunny. Das war große Klasse!«

Ich starre zuerst sie an, dann Magnus. Ich kann es nicht glauben. Ich kann es einfach nicht glauben. »Du .. . ich meine … ich dachte .. .« Wow, ich habe komplett die Sprache verloren. Möglicherweise werde ich den Rest meines Lebens stumm verbringen müssen. Ich werde mit einer Tafel herumlaufen und alles aufschreiben, was ich früher einmal sagen konnte, bevor mir ein Vampir, der sich ein Messer aus dem Bauch zieht, die Fähigkeit der menschlichen Rede gestohlen hat.

»Tut mir leid«, sagt Magnus noch einmal und rappelt sich hoch. Er steckt das blutverschmierte Messer zurück in seine Tasche, ohne es abzuwischen. »Aber du hast gesagt, du wolltest einen Beweis.«

Ich stehe haarscharf davor zu kotzen. »Dann bist du also wirklich . ..«

». . . ein Vampir?«, fragt er und zieht eine Augenbraue hoch.

»Ja.«

»Und das heißt . . .« Inzwischen spielt mein Magen verrückt. Als wäre ich auf einem Schiff mitten in einem gewaltigen Sturm.

». . . mein Biss hat dich angesteckt.« Er seufzt, diesmal ernsthaft. »Unglücklicherweise trifft auch das zu.«

Ich beuge mich vor und kotze.

»Iiiih.« Rayne macht einen Satz, um der Schweinerei auszuweichen. »Sunny, das ist widerlich.«

»Oh, tut mir ja so leid, dass ich dein Feingefühl gekränkt habe», sage ich so sarkastisch wie möglich und wische mir mit dem Arm über den Mund. »Ich schätze, ich nehme die Tatsache, dass ich mich versehentlich in einen verdammten Vampir verwandelt habe, nicht so gut auf, wie du gehofft hattest?«

Rayne zuckt die Achseln. »Ich hab's kapiert, echt, Sun. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich Spaß daran habe, mich von deiner Kotze bespritzen zu lassen.«

Ich verdrehe die Augen und wende mich wieder Magnus zu. »Also, eine Sekunde«, sage ich. »Ich bin verwirrt. Ich dachte immer, um ein Vampir zu werden, müsste man das Blut eines Vampirs trinken. Du hast mich bloß gebissen.«

,»Das verdammte Hollywood mit seinen barbarischen Fehlinterpretationen«, erwidert Magnus erschöpft. Er greift in seinen Mund und zieht etwas heraus. Er hält es mir hin.

Es ist ein Reißzahn aus Porzellan, der zur Hälfte mit einer roten Flüssigkeit gefüllt ist. »Bei unseren Post-mortem-Studien haben wir erfahren, dass die meisten Leute den Teil, bei dem es darum geht, das Blut von ihren Paten zu trinken, ein wenig beunruhigend finden. Außerdem«, fügt er hinzu, »heilt unsere Haut zwar bemerkenswert schnell, aber es kann durchaus Narben hinterlassen, wenn man sein Handgelenk aufschneidet, um den Lehrling trinken zu

lassen. Und niemand möchte einen vernarbten Vampir.«

Er hält mir den Zahn hin, damit ich ihn genauer betrachten kann. »Deshalb hat Vampcoven.com vor einigen Jahren diese Implantate geschaffen. Absolut fantastische Erfindungen. Ich brauche mir bloß den Finger anzuritzen, ein paar Tropfen Blut in das Implantat sickern zu lassen und es dann dem Lehrling zu injizieren.« Er zuckt die Achseln.

»Wir könnten natürlich eine Injektion benutzen; das wäre wahrscheinlich sogar einfacher und hygienischer. Aber etliche Studien sind zu dem Ergebnis gekommen, dass Lehrlinge diesen romantischen Teil der alten Schule, nämlich in den Hals gebissen zu werden, ganz einfach genießen.«

Ich kann mich nicht entscheiden, was mich mehr beeindruckt: Dass es Internetseiten gibt, die Gerätschaften zum Injizieren von Blut verkaufen, oder dass diese Typen ihre Opfer bitten, Feedback-Formulare auszufüllen.

Magnus greift in seine Tasche und zieht ein kleines Silberetui heraus. »Vampcoven.com ist der führende Hersteller für Vampirzubehör. Blutbeutel, Reißzahnschärfer, Körperpanzer und dergleichen Dinge.« Er öffnet das Etui und legt den falschen Reißzahn auf das Samtfutter.

Oh Mann, im Web kann man wirklich alles kaufen.

»Okay, kapiert«, sage ich. »Aber eine Frage hätte ich noch.

