27

Sara fühlte sich benommen. Empfindungen und Gefühle peitschten stakkatoartig durch sie hindurch, während sie herauszufinden versuchte, was gerade geschehen war. Alexander war noch immer in ihr, hart und pulsierend, und doch blieb ihr Blick auf die Wunde an seinem Handgelenk gerichtet.

»Was ist passiert?«, fragte sie und leckte sich die Lippen, während ihr Geist Bilder heraufbeschwor, wie sie diese Wunde selbst schloss.

»Das ist nicht gut.«

»Was?«

»Es funktioniert nicht. Dein Blut. Ich muss es haben.« Er zog sich keuchend aus ihr zurück, die Augen kirschschwarz und räuberisch.

Sie fror ohne ihn so sehr. »Im Käfig, das Fleisch …«

»Es ist zu spät.« Er wich zurück. »Das wird mich jetzt nicht mehr zurückhalten. Etwas ist geschehen. Etwas wurde ausgelöst.« Er schüttelte den Kopf. »Dies war … ein Fehler.« Er beugte sich jäh vornüber und keuchte. »Verdammt.«

Sie wollte zu ihm.

»Nein!«

Er wandte sich mit lodernden Augen zu ihr um. Sein Blick heftete sich auf ihre Brüste, auf ihre noch immer harten und von seinem Kuss glänzenden Brustwarzen. Dann senkte er den Blick, zu den Locken zwischen ihren Oberschenkeln, die nass waren von seinem Saft. Seine Fänge wurden wieder sichtbar, und er stieß einen gequälten Schrei aus. »Geh. Zurück in dein Zimmer. Jetzt. Bevor ich dich aussauge.«

Tränen brannten in ihren Augen. Sie packte ihre Kleidung und lief davon. Sie hoffte, dass sie in die richtige Richtung lief und war erschöpft und dankbar, als sie die Treppe und die Tür zum Haupthaus sah. Sie zog sich am Fuß der Treppe in Blitzgeschwindigkeit an und stürmte dann hinauf und durch die Tür.

Dort stand ihr Dillon mit unergründlicher Miene unmittelbar im Weg. »Haben Sie Spaß gehabt?«

»Fick dich«, stieß Sara hervor, drängte sich an ihr vorbei auf die nächste Treppe zu und wünschte, sie wäre Evans nie gefolgt. Gleichzeitig hoffte sie aber auch, Alexander käme ihr nach. Gott, wie töricht. Als sie zu ihrem Zimmer gelangte, war der Zorn zu etwas abgeflaut, das herzzerreißender Verzweiflung ähnelte. Ihr Körper fühlte sich so leer an, ihr Mund so trocken. Was, zum Teufel, geschah mit ihr? Sie presste ihren Kopf gegen das Holz und lauschte auf den Herzschlag in ihrer Kehle. Das Blut. Sein Blut. Mist. Hatte sie in ihnen beiden etwas ausgelöst, indem sie es aufgenommen hatte? Nur diese winzigen Tropfen?

Sie hob die Hände, die Handflächen an die Tür gelegt. Oh Gott, sie roch ihn. Er war ihr nahe. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Nein, nein. Sie stieß sich von der Tür ab und lief wieder den Flur entlang. Hinauf. Sie musste hinauf. Atemlos nahm sie immer zwei Stufen der Treppe auf einmal. Oben wandte sie sich um und lief auf sein Zimmer zu. Aber etwas ließ sie jäh innehalten – eine Gestalt, die in der Nähe der Wand hockte. Sie ging langsam darauf zu und erkannte, je näher sie kam, dass es Alexander war. Er hockte vor Bronwyns Tür, eine Hand um den Türgriff. Er wirkte verzweifelt, verheert, wie ein verletztes Tier.

Tränen schossen Sara in die Augen, und sie schüttelte den Kopf. »Tu es einfach.«

Er sah zu ihr hoch, die Augen unnatürlich, von einer Leidenschaft erfüllt, die nichts mit Sex zu tun hatte. »Du verstehst nicht«, stieß er rau hervor.

