6. Kapitel

 

Er leckte seine trockenen Lippen. Seine Zunge fuhr über die scharfen Spitzen seiner Eckzähne. Er war hungrig, schon wieder. In letzter Zeit schien er ständig hungrig zu sein.

Seine letzte Mahlzeit lag bereits einige Tage zurück, und der Blutdurst wurde immer stärker, benebelte seine Sinne. Seine Augen schmerzten im grellen Tageslicht der geschäftigen Londoner Einkaufsstraße. Sein Magen krampfte sich jedes Mal zusammen, wenn ein Mensch an ihm vorbeiging, ohne zu wissen, wie verlockend er roch, was für eine Versuchung er war.

Ja, er war versucht, sich den Nächstbesten zu schnappen, einen dieser kleinen braunhaarigen Jungen vielleicht, die ihm ständig anboten, seine Schuhe zu putzen. Wie einfach es wäre, sich so ein zartes Handgelenk zu greifen und in die pulsierende Ader zu beißen, die verlockende, süße Ader …

Aber er hatte keine Lust auf kleine Jungen - oder auf Männer. Nein, Frauen waren es, die er mochte, die weichen, nachgiebigen Kurven einer Frau.

Er sah sich gierig um. Er brauchte ein Opfer, ja, und zwar rasch. Später, viel später, würde er dann den Menschen zu sich rufen und ihm noch ein paar Hinweise geben. Dann würde der Dummkopf endlich die richtigen Schlüsse ziehen - und der blutigste Krieg aller Zeiten konnte beginnen!

»Warte hier auf mich, Richard, ich bin gleich wieder da.«

Er fuhr herum und sah die Frau, die ihren Kutscher gebeten hatte zu warten, auf ein Hutgeschäft zugehen. Sie trug ein blassrosa Kleid voller Rüschen und Spitzen, das für einen abendlichen Ball passender gewesen wäre als für einen nachmittäglichen Einkaufsbummel. Ihre Nase war ein wenig zu lang, sie hatte Pausbacken und hoch angesetzte Brauen: keine Schönheit. Aber ihre weiche, plumpe Figur mit dem üppigen Busen und dem verlockenden Duft ihres Bluts machten sie zu einem perfekten Opfer.

Er blickte ihr lächelnd nach, entblößte dabei seine Fangzähne und befingerte die Granatkette in seiner Tasche. Ja, die Granaten würden herrlich an ihrem weißen Hals aussehen. Das war das Schöne an den Engländerinnen, sie taten alles, um die vornehme Blässe ihrer Haut zu bewahren, sie schützten sich mit Schirmen, Hüten und Cremes.

Was tust du?, fragte eine innere Stimme, aber er schob sie energisch beiseite. Er wusste sehr genau, was er tat. Er besorgte sich etwas zum Abendessen und nagte dabei noch ein wenig an dem Turm, der schon bald umstürzen würde. Dafür würde er sorgen.

Die Tür des Ladens öffnete sich bimmelnd, und die Frau kam wieder heraus. Mit kleinen Schritten trippelte sie auf ihre Kutsche zu und gab dem Mann einen Wink mit dem Finger, er solle ihre Pakete holen. Der Mann nickte und eilte, nachdem er ihr geflissentlich in die Kutsche geholfen hatte, auf den Laden zu.

Sergej wartete, bis er darin verschwunden war, dann stieg er zu ihr in die Kutsche.

»Was soll das …«

Schweig! Er packte ihren Verstand mit eisernem Griff, und er sah die Angst in ihren Augen. Er wusste, dass sie versuchte zu schreien, wegzulaufen, aber sie konnte nicht. Sie konnte nicht, weil er zu stark war. Er hatte sie in der Hand, er war nun ihr Meister!

Schritte näherten sich der Kutsche.

Sag deinem Kutscher, er soll das Paket zu sich nehmen und dich ein wenig herumfahren.

Die Frau beugte sich vor und hob den gelben Vorhang, der vor dem kleinen Kutschenfenster hing.

»Behalte die Pakete, Richard. Ich möchte jetzt ein Weilchen herumfahren. Und Rich …«

Er würgte sie mitten im Satz ab und spürte den Schmerz, der durch ihren Geist schnitt. Wieder versuchte sie zu schreien, brachte aber keinen Laut hervor.

»Sehr wohl, Mylady.«

Richard verbeugte sich und kletterte auf den Kutschbock.

Er zog den Vorhang zu und wandte sich mit einem Lächeln zu ihr um. Sie saß stocksteif da und starrte ihn aus weit aufgerissenen, entsetzten Augen an. Er wusste, dass sie wehrlos war, und das gefiel ihm ungeheuer.

Sein Blick wanderte über ihr hochgeschlossenes Kleid. Normalerweise ließ er sich gern ein wenig Zeit, um mit seinem Opfer zu spielen. Aber nicht heute. Heute war er nicht in Stimmung.

Knöpf dein Kleid auf.

Sie gehorchte, doch man konnte an ihren Augen sehen, wie sie gegen seinen Willen ankämpfte. Als sie ihr Kleid aufgeknöpft hatte, war ihr Gesicht tränenüberströmt von den Schmerzen, die ihr der innere Kampf verursacht hatte.

Grinsend beugte er sich vor und schob ihr das Kleid mit einem Ruck bis zur Taille herunter. Dann riss er ihr Unterhemd auf und entblößte ihren Oberkörper, ihre üppigen Brüste, den weichen Bauch.

Er spürte, wie er steif wurde, aber seine Blutgier war stärker als sein sexuelles Verlangen. Obwohl ihre Halsschlagader verlockend pochte, wurde sein Blick unwiderstehlich von ihren schweren Brüsten angezogen, die in der ruckelnden Kutsche hin und her schaukelten.

Er holte die Granatkette aus seiner Tasche und legte sie ihr um den Hals. Er sah, dass sie eine Gänsehaut bekam.

Es sah perfekt aus, wie kleine Blutstropfen auf ihrer Haut. Jetzt gehörte sie ihm!

Er lockerte seinen mentalen Griff so weit, dass sie wimmern konnte. Da verlor er die Beherrschung, packte sie und biss gierig in ihre Brust.