Wenn ich mich in einen Vampir verwandelt habe, wie kommt es dann, dass ich mich nicht wie einer fühle?«

»Woher willst du wissen, wie sich ein Vampir fühlt?«, unterbricht Rayne mich mit einem bedauerlicherweise recht guten Argument.

»Hm, zum einen giere ich nicht nach deinem Blut«, antworte ich langsam. »Und, ähm . . .« Ich greife unter mein Shirt und ziehe meine Kette mit dem Kreuz hervor.

Magnus macht einen Satz und springt von mir weg. »Und das Kreuz turnt mich nicht ab und es verbrennt mich auch nicht oder so was.« Ich denke einen Moment lang nach.

»Und ich hätte eindeutig Lust auf ein Stück Käse und eine Knoblauchpizza zum Frühstück, sobald die Sonne aufgeht.«

Tatsächlich finde ich den Gedanken an Letzteres tatsächlich ein bisschen eklig, aber das werde ich bestimmt nicht zugeben.

»Könntest du das.. .bitte... wegstecken?«, fragt Magnus nach Luft ringend. »Also, eins wüsste ich gerne«, sage ich, wobei ich ihn absichtlich ignoriere und mit meinem Kreuz herumwedele, während er hin und her tänzelt, um ihm auszuweichen. »Wie bringen wir das wieder in Ordnung?«, frage ich.

»In Ordnung?«

»Ja. Ich meine, die Verwandlung aufhalten. Sie rückgängig machen. Es muss doch eine Möglichkeit geben, dem Ganzen ein Ende zu machen. Stimmt's ? Vielleicht könntest du das Blut aus der Wunde saugen, wie man es bei einem Schlangenbiss macht?«

Mir wird klar, dass Magnus versucht, etwas zu sagen, aber anscheinend die Worte nicht bilden kann. Oh, richtig, das Kreuz. Ich stecke es unter mein Tanktop. Das Metall fühlt sich ein bisschen warm auf meiner Haut an, aber nicht unangenehm. Trotzdem, kein besonders gutes Zeichen.

»Danke.« Magnus keucht. »Also, wie ich gerade zu sagen versuchte, es gibt keine Möglichkeit, die Verwandlung rückgängig zu machen.«

»Falsche Antwort.« Ich greife nach meinem Kreuz.

»Warte!«, ruft er.

Ich halte inne, die Hand an der Kehle.

»Es . . . könnte eine Möglichkeit geben. Ich bin mir nicht sicher. Ich weiß es nicht. Aber Lucifent könnte es wissen.«

»Wer ist dieser Lucifent?«

»Mein Boss. Der Anführer des Zirkels. Er ist ein dreitausend Jahre alter Vampir. Wenn irgendjemand es weiß, dann er.«

Ich nicke. »Okay. Gehen wir zu ihm und reden mit ihm.«

»Das können wir nicht. Nun, jedenfalls nicht in diesem Moment. Er ist beim Abendessen.«

»Ja, aber dies ist ein Notfall. Können wir nicht einfach in das Restaurant gehen, in dem er … oh.« Ich schlucke.

»Diese Art von Abendessen?«

Magnus nickt.

»Iiiih.«

»Sunny, versuch doch, diese Dinge ein wenig offener zu betrachten«, wirft Rayne ein. »Andere Leute haben andere Sitten, und sie zu verspotten . . .«

»Also, wann wird er mit seinem, ähm, Abendessen fertig sein?«

Magnus denkt nach. »Ich kann seine Sekretärin anrufen und nachfragen. Vielleicht hat er ja eine Absage für morgen Abend bekommen oder etwas in der Art. Wie wär's, wenn wir uns morgen Abend um acht auf dem St.-Patricks-Friedhof treffen? Ich werde vor dem großen Grabstein in der Mitte auf dich warten.«

»Morgen?«, entfährt es mir. »Aber das sind ja noch vierundzwanzig Stunden. Ich muss morgen in die Schule.«

»Dann gehst du eben hin.« Magnus zuckt die Achseln.

»Aber wird die Sonne mich nicht, na ja, braten oder so was?«

»Hör mal«, sagt er mit einem übertriebenen Seufzer. Als sei ich diejenige, die ihm Ungelegenheiten bereitet. Meine Güte. »Die Verwandlung in einen Vampir dauert sieben Tage. Also müsstest du eigentlich klarkommen. Während der ersten vierundzwanzig Stunden sollte die Sonne dir nicht allzu viel zu schaffen machen. Obwohl ich dir vorschlagen würde, nur für den Fall des Falles ein wenig Sonnenschutzcreme aufzutragen.«

Klar. Sonnenschutzcreme und Schule. Das dürfte lustig werden. Oder auch nicht.