»Nein?« Sie trat näher, bis ihre Füße fast seine berührten. »Dann erkläre es mir.«

»Der Hunger ist zu stark.« Er verdrehte die Augen, während er in die Luft schnupperte. »Was zwischen uns geschehen ist … ich habe mich jetzt nicht mehr unter Kontrolle.«

»Du willst also mich ficken und dich von ihr nähren.«

»Nein.« Er zitterte, und seine Muskeln verkrampften sich. »Ich will nur dich.«

Sie sah zu ihm hinab und flüsterte das Wort: »Unmöglich.«

»Sara …«

»Erinnerst du dich an dieses Wort? Unmöglich? So hast du über uns gedacht.«

Bevor sie die Gelegenheit hatte, auch nur einen weiteren Atemzug zu tun, streckte Alexander die Hände aus, packte ihre Handgelenke und zog sie zu sich herab. Er betrachtete sie, jeden Zentimeter ihres Gesichts, dann sah er ihr tief in die Augen. Seine Worte hatten eine gewisse Schärfe. »Ich will nichts mehr, als wieder in dir sein, so tief, dass du kaum atmen kannst.« Er lag vielleicht auf den Knien, aber er war noch immer ein Wesen, das man fürchten konnte. »Ich will von dir trinken, während ich dich immer wieder zum Höhepunkt bringe.« Er packte sie fester, sein Mund kam näher, war nur noch Zentimeter von ihrem entfernt. »Aber wenn ich mich von dir nähre, werde ich nicht mehr aufhören können – so lange nicht, bis ich jeden Tropfen deines Blutes getrunken habe, bis dein Herz nicht mehr schlägt. Bei allem, was dir auf dieser Welt wichtig ist – willst du dieses Risiko bereitwillig eingehen?«

Sara hielt den Atem an, und Tränen rannen ihr über die Wangen, während sie mit dem Versprechen, das sie vor langer Zeit gegeben hatte, gegen die Begierde ihres Körpers und ihres Herzens ankämpfte.

»Willst du es?«, forderte er rau zu wissen.

Sie schüttelte den Kopf.

Er beugte sich vor und streifte mit seinen Lippen ihre. »Unmöglich.«

Sara entzog sich ihm. »Ich kann nicht hierbleiben.«

»Sara.«

»Ich werde nicht hierbleiben und zusehen, wie du ins Zimmer einer anderen Frau gehst und dich von ihr nährst.« Sie wich zurück, und Tränen liefen weiterhin ihre Wangen hinab. »Ich bin eine Närrin, aber keine Masochistin.«

»Es ist nur Nahrung«, rief er ihr hinterher. »Es ist nichts. Es ist so, als würdest du in die Küche gehen und ein Steak aus dem …«

»Nein!« Sie schüttelte den Kopf. »Ist es nicht.«

Sie wandte sich um und ging davon. Sie würde nicht zurückblicken. Wenn sie erst sah, wie Bronwyn die Tür öffnete und ihn berührte … sie war sich nicht sicher, was sie tun würde. Sie konnte es unmöglich leugnen. Seit sie Alexanders Blut aufgenommen hatte, war in ihr eine Veränderung vorgegangen – genau wie er es gesagt hatte. Aber die Veränderung bedeutete nicht, dass sie schon eine Imiti war – jedenfalls noch nicht. Sie war lediglich zu einer Frau geworden, die keine Probleme mit der Vorstellung hatte, ihre Faust ins Gesicht jedes Wesens zu rammen, das ihrem Vampir zu nahe kam.

Sie lief los und hielt erst wieder inne, als sie in ihrem Zimmer war. Sie packte hastig ihre Sachen – die nasse Zahnbürste zu der trockenen Unterwäsche, es kümmerte sie nicht. Sie musste gehen. Die Gefahr im Haus war gerade größer geworden als die Gefahr, die draußen auf sie wartete.

Sie verließ den Raum mit den Taschen in der Hand und ging den Flur hinab, wobei sie betete, dass sie auf dem Weg nach draußen keinem Wesen mit Fängen begegnete.